TE OGH 1978/11/16 12Os163/78

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Veröffentlicht am 16.11.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. November 1978

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter, sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schnattinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz A wegen des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1, zweiter Deliktsfall, StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 27. Juli 1978, GZ. 27 Vr 1567/77-40, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung, sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Heidelinde Blum, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Die Berufung des Angeklagten wird zurückgewiesen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird nicht Folge gegeben. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 29. Jänner 1955 geborene Metzgergeselle Franz A des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB (strafbar nach dem zweiten Strafsatz dieser Gesetzesstelle) schuldig erkannt. Darnach liegt ihm zur Last, am 3. Mai 1977 in Innsbruck durch die Behauptung vor Beamten der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Tirol, er habe keinen Zweifel daran, daß Walter B die (am 12. April 1977 eines wahrscheinlich gewaltsamen Todes verstorbene) Anneliese C umgebracht und daß (deren Gatte) Kurt C ihn (B) für die Tötung bezahlt habe, die Genannten des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB falsch verdächtigt und damit der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt zu haben, obwohl er wußte, daß die Verdächtigung falsch war.

Mit seiner gegen dieses Urteil erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde macht der Angeklagte die Nichtigkeitsgründe nach Z 4 und Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO geltend.

Der erstbezeichnete Nichtigkeitsgrund wird darin erblickt, daß das Schöffengericht die während der Hauptverhandlung vom Beschwerdeführer bzw. von seinem Verteidiger gestellten Anträge abwies, Kurt C als Zeugen vor dem erkennenden Gericht zu vernehmen und das Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen über die Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten einzuholen.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge ist in keiner Richtung berechtigt. Seinen Antrag auf Gegenüberstellung mit dem von ihm als 'Hauptbelastungszeugen' bezeichneten Kurt C hatte der Angeklagte damit begründet, daß solcherart geklärt werden müsse, ob C ihn und ob er (der Angeklagte) die Anneliese C kannte oder nicht (S. 138). Dem erwähnten Umstand kommt aber, wie das Erstgericht in seinem Zwischenerkenntnis (S. 139) zutreffend aussprach (und in der Urteilsbegründung /S. 151/152/ ergänzend darlegte), keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Verteidigungsrechte des Angeklagten wurden daher durch die gerügte Abweisung des gestellten Beweisantrages nicht beeinträchtigt. Der Beschwerdeführer konnte eine solche Beeinträchtigung gar nicht aufzeigen (vgl. S. 158). Einer psychiatrischen Untersuchung des Geisteszustandes eines Beschuldigten (Angeklagten) bedarf es, wenn - auf Grund objektiver Momente bei gewissenhafter Prüfung - Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit entstehen (§ 134 Abs. 1 StPO). Derartige Zweifel waren jedoch im vorliegenden Fall nicht angebracht. Denn die vom Verteidiger diesbezüglich vorgebrachten Tatsachen (S. 139 - 140) waren bereits in einem im Verfahren 27 Vr 510/77 des Landesgerichtes Innsbruck im März 1977 erstatteten psychiatrischen Sachverständigengutachten (ON 20 der zitierten Vorstrafakten) gewürdigt worden, demzufolge es sich bei dem Angeklagten zwar um einen Psychopathen mit aggressiven und asozialen Zügen handelt, an dessen Zurechnungsfähigkeit jedoch nicht zu zweifeln ist. Für eine andere Beurteilung seines Geisteszustandes zur Zeit der nunmehr inkriminierten Tat (vom 3. Mai 1977) und in bezug auf seine strafrechtliche Verantwortlichkeit für diese fehlt jedes Indiz. Einer (neuerlichen) psychiatrischen Begutachtung des Angeklagten für das vorliegende Strafverfahren bedurfte es unter diesen Umständen nicht.

Unter Berufung auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO macht der Beschwerdeführer geltend, sein Verhalten erfülle zumindest in bezug auf Kurt C nicht den Tatbestand der Verleumdung, weil Kurt C im Zusammenhang mit dem Tod seiner Ehefrau bereits außer Verdacht gewesen und durch die inkriminierte Beschuldigung keiner Gefahr einer behördlichen Verfolgung mehr ausgesetzt worden sei. Auch die Rechtsrüge erweist sich als nicht stichhältig. Tatbestandsmäßig im Sinne des hier in Rede stehenden Deliktsfalles des § 297 Abs. 1 StGB handelt, wer einen anderen dadurch vorsätzlich der Gefahr behördlicher Verfolgung aussetzt, daß er ihn eines mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Offizialdeliktes falsch verdächtigt und weiß (§ 5 Abs. 3 StGB), daß die Verdächtigung falsch ist. Hiebei genügt es, daß die Handlungsweise des Täters nach Lage des Falles den Verleumdeten, wenn auch nur kurzfristig, der (konkreten) Gefahr einer behördlichen Verfolgung - und sei es auch bloß in Form von der Aufklärung des Verdachts dienenden Vorerhebungen - aussetzt; daß es zu einer behördlichen Verfolgung wirklich kommt, wird vom Gesetz nicht verlangt (EvBl. 1976/253; Dokomentation zum StGB S. 232). Nun trifft es nach den Urteilsfeststellungen zu, daß sich die von der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Tirol auf Grund der durch den Angeklagten vorgebrachten (bewußt falschen) Verdächtigung unternommenen Erhebungen zunächst darauf richteten, ob Walter B für die Begehung der ihm (als Mord) angelasteten Tat (überhaupt) in Betracht komme. Gerade der Umstand, daß solche Erhebungen zur Aufklärung des vom Angeklagten (fälschlich) geäußerten Verdachts gegen Walter B tatsächlich durchgeführt wurden, macht es aber deutlich, daß auch für Kurt C, der vom Angeklagten in diesem Zusammenhang verdächtigt worden war, B zur Ausführung der diesem angedichteten Tat bestimmt (und dafür bezahlt) zu haben, die konkrete Gefahr behördlicher Verfolgung vorerst bestand. Daran vermag es nichts zu ändern, daß Kurt C im Verlauf der von der Kriminalabteilung sofort nach der Auffindung der Leiche seiner Ehefrau durchgeführten Erhebungen bereits (als Auskunftsperson) vernommen worden war (S. 67 der Akten 32 Vr 1436/77 des Landesgerichtes Innsbruck) und sich dabei konkrete Verdachtsgründe gegen ihn nicht ergeben hatten. Denn es war nach dem damaligen Stand der Erhebungen keineswegs schon die Haltlosigkeit der gegen ihn vom Angeklagten ausgesprochenen Verdächtigung derart offenkundig, daß nicht einmal von der Wahrscheinlichkeit einer (neuerlichen) Verdachtsprüfung gegen ihn hätte gesprochen werden und sohin von vornherein die Gefahr behördlicher Verfolgung seiner Person hätte ausgeschlossen werden können (vgl. SSt. 46/39). Kurt C war vielmehr der in Rede stehenden Gefahr vorerst ausgesetzt, bis die eingeleiteten Erhebungen ergaben, daß Walter B, da er sich (schon) zur Tatzeit in Strafhaft befunden hatte, die ihm vom Angeklagten angedichtete - nach dessen weiterer Behauptung von Kurt C angestiftete - Tat gar nicht begangen haben konnte. Demnach haftet dem angefochtenen Urteil auch der behauptete Rechtsirrtum nicht an, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war.

Der Angeklagte meldete nach der Urteilsverkündung am 27. Juli 1978 durch seinen Verteidiger (lediglich) die Nichtigkeitsbeschwerde, der öffentliche Ankläger die Berufung an (S. 141). Die am 17. August 1978 bei Gericht überreichte Rechtsmittelschrift des Angeklagten (ON 42) enthält auch eine Berufungsausführung. Da sich die Berufung unter den aufgezeigten Umständen als verspätet erweist, war sie zurückzuweisen (§ 294 Abs. 1 und 4 in Verbindung mit 284 Abs. 1 StPO).

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten unter Bedachtnahme gemäß den § 31 und 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 14. Juni 1977

(rechtskräftig seit 15. März 1978), GZ 27 Vr 510/77-52, mit welchem der Genannte zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt worden war, eine Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die Vorstrafen, das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen sowie die als Wiederholung zu beurteilende Verleumdung, da das schon zitierte Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 14. Juni 1977, auf welches gemäß den § 31 und 40 StGB Bedacht zu nehmen war, gleichfalls einen Schuldspruch wegen Verleumdung enthält. Hingegen nahm das Schöffengericht keinen Milderungsumstand an. Mit ihrer Berufung strebt die Staatsanwaltschaft die Verhängung einer höheren Zusatzstrafe an. Sie vermeint, daß die Strafzumessungsgründe zwar richtig angeführt wurden, jedoch im Hinblick auf die Verleumdung von zwei Personen wegen des 'schwersten aller Delikte', nämlich Mordes, eine höhere Zusatzstrafe auszusprechen gewesen wäre.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Der Staatsanwaltschaft ist zwar zuzugeben, daß die Verleumdung wegen eines der schwersten Delikte zwei Personen betraf. Die Folgen der (Verleumdungs-)Tat waren allerdings gering, weil die Nachforschungen der Sicherheitsbehörden nach kurzer Zeit eingestellt und die beiden Verleumdeten dadurch in ihrer Lebensführung nicht beeinträchtigt wurden. Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, vermeint der Oberste Gerichtshof, daß bei gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung über alle dem vorliegenden Urteil und jenem vom 14. Juni 1977 zugrunde liegenden Taten des Angeklagten eine höhere als fünfjährige Freiheitsstrafe nicht verhängt worden wäre.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft war demnach ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruche zitierte Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01598

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0120OS00163.78.1116.000

Dokumentnummer

JJT_19781116_OGH0002_0120OS00163_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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