TE OGH 1979/7/5 7Ob36/79

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Veröffentlicht am 05.07.1979
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Norm

Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherung Art4
Handelsgesetzbuch §161
Versichernngsvertragsgesetz §67
ZPO §268

Kopf

SZ 52/112

Spruch

In der Kaskoversicherung sind Gesellschafter und Organe einer Kapitalgesellschaft nicht mitversichert, wohl aber bei einer Personengesellschaft. Daher kommt gegen die letzteren Rückgriffe nach § 67 Abs. 1 VersVG nicht in Betracht, wohl aber Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung

An ein verurteilendes Straferkenntnis der Verwaltungsbehörde ist das Gericht nicht gebunden

OGH 5. Juli 1979, 7 Ob 36/79 (LGZ Wien, 42 R 410/79; BG Innere Stadt Wien. 33 C 1862/78)

Text

Die Firma G Ges. m. b. H. und Co. KG war am 4. Juni 1976 Eigentümerin des PKW Mercedes 450 SEL, pol. Kennzeichen W 358.758. Dieser PKW war bei der Klägerin kaskoversichert;

Versicherungsnehmerin war die genannte Firma. Kommanditist war der Beklagte, Komplementärin die G Ges. m. b. H., deren Geschäftsführer ebenfalls der Beklagte war. Dieser hat als Lenker des PKW am 4. Juni 1976 einen Unfall verursacht, bei dem der PKW beschädigt wurde. Die Klägerin mußte auf Grund des Kaskoversicherungsvertrages Leistungen von 20 450 S erbringen, deren Ersatz sie mit der vorliegenden Klage vom Beklagten mit der Behauptung begehrt, dieser habe den Unfall verschuldet und außerdem Fahrerflucht begangen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, der Beklagte sei als Gesellschafter der Versicherungsnehmerin Mitversicherter gewesen, weshalb ein Regreß nach § 67 VersVG von ihm nicht begehrt werden könne.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es sprach dem Kommanditisten die Eigenschaft als Mitversicherter aus der Kaskoversicherung bezüglich eines der Gesellschaft gehörigen Fahrzeuges ab und bejahte daher die grundsätzliche Regreßpflicht des Beklagten nach § 67 VersVG. Demnach seien Feststellungen über das Verschulden des Beklagten am Unfall erforderlich. Diesbezüglich sei ein Erkenntnis der Verwaltungsbehörde nicht bindend. Eine Bindung begrunde ein solches Erkenntnis lediglich bezüglich der Frage der Fahrerflucht. Selbst wenn aber den Beklagten kein Verschulden am Unfall treffe, müsse infolge der Behauptungen der Klägerin die Frage einer Obliegenheitsverletzung geprüft werden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Richtig wurde von beiden Untergerichten erkannt, daß ein Regreßanspruch nach § 67 Abs. 1 VersVG nur gegen einen Dritten gegeben sein kann und daß unter einem solchen nur eine vom Versicherungsnehmer oder Versicherten verschiedene Person zu verstehen ist. Bei der Kaskoversicherung ist der Fahrzeuglenker nicht mitversichert, so daß die Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen ihn auf den Versicherer übergehen können (SZ 46/89; RZ 1976/87 u. a.). Richtig wurde ferner vom Berufungsgericht ausgeführt, daß zwar Gesellschafter oder Organe einer Kapitalgesellschaft nicht Mitversicherte aus der Kaskoversicherung bezüglich eines von der Gesellschaft versicherten Fahrzeuges sind, daß aber sowohl die offene Handelsgesellschaft als auch die Kommanditgesellschaft keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen (Schlegelberger, HGB[4] II, 1337, RGKomm. zum HGB[3] II/2, 122). Aus diesem Gründe müssen im Falle der Versicherung eines zum Gesellschaftseigentum gehörigen Fahrzeuges die persönlich haftenden Gesellschafter als Mitversicherte angesehen werden. Dies wird damit begrundet, daß Gegenstand der Kraftfahrzeugkaskoversicherung das Eigentümerinteresse an der Erhaltung des versicherten Fahrzeuges ist. Ein derartiges Interesse ist bei einer Gesamthandgemeinschaft, die für einen zum gemeinschaftlichen Vermögen gehörigen Kraftwagen eine Kaskoversicherung abschließt, in der Person jedes Gemeinschaftsangehörigen gegeben. Jedem der Teilhaber steht an dem gemeinschaftlichen Kraftfahrzeug ein Eigentumsrecht zu. Dieses unterliegt zwar der gesamthänderischen Bindung des Gemeinschaftsvermögens. Es läßt jedoch einen Verlust des Fahrzeuges als eine unmittelbare Beeinträchtigung der dinglichen Rechtsstellung des einzelnen Teilhabers erscheinen. Da die einzelnen Gemeinschaftsangehörigen unter diesen Umständen, unbeschadet der Unteilbarkeit, Gleichartigkeit und Gemeinschaftlichkeit des versicherten Interesses, als dessen Mitträger angesehen werden müssen, genießen sie als Mitversicherte Versicherungsschutz. Der Kaskoversicherer ist deshalb grundsätzlich gehindert, nach Entschädigung der Gesamthandgemeinschaft gegen eines ihrer Mitglieder nach § 67 Abs. 1 VersVG Rückgriff zu nehmen (VersR 1964, 479).

Das Berufungsgericht vertritt nun den Standpunkt, infolge der beschränkten Haftung und des Ausschlusses des Kommanditisten von der Geschäftsführung sei dieser eher so zu behandeln wie der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft als wie ein persönlich haftender Gesellschafter. Dieser Argumentation kann nicht beigepflichtet werden. Durch die bloße Beschränkung der Haftung des Kommanditisten und seinen gesetzlichen Ausschluß von der Geschäftsführung wird seine Rechtsstellung zum Gesellschaftsvermögen nicht geändert. Auch die Kommanditisten sind Gesamthandeigentümer wie die Komplementäre (Kastner, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechtes, 97; Schlegelberger, HGB[4] II, 1338, RGKomm. zum HGB[3] II/2, 123; Hämmerle - Wünsch, Handelsrecht[3] II/147 f., HS 5120 u. a.). Demnach gelten bezüglich des Interesses des Kommanditisten an einem versicherten Fahrzeug der Gesellschaft dieselben Erwägungen wie für den persönlich haftenden Gesellschafter. Dies führt aber dazu, daß auch bei der Kommanditgesellschaft jeder einzelne Gesellschafter als Mitversicherter der für ein Gesellschaftsfahrzeug abgeschlossenen Kaskoversicherung angesehen werden muß, weil er ebenfalls Träger des Eigentümerinteresses am Fahrzeug ist (Stiefel - Wussow - Hofmann, KFZ-Versicherung[10], 512).

Aus den aufgezeigten Erwägungen erweist sich die Rechtsansicht des Erstgerichtes, derzufolge gegen den Beklagten als Mitversicherten aus der Kaskoversicherung ein Regreßanspruch nach § 67 Abs. 1 VersVG nicht besteht, als richtig. Aus diesem Gründe erübrigen sich Erhebungen über sein Verschulden am Unfall und selbstverständlich auch über seine allfällige Dienstnehmereigenschaft, bezüglich welcher im übrigen das Verfahren nicht den geringsten Anhaltspunkt erbracht hat, weshalb in dieser Richtung auf jeden Fall eine Verfahrensergänzung unterbleiben hätte müssen.

Ist der Beklagte aber Mitversicherter aus der Kaskoversicherung, so treffen ihn die diesbezüglichen Obliegenheiten. Demnach kann die Klägerin bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen im Falle einer Obliegenheitsverletzung vom Beklagten den Rückersatz der erbrachten Leistungen verlangen. Eine derartige Obliegenheitsverletzung (Nichtmitwirkung an der erforderlichen Aufklärung infolge Fahrerflucht) hat die Klägerin behauptet. Hiezu wurde keine Feststellungen getroffen, weshalb das Verfahren in dieser Richtung ergänzungsbedürftig ist. Allerdings kann auch hier der Auffassung des Berufungsgerichtes, bezüglich der Fahrerflucht sei das Gericht an ein verurteilendes Straferkenntnis der Verwaltungsbehörde gebunden, nicht beigepflichtet werden. Eine solche Bindung der Gerichte an Straferkenntnisse der Verwaltungsbehörden wird von der neueren Judikatur einheitlich angelehnt. Ein derartiges Erkenntnis ist ein bloßes Beweismittel (Fasching IV 507 ff., ZVR 1971/24; EvBl. 1964/244; 7 Ob 39/77 u. a.).

Anmerkung

Z52112

Schlagworte

Bindungswirkung eines Straferkenntnisses, Kaskoversicherung nicht für Organe einer versicherten, Kapitalgesellschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0070OB00036.79.0705.000

Dokumentnummer

JJT_19790705_OGH0002_0070OB00036_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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