TE OGH 1979/1/30 9Os202/78

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Veröffentlicht am 30.01.1979
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Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Jänner 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Faseth, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schmelcher als Schriftführer in der Strafsache gegen Dragan A wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 4 StGB über die von der Generalprokuratur gegen die Strafverfügung des Strafbezirksgerichtes Wien vom 25.August 1977, GZ. 13 U 666/77-5, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak und der Ausführungen des Generalanwalts Dr. Knob, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Strafverfügung des Strafbezirksgerichtes Wien vom 25.August 1977, GZ. 13 U 666/77-5, mit der über Dragan A wegen Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 4 StGB eine Geldstrafe verhängt wurde, und deren Zustellung an ihn verletzen das Gesetz in den Bestimmungen des § 61 StPO und des Art. 37 Abs. 2 des Wiener übereinkommens über Diplomatische Beziehungen, BGBl. Nr. 66/1966.

Diese Strafverfügung und alle darauf beruhenden Anordnungen und Verfügungen, insbesondere die Endverfügung vom 25.Oktober 1977 (S. 44 d.A.), werden aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, gemäß dem Gesetz zu verfahren (§ 61, 452 Z. 2 StPO; vgl. auch Z. 19 StrafRHE.).

Text

Gründe:

I/ Mit Strafverfügung des Strafbezirksgerichtes Wien vom 25.August 1977, GZ. 13 U 666/77-5, wurde über den jugoslawischen Staatsbürger Dragan A wegen Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 4

(erster Deliktsfall) StGB eine Geldstrafe verhängt, weil er am 6. April 1977 in Wien als Lenker eines PKWs. beim Linkseinbiegen infolge Nichtbeachtung des Vorranges des (ihm entgegenkommenden, seine Fahrtrichtung beibehaltenden) Mopedfahrers Peter B (§ 19 Abs. 5 StVO.), wodurch es zum Zusammenstoß mit dem Moped kam, dessen Lenker fahrlässig am Körper (dem Grade nach) schwer verletzt hatte. Diese Dragan A am 6.Oktober 1977 zugestellte Strafverfügung erwuchs in Rechtskraft.

Dragan A war, wie sich zum Teil erst nachträglich herausstellte, Inhaber eines jugoslawischen Dienstpasses und zur Zeit dieses Verkehrsunfalles Mitglied des Verwaltungs- und technischen Personals der Botschaft der Sozialistischen Förderativen Republik Jugoslawien in Österreich. Er war am 9.Mai 1976 in das Inland eingereist, zuvor nie in Österreich ansässig und versah seither bei der vorgenannten Botschaft seinen Dienst (S. 41 und 55 d.A.).

Rechtliche Beurteilung

II/ Die eingangs angeführte, in ihren Rechtswirkungen einem Urteil gleichkommende Strafverfügung des Strafbezirksgerichtes Wien steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gemäß § 61 StPO unterstehen die beim Bundespräsidenten beglaubigten auswärtigen Gesandten und ihr eigentliches Gesandtschaftspersonal sowie die Haus- und Dienstleute dieser Gesandten, die zugleich Angehörige des Staates sind, dem der Gesandte angehört, nicht der österreichischen Gerichtsbarkeit. Die in dieser Gesetzesstelle behandelte sogenannte diplomatische Immunität erstreckt sich auch auf die Botschafter, die gleichfalls unter den hier verwendeten Begriff 'Gesandte' fallen, und demgemäß auch auf das dem Absendestaat angehörige Botschaftspersonal. Art. 37 Abs. 2 des Wiener übereinkommens über Diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961, BGBl. Nr. 66/1966, bestimmt, daß Mitglieder des Verwaltungs- und technischen Personals der Mission (und die zu ihrem Haushalt gehörigen Familienmitglieder), wenn sie weder Angehörige des Empfangsstaates noch in demselben ständig ansässig sind, die in den Art. 29

bis 35 (dieses übereinkommens) bezeichneten Vorrechte und Immunitäten, demnach auch die im Art. 31 Abs. 1 dieses übereinkommens vorgesehene Immunität von der Strafgerichtsbarkeit des Empfangsstaats genießen.

Dragan A fällt als Angehöriger des Verwaltungsund technischen Personals der jugoslawischen Botschaft in Österreich jedenfalls unter den gemäß § 61 StPO nicht der österreichischen Strafgerichtsbarkeit unterliegenden Personenkreis. Da er nach dem Vorgesagten noch am Tage seiner Einreise ins Inland seinen Dienst bei der genannten Botschaft angetreten hatte und zuvor nie in Österreich ansässig war, erfüllt er aber auch die Voraussetzungen des Art. 37 Abs. 2 des Wiener übereinkommens über Diplomatische Beziehungen, sodaß ihm auch nach dieser gesetzlichen Bestimmung Immunität von der inländischen Strafgerichtsbarkeit zukommt; denn die dort angeführte, den Ausschluß von der vorerwähnten Immunität bewirkende Voraussetzung einer ständigen Ansässigkeit im Inland (Empfangsstaat) liegt wohl dann nicht vor, wenn - so wie vorliegend Dragan A - das betreffende Mitglied des Verwaltungs- und technischen Personals der Mission nur aus Anlaß seines Dienstes in das Inland eingereist ist und sich hier nur für die Dauer seines Dienstes aufhält.

Da somit Dragan A sowohl nach § 61 StPO als auch nach Art. 37 Abs. 2 des Wiener übereinkommens über Diplomatische Beziehungen Immunität von der inländischen Strafgerichtsbarkeit genießt, erübrigt sich eine Erörterung der verschiedentlich aufgeworfenen Frage (vgl. Foregger-Serini, Anmerkung II zu § 61 StPO), ob und inwieweit § 61 StPO durch die (späteren), auf Gesetzesstufe stehenden internationalen Abkommen, zu denen auch das in Rede stehende Wiener übereinkommen über Diplomatische Beziehungen gehört, im Sinne einer Einschränkung der Immunitätsrechte (materiell) derogiert wurde.

Die Erlassung und Zustellung der eingangs zitierten Strafverfügung durch das Strafbezirksgericht Wien, die sich nach dem Vorgesagten als unzulässige Ausübung der inländischen Strafgerichtsbarkeit gegen den nach den beiden vorerwähnten Gesetzesstellen diplomatische Immunität genießenden Dragan A darstellen, begründen demnach eine sich zu dessen Nachteil auswirkende Verletzung des Gesetzes in den genannten Bestimmungen.

Es war demnach in Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes spruchgemäß zu erkennen.

Anmerkung

E01742

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00202.78.0130.000

Dokumentnummer

JJT_19790130_OGH0002_0090OS00202_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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