TE OGH 1979/4/24 11Os48/79

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Veröffentlicht am 24.04.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schifter als Schriftführer in der Strafsache gegen Herbert A und Helene A wegen des Verbrechens und des Vergehens der Verleumdung nach dem § 297 Abs 1 StGB mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengerichtes vom 15. September 1978, GZ 13 Vr 892/77-35, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil als unangefochten unberührt bleibt, in seinem schuldigsprechenden Teil und im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Linz verwiesen.

Mit ihrer Berufung werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 3.Juni 1929 geborene Schlosser Herbert A und seine am 24.März 1933 geborene, im Haushalt tätige Ehegattin Helene A des Verbrechens und des Vergehens der Verleumdung nach dem § 297 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Nach dem Wortlaut des Schuldspruchs liegt ihnen zur Last, 'im Juni 1976 in Bad Goisern (durch ihre) in der von ihrem Rechtsvertreter Dr. Erich B an die Staatsanwaltschaft Wels erstatteten Sachverhaltsmitteilung, in der sie vorbringen, daß der Vollstrecker beim Bezirksgericht Bad Ischl, Theobald C, über Aufforderung des Vertreters der Anna A, Rechtsanwalt Dr. Philipp D, die Delogierung an einem nicht Gegenstand des Exekutionstitels bildenden Bestandobjekt vorgenommen und Josef E gewaltsam die Werkstätte, die nicht in Delogierung gezogen war, geöffnet habe, Anna A, Dr. Philipp D und Theobald C dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt 'zu haben', daß sie sie von Amts wegen zu verfolgender, mit Strafe bedrohter Handlungen, nämlich des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt und der Anstiftung hiezu nach den §§ 302 und 12 StGB und Josef E des Vergehens der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB falsch verdächtigten, wobei sie wußten (§ 5 Abs 3 StGB), daß die Verdächtigung falsch ist'.

Von der weiteren Anklage, die genannten Personen in der erwähnten Sachverhaltsmitteilung auch durch die wider besseres Wissen aufgestellte zusätzliche Behauptung, daß der Vollstrecker 'bei der Delogierung die Tür gewaltsam erbrochen habe, wobei Fahrnisse beschädigt wurden und in Verlust geraten seien', verleumdet zu haben, wurden Herbert und Helene A rechtskräftig freigesprochen. Den Schuldspruch bekämpfen die beiden Angeklagten mit einer gemeinsam ausgeführten, auf die Nichtigkeitsgründe der Z 1, 4, 5, 9 lit. b und 10 des § 281 Abs 1

StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sie, den erstgenannten Nichtigkeitsgrund relevierend, im wesentlichen geltend machen, daß an der Hauptverhandlung vom 14. und 15. September 1978 als richterlicher Beisitzer ein nach der Geschäftsverteilung des Kreisgerichtes Wels nicht zuständiger Zivilrichter, nämlich der überdies wegen Befangenheit abgelehnte Oberlandesgerichtsrat Dr. F teilgenommen habe, genügt es, ihnen zu erwidern, daß ein Schöffengericht u.a. nur dann nicht gehörig besetzt ist, wenn die Berufs- oder Laienrichter nicht die Befähigung zum Richteramt haben. Daß (allenfalls) ein anderer als der nach der Geschäftsverteilung (zunächst) berufene Richter an der Entscheidung mitgewirkt hat, stellt den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 1 StPO nicht her. Auch die angebliche - vom erkennenden Senat befugtermaßen abgelehnte - Befangenheit eines richterlichen Beisitzers vermag den genannten Nichtigkeitsgrund nicht zu begründen.

Der Nichtigkeitsgrund der Z 1 des § 281 Abs 1 StPO

liegt sohin nicht vor.

Als berechtigt erweist sich jedoch die auf die Z 4

der genannten Gesetzesstelle gestützte Verfahrensrüge. Die Verteidigung hat u.a. zum Beweise dafür, daß es bei der verfahrensgegenständlichen Delogierung am 11.Juni 1976 an der erforderlichen Übereinstimmung zwischen den vom Exekutionstitel (Räumungsvergleich vom 14.April 1975) erfaßten - angeblich im Neubau des Hauses Bad Goisern, Gschwandt Nr. 46 gelegenen - und den tatsächlich zwangsweise geräumten Objekten im Altbau dieses Hauses im Sinne der Verantwortung der jede Verleumdung in Abrede stellenden Angeklagten gefehlt habe, - mangels diesbezüglicher Bestimmtheit des Titels (§ 7 EO.) - u.a. die Einvernahme einer Reihe von namentlich angeführten Zeugen, die Vornahme eines Lokalaugenscheines sowie die Beischaffung des bezughabenden Bauaktes der Gemeinde Goisern beantragt (vgl. ON. 23, S. 240, 241, 298).

Das Erstgericht, das die Aufnahme dieser Beweise für 'unzweckmäßig, überflüssig bzw. entbehrlich' hielt (S. 341 f.), vor allem, weil es auf Grund im Urteil näher bezeichneter Zivilprozesse (S. 330 f., 341) und der Aussagen einzelner anderer Zeugen (S. 331 f.) das den 'Gegenstand des Exekutionstitels bildende Bestandobjekt' als 'unzweifelhaft nachgewiesen' ansah, hat schon allein durch die Abweisung dieser Beweisanträge die Verteidigungsrechte der Angeklagten beeinträchtigt. Es übersah nämlich nicht nur, daß sich die strafgerichtliche Untersuchung und Beurteilung im Hinblick auf den Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit auch auf privatrechtliche Vorfragen erstreckt und das Strafgericht an zivilgerichtliche Vorentscheidungen, soweit es sich um die Beurteilung der Strafbarkeit des Angeklagten in Ansehung des Tatgeschehens selbst handelt, daher insbesonders auch in der Frage der subjektiven Tatseite, selbst bei Heranziehung - hier nicht gegebener -

identer Beweismittel, nicht gebunden ist (§ 5 StPO), sondern insbesonders auch, daß in keinem der erwähnten Erkenntnisse darüber rechtskräftig abgesprochen wurde, auf welche der im Laufe der fraglichen Jahre sich sowohl der Zahl als auch der Art der Benützung nach immer wieder ändernden Räume des Hauses Bad Goisern, Gschwandt Nr. 46, der verfahrensgegenständliche Exekutionstitel sich nun tatsächlich, vor allem aber nach der Vorstellung der Angeklagten bezog.

Die erwähnten Anträge der Verteidigung, denen bei der gegebenen Beweislage insbesonders auch in Ansehung des begehrten Lokalaugenscheines und der Einsicht in den Bauakt nicht von vornherein die Zweckdienlichkeit abgesprochen werden kann, wird doch ZB. von den Angeklagten schon aus rein baulichen bzw. bauhistorischen Gründen das Vorhandensein der vom Exekutionstitel erfaßten Wohnung im 'Altbau' bestritten, verfielen somit schon aus diesen Erwägungen zu Unrecht der Ablehnung.

Die Erneuerung des erstinstanzlichen Verfahrens erweist sich aber nicht nur bereits wegen dieser gravierenden Verfahrensmängel, sondern auch wegen von den Angeklagten unter der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO zu Recht gerügter Begründungsmängel als erforderlich. Zutreffend wird in der Beschwerde u.a. darauf hingewiesen, daß bei der erstgerichtlichen Annahme, wonach die 'Altbauwohnung die einzige Dauerwohnung' der Angeklagten gewesen sei, die Bezugnahme auf die Aussage des Zeugen Gerhard G durch die Aktenlage (vgl. S. 306, 333, 341) in keiner Weise gedeckt ist; hat doch dieser Zeuge ausdrücklich bekundet, daß die Angeklagten seit 1963 im Neubau eine Küche, ein Zimmer und einen Frühstücksraum 'gehabt', nur zeitweise und vorübergehend (im Sommer während der Fremdenverkehrssaison) in einem Zimmer (welchem ?) im Altbau geschlafen haben und ein Zimmer (welches ?) im Altbau als Abstellraum benützt worden ist. Als mangelhaft, nämlich unvollständig bzw. offenbar unzureichend begründet erweist sich aber auch die Feststellung des Erstgerichtes, wonach die (angeblich) verleumderische Behauptung in der dem gegenständlichen Verfahren zugrunde liegenden Sachverhaltsmitteilung des Rechtsanwalts Dr. Erich B (ON. 6), Josef E habe anläßlich der zwangsweisen Räumung die nicht in Exekution gezogene Werkstätte 'gewaltsam geöffnet' nur auf Äußerungen der Angeklagten zurückgehen könne (vgl. S. 337).

Abgesehen davon, daß nach der Aktenlage jeder Anhaltspunkt dafür fehlt, daß auf jeden Fall beide Angeklagten - und zwar jeweils mit Gefährdungsvorsatz (vgl. LSK. 1976/98 u. a.) - ihrem Rechtsvertreter eine diesbezüglich bewußt wahrheitswidrige Information zukommen ließen, hat sich der Erstangeklagte ausdrücklich auf einen 'Irrtum' berufen (vgl. S. 216) und die Zweitangeklagte erklärt, daß ihr diesbezüglich die Erinnerung fehlt (S. 226). Mit diesen Verantwortungen hat sich das Erstgericht, wie die Beschwerdeführer mit Recht relevieren, überhaupt nicht auseinandergesetzt und die an sich nicht von der Hand zu weisende Möglichkeit eines Mißverständnisses (vgl. S. 206), insbesonders auf der Seite des Verfassers der Sachverhaltsmitteilung Dr. Erich B, weder, ZB. durch Einvernahme des Letztgenannten, zum Gegenstand einer Beweisaufnahme gemacht, noch überhaupt in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen.

In diesem Zusammenhang sei - mangels einer diesbezüglichen Rüge allerdings nur am Rande - auch erwähnt, daß die Behauptung der gewaltsamen (rechtswidrigen) §ffnung eines Raumes noch keineswegs zwangsläufig den Vorwurf einer Beschhädigung der Verschlußeinrichtung der in diesen Raum führenden Tür beinhaltet (vgl. S. 337), sodaß sich die auf diesem Schluß beruhende - von der rechtlichen Qualifikation der Anklage abweichende - erstgerichtliche Annahme (bzw. Feststellung) einer seitens der Angeklagten erfolgten Anschuldigung des in der Sachverhaltsmitteilung ihres Rechtsvertreters angeführten Josef E wegen des Vergehens der Sachbeschädigung in dieser Richtung gleichfalls als mangelhaft begründet erweist.

Auch worin das Erstgericht auf Grund dieser Sachverhaltsmitteilung die falsche Verdächtigung der Anna A wegen der lediglich im Urteilsspruch als 'Anstiftung' zum Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach den §§ 12, 302 StGB bezeichneten bzw. qualifizierten Tat erblickte, ist den Gründen des angefochtenen Urteils mangels jeglicher diese Subsumtion tragender Feststellungen nicht zu entnehmen.

Da sich somit schon auf Grund der berechtigten Verfahrens- und Mängelrügen zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht eintreten kann, war gemäß dem § 285 e StPO

- mit Zustimmung der Generalprokuratur - bereits bei einer nichtöffentlichen Sitzung wie im Spruche zu erkennen. Damit erübrigt es sich aber auch auf das weitere Beschwerdevorbringen noch einzugehen.

Mit ihrer dadurch gegenstandslos gewordenen Berufung waren die Angeklagten auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Verweisung der Strafsache an das Landesgericht Linz stützt sich auf die Bestimmung des § 288 Abs 2 Z 3

StPO

Anmerkung

E01958

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0110OS00048.79.0424.000

Dokumentnummer

JJT_19790424_OGH0002_0110OS00048_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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