TE OGH 1979/8/8 10Os93/79

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Veröffentlicht am 08.08.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.August 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Winter als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl A und andere wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 2 (bzw. beim Angeklagten B 128 Abs 1 Z 4), 129 Z 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten Karl A gegen das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 8.März 1979, GZ 16 Vr 1261/78-39, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die Berufungen der Angeklagten Gerhard C und Othmar B nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Neuwirth, Dr. Wais und Dr. Walch und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, jedoch gemäß § 290 Abs 1 StPO in seinem, den Karl A betreffenden Schuldspruch wegen des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 StGB

(Punkt B des Urteilssatzes) sowie demzufolge auch im Ausspruch über die Strafe dieses Angeklagten aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Karl A ist schuldig, am 22.Oktober 1978 in Hainfeld dadurch, daß er auf den Gendarmeriebeamten Bezirksinspektor Franz D, der ihn festnehmen wollte mit seinem PKW. zufuhr, sodaß sich D nur durch einen Sprung zur Seite vor dem Überfahrenwerden retten konnte, versucht zu haben, einen Beamten durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung zu hindern.

Er hat hiedurch das Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB

begangen und wird hiefür sowie für die ihm nach dem aufrecht gebliebenen Punkt A) des Urteils zur Last fallende strafbare Handlung (Verbrechen des Diebstahls nach §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 2, 129 Z 1 StGB) gemäß §§ 28, 128 Abs 2 StGB zu 2 (zwei) Jahren und 10 (zehn) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte A auf diese Entscheidung verwiesen.

Den Berufungen der Angeklagten Gerhard C und Othmar B wird teilweise Folge gegeben und es werden die über sie verhängten Freiheitsstrafen herabgesetzt, und zwar bei Gerhard C auf 20 (zwanzig) Monate und bei Othmar B auf 14 (vierzehn) Monate. Im übrigen wird deren Berufungen nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen sämtlichen Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auch die Angeklagten Gerhard C und Othmar B betreffenden Urteil wurde der am 25.Juni 1956 geborene beschäftigungslose Karl A zu A) des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 2, 129 Z 1 StGB, sowie zu B) des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Zu dem vom Angeklagten A mit Nichtigkeitsbeschwerde allein angefochtenen Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 269 Abs 1 StGB stellte das Schöffengericht fest, daß der Genannte gemeinsam mit Gerhard C in den Abendstunden des 22.Oktober 1978 einen Einbruchsdiebstahl bei Johann E verübte, der ihn dabei aber beobachtete und daraufhin die Gendarmerie verständigte; Bezirksinspektor Franz D begab sich mit (den beiden Zivilisten) Johann E und Leopold F an den Tatort. Dort wurde zunächst die zum Hause des Johann E als einzige Zufahrt führende Brücke durch Querstellen eines PKWs. blockiert. Als A die sich zu Fuß nähernden Personen bemerkte, sprang er in seinen beim Haus des E abgestellten PKW. und fuhr zunächst unbeleuchtet mit einer Geschwindigkeit von etwa 25 km/h, die er sodann auf ca. 40 km/h erhöhte, auf den Gendarmeriebeamten zu. Obwohl jener mittels einer Taschenlampe Haltezeichen mit Rotlicht gab, die der Angeklagte auch wahrnahm (S. 506 ff.), fuhr letzterer mit dem Vorsatz (aaO.: '... in der Absicht ...'), seine Anhaltung und Festnahme zu verhindern, auf den uniformierten Beamten zu, der sich vor dem Überfahrenwerden nur durch einen Sprung zur Seite retten konnte. Nach kurzer Fahrt - die dabei zurückgelegte Strecke wurde vom Angeklagten selbst im Vorverfahren mit etwa 200 m angegeben (S. 353) und hat nach Inhalt der Anzeige ON. 25 sogar nur 'ca. 25 m' betragen (S. 417) - kam A zur blockierten Brücke, verließ dort sein Fahrzeug und konnte anschließend festgenommen werden (S. 506).

Gestützt auf den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 9 lit. a StPO bringt der Beschwerdeführer vor, bei der von ihm eingehaltenen Geschwindigkeit von äußerstenfalls 40 km/h hätte er das Fahrzeug rechtzeitig anzuhalten vermocht, wenn der Beamte nicht auf die Fahrbahn getreten wäre, aber selbst bei der dadurch geschaffenen Lage immer noch ohne dessen Gefährdung ausweichen können. Jedenfalls habe keine Berührung zwischen dem Körper des Beamten und dem PKW. stattgefunden und die Lage sei daher auch nicht so gefährlich gewesen, wie sie dargestellt werde und vielleicht geschienen habe. Insbesondere eben wegen der von ihm (Angeklagten) eingehaltenen äußerst geringen Geschwindigkeit könne von einer Erfüllung des Tatbestandes nach § 269 Abs 1

StGB nicht gesprochen werden.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Beschwerdeführer vertretenen Rechtsansicht kann nicht beigetreten werden.

Wer, wie vom Erstgericht - übrigens unbestritten - festgestellt, mit einem PKW. auf einen Gendarmeriebeamten der ihn erkennbar anhalten will, mit dem Vorsatz, diese Anhaltung zu vereiteln, - noch dazu unter merkbarer Erhöhung der zuvor eingehaltenen Geschwindigkeit - losfährt oder auch nur bedrohlich knapp vorbeifährt, unternimmt es, die Amtshandlung zumindest durch gefährliche Drohung (mit Gewalt) zu hindern (10 Os 26/76). Ob der Beamte vom Fahrzeug berührt wird, sich durch eine Seitwärtsbewegung vor dem Überfahrenwerden retten muß oder der PKW. doch noch knapp an ihm vorbeibewegt werden könnte, ist dabei unerheblich. Außerdem ist die nach den Konstatierungen des Erstgerichts vom Beschwerdeführer bei seiner deliktischen Handlungsweise gewählte Fahrgeschwindigkeit von (schließlich) etwa 40 km/h nicht als so gering zu bezeichnen, daß aus ihr keinesfalls eine unfallträchtige Situation entstehen konnte und deshalb gesagt werden müßte, der Beamte hätte das Wegfahren des Beschwerdeführers durch Ausweichen grundlos ermöglicht.

Es zeigt sich sohin, daß dem bekämpften Schuldspruch der behauptete Rechtsirrtum nicht anhaftet, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war.

Aus deren Anlaß vermochte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon zu überzeugen, daß das Urteil durch die Zurechnung des vorstehend geschilderten Verhaltens als vollendeter Widerstand gegen die Staatsgewalt an einem nicht gerügten Subsumtionsirrtum im Sinn des § 281 Abs 1 Z 10 StPO leidet, der sich zum Nachteil des Angeklagten Karl A

auswirkt und deshalb gemäß § 290 Abs 1 StPO

von Amts wegen wahrzunehmen ist.

Dem Angeklagten A ist es durch seinen Widerstand gegen Bezirksinspektor Karl D nämlich nur gelungen, seine Festnahme um eine völlig unerhebliche Zeitspanne in einem an sich ununterbrochenen Ablauf der Amtshandlung zu verzögern. Sein Ziel, diese Amtshandlung, nämlich seine Festnahme zu verhindern, hat er nicht erreicht; seine in Rede stehende deliktische Handlungsweise ist daher nicht, so wie dies im angefochtenen Urteil (rechtlich verfehlt) geschah, als vollendeter, sondern (rechtsrichtig) bloß als versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB zu beurteilen (SSt. 47/21).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Bei der sohin beim Angeklagten A erforderlichen Neubemessung der Strafe, die gemäß § 28 StGB wiederum nach § 128 Abs 2 StGB zu erfolgen hatte, war erschwerend die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art, die vorangegangene Verurteilung wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat, der rasche Rückfall (bedingte Entlassung aus der Strafhaft am 11.August 1978 - erste neue einschlägige Straftat bereits am 24.September 1978) und das Vorliegen mehrerer Qualifikationen bei den Diebstählen, mildernd hingegen, daß es bei der dem Punkt B des Schuldspruchs zugrunde liegenden Straftat beim Versuch geblieben ist sowie weiters die teilweise Zustandebringung des Diebsgutes und das reumütige Geständnis zu den Diebstahlstaten. Von diesen Strafzumessungsgründen ausgehend erachtet der Oberste Gerichtshof neuerlich eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten, also im gleichen Ausmaß wie sie im Ersturteil festgesetzt worden war, als angemessen.

Das Hinzutreten des Milderungsgrundes nach § 34 Z 13 StGB zu den vom Erstgericht seinerzeit angenommenen mildernden Umständen (infolge der Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO) wird dabei durch das vom Erstgericht auf Seiten der Erschwerungsgründe - übrigens bei allen Angeklagten - übersehene, nunmehr aber zu beachtende Vorliegen mehrerer Qualifikationen bei den Diebstählen reichlich aufgewogen. Für die bedingte Strafnachsicht fehlt es angesichts der Höhe der Strafe schon an der Grundvoraussetzung des § 43 Abs 2 StGB

Mit seiner - außer der Strafherabsetzung auch diese Rechtswohltat anstrebenden - Berufung war der Angeklagte A auf die vorliegende Entscheidung zu verweisen.

Teilweise Berechtigung kommt hingegen den - in die beiden gleichen Richtungen gehenden - Berufungen der Angeklagten C und B zu, nämlich insoweit sie eine Minderung des Strafmaßes begehren. Das Erstgericht verhängte über die zwei Angeklagten - unbedingte - Freiheitsstrafen, und zwar bei C nach § 128 Abs 2 StGB in der Dauer von zwei Jahren und bei B gemäß § 129 StGB in der Dauer von achtzehn Monaten.

Bei der Strafbemessung nahm es bei beiden Angeklagten jeweils eine vorangegangene Verurteilung wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat, den raschen Rückfall und die Wiederholung der diebischen Angriffe an, bei B außerdem den hohen, die Wertgrenze des § 128 Abs 2 StGB etwa erreichenden Schadensbetrag (von nahezu 100.000 S - bei C wurde hingegen diese strafsatzändernde Qualifikation angesichts des bei ihm diese Wertgrenze eindeutig übersteigenden Schadensbetrages angenommen). Als mildernd wurde demgegenüber bei beiden Angeklagten das Alter unter 21 Jahren, die teilweise Zustandebringung des Diebsgutes und das reumütige Geständnis gewertet.

Obwohl auch diese zwei Angeklagten, wie schon angeführt, zusätzlich der vom Gericht nicht beachtete Erschwerungsgrund der mehreren Diebstahlsqualifikationen belastet, erscheinen die über sie verhängten Freiheitsstrafen etwas überhöht. Sie sind immerhin nach der ersten vorangegangenen Verurteilung einer geregelten Beschäftigung nachgegangen.

Sie sind auch nicht so rasch rückfällig geworden wie der Angeklagte A. Der Angeklagte B hat sich außerdem aus freien Stücken nach den ersten Straftaten von A und C zurückgezogen und sich an deren weiteren umfangreichen Diebstählen nicht mehr beteiligt. Unter Berücksichtigung dieser Momente, vor allem aber auch einer weitergehenden Bedachtnahme auf das Alter unter 21 Jahren, waren die über die Angeklagten C und B verhängten Freiheitsstrafen in Stattgebung ihrer Berufungen auf das aus dem Spruch ersichtliche Ausmaß herabzusetzen.

Dem weiteren Begehren dieser zwei Berufungswerber konnte hingegen schon deshalb nicht näher getreten werden, weil ihnen die Rechtswohltat bedingter Strafnachsicht schon einmal gewährt worden war und sie dennoch neuerlich einschlägig rückfällig wurden, sodaß es nunmehr der Vollstreckung der Freiheitsstrafen bedarf, um sie in Hinkunft von der Begehung weiterer deliktischer Handlungen abzuhalten.

Anmerkung

E02146

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0100OS00093.79.0808.000

Dokumentnummer

JJT_19790808_OGH0002_0100OS00093_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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