TE OGH 1979/6/21 12Os64/79

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Veröffentlicht am 21.06.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Juni 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pollack als Schriftführer in der Strafsache gegen Roland A wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wr. Neustadt als Schöffengericht vom 13. Dezember 1978, GZ 10 b Vr 443/77-42, erhobene Berufung nach öffentlicher Verhandlung, zu der sich der Oberste Gerichtshof eine Maßnahme nach dem § 290 Abs 1

StPO vorbehalten hat, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß dem § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem unter Punkt I/2 des Urteilssatzes ergangenen Ausspruch, die das Ziel der versuchten Nötigung bildende Handlung hätte besonders wichtige Interessen des Genötigten verletzt, und demgemäß ferner in der rechtlichen Unterstellung der betreffenden Tat als Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach dem § 106 Abs 1 Z 3 StGB sowie im Strafausspruch aufgehoben und im Umfang der Aufhebung gemäß dem § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Roland A wird für die ihm nach dem aufrecht bleibenden Schuldspruch zur Last fallenden Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB, der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB und der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB gemäß dem § 84 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelsverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 5.Juli 1951 geborene Roland A des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 StGB, des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und nach dem § 106 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28

StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil meldete der Angeklagte die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung (letztere 'wegen zu hoher Strafe und Nichtanwendung des § 43 StGB') an, ohne jedoch diese Rechtsmittel innerhalb der in den §§ 285 Abs 1, 294 Abs 2 StPO vorgesehenen (Vierzehn-)Tagefrist auszuführen. Die Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Obersten Gerichtshof mit dem in nichtöffentlicher Beratung gefaßten Beschluß vom 10.Mai 1979, GZ 12 Os 64/79-5, gemäß dem ersten Anwendungsfall des § 285 d Abs 1 Z 1 StPO zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch vom Vorliegen einer Urteilsnichtigkeit nach dem § 281 Abs 1 Z 10 StPO zum Nachteil des Angeklagten insoweit, als im Punkt I/2 des Schuldspruchs dem Angeklagten rechtsirrtümlich - als Verbrechen - der Versuch einer schweren Nötigung im Sinne des § 106 Abs 1 Z 3 StGB angelastet wurde, weil er Josef B zu nötigen versuchte, beim Gendarmeriepostenkommando Pottendorf seine Aussage als Auskunftsperson (zu einer im Dezember 1976 gegen den Angeklagten wegen der Verwaltungsübertretungen nach Art. VIII Abs 1 lit. a und b EGVG. in der damals geltenden Fassung erstatteten Anzeige: S. 13 in ON. 21) zu widerrufen; in diesem Aussagewiderruf erblickte das Erstgericht eine Handlung, die besonders wichtige Interessen des Genötigten verletzt (hätte), weil er sich dadurch selbst einer strafbaren Handlung schuldig gemacht hätte.

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung ist nämlich davon auszugehen, daß die durch den § 106 StGB unter die gleiche (im Verhältnis zum Grundstrafrahmen des § 105 Abs 1 StGB strengere) Strafdrohung gestellten, nach verschiedenen Gesichtspunkten qualifizierten Begehungsformen der Nötigung in ihrem (modalen oder Erfolgs-) Unwert einander zumindest annähernd gleichwertig sein müssen. Dementsprechend kommen als qualifizierte Nötigungsziele im Sinne des § 106 Abs 1 Z 3 StGB nur besonders schwerwiegende Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen in Betracht, die - den nach dem § 106 Abs 1 Z 1 und 2 StGB die Nötigung qualifizierenden schweren Nachteilen vergleichbar - gegen besonders wichtige Interessen (des Genötigten oder eines Dritten) gerichtet sind. Daraus folgt zunächst, daß - entgegen der vom Erstgericht anscheinend vertretenen Auffassung - nicht jede auch bloß geringfügige strafbedrohte Handlung an sich schon als Verletzung besonders wichtiger Interessen (des Genötigten oder eines Dritten) angesehen werden kann.

Es zeigt sich sohin, daß das dem Angeklagten laut Punkt I/2 des Schuldspruchs zur Last fallende Deliktsverhalten rechtsrichtig nur als Versuch der (einfachen) Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB zu beurteilen ist, weshalb wie im Spruch zu erkennen war. Bei der Neubemessung der Strafe, die nach dem § 84 Abs 1 StGB vorzunehmen war, erachtete der Oberste Gerichtshof als erschwerend: das Zusammentreffen von zwei strafbaren Handlungen verschiedener Art und die Wiederholung des Körperverletzungsdeliktes sowie die zahlreichen, auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Vorstrafen; hingegen wurde als mildernd berücksichtigt: das (weitgehende) Geständnis und der Umstand, daß die Nötigung nur bis ins Versuchsstadium gedieh.

Von diesen Strafzumessungsgründen ausgehend, erscheint die verhängte Freiheitsstrafe schuldangemessen (§ 32 StGB).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruche angeführte Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02070

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00064.79.0621.000

Dokumentnummer

JJT_19790621_OGH0002_0120OS00064_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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