TE OGH 1979/5/29 9Os56/79

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Veröffentlicht am 29.05.1979
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Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Friedrich, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Maukner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Winfried A wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147

Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung gegen den Ablauf der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 28. November 1978, GZ 28 Vr 1600/

78-27, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde wird verweigert. Zur Entscheidung über die (fristgerecht ausgeführte) Berufung des Angeklagten werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 28. November 1978, GZ 28 Vr 1600/78-27, wurde der am 7. Juni 1943 geborene Winfried A der Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB und der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB schuldig erkannt und zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. Nach Urteilsverkündung und Rechtsmittelbelehrung gab der Angeklagte keine Erklärung ab (S. 241 d. A). Mit einem noch vom selben Tag datierten und am 1. Dezember 1978 - somit innerhalb der Anmeldefrist - beim Landesgericht Innsbruck eingelangten Schreiben meldete er sodann (aus der Haft) die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung an (S. 243 d. A). Ebenfalls am 1. Dezember 1978 meldete auch der gemäß § 41 Abs 2 StPO bestellte Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Dr. Otmar B, für den Angeklagten ein Rechtsmittel an, allerdings nur Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe (S. 245 d. A). Nachdem dem genannten Verteidiger am 27. Dezember 1978 eine Urteilsabschrift zugestellt worden war, führte dieser innerhalb der Ausführungsfrist nur die Berufung aus (ON 29); eine Ausführung der (vom Angeklagten selbst angemeldeten) Nichtigkeitsbeschwerde erfolgte hingegen innerhalb der Frist nicht. Mit Beschluß vom 18. Jänner 1979, ON 31, wies daher das Erstgericht die angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 a Z 2 StPO zurück, zumal auch bei deren Anmeldung ein bestimmter Nichtigkeitsgrund nicht bezeichnet wurde. Diesen Beschluß stellte es dem Verteidiger zu und legte sodann die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zur Entscheidung über die Berufung vor (ON 30). Der Beschluß vom 18. Jänner 1979 ist in Rechtskraft erwachsen. Am 8. März 1979 langte beim Oberlandesgericht Innsbruck ein mit 7. März 1979 datierter Schriftsatz des Angeklagten ein, der als Antrag auf 'Neufestsetzung der Rechtsmittelfrist' bezeichnet ist und in dem der Angeklagte darauf Bezug nimmt, daß er nicht nur Berufung, sondern auch Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet hat, was er noch am selben Tag, nämlich am 28. November 1978, schriftlich auch seinem Verteidiger mitgeteilt habe. Des weiteren führt er in dem bezeichneten Schriftsatz der Sache nach den Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO aus und ersucht abschließend, seinem Antrag stattzugeben, 'damit die Nichtigkeitsbeschwerde ausgeführt werden' könne (ON 32).

Rechtliche Beurteilung

Das Oberlandesgericht Innsbruck stellte hierauf die Akten dem Erstgericht mit dem Bemerken zurück, daß die in Rede stehende Eingabe des Angeklagten als Antrag nach § 364

StPO aufzufassen sein werde (ON 33), worauf das Erstgericht die Akten zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der (angemeldeten) Nichtigkeitsbeschwerde dem Obersten Gerichtshof vorlegte. An sich ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde auch zulässig, wenn - wie vorliegend - die (angemeldete) Nichtigkeitsbeschwerde bereits rechtskräftig gemäß § 285 a Z 2 StPO zurückgewiesen worden ist (vgl. SSt 19/23). Dem Begehren um Wiedereinsetzung kommt im gegebenen Fall jedoch deshalb keine Berechtigung zu, weil ein Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 364 Abs 1 Z 1 StPO nicht dargetan ist.

Gemäß der zitierten Gesetzesstelle kann die Wiedereinsetzung nämlich nur erteilt werden, wenn der Beschuldigte nachzuweisen vermag, daß es ihm durch unabwendbare Umstände ohne sein oder seines Vertreters Verschulden unmöglich gemacht wurde, die (versäumte) Frist einzuhalten. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes muß der Beschuldigte dabei nicht nur eigenes Verschulden, sondern auch Verschulden seines Verteidigers gegen sich gelten lassen. Folgt man der Darstellung des Antragstellers, wonach er seinen Verteidiger schriftlich von der Anmeldung (auch) der Nichtigkeitsbeschwerde in Kenntnis gesetzt hat, dann lag es am Verteidiger, nicht nur die Berufung, sondern auch die Nichtigkeitsbeschwerde auszuführen. Unabwendbare Umstände, die dies verhindert haben könnten, werden aber weder vom Antragsteller behauptet noch ergeben sie sich sonst aus der Aktenlage. Folgt man hingegen der Darstellung des Verteidigers Dr. B in der von ihm über Veranlassung des Obersten Gerichtshofes zum Vorbringen des Antragstellers eingeholten Äußerung (ON 38), wonach er - mangels rechtzeitigen gegenteiligen Auftrags des Angeklagten - lediglich Berufung angemeldet und hievon unter einem den Angeklagten mit dem Hinweis, daß er nach Erhalt des Urteils die Berufung ausführen werde, in Kenntnis gesetzt hat, und daß ihm der Angeklagte in dem von ihm erwähnten Schreiben vom 28. November 1978, das er erst am 4. Dezember 1978, somit nach Ablauf der Anmeldefrist, erhalten habe, nur mitgeteilt hat, Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung einlegen zu wollen (nicht aber, seinerseits bereits - auch - Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet zu haben), dann lag es am Angeklagten, sogleich nach Erhalt der Mitteilung seines Verteidigers über die bloße Anmeldung der Berufung diesem mitzuteilen, daß er auch Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet hat, in welchem Falle die rechtzeitige Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde möglich gewesen wäre, weil die Urteilsabschrift erst am 27. Dezember 1978 dem Verteidiger zugestellt wurde. Auch unter diesen Voraussetzungen werden daher unabwendbare Umstände, aus welchen ohne Verschulden des Antragstellers bzw. seines Vertreters die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde unterblieben wäre, weder dargetan noch sind sie aus der Aktenlage ersichtlich.

Da es sohin - gleichgültig von welcher Variante bei der Beurteilung des maßgeblichen Sachverhalts ausgegangen wird - an einer wesentlichen Voraussetzung für die Erteilung der Wiedereinsetzung fehlt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Über die rechtzeitig ausgeführte Berufung des Angeklagten wird der zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu erkennen haben.

Anmerkung

E02035

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00056.79.0529.000

Dokumentnummer

JJT_19790529_OGH0002_0090OS00056_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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