TE OGH 1979/2/26 9Os15/79

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Veröffentlicht am 26.02.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schmelcher als Schriftführer in der Strafsache gegen Renate Maria A wegen des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 und Abs. 2 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten und die Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 1.Dezember 1978, GZ. 6 Vr 934/78-23, den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

über die Berufungen wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 30.April 1958 geborene Serviererin Renate Maria A wegen des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 und Abs. 2 StGB schuldig gesprochen, weil sie am 23.August 1977 vor dem Bezirksgericht Raab in der Rechtssache des minderjährigen Martin A gegen Alois B wegen Feststellung der unehelichen Vaterschaft und Leistung des Unterhaltes zu C 139/77 des Bezirksgerichtes Raab als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache durch die Angabe 'Ich weiß sicher, daß ich in der kritischen Zeit vom 5.8. bis 5.12.l976 nur mit dem Beklagten Geschlechtsverkehr hatte' eine falsche Beweisaussage unter Eid abgelegt hat. Nach den wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes ist Renate Maria A die Mutter des am 3.Juni 1977 unehelich geborenen Kindes Martin A. Am 8.August 1977 erhob die Bezirkshauptmannschaft Schärding/Inn als gesetzlicher Vertreter dieses Kindes beim Bezirksgericht Raab (OÖ.) die Klage gegen die beklagte Partei Alois B wegen Feststellung der unehelichen Vaterschaft und Leistung des Unterhaltes (AZ. C 139/77). Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und wandte ein, in der kritischen Zeit mit der Angeklagten keinen Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Die Angeklagte sagte als Zeugin vernommen nach Vorhalt des § 321 ZPO.

unter Eid aus: 'Ich weiß sicher, daß ich in der kritischen Zeit vom 5.8. bis 5.12.1976 nur mit dem Beklagten Geschlechtsverkehr hatte.'

Diese Aussage war objektiv unrichtig, weil Alois B als Zeuger des klägerischen Kindes ausgeschlossen war, wie sich - insbesonders - aus den serologischen Paternitätsgutachten des Facharztes Wirkl. Hofrat Dr. Hermann C und des Vorstandes des Institutes für Blutgruppenserologie der Universität Wien Prof.Dr. Paul D ergibt. Die Angeklagte war sich der Unrichtigkeit ihrer beeideten Aussage als Zeuge bewußt.

Diesen Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit einer auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 4

StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Der Strafausspruch wird von der Angeklagten und von der Staatsanwaltschaft mit Berufung angefochten.

Mit Nichtigkeitsbeschwerde rügt die Angeklagte die Abweisung ihres Antrages auf Einholung eines erbbiologischanthropologischen Gutachtens, sobald das Kind zumindest das 3. Lebensjahr erreicht hat. Sie meint, daß nach dem Kontroll- und Ergänzungsgutachten des Prof. Dr. Paul D vom 15.November 1978 auf Grund dieser wissenschaftlichen Untersuchungsmethode zwar von ca. 10.000 Männern 9.998 die Chance haben, serologisch als Nichtväter erkannt zu werden, daß aber bei einem geringen Prozentsatz, nämlich bei 0,02 Prozent diese Chance nicht gegeben sei. Da die Angeklagte mit Sicherheit aussagte, daß sie mit keinem anderen Mann geschlechtlich verkehrt hat, wäre bei dem Unsicherheitsfaktor der Untersuchungsmethode ein erbbiologisch-anthropologisches Gutachten und zu diesem Zwecke auch die Unterbrechung des Verfahrens zumindest bis zum 3. Lebensjahr des Kindes erforderlich gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund haftet dem Verfahren nicht an.

Das Erstgericht hat auf Grund der übereinstimmenden Gutachten der Sachverständigen Dr. C und Dr. D den Ausschluß des Alois B als Vater dieses Kindes als erwiesen angenommen und ist daher zu dem Schluß gekommen, daß die Aussage der Mutter, sie habe mit keinem anderen Mann in der fraglichen Zeit geschlechtlich verkehrt, (bewußt) falsch war. Es schied einen Irrtum oder eine Verwechslung bei den wiederholten serologischen Gutachten aus und folgte der Meinung der Sachverständigen, daß auch der Austausch des Blutes des Kindes keinen Einfluß auf die Beweiskraft der Gutachten hatte. Es stützte seine Beweiswürdigung jedoch nicht nur auf diese übereinstimmenden Sachverständigengutachten, sondern auch auf die für glaubhaft angesehene Aussage des Zeugen Alois B und schenkte auf Grund des persönlichen Eindruckes, den die Angeklagte machte, ihrer Verantwortung keinen Glauben.

Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. D - auf das sich auch die Nichtigkeitsbeschwerde stützt -

haben unter 10.000 Männern unserer Bevölkerung auf Grund der an Kindesmutter und Kind in dieser Strafsache ermittelten Erbmerkmaleverteilung ca. 9.998 die Chance, serologisch als Nichtväter erkannt zu werden. Aus diesen Ausführungen ergibt sich nur, daß in zwei Fällen von 10.000 ein Nachweis, daß der Beklagte nicht Vater des Kindes ist, nicht erbracht werden kann, nicht aber daß bei den anderen 9.998 Fällen ein Irrtum - von technischen Fehlern abgesehen - möglich wäre. Denn die eben erwähnte (Ausschluß-)Chance darf nicht mit dem Sicherheitsgrad des gegebenen serologischen Auschlusses verwechselt werden (EF-Slg. 29.139). Alois B ist darnach als leiblicher Vater des minderjährigen Martin A auszuschließen. Die serologischen Untersuchungen wurden von anerkannten Sachverständigen mehrfach durchgeführt. Eine Verwechslung des Blutes oder sonstige Fehler bei der Befundung wurden im vorliegenden Fall vom Erstgericht ausgeschlossen. Nach dem Stand und der Erfahrung der medizinischen Wissenschaft ist die Verläßlichkeit eines Zeugungsausschlusses auf Grund serologischer Gutachten der hier vorliegenden Art (Haptoglobin-Typen im Blutserum und HLA-System), wenn auf sicheren Befunden beruhend, so groß, daß sie praktisch der Sicherheit gleichkommt. Einen so hohen Grad von Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit der Vaterschaft kann ein anthropologischerbbiologisches Gutachten nie erreichen. Ein solches Gutachten - abgesehen davon, daß es wegen des Alters des am 3. Juni 1977 geborenen Kindes derzeit nicht mit Aussicht auf Erfolg durchgeführt werden könnte - kann somit die vorliegenden Ausschlußgutachten auf Grund der Erbmerkmaleverteilung (Mischerbigkeitsausschluß in zwei verschiedenen Merkmalssystemen) nicht widerlegen (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer, Entscheidungen 79 bis 93 zu § 118 StPO und 25 cc, 25 ccc zu § 281 Z. 4 StPO; insbes. SSt. 30/108 und EvBl. 1961/319; zum Sicherheitsgrad der Ausschlüsse nach den Haptoglobin-Typen und dem HLA-System seither zusammenfassend J. Herbich in RZ. 1975 S. 129 f., 142 f.). Im übrigen hat das Schöffengericht seine Feststellungen nicht allein auf die serologischen Ausschlußgutachten gestützt, sondern auch auf andere, der freien Beweiswürdigung unterliegende Verfahrensergebnisse, und zwar auf die Aussage des Zeugen Alois B und den Eindruck, den die Angeklagte bei ihrer Vernehmung auf das Gericht machte.

Bei dieser Sachlage wurden durch die Abweisung des Antrags auf Durchführung eines erbbiologisch-anthropologischen Gutachtens Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt.

Gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO war daher die Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung als offenbar unbegründet zurückzuweisen.

über die Berufungen wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Anmerkung

E01868

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00015.79.0226.000

Dokumentnummer

JJT_19790226_OGH0002_0090OS00015_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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