TE OGH 1979/7/5 12Os91/79

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Veröffentlicht am 05.07.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Ackerl als Schriftführer in der Strafsache gegen Otto A wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3

StGB mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Privatbeteiligten Josef und Engelbert B gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19. Dezember 1978, GZ 1 b Vr 8227/78-9, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte, die Staatsanwaltschaft und die Privatbeteiligten auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 23.Dezember 1946 geborene Kraftfahrer Otto A des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig gesprochen. Die Privatbeteiligten Josef und Engelbert B wurden auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Das Erstgericht stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Mieter der Wohnung Nr. 20 des von Dr. Johann C verwalteten Hauses Wien 5., Kleine Neugasse 11 war ein Herr D. Als dieser die Wohnung nicht mehr benötigte, holte er die Zustimmung der Hausverwaltung ein, selbst einen Nachfolger für seine Mietrechte suchen zu dürfen. Über Vermittlung des Wohnungsbüros Fa. E, Realitätenges.m.b.H. bezahlte der Angeklagte dem Vormieter D, der auf seine Mietrechte verzichtete, einen Ablösebetrag und an die Fa. E die vereinbarte Provision. Der Angeklagte schloß am 29.Oktober 1976 mit der Hausverwaltung einen neuen Mietvertrag ab. D hatte dem Angeklagten gegenüber erwähnt, daß er jederzeit die Wohnung 'weiterverkaufen' könne. Der schriftliche Mietvertrag enthielt jedoch keine solche Bestimmung.

In der Folge benötigte der Angeklagte die Wohnung nicht mehr und bezahlte ab März 1977 keinen Mietzins. Am 11.Mai 1977 wandte er sich an das Büro E und verhandelte dort mit der Angestellten dieses Büros, Elfriede F, wegen der Weitergabe der Wohnung. Er bestätigte dort wahrheitswidrig, vom Inhaber des Objektes, also vom Hauseigentümer oder dessen Hausverwalter, zur Weitergabe berechtigt zu sein (S. 25). Mündlich dürfte er der F reinen Wein eingeschenkt haben, weil sie ihm noch den Rat gab, er solle behaupten, daß die Wohnung sein Onkel bekomme.

Engelbert B vereinbarte über Vermittlung der Fa. E die Übernahme der Wohnung, für die der Angeklagte 95.000 S Ablöse verlangt hatte. B bezahlte 115.000 S plus Provision, zusammen 128.570 S und erhielt ein Paar Wohnungsschlüssel. Zu einem vereinbarten Zusammentreffen erschien der Angeklagte verspätet und erhielt 99.000 S. 6.000 S wurden von dem Büro für die Restforderung des D in dieser Höhe zurückbehalten. Engelbert B versuchte dann vergeblich, mit dem Angeklagten einen Termin für eine Zusammenkunft zu vereinbaren. Am 10. August 1977 brachte Dr. C gegen Otto A Räumungsklage ein. Am 22. August 1977 bezahlte der Angeklagte Dr. C die rückständige Miete, und dieser zog die Klage zurück. A erwähnte, daß er die Wohnung weitergeben wolle, und Dr. C meinte, daß er mit dem Interessenten kommen solle, man werde eine Lösung finden. Der Angeklagte aber unternahm nichts weiter und bezahlte auch den Mietzins nicht mehr. Als Dr. C erfuhr, daß der Angeklagte die Wohnung weitergegeben hatte, brachte er eine neue Räumungsklage ein, die mit einem Räumungsurteil endete.

Das Erstgericht stützte seine Feststellungen unter anderem auf die Verantwortung des Angeklagten, meinte aber, daß ihn seine Verantwortung, er habe B vergeblich telefonisch zu erreichen versucht und schließlich angenommen, daß alles in Ordnung sei, nicht entschuldigen könne.

Auf Grund der oben wiedergegebenen Feststellungen kam das Erstgericht zu dem Schluß, daß dem Angeklagten von vornherein klar war, daß eine Mietrechtübertragung nicht klappen werde, daß ihm nur darum zu tun war, zu seinem Geld zu kommen, und daß er es dem Zufall überließ, wie sich B allenfalls mit dem Hauseigentümer arrangieren werde. Er hat somit zumindestens B, wenn schon nicht auch die Angestellte der Fa. E, über seine Befugnis zur Weitergabe getäuscht. Er hat eine Schädigung in Kauf genommen und in der 'Absicht' gehandelt, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Dieses Urteil wird vom Angeklagten mit einer auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit. a StPO, inhaltlich auch auf Z 10 der genannten Gesetzesstelle, gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist berechtigt.

Zunächst haftet dem Urteil ein Begründungsmangel im Sinne des erstgenannten Nichtigkeitsgrundes an, denn die lediglich auf den Alleinvermittlungsauftrag (S. 25) gestützte Feststellung des Erstgerichtes, daß der Angeklagte wahrheitswidrig schriftlich bestätigt habe, vom Inhaber des Objektes, also vom Hauseigentümer oder vom Hausverwalter, zur Weitergabe berechtigt zu sein, findet in dem genannten Vertrag keine Deckung (siehe S. 83 und 25). Inhaber der Wohnung kann nur der faktische Benützer, im vorliegenden Fall der Mieter sein, nicht aber der vermietende Eigentümer. Da der Angeklagte mit Engelbert B persönlich überhaupt nicht verhandelte, und die Frage, ob er allenfalls die Angestellte der Fa. E Elfriede F in Irrtum geführt hat, vom Erstgericht offengelassen wurde - das Erstgericht kam zur Vermutung, daß der Angeklagte F reinen Wein eingeschenkt habe (S. 83) -, ist die Annahme einer Täuschung des Engelbert B unvollständig und unzureichend begründet. Dem Urteil haften aber auch Feststellungsmängel im Sinne des § 281 Abs 1 Z 9 lit. a StPO an, denn das Erstgericht stellte zur subjektiven Tatseite lediglich fest, daß der Angeklagte es dem Zufall überließ, wie sich B allenfalls mit dem Hauseigentümer arrangieren würde, daß er eine Schädigung BS in Kauf genommen habe und in der Absicht handelte, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen (S. 89). Nach § 146 StGB muß der Vorsatz des Täters auf eine unrechtmäßige Bereicherung gerichtet sein, die das Erstgericht nicht festgestellt hat. Eine rechtmäßige Bereicherung - die das Ziel jedes Wirtschaftens ist - genügt keineswegs (siehe EvBl. 1975/302 = ÖJZ-LSK. 1975/56). Der Vorsatz (bedingter Vorsatz genügt) des Täters muß auch die Vermögensschädigung des Getäuschten umfassen (siehe ÖJZ-LSK. 1978/247). Nach § 5 Abs 1 StGB handelt mit bedingtem Vorsatz, wer die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbildes ernstlich für möglich hält (d. h. das Risiko hoch einschätzt) und sich damit abfindet. Die Feststellung des Erstgerichtes, der Angeklagte habe die Schädigung 'in Kauf genommen', reicht für sich allein nicht zur Annahme bedingten Vorsatzes aus, denn sie besagt nur, daß der Täter die Tatbildverwirklichung ernstlich für möglich gehalten hat, läßt aber keinen sicheren Schluß auf die weitere Willensbildung zu (ÖJZ-LSK. 1978/18). Daß der Täter die Möglichkeit der Tatbildverwirklichung als naheliegend ansieht, kann Ausgangspunkt für bedingt vorsätzliches oder bewußt fahrlässiges Handeln sein. Der Unterschied liegt erst in der Fortsetzung des Willensbildungsprozesses. Im einen Fall entschließt er sich dennoch zur Tat, weil er einen das Tatbild herstellenden Ereignisablauf hinzunehmen gewillt ist, im anderen Fall handelte er im (wenn auch leichtfertigen) Vertrauen darauf, den verpönten Erfolg nicht herbeizuführen (EvBl. 1975/282 =

ÖJZ-LSK. 1975/48, EvBl. 1978/80 u.a.).

Die Feststellungen des Erstgerichtes lassen somit offen, ob der Angeklagte - in diese Richtung ging seine Verantwortung - mit bewußter Fahrlässigkeit im Sinne des § 6 Abs 2 StGB oder mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat.

Schließlich fehlen in den Urteilsgründen Feststellungen, daß der - vom Vorsatz des Täters umfaßte - Schaden 100.000 S übersteigt. Denn die Schadenshöhe konnte vom Erstgericht mit Rücksicht darauf, daß in dem von Engelbert B bezahlten Betrag von 128.570 S auch der Kaufpreis für Einrichtungsgegenstände enthalten war, die B tatsächlich erhalten hat, nicht mit Sicherheit bestimmt werden (S. 90), sodaß dem Urteil auch ein Feststellungsmangel im Sinne des § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet.

Da somit wesentliche und mängelfrei begründete Feststellungen fehlen, die eine erschöpfende Beurteilung des Sachverhaltes zulassen, war der Nichtigkeitsbeschwerde - mit Zustimmung der Generalprokuratur bereits bei der nichtöffentlichen Beratung - gemäß § 285 e StPO Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Es erübrigte sich daher auch noch auf die weiteren, geltend gemachten Begründungsmängel einzugehen. Im neuen Rechtsgang wird sich das Erstgericht auch mit den Verfahrensergebnissen auseinandersetzen müssen, die für die Richtigkeit der Verantwortung des Angeklagten, er habe nicht mit Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz im Sinne des § 146 StGB gehandelt, sprechen. So habe der Vermieter D dem Angeklagten gegenüber erwähnt - wie das Erstgericht selbst annimmt (S. 82) - daß er die Wohnung jederzeit weiterverkaufen könne. Elfriede F gab an, daß die Kunden (üblicherweise) dahin beraten werden, daß sie nicht von einem Verkauf (der Wohnung) sprechen sollen und daß sie auf Vorhalt der Verantwortung des Angeklagten, sie habe ihm geraten, einen Onkel vorzugeben, dem er die Wohnung überlassen will, vorgeschlagen habe, von einem Freund oder Bekannten zu sprechen, damit allenfalls nur ein geringerer Ablösebetrag der Hausverwaltung bezahlt werden müsse (S. 68). Dr. Johann C bestätigte, daß der Angeklagte am 22.August 1977

gefragt habe, ob er einen anderen Mieter bringen könne, daß es möglich sei, daß der Name des Interessenten genannt wurde und er dem Angeklagten gesagt habe, daß der Interessent nach persönlicher Vorsprache und nach Verzicht des Angeklagten auf seine Mietrechte einen Mietvertrag erhalten könne, wenn die neuen noch festzusetzenden Bedingungen angenommen werden (S. 58 bis 60). Es war somit spruchgemäß zu entscheiden und der Angeklagte, die Staatsanwaltschaft und die Privatbeteiligten mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E02116

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00091.79.0705.000

Dokumentnummer

JJT_19790705_OGH0002_0120OS00091_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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