TE OGH 1979/3/22 12Os42/79

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Veröffentlicht am 22.03.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. März 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Umlauft als Schriftführer in der Strafsache gegen Alois A wegen der Vergehen nach §§ 36 Abs 1 lit a und 40 Abs 5 lit a WaffenG über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Mauthausen vom 19. Juli 1978, GZ U 101/78-6, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Alois A wegen §§ 36 Abs 1 lit a, 40 Abs 5 lit a WaffenG verletzt das Urteil des Bezirksgerichtes Mauthausen vom 19. Juli 1978, GZ U 101/78-6, das Gesetz in der Bestimmung des § 458 Abs 2 Z 1 StPO in Verbindung mit den Vorschriften der §§ 270 Abs 2 Z 4, 260 Abs 1 Z 1 und Z 3 StPO, ferner in den Bestimmungen der §§ 19, Abs 3, 26 Abs 1

StGB und in jenen der §§ 36 Abs 1 lit a, 40 Abs 5 lit a WaffenG. Dieses Urteil und alle darauf beruhenden Anordnungen und Verfügungen werden aufgehoben und es wird die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Aus dem Akt U 101/78 des Bezirksgerichtes Mauthausen ergibt sich folgender Sachverhalt:

Am 13. April 1978 beschlagnahmten Gendarmeriebeamte in der Wohnung des am 12. September 1954 geborenen Kraftfahrers Alois A in Grünau Nr. 14, Gemeinde Ried/Riedmark, 1 Pistole Kal 9 mm, 2 Magazine zu dieser Pistole, 1 Bajonett, 1 Säbel, 1 Karabiner 98, 8 Karabinerpatronen, 1 leere Karabinerpatrone, 1 Werndlstutzen, 35 Platzpatronen für das Sturmgewehr 58, 1 (Karabinerlauf-) Reinigungsgerät, 129 Long-Rifle Patronen, 3 Flobertpatronen 6 mm, 14 Schonzeitpatronen, 1 Pistolenpatrone Kal 9 mm, 2 Pistolenpatronen Kal 7,65 mm, 43 Stück Flobertmunition und 3 Sprengkapselschachteln. Alois A gab zu, über keine behördliche Erlaubnis im Sinne des Waffengesetzes zum Erwerb, Besitz oder zum Führen von Waffen zu verfügen, und verantwortete sich im übrigen dahin, das Vorderladergewehr (Werndlstutzen) vor 10 - 12 Jahren von einem unbekannten Burschen 'eingehandelt', die Platzpatronen und das Reinigungsgerät im Jahre 1974 anläßlich der Ableistung seines Präsenzdienstes beim österreichischen Brundesheer in Ebelsberg gestohlen und alle übrigen sichergestellten Sachen von seinem vor neun Jahren verstorbenen Vater geerbt zu haben.

Nachdem der öffentliche Ankläger wegen dieses dem Gericht zur Anzeige gebrachten Sachverhalts die Bestrafung des Alois A 'gem §§ 36 und 40 WaffenG' beantragt hatte, wurde der Genannte mit dem (in Form eines Protokolls- und Urteilsvermerks ergangenen) Urteil des Bezirksgerichtes Mauthausen vom 19. Juli 1978, GZ U 101/78-6, der Vergehen nach §§ 36 Abs 1 lit a und 40 Abs 5 lit a WaffenG schuldig erkannt, weil er (nach dem Wortlaut des Urteilsspruchs) 'seit 9 Jahren in Ried/R 1. wenn auch nur fahrlässig unbefugt eine Faustfeuerwaffe besessen, und 2. ohne die nach § 40 Abs 3 lit b WaffenG erforderliche Erlaubnis militärische Waffen und Munition erworben' hat.

Alois A wurde hiefür zu einer Geldstrafe in der Höhe von 20 Tagessätzen 'a 200 S verurteilt.

Eine Ersatzfreiheitsstrafe wurde nicht festgesetzt. Weiters enthält das Urteil den Ausspruch, daß 'Waffen und Munition' (ohne deren nähere Bezeichnung) gemäß § 26 StGB eingezogen werden.

Rechtliche Beurteilung

Das bezeichnete Urteil des Bezirksgerichtes Mauthausen steht in mehrfacher Beziehung mit dem Gesetz nicht im Einklang. Ein gemäß § 458 Abs 2 StPO abgefaßter Vermerk muß (unter anderem) ausdrücklich die im § 270 Abs 2 Z 4

StPO erwähnten Angaben und daher auch die gemäß § 260 Abs 1 Z 1 StPO erforderliche individualisierende - deutliche - Bezeichnung der Tat zumindest insoweit enthalten, daß sie von jeder anderen unterschieden und eine neuerliche Verfolgung und Verurteilung wegen derselben Tat verhütet werden kann (vgl ÖJZ-LSK 1977/68, EvBl 1978/16, Gebert-Pallin-Pfeiffer, III/2, Nr 19 ff zu § 260 StPO).

In gleicher Weise ist es aber auch erforderlich, daß die von einem - gemäß § 443 Abs 2 StPO einen Teil des Ausspruches nach § 260 Abs 1 Z 3 StPO bildenden -

Einziehungserkenntnis betroffenen Gegenstände in demselben ausdrücklich und in einer Verwechslungen ausschließenden Weise bezeichnet werden, zumal der bezügliche Ausspruch gemäß § 408 Abs 1 StPO geeignet sein muß, allenfalls sogar die Grundlage für eine Exekution zu bilden (vgl auch 10 Os 73/73).

Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht im Urteilsspruch nicht zum Ausdruck gebracht, welche Faustfeuerwaffe der Angeklagte unbefugt besessen und welche militärischen Waffen (bzw Munition) er ohne die erforderliche Erlaubnis erworben hat. Ebenso hat es auch in dem gemäß § 26 StGB ergangenen Ausspruch eine Benennung jener Waffen und Munitionsgegenstände unterlassen, auf die sich das Einziehungserkenntnis im einzelnen erstreckt.

Da diese mangelnde Individualisierung (ähnlich wie bei einem geschwornengerichtlichen Urteil und im Mandatsverfahren) bei einem Protokolls- und Urteilsvermerk naturgemäß durch keine Konkretisierung des Sachverhaltes in den Gründen des Urteils aufgewogen, vielmehr im Gegenteil vorliegend durch die vage - einen Zeitraum von 9 Jahren umfassende - Bezeichnung der Tatzeit noch unterstrichen wird, ist eine Aufhebung des in Rede stehenden, den gesetzlichen Anforderungen in keiner Weise genügenden Urteils - das entgegen der Bestimmung des § 19 Abs 3

StGB auch der Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe entbehrt - schon wegen der dargelegten Verletzung des Gesetzes in der Bestimmung des § 458 Abs 2 Z 1 StPO in der Verbindung mit den Vorschriften der §§ 270 Abs 2 Z 4, 260 Abs 1 Z 1 und Z 3 StPO unumgänglich (vgl EvBl 1975/

70 = SSt 45/17).

Eine Urteilsaufhebung ist im gegebenen Fall um so mehr geboten, als in Ansehung des bezeichneten Urteils, selbst wenn man es - wenngleich eine Verweisung auf die Anzeige in einem Protokolls- und Urteilsvermerk unzulässig wäre (ÖJZ-LSK 1977/68) und vorliegend auch nicht erfolgte - unter Heranziehung des Akteninhaltes (vgl insbesondere die Anzeige ON 1) dahin verstünde, daß mit der (im Spruch nicht näher beschriebenen) Faustfeuerwaffe die sichergestellte Pistole, mit den militärischen Waffen und der militärischen Munition, das Bajonett, der Säbel, der Karabiner, der Werndlstutzen, die Karabinerpatronen und die Platzpatronen, sowie mit den eingezogenen Waffen und der eingezogenen Munition sämtliche sichergestellten Gegenstände gemeint waren, Bedenken gegen dessen materiellrechtliche Richtigkeit bestehen.

Im Hinblick auf die im § 40 Abs 3 lit a WaffenG enthaltene ausdrückliche Verweisung auf den Annex I des Staatsvertrages (BGBl 1955/152) sind - ungeachtet der zwischenzeitig ergangenen, eine etwas abweichende Definition und Aufzählung von Kriegsmaterial enthaltenden (jedoch nicht zum Waffengesetz, sondern zum Bundesgesetz vom 18. Oktober 1977, BGBl Nr 540, über die Ein-, Ausund Durchfuhr von Kriegsmaterial erlassenen) Verordnung der Bundesregierung vom 22. November 1977, BGBl Nr 624, betreffend Kriegsmaterial - als militärische Waffen und militärische Munition im Sinne des § 40 Abs 5 WaffenG auch weiterhin alle im Annex I des Staatsvertrages angeführten Waffen und Munitionsgegenstände (ausgenommen Pistolen und Revolver sowie Munition hiezu) anzusehen, weil das im § 40 Abs 2 WaffenG angekündigte Bundesgesetz über Erwerb und Besitz militärischer Waffen und Munition bisher nicht erlassen worden ist. Mangels Anführung im Annex I unterfallen aber Säbel jedenfalls nicht dem so verstandenen militärischen Waffenbegriff. Mithin durfte sich der Schuldspruch nach § 40 Abs 5 lit a WaffenG schon aus diesem Grund nicht auf den bei Alois A sichergestellten Säbel erstrecken.

Der sichergestellte Werndlstutzen könnte zwar im Hinblick darauf, daß die Ausrüstung der k. u. k. Armee im Jahre 1867 auf Gewehre des Systems Werndl umgestellt wurde (vgl Peterson, Alte Feuerwaffen, Verlag Welsermühl, S 182), im weitesten Sinn als Militärgewehr gemäß der Kategorie I Z 1 im Annex I zum Staatsvertrag bezeichnet werden; er würde jedoch im Falle seiner Erzeugung vor dem Jahre 1871 (was weder dem Urteil noch dem Akteninhalt zu entnehmen ist) unter die Ausnahmebestimmung des § 30 Abs 2 Z 1 WaffenG fallen (vgl Czeppan-Szirba, Waffengesetz 19674, S 148). In bezug auf diese Waffe wäre es bei einem zeitlich vor (vgl S 5) den anderen Straftaten liegenden Erwerb (worüber der Urteilsspruch mangels Aufgliederung der Tatzeiten nichts aussagt) überdies auch möglich, daß eine allfällige Strafbarkeit durch Verjährung erloschen ist.

Schließlich ist zu berücksichtigen, daß der Erwerb sämtlicher sichergestellten Waffen (mit Ausnahme des Werndlstutzens) nach der offenbar auch in der Hauptverhandlung wiederholten und vom Erstgericht dem Urteil zugrunde gelegten Verantwortung des Alois A etwa 9 Jahre vor der Urteilsfällung im Erbwege erfolgte (vgl S 5). Der Erwerb von Faustfeuerwaffen durch Erbschaft oder Vermächtnis unterliegt aber nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 25 Abs 1 WaffenG nicht den Bestimmungen des Waffengesetzes über den Erwerb solcher Waffen, was in gleicher Weise auch bei militärischen Waffen zu gelten hat. Denn wenn ein Erwerbsvorgang bei einer Faustfeuerwaffe - deren Besitz grundsätzlich verboten ist - vom Gesetz nicht erfaßt wird, dann muß dieser eingeschränkte Erwerbsbegriff wegen der sich aus § 40 Abs 3 lit b WaffenG ergebenden uneingeschränkten Anwendbarkeit der Bestimmungen des Waffengesetzes auf militärische Waffen - deren Besitz nicht verboten ist (vgl EvBl 1975/139) - zumindest aber kraft Größenschlusses, auch für den Anwendungsbereich des § 40 Abs 5 lit a WaffenG maßgebend sein.

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß zuletzt auch das (vom Schuldspruch abhängige) Einziehungserkenntnis nicht standhalten kann, das sich überdies von vornherein nicht auch auf jene Gegenstände und jene nicht militärische Munition erstrecken durfte, die weder zur Begehung der dem Verurteilten angelasteten Delikte verwendet wurden, noch eine derartige Bestimmung hatten, noch durch diese Delikte hervorgerufen worden waren.

Diese Erwägungen lassen gleichfalls die Notwendigkeit einer Aufhebung des dem Beschuldigten ersichtlich auch materiellrechtlich zum Nachteil gereichenden Urteils des Bezirksgerichtes Mauthausen vom 19. Juli 1978, GZ U 101/78-6, erkennen, da dessen lapidarer Inhalt nach Lage des Falles nicht ausreicht, um die erfolgte Verurteilung und Einziehung zu rechtfertigen.

Im Falle eines neuerlichen Schuldspruches wird das genannte Bezirksgericht auch zu beachten haben, daß der gemäß § 19 Abs 3 StGB in Verbindung mit § 260 Abs 1 Z 3 StPO gebotene, im Urteil vom 19. Juli 1978 aber unterbliebene Ausspruch einer Ersatzfreiheitsstrafe wegen des in den §§ 290 Abs 2, 293 Abs 3 StPO normierten Verbotes der reformatio in peius nicht mehr nachgeholt werden kann (vgl Gebert-Pallin-Pfeiffer, III/2, Nr 60 zu § 292 StPO und Nr 15 b zu § 293 StPO).

In Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen und begründeten Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E01996

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00042.79.0322.000

Dokumentnummer

JJT_19790322_OGH0002_0120OS00042_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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