TE OGH 1979/9/5 10Os77/79

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Veröffentlicht am 05.09.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.September 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Racek in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Walenta und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Plischnack als Schriftführer in der Strafsache gegen Willibald A wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Raubes nach §§ 142 Abs 1 und 15 StGB über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 12. Jänner 1979, GZ 10 Vr 2647/78-26, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Myslik und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und der Privatbeteiligte Max B mit seinem Ersatzanspruch gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 14.Mai 1957 geborene Hilfsarbeiter Willibald A des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Raubes nach §§ 142 Abs 1 und 15 StGB - die demgegenüber vom Erstgericht im Urteilssatz (S. 128) gewählte Formulierung, der Angeklagte habe (durch sein inkriminiertes Verhalten) 'das Verbrechen des Raubes nach den §§ 142 Abs 1 und des versuchten Raubes nach §§ 142 Abs 1 StGB in Verbindung mit § 15 StGB begangen', ist nicht nur unüblich, sondern insbes. auch geeignet zur mißverständlichen Deutung dieses Ausspruchs Anlaß zu bieten, dem Angeklagten werde das Raubverbrechen 2-fach angelastet - schuldig erkannt, weil er am 9.September 1978 in Graz mit Gewalt gegen eine Person, nämlich dadurch, daß er dem Max B einen Faustschlag gegen die linke Schläfengegend versetzte, fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, I. abnötigte, und zwar einen Bargeldbetrag von 200 S;

II. abzunötigen versuchte, und zwar eine Geldbörse mit weiterem Bargeld in der Höhe von mindestens 80 S, wobei die Vollendung lediglich infolge des Widerstands des Max B unterblieb.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z 4, 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs 1 StPO

gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. In Ausführung des ersterwähnten Nichtigkeitsgrunds rügt der Beschwerdeführer die Abweisung seines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags, 'den Wirt des Klosterkellers als Zeugen darüber zu laden, daß der Angeklagte einerseits erst eine Viertelstunde nach dem Überfall das Lokal verließ und daß der Zeuge und der Angeklagte einen Streit hatten' (S. 123). Er wurde jedoch hiedurch in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt. Daß der beantragte Zeuge die - in der vorher angeführten Weise aufgestellte - Behauptung des Beschwerdeführers, den Klosterkeller erst eine Viertelstunde nach dem Überfall verlassen zu haben, bestätigen könnte, war von vornherein auszuschließen, weil es sich (nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers) nicht um einen Tatzeugen handelte, nach Lage des Falls aber nur ein solcher vom Zeitpunkt des Überfalls Kenntnis haben konnte.

Das Verlassen des Lokals durch den Angeklagten - im Sinne des weiteren Beweisthemas - erst etwa 15 Minuten nach B, hat das Erstgericht ohnedies angenommen (S. 139).

Da dem Erstgericht weiters auch darin beigepflichtet werden muß, daß die Frage, ob der Angeklagte mit dem Zeugen vor der Tat im Lokal einen Streit hatte, keinen entscheidungswesentlichen - nämlich den Tathergang selbst tangierenden -

Umstand betrifft (vgl. S. 123 in Verbindung mit S. 139, 140), muß die Verfahrensrüge zur Gänze versagen.

Unter Anrufung des Nichtigkeitsgrunds des § 281 Abs 1 Z 5 StPO wirft der Beschwerdeführer dem angefochtenen Urteil vor, unvollständig und offenbar unzureichend begründet, mit einem inneren Widerspruch behaftet sowie mehrfach aktenwidrig zu sein. Entscheidende Tatsachen betreffende Begründungsmängel formaler Natur, wie sie zur Herstellung dieses Nichtigkeitsgrunds erforderlich wären, vermag er jedoch nicht aufzuzeigen. Vielmehr unternimmt er nach Inhalt und Zielsetzung seiner bezüglichen Ausführungen im wesentlichen lediglich den im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen und daher unbeachtlichen Versuch, die gemäß § 258 Abs 2

StPO vorgenommene freie Beweiswürdigung des erkennenden Gerichts zu bekämpfen, welche zu auf Grund einer Gesamtwürdigung der Verfahrensergebnisse i.S. des § 270 Abs 2 Z 5

StPO hinreichend begründeten Feststellungen geführt hat. Diese waren zwar unter Berücksichtigung aller wesentlichen Beweistatsachen und entsprechend den Denkgesetzen (schlüssig) zu treffen, bestand doch kein Erfordernis, im Urteil alle Details aus den Verfahrensergebnissen, die (isoliert betrachtet) unter Umständen zu Gunsten des Angeklagten ausgelegt werden könnten, zu erörtern. Nach dem Gesetz (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) genügt es vielmehr, in 'gedrängter Darstellung' anzugeben, welche (entscheidenden) Tatsachen aus welchen (denkrichtigen) Gründen als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen wurden.

Dieser Verpflichtung hat aber das Erstgericht im angefochtenen Urteil ohnedies entsprochen. Es hat die den Tathergang betreffenden Feststellungen insbesondere auf die als glaubwürdig und als mit den übrigen Beweisergebnissen im Einklang stehend angesehenen Zeugenangaben des Max B gestützt und demgemäß die leugnende Verantwortung des Angeklagten für widerlegt erachtet. Die Behauptung des Beschwerdeführers, seine Verantwortung sei mit Stillschweigen übergangen worden, entbehrt angesichts jener Urteilsausführungen, in denen seine bezüglichen Einlassungen ohnedies eingehend behandelt werden (S. 131 ff.), jeder Grundlage. Weitere - vom Beschwerdeführer reklamierte -

Erörterungen darüber, ob zwischen ihm und Max B (im Klosterkeller) gesprochen wurde oder nicht, ob B um ein Taxi telefonierte und ob dieser Zeuge allenfalls leicht alkoholisiert war, konnten schon deshalb unterbleiben, weil all dies keine entscheidenden Tatsachen betrifft und weil das Erstgericht, das die Angaben des Max B generell für glaubwürdiger hielt als jene des Angeklagten, auch in diesen Belangen bei allen unvereinbaren Abweichungen zwischen den verschiedenen Darstellungen ersichtlich dem Vorbringen des Max B folgte.

Vergeblich bleibt auch das Bemühen des Beschwerdeführers, einen inneren Widerspruch des Urteils daraus ableiten zu wollen, daß er nach den Urteilsfeststellungen (angeblich) mit Max B in der Nacht vom 8. zum 9.September 1978 einerseits gegen 24 Uhr im Klosterkeller in Graz zusammentraf (S. 129), sich andererseits aber bis 24 Uhr im Lokal 'Die Tenne' des Zeugen Johann C befand;

denn im Urteil wird in diesem Zusammenhang lediglich die Aussage des Zeugen C erwähnt (S. 134), wonach sich der Angeklagte bis ungefähr 24 Uhr in dessen Lokal aufhielt, so daß das - vom Beschwerdeführer selbst übrigens gar nicht bestrittene - Zusammentreffen im Klosterkeller durchaus möglich war und demnach insoferne von einem - wie immer gearteten - Widerspruch der Urteilsbegründung keine Rede sein kann.

Soweit der Beschwerdeführer in weiterer Ausführung seiner Mängelrüge das angefochtene Urteil deshalb als offenbar unzureichend begründet bezeichnet, weil es seine Täterschaft (lediglich) daraus ableite, daß er zunächst im Klosterkeller von der Barschaft des Max B Kenntnis erlangte, daß er sodann nach dem Genannten den Klosterkeller verließ und daß schließlich (nach der Tat) an seiner Weste (nicht von ihm selbst stammendes) Menschenblut der Blutgruppe A festgestellt wurde, übergeht er die Tatsache, daß das Erstgericht - das die Beweismittel gemäß § 258 Abs 2 StPO auf ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft nicht nur einzeln, sondern auch in ihrem inneren Zusammenhang zu prüfen hatte - den Schuldspruch in erster Linie auf die Aussage des Zeugen Max B stützte und die in der Beschwerde erwähnten (dessen Depositionen erhärtenden) Umstände nur als zusätzliche Argumente heranzog. Die bezüglichen Beschwerdeausführungen - auch jene, die sich dagegen wenden, daß die Aussage des Max B im Urteil u.a. deshalb als glaubwürdig beurteilt wird, weil sie typische Angaben über die Verübung derartiger Taten enthält (S. 133, 134) - erschöpfen sich in dem unbeachtlichen Versuch, die Verfahrensergebnisse nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung in einer für den Angeklagten günstigeren Weise zu deuten, als dies seitens des Erstgerichts geschehen ist.

Der Beschwerdeführer verkennt schließlich das Wesen einer Aktenwidrigkeit im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5 StPO, wenn er zahlreichen im Urteil enthaltenen Tatsachenfeststellungen die bezughabenden - sich mit diesen Feststellungen nicht immer wörtlich deckenden - Bekundungen von Zeugen bzw. seine eigene Verantwortung gegenüberstellt. Der lediglich eine formale Vergleichung gestattende Nichtigkeitsgrund der Aktenwidrigkeit läge nämlich nur vor, wenn in den Entscheidungsgründen der eine entscheidende Tatsache betreffende Inhalt einer Aussage (oder eines anderen Beweismittels) in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben würde, wogegen die Richtigkeit von aus dem Beweismaterial in freier Beweiswürdigung gezogenen Schlüssen unter dem Gesichtspunkt einer Aktenwidrigkeit nicht angefochten werden kann. Daß im Urteil der Inhalt von Aussagen unrichtig zitiert würde, vermag der Rechtsmittelwerber - abgesehen davon, daß die in der Beschwerde angeführten Aussageteile den als aktenwidrig gerügten Feststellungen ohnedies fast durchgehend wenigstens sinngemäß entsprechen und daß diese Konstatierungen großteils neuerlich keine entscheidenden Tatsachen betreffen - nicht darzutun. Dies insbesondere auch nicht insoweit, als er behauptet, das Erstgericht habe ihm im Urteil (S. 133) eine von ihm nicht gebrauchte Verantwortung, wonach er erklärt haben solle, B müsse sich die bei ihm festgestellten Verletzungen bei einem (auf Trunkenheit zurückzuführenden) Sturz selbst zugezogen haben, in den Mund gelegt, hat der Beschwerdeführer diese im Urteil wiedergegebene Verantwortung doch bereits vor dem Untersuchungsrichter vorgebracht (S. 45 e verso) und sie auch in der Hauptverhandlung aufrechterhalten (S. 114).

Die Mängelrüge hält daher ebenfalls nach keiner Richtung hin stand. Mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit. a (sachlich 10) StPO behauptet der Beschwerdeführer zunächst, das angefochtene Urteil nehme zwar an, daß er mit Bereicherungsvorsatz gehandelt habe, enthalte aber keine Feststellung darüber, ob der für die Zurechnung des Verbrechens des Raubes (gleichfalls) erforderliche Nötigungsvorsatz vorhanden gewesen sei. Sodann vertritt er die Auffassung, es hätte ihm neben dem vollendeten Verbrechen des Raubes nicht außerdem noch dessen Versuch zugerechnet werden dürfen, weil es sich mit Rücksicht auf die ununterbrochene kurzzeitige Tathandlung sowie die Identität von Täter und Opfer um ein einheitliches Delikt gehandelt habe. Auch diese Einwände gehen fehl.

Daß der Angeklagte (auch) mit Nötigungsvorsatz handelte, ist den Konstatierungen des Urteils ohnedies mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, wobei schon der festgestellte Tatablauf gar keine andere Möglichkeit offen läßt (vgl. insbesondere S. 130 und 140).

Ferner war dem Beschwerdeführer neben dem Verbrechen des vollendeten Raubes auch der Versuch dieses Delikts zuzurechnen; dies deshalb, weil er im vorliegenden Fall nach den Urteilsannahmen nicht etwa eine der Vollendung vorausgehende, auf Grund eines einheitlichen Willensentschlusses auf die Vollendung desselben Verbrechens am selben Objekt ausgerichtete Versuchshandlung setzte, in welchem Fall freilich der Versuch hinter die spätere Vollendung zurückträte (Alternativität oder Verdrängung: Leukauf-Steininger S. 219, 220). Vielmehr folgte der Versuch dem bezüglich eines Betrags von 200 S vollendeten räuberischen Angriff nach, zielte auf eine über den schon vorher vollbrachten Raub hinausgehende (weitere) Schädigung des Opfers ab und konnte solcherart mit dem ihm innewohnenden Unrechtsgehalt durch eine Verurteilung wegen der früher vollendeten Raubtat gar nicht erfaßt werden.

Es bleibt somit das letzte, auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte, Beschwerdevorbringen zu prüfen, das eine Beurteilung der dem Angeklagten zur Last gelegten Tathandlungen nach § 142 Abs 2 StGB anstrebt, weil der Raub an einer Sache geringen Werts und ohne erhebliche Gewaltanwendung begangen worden sei. Hiebei ist zunächst zu beachten, daß die Beurteilung einer Tat als sogenannter minder schwerer Raub nur dann in Frage kommt, wenn sämtliche im § 142 Abs 2 StGB normierten Voraussetzungen kumulativ gegeben sind, wie ohnedies aus dem Gesetz klar hervorgeht. Hievon kann im gegenständlichen Fall schon deshalb keine Rede sein, weil der Beschwerdeführer so heftig auf sein Opfer einschlug, daß dieses eine Kopfverletzung erlitt und unfallchirurgisch versorgt werden mußte (vgl. insbesondere S. 5, 89). Wie eine derart brutale Handlung als nicht erhebliche Gewalt aufgefaßt werden kann, bleibt schlechthin unerfindlich.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war mithin zu verwerfen. Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß § 142 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten. Es wertete als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen und den relativ raschen Rückfall des Angeklagten.

Mildernd waren hingegen die relativ geringe Beute und der Umstand, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist. Mit seiner Berufung strebt Willibald A eine Strafermäßigung und die Verweisung des Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg an.

Im Hinblick auf eine etwaige Strafherabsetzung ist die Berufung nicht begründet.

Daß es sich beim geraubten Gut um einen verhältnismäßig geringfügigen Geldbetrag handelte, wurde nach dem Gesagten vom Erstgericht bereits in hinreichendem Ausmaß als mildernd berücksichtigt. Ferner beruhen die Vorverurteilungen wegen Hausfriedensbruchs, Körperverletzung, Nötigung und Sachbeschädigung - entgegen der vom Berufungswerber offenbar vertretenen Meinung - auf gleicher schädlicher Neigung wie der nunmehrige Raub; das kann angesichts des Wortlauts des § 71 StGB wohl nicht bezweifelt werden.

Da der Berufungswerber mithin zusätzliche Milderungsgründe nicht ins Treffen zu führen vermag und er schon vorbestraft ist, ist eine Herabsetzung der - bei einem bis zu zehn Jahren reichenden Strafrahmen - ohnehin mild ausgefallenen Strafe schlechterdings unvertretbar.

Soweit der Angeklagte mit seiner Berufung die Verweisung des Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg anstrebt, kommt diesem Rechtsmittel Berechtigung zu. Da die Vorschrift des § 365 Abs 2 StPO (Einvernahme des Beschuldigten über den Privatbeteiligtenanspruch) in der Hauptverhandlung nicht befolgt worden ist, mußte dies nach ständiger Rechtsprechung zur Aufhebung des Adhäsionserkenntnisses führen.

Anmerkung

E02256

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0100OS00077.79.0905.000

Dokumentnummer

JJT_19790905_OGH0002_0100OS00077_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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