TE OGH 1979/3/28 3Ob586/78

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Veröffentlicht am 28.03.1979
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Norm

ABGB §364 Abs2
ABGB §364a

Kopf

SZ 52/53

Spruch

Für die Beurteilung, ob von einem Nachbargrundstück nach § 364 Abs. 2 ABGB unzulässige Immissionen ausgehen, kommt es nur auf die tatsächlichen Verhältnisse an und nicht auf einen Flächenwidmungsplan

OGH 28. März 1979, 3 Ob 586/78 (OLG Linz 2 R 148/77; LG Salzburg 8 Cg 26/77)

Text

Mit der vorliegenden Klage begehren die drei Kläger von der Eigentümerin des Sportstadions Salzburg-Lehen der beklagten Partei Stadtgemeinde Salzburg, die Bezahlung von je 500 000 S. Sie seien Miteigentümer der Liegenschaft EZ 596 KG Stadt Salzburg; durch die vom benachbarten Stadion ausgehenden Lärm- und Lichtimmissionen seien ihre mit Wohnungseigentum verbundenen Liegenschaftsanteile entwertet und deren Benützbarkeit herabgesetzt worden; ferner sei eine Schädigung ihrer Gesundheit eingetreten. Hiefür stunden ihnen Ausgleichsansprüche zu. Eine Aufgliederung dieser Ansprüche von je 500 000 S sei weder möglich noch nötig. Schon allein die Minderung des Verkehrswertes ihrer Liegenschaftsanteile mache "pro Wohnung" 500 000 S aus.

Die beklagte Partei hat das Klagebegehren im wesentlichen mit der Begründung bestritten, daß die Sportanlage schon immer bestanden habe. Die Häufigkeit, Dauer und Intensität des bei den Sportveranstaltungen erzeugten Lärms hätten sich seit der Errichtung des Stadions nicht erhöht.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen. Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil in ein Zwischenurteil mit der Feststellung ab, daß der mit Klage geltend gemachte Ausgleichsanspruch der Kläger "auf Ersatz der Minderung des Verkehrswertes ihrer Liegenschaftsanteile dem Gründe nach zu Recht besteht", hingegen die darüber hinausgehenden Ansprüche der Kläger "auf Ersatzleistung für die Herabsetzung der Benützbarkeit ihrer Eigentumswohnungen und für die Schädigung ihrer Gesundheit nicht zu Recht bestehen."

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge. Das angefochtene Urteil wurde dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes in der Hauptsache wiederhergestellt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Behandlung der geltend gemachten Revisionsgrunde des § 503 Z. 2 bis 4 ZPO ist die Erörterung der entscheidungswesentlichen Frage voranzustellen, ob bei der Prüfung, ob von der Sportplatzanlage der beklagten Partei Geräuschimmissionen ausgehen, die das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benützung des Grundstückes der Kläger wesentlich beeinträchtigen, die tatsächlichen Verhältnisse zugrunde zu legen sind, oder jene, wie sie nach dem Flächenwidmungsplan aus dem Jahre 1960 gegeben sein sollten. Allein die Überlegung, daß der Umbau und die Wiederinbetriebnahme der seit Oktober 1946, also bereits lange vor der 1963/64 erfolgten Errichtung des im Miteigentum der Kläger stehenden Hauses bestandenen Sportplatzanlage die gesetzlich vorgeschriebenen bau- und veranstaltungsbehördlichen Genehmigungen erhalten hat, muß schon zu der Schlußfolgerung führen, daß die Beklagte berechtigt ist, diese Anlage auch bestimmungsgemäß zu benützen, und es deshalb bei der Beurteilung der Frage, ob von dieser Sportplatzanlage nach § 364 Abs. 2 ABGB unzulässige Immissionen auf das im Miteigentum der Kläger stehende Grundstück ausgehen, nur auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt. Dafür, daß es bei der Verfolgung von Rechten nach dieser Bestimmung sowie nach § 364a ABGB auf die bestehenden Verhältnisse ankommt, spricht im übrigen schon das Tatbestandsmerkmal "Ortsüblichkeit" (der Störung bzw. Benützung des Grundstückes), welches sich begrifflich nur auf die bestehenden Verhältnisse, nicht aber auf "fiktive" Zustände, beziehen kann. Darauf, daß die örtlichen Verhältnisse (bezüglich der Liegenschaft der Beklagten, auf der sich der Sportplatz befindet) nach dem Flächenwidmungsplan aus dem Jahre 1960 anders gestaltet sein sollten (Wohnbaugebiet), können sich daher die Kläger bei Durchsetzung ihres auf die Bestimmungen der §§ 364 Abs. 2 bzw. 364 a ABGB gestützten Anspruches nicht berufen. Die Kläger können im übrigen aus dem Flächenwidmungsplan gegen die Beklagte als Eigentümerin des Sportplatzes keine subjektiven Rechte ableiten (vgl. VwGHSlg. AF Nr. 1540).

Das Erstgericht ist daher zutreffend - ohne sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen - von den tatsächlichen örtlichen Verhältnissen, wie sie im Zeitpunkt der geltend gemachten Geräuschimmissionen und schon früher immer bestanden haben, ausgegangen. Es hat zutreffend ausgeführt, daß der Charakter der Gegend, in der sich das im Miteigentum der Kläger stehende Haus befindet, bereits bei dessen Errichtung und schon jahrelang früher durch die Sportplatzanlage und die fallweise dort abgehaltenen Sportveranstaltungen geprägt wurde, sowie daß im Hinblick auf die Feststellung, daß die Geräuschimmissionen nach Wiederinbetriebnahme der renovierten Sportanlage bei Veranstaltungen nicht ungewöhnlich zugenommen haben, eine nach § 364 Abs. 2 ABGB beachtliche Überschreitung des bisherigen, als durchaus gewöhnlich anzusehenden Maßes der von den Sportveranstaltungen ausgehenden Geräuscheinwirkungen auf das zum Teil den Klägern gehörige Grundstück nicht vorliegt. Darauf, daß der durch Immissionen beeinträchtigte Grundnachbar im allgemeinen eine durch die normalerweise voraussehbare Entwicklung begrundete Zunahme der Einwirkungen hinnehmen muß (SZ 48/15), hat das Erstgericht ebenfalls bereits hingewiesen. Vor allem ist nicht erwiesen, daß die Renovierung des Sportplatzes der beklagten Partei zu einer schlagartigen, wesentlich größeren Zunahme der Zuschauerzahlen und damit der von den Zuschauern ausgehenden Geräuschimmissionen geführt hat; die durchschnittliche Besucherzahl pro Spiel ist vielmehr nach den Feststellungen des Erstgerichtes gegenüber früher (Jahre 1967 bis 1969, vor dem Umbau und der Wiederinbetriebnahme) sogar gesunken. Daß die Benützung der Wohnungen der Kläger durch Lichtimmissionen (durch die seit dem Umbau bestehende Flutlichtanlage) nicht wesentlich beeinträchtigt wird, haben die Vorinstanzen auf Grund des festgestellten Sachverhaltes zutreffend und von den Klägern unbekämpft dargetan.

Es ist daher dem Erstgericht beizupflichten, daß die von den drei Klägern geltend gemachten, auf § 364a ABGB gestützten Ausgleichsansprüche von je 500 000 S mangels Vorliegens von im Sinne des § 364 Abs. 2 ABGB rechtswidrigen Immissionen nicht begrundet sind. Das Erstgericht hat daher das Klagebegehren mit Recht zur Gänze - abgewiesen.

Es war daher der Revision der beklagten Partei schon aus den vorstehend angeführten rechtlichen Erwägungen stattzugeben und die Entscheidung des Erstgerichtes in der Hauptsache gänzlich wiederherzustellen. Die Revision der Kläger war auf diese Entscheidung zu verweisen, wobei auf die weiteren Ausführungen der beiderseitigen Rechtsmittelschriften nicht mehr einzugehen war.

Anmerkung

Z52053

Schlagworte

Immissionen vom Nachbargrund und

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0030OB00586.78.0328.000

Dokumentnummer

JJT_19790328_OGH0002_0030OB00586_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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