TE OGH 1979/5/22 9Os68/79

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Veröffentlicht am 22.05.1979
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Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Mai 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Friedrich, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Maukner als Schriftführer in der Strafsache gegen Hans A wegen des Verbrechens der versuchten Notzucht nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems als Schöffengericht vom 2. August 1978, GZ 10 Vr 597/77-32, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Winterstein und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 2. April 1953 geborene (seit mehreren Jahren beschäftigungslose) Hilfsarbeiter Hans A des Verbrechens der versuchten Notzucht nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB, und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Nach den wesentlichen Urteilsannahmen hatte er Ende September 1977 an einem Nachmittag gegen 15 Uhr auf einem Feldweg neben der Admonter Straße im unbewohnten Gebiet von Krems-Lerchenfeld die am 17. Dezember 1963

geborene Schülerin Helga B, die auf Grund ihrer körperlichen Entwicklung nicht mehr den Eindruck einer Unmündigen erweckte, verfolgt, um mit ihr einen Geschlechtsverkehr durchzuführen. Er erfaßte Helga B im Laufen, wodurch sie zu Fall kam. Hierauf zerrte er sie zu einem Gebüsch, wo er ihr unter den Rock griff, die Unterhose ein Stück herunterzog, und zwischen die Oberschenkel und auf den Geschlechtsteil griff. Das Mädchen schrie zwar nicht um Hilfe, setzte sich jedoch heftig zur Wehr, indem es den Angeklagten biß, kratzte und an den Haaren zog. Hiebei gelang es ihm, sich vom Angeklagten loszureißen und davonzulaufen /Punkt a) des Schuldspruches/.

Aus Angst, entdeckt zu werden, verfolgte der Angeklagte Helga B nicht weiter, sondern rief ihr nach:

'Wenn du irgendwem was sagst, dann bring ich dich um!' Auf Grund dieser Drohung und unter dem Eindruck des Vorfalles wagte es Helga B vorläufig nicht, sich irgendjemandem anzuvertrauen. Erst einige Zeit später erzählte sie ihrer Freundin vom Vorfall und auf deren Drängen schließlich auch ihrem Schuldirektor /Punkt b) des Schuldspruches/. Dieses Urteil ficht der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs 1

StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung nicht zu. Unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO wirft der Beschwerdeführer dem Ersturteil eine unzureichende und unvollständige Begründung der Feststellung seiner Täterschaft vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Rüge versagt.

Die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen bemängeln die Urteilsgründe in Ansehung der Bejahung des Wahrheitsgehaltes sowohl der Aussagen des Opfers als auch des vom Beschwerdeführer vor der Gendarmerie abgelegten Geständnisses durch das Erstgericht in Wahrheit bloß als nicht genug überzeugend und versuchen, neben den vom Erstgericht folgerichtig gezogenen Schlüssen noch die Möglichkeit anderer, für den Beschwerdeführer günstigerer Schlußfolgerungen aus den Verfahrensergebnissen abzuleiten. Sie erschöpfen sich also in ihrem Kern in einer im Nichtigkeitsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof unzulässigen und daher unbeachtlichen Bekämpfung der freien Beweiswürdigung des Schöffengerichtes, das in sorgfältiger und gewissenhafter Prüfung der Glaubwürdigkeit und Beweiskraft der Beweismittel sowohl einzeln als auch in ihrem inneren Zusammenhang (§ 258 Abs 2 StPO) in Übereinstimmung mit der Aktenlage, den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung sogar sehr eingehend dargelegt hat, aus welchen Gründen es die Täterschaft des vor der Gendarmerie (jedenfalls des objektiven Tatbestandes) geständigen, dann jedoch (auch diesen) leugnenden Beschwerdeführers als erwiesen ansah. Daß das Erstgericht hiebei in Beurteilung des psycho-physischen Zustandes, in welchem sich der Beschwerdeführer bei Ablegung dieses Geständnisses befunden hatte, außer den für glaubwürdig befundenen Angaben des Zeugen Günther C (S 160-163, 249-253, 267) auch das psychiatrische Gutachten verwertete (S 131 (254), 266), stellt, der Beschwerde zuwider, einen zulässigen Akt freier Beweiswürdigung und keinesfalls eine unzureichende Begründung dar.

Der Einwand der Beschwerde, die Zeugin B habe in der Hauptverhandlung vom 2. August 1978 nicht angeben können, 'warum' (gemeint: woran) sie den Beschwerdeführer als Täter erkannt habe, gibt die Aussage dieser Zeugin aus dem Zusammenhang gelöst wider. Er widerspricht jedenfalls deren Sinngehalt. Denn es bezieht sich die betreffende Passage der Zeugenaussage (S 248 dA) bloß auf die gar nicht entscheidungswesentliche Identifizierung des Beschwerdeführers in der letzten Hauptverhandlung.

Im übrigen hat die ihre früheren Angaben ausdrücklich aufrecht erhaltende Zeugin aber in derselben Hauptverhandlung neuerlich deponiert, daß sie den Beschwerdeführer bei der Gegenüberstellung (vor der Gendarmerie) an seinem Bart und an seinem (sonstigen) Aussehen erkannt hatte (S 239 f). Den Umstand, daß die Zeugin keine anderen konkreten Erkennungsmerkmale wiedergeben konnte, hat das Erstgericht indes im Rahmen der in freier Beweiswürdigung erfolgten positiven Wertung der Aussagen der Zeugin B entgegen der Beschwerdeansicht hinlänglich erörtert.

Damit gehen auch die weiteren Einwendungen der Beschwerde ins Leere, das Erstgericht habe die Angaben der Zeugin im ersten Rechtsgang, sie habe den Beschwerdeführer an seinem Bart erkannt, und die Tatsache, daß der Beschwerdeführer in der letzten Hauptverhandlung keinen Bart mehr getragen habe, unberücksichtigt gelassen, weshalb das Urteil insofern unvollständig geblieben sei.

Erweist sich sohin die Mängelrüge als unbegründet, so ist die, unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO die rechtliche Subsumtion des dem Beschwerdeführer im Punkt a) des Schuldspruches zur Last liegenden Verhaltens unter das Tatbild des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202

Abs 1 StGB, statt unter jenes der versuchten Notzucht nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB relevierende Rechtsrüge teils nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, teils ebenfalls sachlich nicht berechtigt. Die inneren Tatseiten der Verbrechen nach §§ 201

und 202 StGB unterscheiden sich darin, daß beim erstgenannten Tatbestand der Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB) des Täters darauf abzielt, die Widerstandsunfähigkeit einer Frau, d.i. eine Lage der extremen Hilflosigkeit, in der sie aus physischen oder psychischen Gründen außerstande ist, Widerstand zu leisten, oder ihr ein solcher wegen Aussichtslosigkeit nicht zugemutet werden kann, herbeizuführen und sie in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf zu mißbrauchen, während nach dem letztgenannten Tatbestand das Vorhaben (§ 5 Abs 1 StGB) des Täters darauf gerichtet ist, den Willen der Frau zu beugen und zu erreichen, daß sie letztlich, ohne extrem hilflos zu sein, als Folge der Willensbeugung in den außerehelichen Beischlaf einwilligt (ÖJZ-LSK 1975/42, 44, 1976/237 ua). Das Ersturteil enthält nun, ausgehend von dem objektiven Tatverhalten, nämlich der Anwendung massiver Gewalt durch Erfassen, Zubodenstoßen, Zerren in ein Gebüsch, Herabziehen der Hose und Betasten am Geschlechtsteil an einem 'entscheidend' vom verbauten Gebiet entfernten Ort, in subjektiver Hinsicht die ausdrückliche Feststellung, der Beschwerdeführer habe in der 'Absicht' gehandelt, 'nur' durch massive Gewaltanwendung den Widerstand Helga BS zu brechen und sie in diesem Zustand der Widerstandsunfähigkeit bzw Wehrlosigkeit zum außerehelichen Beischlaf zu mißbrauchen (S 265, 268 f). Damit hat das Erstgericht aber entgegen der Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite geltend machenden Rechtsrüge alle für das Vorliegen des für das Verbrechen nach § 201 Abs 1 StGB erforderlichen Vorsatzes wesentlichen Kriterien festgestellt. Soweit der Beschwerdeführer jedoch ferner, die erwähnten Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite negierend, aus dem objektiven Tatgeschehen abzuleiten sucht, daß sein Vorsatz nicht auf Herbeiführung der Widerstandsunfähigkeit gerichtet gewesen sei, vergleicht er nicht den festgestellten Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Gesetz und führt deshalb die Rechtsrüge nicht prozeßordnungsgemäß aus.

Dem Vorwurf der Rechtsrüge schließlich, die 'Argumente des Erstgerichtes, wonach im Falle des § 202

StGB es dem Täter daran gelegen sein müßte, im Opfer eine Art Zustimmung zu erzeugen, seien verfehlt und nicht tauglich, eine Abgrenzung zum Tatbestand des § 201 Abs 1 StGB herzustellen', ist zu erwidern, daß das Erstgericht eine solche Auffassung gar nicht vertreten hat.

Aus den Entscheidungsgründen geht vielmehr eindeutig hervor, daß das Erstgericht rechtsrichtig im Sinne der obgenannten rechtlichen Abgrenzung zwischen den Verbrechen nach §§ 201 und 202 StGB das Wesensmerkmal des Tatbildes der Nötigung zum Beischlaf in subjektiver Hinsicht in dem auf Willensbeugung des Opfers gerichteten Tätervorsatz erblickt hat (S 269).

Da dem Ersturteil sohin auch ein Rechtsirrtum nicht anhaftet, war der zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde der Erfolg zu versagen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 201 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten, die es gemäß § 43 Abs 2 StGB unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren vorläufig nachsah. Es wertete bei der Strafbemessung das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen und den Umstand, daß der Angeklagte im Zuge seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung behauptet hatte, er sei von den Gendarmeriebeamten bei seiner Befragung bedroht bzw mißhandelt worden, als erschwerend.

Hingegen nahm es eine gewisse Abnormität des Angeklagten, wie sie ihm im Gutachten des Sachverständigen Prim.

Dr. D zugebilligt wurde, als mildernd an; ferner den Umstand, daß es bei der unter Pkt a) des Urteilsspruches angeführten Tat beim Versuch geblieben war.

Der Berufung des Angeklagten, der eine Herabsetzung der über ihn verhängten Strafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu. Das Erstgericht hat die vorliegenden Strafzumessungsgründe - mit einer Ausnahme - richtig und vollständig festgestellt. Weitere Milderungsgründe liegen, dem Berufungsvorbringen zuwider, nicht vor. Von einem bisher ordentlichen Wandel, den der Angeklagte in der Berufung für sich reklamiert, kann keine Rede sein; geht er doch seit Jahren keiner Arbeit nach, und treibt sich beschäftigungslos herum, weshalb er auch nachteilig beleumundet ist.

Die in der Berufung erwähnte 'Lernverwahrlosung' und geringe intellektuelle Begabung hat das Gericht unter dem Gesichtspunkt der Abnormität des Angeklagten ohnedies als mildernd beurteilt. Die vom Angeklagten für den Widerruf der ihn belastenden Angaben, die er vor der Gendarmerie gemacht hatte, gegebene Begründung, er sei von den Gendarmen 'bedroht bzw mißhandelt' worden, durfte ihm nach Lage des Falles schon mangels einer diesbezüglichen strafgerichtlichen Verurteilung nicht als besonderer Erschwerungsgrund im Sinne des § 33 StGB angelastet werden. Aber auch ausgehend von den solcherart berichtigten Strafzumessungsgründen hielt der Oberste Gerichtshof das vom Erstgericht gefundene Strafmaß als dem Verschulden des Angeklagten angemessen, weshalb spruchgemäß zu erkennen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02031

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00068.79.0522.000

Dokumentnummer

JJT_19790522_OGH0002_0090OS00068_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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