TE OGH 1979/9/25 11Os69/79

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Veröffentlicht am 25.09.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. September 1979

unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Winter als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter A und andere wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 Abs 1, Abs 2 Z 1 StGB über die von den Angeklagten Walter A und Silvia Ida A gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 9. Oktober 1978, GZ 23 Vr 3731/77-35, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird dahin Folge gegeben, daß an die Stelle der über den Angeklagten Walter A verhängten Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 37 StGB eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je S 80,-, im Falle der Uneinbringlichkeit 40 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, tritt und die über die Angeklagte Silvia Ida A verhängte Geldstrafe auf 14 Tagessätze (zu je S 150,-), im Falle der Uneinbringlichkeit 7 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, herabgesetzt wird.

Ferner wird gemäß dem § 295 Abs 1 StPO die über Christine A verhängte Geldstrafe auf 28 (achtundzwanzig) Tagessätze 'a 100 S, im Fall der Uneinbringlichkeit 14 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, herabgesetzt.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten Walter und Silvia Ida A auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 2. Mai 1952 geborene Hilfsarbeiter Walter A, die am 15. Oktober 1958 geborene Serviererin Christine A und das am 5. Dezember 1960 geborene, zur Tatzeit also noch jugendliche Zimmermädchen Silvia Ida A des Vergehens des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB schuldig erkannt. Nach dem Inhalt des Schuldspruchs haben sie in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) am 17. August 1977 in Hatting (Tirol) fremde bewegliche Sachen in einem 5.000,-- S nicht übersteigenden Wert, nämlich ca 10 kg Zwetschken unerhobenen Wertes dem Rudolf B mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Konrad C wurde von der Anklage der Mittäterschaft an dieser Straftat gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Der Freispruch bezüglich Konrad C und der Schuldspruch gegen Christine A sind in Rechtskraft erwachsen; Walter A und Silvia Ida A bekämpfen das Urteil im Schuldspruch mit einer gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde, die auf die Nichtigkeitsgründe nach dem § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützt wird.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerden sind nicht berechtigt.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer leidet das Urteil nicht an einem inneren Widerspruch, wenn das Gericht den Angaben eines Zeugen oder (Mit-)Angeklagten in einem Punkt Glauben schenkt, in anderen aber den Glauben versagt. Mit sich selbst im Widerspruch wäre das Urteil nur, wenn es Tatsachen als nebeneinander bestehend feststellt, die nach den Gesetzen logischen Denkens einander ausschließen. Dies gilt für den - allein der freien richterlichen Beweiswürdigung zuzuordnenden - Umstand nicht, daß das Erstgericht im vorliegenden Fall zwar den Angaben der Mitangeklagten Christine A vor der Gendarmerie, nicht aber ihrer etwas abgeänderten Darstellung in der Hauptverhandlung folgte.

Es trifft zu, daß die Tatsache einer Zeugnisentschlagung schon ihrem Sinn und Zweck nach kein für die Beweiswürdigung verwertbarer Umstand ist (vgl ÖJZ-LSK 1975/161; RZ 1976/7). Im vorliegenden Fall kommt aber der - demnach verfehlten - Passage in den Urteilsgründen, die Zeugnisentschlagung der Rosa und Isabella A lasse nur den Schluß zu, daß diese Zeugen nicht zu Ungunsten der Angeklagten aussagen wollten (S 110 dA), keine Bedeutung zu. Denn das Erstgericht wollte damit ersichtlich (vgl die bezügliche Formulierung im Urteil) nicht mehr zum Ausdruck bringen, als daß die Behauptung der beiden Beschwerdeführer, sie wären zur Tatzeit daheim bzw beim Fernsehen gewesen, von den dazu geführten Zeugen nicht bestätigt wurde. Was die Beschwerdeführer sonst unter dem Titel einer Mängelrüge vorbringen, stellt sich in Wahrheit als eine bloße Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung dar und entzieht sich damit einer sachlichen Behandlung.

Aber auch soweit die Beschwerdeführer im Rahmen ihrer Rechtsrüge Feststellungsmängel zum Wert der Diebsbeute und zur inneren Tatseite wegen angestrebter rechtlicher Beurteilung der Tat als Entwendung nach dem § 141 StGB, zu deren strafrechtlicher Verfolgung eine Ermächtigung durch den Geschädigten nicht erteilt wurde, behaupten, kann ihnen nicht gefolgt werden. Derartige Feststellungen waren nämlich nach der Beweislage nicht indiziert. Denn nach der in dieser Hinsicht allein verwertbaren Aussage der Mitangeklagten Christine A entsprang die Tat nicht einem plötzlichen Willensentschluß, sondern wurde geplant und entsprechend vorbereitet begangen. Dabei sollte die Beute zumindest teilweise einer Vorratshaltung zugeführt werden. Unter solchen Umständen scheidet aber eine Bejahung des Tatbestandserfordernisses der Unbesonnenheit bzw jenes der Befriedigung eines Gelüstes von vornherein aus. Ebenso fehlt im Beweisverfahren jedes für die rechtliche Annahme einer Tatbegehung aus Not (vgl EvBl 1958/34) sprechende Substrat.

Einer näheren Prüfung, ob die inkriminierte Tat etwa der Norm des § 141 Abs 1 StGB zu unterstellen sei, hat sich das Erstgericht daher mit Recht enthalten.

Die zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden waren somit zu verwerfen.

Abschließend ist noch auf die Stellungnahme der Generalprokuratur einzugehen, die dafür eintritt, die Beschwerdeführer und - gemäß dem § 290 Abs 1 StPO -

auch die (bereits rechtskräftig verurteilte) Mitangeklagte Christine A aus dem Grunde des § 141 Abs 4 StGB von der Anklage freizusprechen. Nach dieser Gesetzesstelle ist die rechtswidrige Aneignung von Bodenerzeugnissen oder Bodenbestandteilen geringen Wertes gerichtlich nicht strafbar. Zwetschken, die sich noch auf dem Baum befinden, seien, wie die Generalprokuratur meint, jedenfalls als Bodenerzeugnisse anzusehen, woran 'lege non distinguente auch die Tatsache nichts ändere, daß der Baum in einem umzäunten Garten stand'.

Dieser letztgeäußerten Rechtsansicht vermag sich der Oberste Gerichtshof allerdings nicht anzuschließen.

Wohl wurde der § 141 Abs 4 StGB als Nachfolgebestimmung zur Regelung des § 467 Abs 4 StG (1945) sprachlich neu gefaßt. Doch besteht die Änderung lediglich darin, daß an Stelle des erklärten Vorbehaltes zugunsten der verwaltungsbehördlichen der Ausschluß der gerichtlichen Strafbarkeit ausgesprochen wurde.

Eine inhaltliche Abänderung ist darin ebensowenig zu erblicken, wie in dem Umstand, daß die beispielsweise Aufzählung von Bodenerzeugnissen und Bodenbestandteilen im Klammerausdruck gekürzt wurde. Andernfalls wäre sicherlich auch in den Gesetzesmaterialien (Erl 30 der Blg XIII. GP) nicht (bloß) von einer Beibehaltung der Straflosigkeit die Rede.

Die nur geringfügig geänderte sprachliche Fassung dieser Norm bietet daher keine Veranlassung, sie inhaltlich als etwas anderes als eine - möglichst lückenlose -

Abgrenzung zum Verwaltungsstrafrecht (wie vordem § 467 Abs 4 StG) aufzufassen. Daß der Gesetzgeber damit einen (ehedem nicht vorhandenen) Freiraum zwischen verwaltungsbehördlich und gerichtlich zu ahndendem Verhalten schaffen wollte, kann ihm nicht unterstellt werden. Unter Hinweis auf die demnach weiterhin zu beachtende bisherige Rechtsprechung in gleichartigen Fällen bleibt daher die gerichtliche Strafbarkeit einer rechtswidrigen Aneignung von geringwertigen Bodenerzeugnissen jedenfalls erhalten, wenn diese - wie hier - aus einem eingefriedeten Garten entzogen werden (vgl SSt 8/79, 9/32

und 35, 16/107, 17/16, 19/24; EvBl 1962/279 uva).

Das Erstgericht verhängte gemäß dem § 127 Abs 2 StGB über den Angeklagten Walter A eine Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten, über die Angeklagte Silvia Ida A unter Anwendung der §§ 37 StGB, 11 JGG eine Geldstrafe in der Höhe von einhundert Tagessätzen 'a S 150,--

und über die Angeklagte Christine A unter Anwendung des § 37 StGB eine Geldstrafe in der Höhe von zweihundert Tagessätzen 'a S 100,--. Gemäß dem § 43 StGB wurde Silvia Ida A bedingte Strafnachsicht gewährt.

Bei der Strafbemessung nahm das Erstgericht als erschwerend bei Walter A die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen sowie den raschen Rückfall, bei Silvia Ida A eine und bei Christine A zwei auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafen an. Als mildernd wertete es hingegen bei allen Angeklagten den Umstand, daß ihre Tat beim Versuch geblieben ist, bei Christine A zudem ihr volles Geständnis, das wesentlich zur Wahrheitsfindung beitrug, sowie ihr Alter unter 21 Jahren.

Mit ihren Berufungen begehren die Angeklagten Walter und Silvia Ida A jeweils die Herabsetzung der über sie verhängten Strafen. Die Berufungen sind berechtigt.

Das Erstgericht hat zwar die Strafzumessungsgründe im wesentlichen zutreffend erfaßt, aber nicht richtig gewürdigt. Es darf nicht übersehen werden, daß der Unrechtsgehalt der strafbaren Handlung ein äußerst geringer ist. Insbesondere unter diesem Aspekt erscheint eine weitgehende Strafmilderung vonnöten und erweist sich auch bei Walter A - trotz dessen getrübten Vorlebens - die Anwendung des § 37 StGB als gerechtfertigt. Da die für die Strafermäßigung maßgeblichen Gründe auch der Erstangeklagten Christine A zustatten kommen, die ein Rechtsmittel nicht ergriffen hat, war hinsichtlich ihrer Person gemäß dem § 295 Abs 1 StPO vorzugehen. Die Höhe der Tagessätze für Silvia Ida und Christine A konnte dabei, als den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Genannten entsprechend, vom Erstgericht unverändert übernommen werden. Dem Angeklagten, Walter A, der als Hirte über ein Saisoneinkommen von S 30.000,-- verfügt, die übrige Zeit als Hilfsarbeiter tätig ist, und für ein außereheliches Kind zu sorgen hat, war ein Tagessatz in Höhe von S 80,--

zu bestimmen.

Sohin war insgesamt wie im Spruche zu entscheiden.

Der Kostenausspruch beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02224

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0110OS00069.79.0925.000

Dokumentnummer

JJT_19790925_OGH0002_0110OS00069_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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