TE OGH 1979/3/14 1Ob531/79

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Veröffentlicht am 14.03.1979
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Norm

AO §8
AO §10
EO §379

Kopf

SZ 52/39

Spruch

Einstweilige Verfügungen sind auch nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens zulässig; so kann zur Sicherung des Anspruches der gefährdeten Partei Veräußerungen von beweglichen Sachen, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb des Ausgleichsschuldners gehören, von der Zustimmung des Ausgleichsverwalters abhängig gemacht werden OGH 14. März 1979, 1 Ob 531/79 (LGZ Graz 4 R 558/78; BG Deutschlandsberg C 272/78)

Text

Über das Vermögen der Gegnerin der gefährdeten Partei (Antragsgegnerin), die sich u. a. mit dem Export von Rund- und Schnittholz befaßt, wurde mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 14. November 1978, 21 Sa 14/78, das Ausgleichsverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. Max V zum Ausgleichsverwalter bestellt. Persönlich haftender Gesellschafter der Antragsgegnerin ist Maximilian G, Kaufmann in D. Dessen gleichnamiger Sohn Dr. Maximilian G ist einzelzeichnungsberechtigter Präsident des Verwaltungsrates der im Handeslsregister des Fürstentums Liechtenstein zu H 459/9 eingetragenen Firma E, mit dem Sitz in V.

Die gefährdete Partei (Antragstellerin) beantragte am 5. Dezember 1978 - also nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens - die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, womit zur Sicherung ihres Anspruches auf Zahlung von mindestens 41 220 198.56 S samt Anhang ihrer Gegnerin verboten werde I. die in ihrem Eigentum stehenden, in D befindlichen beweglichen körperlichen Sachen, insbesondere Holzbestände an die Firma E, Herrn Dr. Maximilian G und die Firma L zu veräußern und überhaupt Holz ohne Zustimmung des Ausgleichsverwalters in das Ausland zu verbringen, mit der Wirkung, daß eine verbotswidrige Veräußerung ungültig sei und II. über ihre gegenüber der Firma E zustehende Forderung im Betrage von 31 800 000 S zu verfügen, insbesondere diese Forderung ganz oder teilweise einzuziehen und an diese Firma den Befehl zu richten, bis auf weitere gerichtliche Anordnung das dem Gegner der gefährdeten Partei aus dem oben bezeichneten Anspruch Geschuldete nicht zu bezahlen noch sonst etwas zu unternehmen, was die Hereinbringung der Geldforderung der gefährdeten Partei vereiteln oder erheblich erschweren könnte. Sie begrundete diesen Antrag damit, daß die Antragsgegnerin mit der Firma E, einer "Postkastenfirma", die durch den Sohn des Komplementärs der Antragsgegnerin repräsentiert werde, große Holzlieferungsverträge abgeschlossen habe; das Holz werde vom Lagerplatz der Antragsgegnerin laufend ins Ausland abtransportiert, doch flössen die Gegenleistungen nicht der Antragsgegnerin, sondern der E zu.

Das Erstgericht gab diesem Antrag statt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin teilweise Folge. Es verbot ihr, die in ihrem Eigentum stehenden, in D, auf der Betriebsliegenschaft befindlichen beweglichen körperlichen Sachen, insbesondere Holzbestände, ohne Zustimmung des Ausgleichsverwalters ins Ausland zu veräußern und zu verbringen, mit der Wirkung, daß eine verbotswidrige Veräußerung ungültig sei, und sprach aus, daß die einstweilige Verfügung nicht vollzogen und die schon vollzogene Verfügung auf Antrag des Gegners der gefährdeten Partei aufgehoben werde, wenn dieser mit Zustimmung des Ausgleichsverwalters 41 220 198.56 S bei Gericht erlege. Das Mehrbegehren der gefährdeten Partei, ihrer Gegnerin werde überdies verboten, die in ihrem Eigentum stehenden, auf der Betriebsliegenschaft befindlichen beweglichen körperlichen Sachen, insbesondere Holzbestände, an die Firma E, an Dr. Max G und die Firma L (auch mit Zustimmung des Ausgleichsverwalters) zu veräußern, wies es - in Verdeutlichung der erstgerichtlichen Entscheidung - ab. Außerdem wies es das hinsichtlich der Forderung gegen die E in Höhe von 31 800 000 beantragte Verfügungs- und Drittverbot ab und überwies die Rechtssache gemäß § 44 Abs. 1 JN an das Bezirksgericht B.

Die Vorinstanzen nahmen folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Die Konten der Antragsgegnerin bei der Antragstellerin wiesen mit 4. Dezember 1978 Schuldenstände von 5 343 944.37 S und 53 220 198.56 S zusammen daher 58 564 142.93 S auf. Die Firma E verkaufte an die Firma L 16 000 m3 Schnittholz Fichte-Tanne zum Preis von 31 800 000 S. Bei dem Holz handelt es sich um Bestände der Antragsgegnerin, die für den Export bestimmt sind. Vom Lagerplatz der Antragsgegnerin wird laufend Rundholz nach Rijeka transportiert, um dort in den Nahen Osten verschifft zu werden. Es liegen Abschlüsse mit verschiedenen ausländischen Firmen vor. Die Antragsgegnerin wies ihren Vermögensstatus im Ausgleich wie folgt aus: Rohmaterial 13 451 728 S, Lagerbestände 8 311 375.60 S Forderungen der Pfandgläubiger 17 343 944.37 S, Ausgleichsgläubiger 64 892 614.17 S.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß die Antragstellerin nicht nur ihren Anspruch, sondern auch die Gefahr bescheinigt habe, daß ihre Gegnerin durch Transaktionen mit einer liechtensteinischen Firma und die Verbringung des Holzes in das Ausland den Anspruch der gefährdeten Partei vereitle oder doch sehr erheblich beeinträchtige. Es bestehe der dringende Verdacht, daß während des anhängigen Ausgleichsverfahrens durch Manipulationen über eine Liechtensteinische Firma, in der ein Familienmitglied des Komplementärs der Antragsgegnerin bestimmenden Einfluß ausübe, die zur Deckung der Forderungen der Ausgleichsgläubiger und Pfandgläubiger vorhandenen Vermögenswerte beträchtlich vermindert würden.

Das Rekursgericht hielt ebenfalls für bescheinigt, daß die Antragsgegnerin Holzbestände ins Ausland transportiere und nicht über hinreichendes inländisches Vermögen verfüge, um die Ansprüche der gefährdeten Partei befriedigen zu können. Im Sinne des § 379 Abs. 2 Z. 1 und 2 EO sei daher bescheinigt, daß ohne die beantragte einstweilige Verfügung die Hereinbringung der Forderung der gefährdeten Partei erschwert würde. Die Eröffnung des Ausgleichsverfahrens stehe der Bewilligung der beantragten einstweiligen Verfügung nicht entgegen, sondern erwirke den der gefährdeten Partei als Gläubigerin zustehenden Schutz. Die mit der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens verbundenen Verfügungsbeschränkungen der Antragsgegnerin (§ 8 Abs. 2 AO) seien nicht so weitgehend wie jene, die durch die einstweilige Verfügung angeordnet worden seien. Durch diese seien Holzgeschäfte der Antragsgegnerin, die ja zu ihrem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehörten, auch dann an die Zustimmung des Ausgleichsverwalters gebunden, wenn dieser nicht ausdrücklich dagegen Einspruch erhebe. Diese weitergehende Bindung der Ausgleichsschuldnerin sei wegen der Gefährdung der Antragstellerin notwendig. Es sei jedoch klarzustellen gewesen, daß zu einem - dem Wortlaut des Provisorialantrages allenfalls zu entnehmenden - Verbot der Veräußerung von Holz an die Firmen L, E und Dr. Maximilian G auch mit Zustimmung des Ausgleichsverwalters kein Anlaß bestehe. Da die einstweilige Verfügung in dem bewilligten Umfang einem der gleichmäßigen Befriedigung aller Ausgleichsgläubiger dienenden Verkauf der Holzware in das Ausland unter Überwachung durch den Ausgleichsverwalter nicht entgegenstehe, sei auch der Einwand der Rekurswerberin, die bewilligte Verfügung mache die Erfüllung des Ausgleiches unmöglich, widerlegt. Da der Sitz des Drittschuldners im Fürstentum Liechtenstein liege und auch sonst jede für die Bewilligung des Drittverbotes relevante Inlandsbeziehung fehle, sei das beantragte Verbot mangels österreichischer Gerichtsbarkeit abzuweisen gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Vorausgeschickt sei, daß die Annahme einer subjektiven Gefährdung der Antragstellerin im Sinne des § 379 Abs. 2 Z. 1 und 2 EO von der Rechtsmittelwerberin an sich nicht mehr in Zweifel gezogen wird, so daß es genügt, zu dieser Frage auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen zu verweisen. Soweit die Revisionsrekurswerberin jedoch meint, daß dem Schutzbedürfnis der Antragstellerin durch die gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen des Ausgleichsverfahrens Genüge getan sei, kann ihr nicht gefolgt werden. Nach Lehre (Bartsch - Pollak[3] II, 98, 154; Wegan, 236) und Rechtsprechung (SZ 4/136; vgl. auch SZ 6/78) ist die Erlassung einstweiliger Verfügungen auch nach der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens zulässig. Für die Gefahrenbescheinigung gelten hiebei die allgemeinen Vorschriften. Die Tatsache der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens genügt hiezu nicht. Ob die beantragte einstweilige Verfügung wegen der Beschränkungen, denen der Ausgleichsschuldner während des Verfahrens unterliegt (§ 8 AO), entbehrlich ist (was Bartsch - Pollak[3] II, 98 "in der Regel" annimmt), kann nur von Fall zu Fall beurteilt werden.

Für die Erforderlichkeit zusätzlicher Sicherheitsmaßnahmen spricht jedenfalls, daß der Schuldner auch nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens handlungs- und verfügungsfähig bleibt und nur zur Vornahme von Geschäften, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetriebe gehören, der Zustimmung des Ausgleichsverwalters bedarf (§ 8 Abs. 2 AO; Bartsch - Pollak[3] II, 126; 4 Ob 518/74; 6 Ob 92/74; QuHGZ 1976, 142). Zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehörende Handlungen muß der Ausgleichsschuldner nur dann unterlassen, wenn der Ausgleichsverwalter dagegen Einspruch erhebt.

Rechtshandlungen, die der Schuldner entgegen den Bestimmungen des § 8 Abs. 2 AO ohne Zustimmung oder gegen den Einspruch des Ausgleichsverwalters vorgenommen hat, sind den Gläubigern gegenüber unwirksam, wenn der Dritte wußte oder wissen mußte, daß sie über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen und daß der Ausgleichsverwalter seine Zustimmung nicht erteilt oder daß der Einspruch gegen die Vornahme erhoben hat (§ 8 Abs. 3 AO).

Demgegenüber reichen die Wirkungen, die mit dem gerichtlichen Verbot der Veräußerung beweglicher Sachen verbunden sind, weiter. Eine verbotswidrige Veräußerung ist danach unwirksam, "dafern nicht der Erwerber infolge sinngemäßer Anwendung der §§ 367 und 456 ABGB oder durch die Vorschriften des Handelsgesetzbuches geschützt ist" (§ 379 Abs. 3 Z. 2 EO). Gerade der von der Rechtsmittelwerberin herausgestellte Umstand, daß die Grenzen zwischen den Geschäften, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören und jenen, die darüberhinausgehen, im gegenständlichen Fall sehr schwer zu ziehen seien, zeigt auf, daß der gefährdeten Antragstellerin durch die Bindung aller Auslandsverkäufe an die Zustimmung des Masseverwalters ein Schutz gewährt wird, der über den durch die Ausgleichseröffnung bewirkten gesetzlichen Schutz der Gläubiger hinausgeht. Ohne die bewilligte einstweilige Verfügung wäre die Gegnerin der gefährdeten Partei nicht nur in der Abwicklung gewöhnlicher Auslandsgeschäfte frei. Auch in darüber hinausgehenden Grenzfällen könnte sich der Dritte in aller Regel darauf berufen, daß er nicht wissen mußte, daß das Geschäft über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgegangen sei. Das Rekursgericht hat daher im konkreten Fall das Bedürfnis der gefährdeten Partei nach einem über die Wirkungen des Ausgleichsverfahrens hinausgehenden Schutz zutreffend bejaht.

Mit dem weiteren Einwand, die Bewilligung der einstweiligen Verfügung verletze den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger, verkennt die Revisionsrekurswerberin das Wesen einer derartigen Provisorialentscheidung, die lediglich der Sicherung künftiger Rechte dienen soll, dem Antragsteller aber kein dingliches Befriedigungsrecht gewährt und daher auch keine Priorität gegenüber anderen Gläubigern bewirkt. Da durch eine einstweilige Verfügung kein richterliches Pfand- oder Befriedigungsrecht erworben wird, steht auch § 10 AO nicht entgegen (Heller - Berger - Stix, 2692 ff.; SZ 4/136).

Die bewilligte Verfügung richtet sich nicht gegen den Ausgleichsverwalter, sondern verbietet dem Ausgleichsschuldner, bewegliche Sachen, insbesondere Holz, ohne Zustimmung des Ausgleichsverwalters ins Ausland zu veräußern oder zu verbringen. Es kann daher keine Rede davon sein, daß der angefochtene Beschluß die Handlungsfreiheit des Ausgleichsverwalters einschränkt. Die Frage, ob der Beschluß dem Ausgleichsverwalter, dem die Entscheidung zugestellt wurde, zusätzliche Pflichten auferlegt, war nicht zu untersuchen, da dieser kein Rechtsmittel erhob.

Bei der Bemessung des Befreiungsbetrages zur Abwendung einer einstweiligen Verfügung ist nicht von dem Wert der dadurch betroffenen Gegenstände, sondern vom Wert des zu sichernden Anspruches auszugehen. Eine gefährdete Partei wird immer dann genügend gesichert sein, wenn ihr durch die Bestimmung eines Geldbetrages die Möglichkeit geboten wird, mit diesem im Fall des Obsiegens den Zustand auf Kosten des Antragsgegners wiederherzustellen, wie er vor Eingriff in den zu sichernden Anspruch bestanden hat (GR 1964, 24; ÖBl. 1971, 145 u. a.). Da allein einem Verkauf Holz mit einer Kaufpreissumme von 31 800 000 S zugrunde liegt, begegnet die Ausmessung des Befreiungsbetrages durch das Rekursgericht keinen rechtlichen Bedenken.

Anmerkung

Z52039

Schlagworte

Einstweilige Verfügung im Ausgleichsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0010OB00531.79.0314.000

Dokumentnummer

JJT_19790314_OGH0002_0010OB00531_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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