TE OGH 1979/5/2 1Ob569/79

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Veröffentlicht am 02.05.1979
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Norm

ABGB §957
ABGB §970

Kopf

SZ 52/70

Spruch

Das Aufstellen eines Skiständers im Hausflur eines Gasthauses ist selbst dann, wenn er vom Personal im Auge behalten werden könnte, nicht als Anbot der Übernahme von Verwahrungspflichten durch den Gastwirt anzusehen

OGH 2. Mai 1979, 1 Ob 569/79 (LG Innsbruck 1 R 730/78; BG Innsbruck 14 C 1524/78)

Text

Der Kläger begehrt vom Beklagten einen Betrag von 4 320 S samt Anhang und brachte vor, er habe im Jänner 1978 als Gast des vom Beklagten betriebenen Gasthauses ein Paar Skier in den im Eingang des Gasthauses aufgestellten Skiständer gestellt. Der Beklagte dulde es namlich nicht, daß Gäste ihre Skier in den Gastraum mitnehmen. Beim Verlassen der Gaststube habe er festgestellt, daß die Skier gestohlen worden seien. Der Beklagte hafte für den Verlust als Verwahrer und sei demgemäß zum Schadenersatz verpflichtet.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil ihn eine Haftung als Verwahrer nicht treffe.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, daß der Anspruch dem Gründe nach zu Recht bestehe. Es ging von folgenden Feststellungen aus: Das vom Beklagten geführte Gasthaus ist ein gutbürgerliches Gasthaus mit 25 Fremdenbetten und zwei Gasträumen mit rund 20 Tischen. Hinter der Eingangstür befindet sich ein Skiständer für 8- 10 Paar Skier. Ein Hinweis, daß eine Haftung für die dort deponierten Skier abgelehnt werde, fehlt. Eine Mitnahme von Skiern in den Gastraum duldete der Beklagte nicht, weil er Schäden durch abtropfendes Schmelzwasser befürchtet. Vom Gastraum aus kann der im Flur angebrachte Skiständer nicht im Auge behalten werden. Der Kläger begab sich im Jänner 1978 in das Gasthaus, stellte seine Skier in den Skiständer und begab sich in die Gaststube, wo er etwas konsumierte. Etwa ein Jahr zuvor hatte ihm der Beklagte die Mitnahme der Skier in die Gaststube verwehrt. Beim Verlassen der Gaststube stellte der Kläger fest, daß seine Skier gestohlen worden waren.

Der Erstrichter bejahte das Vorliegen eines konkludent abgeschlossenen Verwahrungsvertrages. Der Beklagte führe ein Lokal, das zur Winterzeit von zahlreichen Skifahrern aufgesucht werde, wobei klar sei, daß nicht wenige ihre Skier, um einen Diebstahl zu verhindern, in das Lokal mitnehmen. Wenn der Beklagte es den Gästen verwehre, die Skier mit in die Gaststube zu nehmen, wo sie vom Gast selbst beaufsichtigt werden könnten, andererseits aber einen Skiständer im Hause an einer Stelle, wo eine persönliche Überwachung der Skier durch den Gast unmöglich sei, zur Verfügung stelle, dürfe der Gast daraus schließen, daß der Beklagte die Verwahrung der im Skiständer abzustellenden Skier offeriere. Anders wäre es, wenn der Skiständer vor dem Gasthaus stunde oder wenn der Beklagte einen Hinweis auf den Haftungsausschluß beim Skiständer angebracht hätte.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Beklagten Folge, hob es unter Beisetzung eines Rechtsvorbehaltes auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht übernahm die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils und führte in rechtlicher Beziehung im wesentlichen aus, ein Fall der Gastwirtehaftung nach den §§ 970 ff. ABGB liege nicht vor, da zwischen den Parteien kein Beherbergungsvertrag abgeschlossen worden sei. Auch das Vorliegen einer vertraglichen Nebenpflicht zu einem anderen Vertrag sei im vorliegenden Fall zu verneinen. Die Übernahme der Obsorge könne jedoch konkludent erfolgen. Nun sei es aber nicht allgemein üblich, beim Besuch eines Gasthauses Skier oder ähnliche Sportgeräte mitzubringen; dies umso weniger, wenn sich, wie gerichtsbekannt, in der Nähe des Gasthauses ein großer Parkplatz befindet, so daß die Möglichkeit bestehe, Sportgeräte im PKW aufzubewahren. Im vorliegenden Fall werde aber zu prüfen sein, ob bei den konkreten örtlichen Verhältnissen der Kläger darin, daß der Beklagte beim Ausgang des Gasthofs einen Skiständer aufstellte und seine Gäste auf diesen Skiständer hinwies, das stillschweigende Anbot der Übernahme der Obsorge für die im Skiständer abgestellten Skier anzunehmen sei. Diese Frage könnte dann bejaht werden, wenn eine gewisse Überwachungsmöglichkeit durch den Gastwirt oder seine Bediensteten gegeben wäre. Eine solche käme dann in Frage, wenn der Ausgang von einer im Parterre befindlichen Rezeption oder einer Schank aus beaufsichtigt werden könne. Wäre eine solche Überwachung nach den räumlichen Gegebenheiten nicht möglich, so habe der Kläger auch nicht damit rechnen können, daß der Beklagte die Obsorge für die im Skiständer abgestellten Skier übernehme. Zur Beurteilung dieser Frage bedürfe es aber genauerer Feststellungen über die örtlichen Verhältnisse beim Ausgang des Gastbetriebes. Die Vornahme eines Ortsaugenscheinsund die Aufnahme einer genauen Skizze werde sich als zweckdienlich erweisen.

Über Rekurs des Klägers hob der Oberste Gerichtshof den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem die neue Entscheidung in der Sache auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Berufungsgericht ging zutreffend davon aus, daß die Haftung des Beklagten nicht auf die Normen über die Gastwirtehaftung (§§ 970 ff. ABGB) gegrundet werden kann. Zu den aufgenommenen Gästen im Sinne des § 970 ABGB zählen nämlich nur jene Personen, die vom Gastwirt zur Beherbergung aufgenommen wurden, was bei einem Gast, der die Gastwirtschaft lediglich zum Zweck betritt, um eine Konsumation zu tätigen, nicht der Fall ist (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 664). Die Einstellung von Sachen bei einem Gastwirt ohne Gastaufnahme begrundet keine Gastwirtehaftung (Gschnitzer a. a. O., FN 44; GlUNF 6847, 5615). Da der ausdrückliche Abschluß eines Verwahrungsvertrages nicht behauptet wurde, wäre die Haftung des Beklagten - auch hieran ist dem Berufungsgericht zu folgen - nur dann zu bejahen, wenn ein Verwahrungsvertrag konkludent abgeschlossen wäre oder sich die Pflicht zur Verwahrung als Nebenpflicht eines anderen Vertrages ergibt. Vom konkludenten Abschluß eines Verwahrungsvertrages kann gesprochen werden, wenn bei Überlegung aller Umstände unter Bedachtnahme auf Verkehrssitte und redliche Gewohnheit ein beiderseitiges Einverständnis betreffend die Übergabe und Übernahme einer Sache in Obsorge angenommen werden kann. In der Rechtsprechung wurde zum Ausdruck gebracht, daß die bloße Anbringung von Kleiderhaken in einem Gastlokal oder die bloße Hilfeleistung des Personals beim Ablegen von Kleidungsstücken hiezu nicht genügt (SZ 1/69; SZ 49/37). Schlüssige Übernahme in die Obsorge wurde aber als gegeben erachtet bei Benützung einer in einem Restaurant (gehobener Klasse) zur Verfügung gestellten Garderobe, wenn dem Gast die Überwachung der abgelegten Kleidungsstücke nicht möglich ist, andererseits aber die Benützung der Garderobe praktisch unvermeidlich ist, weil sich im Speisesaal keine Vorrichtungen zum Ablegen der Kleidung befinden (SZ 37/151). Wegen der Unvermeidlichkeit der Inanspruchnahme wurde ein schlüssiger Verwahrungsvertrag auch bei der Ablage von Kleidungsstücken vor einer ärztlichen Behandlung angenommen (SZ 41/14). Es wurde auch ausgesprochen, daß die Obsorge Nebenpflicht eines Werkvertrages ist, wenn dem Kunden eines Friseurs Kleidungsstücke vom Personal abgenommen und in einer Garderobe verwahrtwerden; der Kunde könne dann davon ausgehen, daß der Friseur durch seine Mitarbeiter schlüssig die Nebenverpflichtung zur sorgfältigen Verwahrung des Mantels übernommen habe. Tragender Gesichtspunkt für die Annahme des schlüssigen Zustandekommens eines Verwahrungsvertrages bzw. der Obsorge als Nebenverpflichtung zu einem anderen Vertrag ist die Verkehrssitte bzw. ergänzende Vertragsauslegung (vgl. SZ 49/37). Unter beiden Gesichtspunkten ist die Haftung im vorliegenden Fall aber zu verneinen. Vor allem ist es durchaus nicht üblich, mit Skiern ein Gastlokal zu betreten und diese dort zu verwahren; üblicherweise werden die Skier vor der Gastwirtschaft abgestellt, wobei es dann dem einzelnen überlassen bleibt, entsprechende Vorsorgen gegen das Abhandenkommen zu treffen. Aus diesem Gründe kann auch nicht gesagt werden, daß die reibungslose Abwicklung der Bewirtung die Übernahme einer Verwahrungspflicht erfordere. Während Kleidungsstücke vom Kunden eines Friseurs üblicherweise erst im Geschäftslokal abgelegt werden und eine andere Möglichkeit vielfach gar nicht besteht, trifft dies bei Wintersportgeräten, wie erwähnt, nicht zu, weil diese im Regelfall vor dem Betreten des Gastlokals abgestellt werden. Bei dieser Sachlage kann dann aber auch aus dem Umstand, daß der Gastwirt einen Skiständer im Hausflur aufstellte, noch nicht auf das Anbot zum stillschweigenden Abschluß eines Verwahrungsvertrages geschlossen werden. Die Benützung erfolgt - auch ohne entsprechenden Hinweis - auf eigene Gefahr. Dies würde auch dann gelten, wenn der Ständer so angebracht wäre, daß er vom Wirt im Auge behalten werden könnte, weil auch damit erkennbar noch keine Obsorgepflicht übernommen wird. Die Obsorge würde ja voraussetzen, daß der Gastwirt kontrolliert, ob nicht unberechtigte Personen die Skier entnehmen; in dieser Richtung wurden aber Behauptungen im Verfahren vor dem Erstrichter nicht aufgestellt. Das Klagebegehren ist demnach aber spruchreif im Sinne der Klagsabweisung.

Anmerkung

Z52070

Schlagworte

Schiständeraufstellung, kein Verwahrungsvertragsanbot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0010OB00569.79.0502.000

Dokumentnummer

JJT_19790502_OGH0002_0010OB00569_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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