TE Vwgh Erkenntnis 2005/4/28 2005/11/0042

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.04.2005
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
24/01 Strafgesetzbuch;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §25 Abs1;
FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs3 Z12;
FSG 1997 §7 Abs4;
FSG 1997 §7 Abs5;
SMG 1997 §27 Abs1;
SMG 1997 §28 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs4 Z3;
StGB §12;
StGB §34 Abs1 Z6 impl;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des T in Z, vertreten durch Dr. Michael Kinberger, Dr. Alexander Schuberth und Mag. Rene Fischer, Rechtsanwälte in 5700 Zell am See, Salzachtal Bundesstraße 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 20. Dezember 2004, Zl. UVS-34/10336/2-2004, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 16. Februar 2004 wurde der Beschwerdeführer unter Punkt I. des (teilweise versuchten und teilweise vollendeten) Verbrechens nach § 28 Abs. 2 vierter Fall Suchtmittelgesetz - SMG in Verbindung mit § 12 dritter Fall (und teilweise in Verbindung mit § 15 Abs. 1) StGB schuldig erkannt, im Zeitraum Jänner 2003 bis März 2003 in vielfachen Angriffen dadurch, dass er zwei namentlich genannte Personen mit seinem Fahrzeug zwecks Suchtmittelankäufen zu einem abgesondert verfolgten Suchtmittelverkäufer und nach Durchführung der Ankäufe zurück zu den Suchtmittelabnehmern geführt habe, zur Ausführung der strafbaren Handlung dieser beiden Personen beigetragen habe, die in diesem Zeitraum den bestehenden Vorschriften zuwider durch Verkauf von ca. 140 g Speed und 140 Ecstasy-Tabletten Suchtmittel in großer Menge in Verkehr gesetzt hätten. Unter Punkt II. dieses Urteils wurde der Beschwerdeführer des Vergehens nach § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG schuldig erkannt, im Zeitraum Oktober 2002 bis März 2003 unbekannte, jedoch jeweils geringe Mengen an Speed, Ecstasy-Tabletten und Cannabisprodukten, mithin Suchtgifte, erworben und bis zum jeweiligen Eigenkonsum besessen zu haben.

Über den Beschwerdeführer wurde deshalb vom Landesgericht Salzburg eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt, deren Vollzug unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren gemäß § 43 Abs. 1 StGB bedingt nachgesehen wurde.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom 1. September 2004 wurde in Erledigung der Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom 21. Juli 2004 die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die Klasse B gemäß § 24 Abs.1 und § 7 Abs. 1 und Abs. 3 Z 12 des Führerscheingesetzes - FSG für die Dauer von zwölf Monaten, endend am 28. Juli 2005, entzogen. Gleichzeitig verhängte die Erstbehörde über den Beschwerdeführer ein Lenkverbot gemäß § 32 Abs. 1 FSG und traf in einem weiteren Spruchteil die Anordnung, der Beschwerdeführer habe während der genannten Entziehungsdauer ein amtsärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen beizubringen. Schließlich wurde einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung gemäß § 64 Abs. 2 AVG aberkannt.

Der Berufung gegen diesen Bescheid gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid insoweit Folge, als sie die "Führerscheinentzugszeit" auf "die Dauer von neun Monaten, somit bis einschließlich 28.4.2005" herabsetzte, den Erstbescheid jedoch hinsichtlich der übrigen Spruchteile vollinhaltlich bestätigte. In der Begründung ihres Bescheides führte sie nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens und der maßgeblichen Rechtsvorschriften aus, dass die im Urteil des Landesgerichtes Salzburg festgestellten strafbaren Handlungen nach dem SMG als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 FSG zu qualifizieren seien. Bei der Wertung dieser Tatsache sei von der besonderen Verwerflichkeit der vom Beschwerdeführer begangenen Suchtgiftdelikte, bei denen es sich teilweise um so genannte harte Drogen gehandelt habe, auszugehen. "Erschwerend" komme hinzu, dass der Beschwerdeführer einerseits "nicht nur als Beitragstäter, sondern auch als unmittelbarer Täter Suchtmittel in großer Menge in Verkehr gesetzt hat" und andererseits bei der Anschaffung und Weitergabe dieser Suchtmittel ein Kraftfahrzeug verwendet habe. Als die "Verkehrsunzuverlässigkeit verlängernd" sei zu werten, dass der Beschwerdeführer über einen "längeren Zeitraum" mit Suchtgift "in Kontakt" gewesen sei und dass er das Verbrechen nach § 28 SMG und das Vergehen nach § 27 SMG kumulativ begangen habe. Demgegenüber sei dem Wohlverhalten des Beschwerdeführers während der Anhängigkeit des gerichtlichen Verfahrens und des gegenständlichen Entziehungsverfahrens nur geringer Wert beizumessen. Zu berücksichtigen sei allerdings, dass das Strafgericht die über ihn verhängte Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen habe, was im Strafurteil u.a. mit der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers begründet worden sei, sodass die von der Erstbehörde festgesetzte zwölfmonatige Entziehungsdauer nicht gerechtfertigt sei. In Anbetracht des festgestellten Tatzeitendes im März 2003 sei die Entziehungsdauer mit nunmehr neun Monaten festzusetzen. Den behördlichen Auftrag, ein amtsärztliches Gutachten beizubringen, hielt die belangte Behörde deshalb für "angebracht", weil der Beschwerdeführer unstrittig Suchtgift konsumiert habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 129/2002 maßgebend:

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

...

12. eine strafbare Handlung gemäß §§ 28 Abs. 2 bis 5 oder 31 Abs. 2 Suchtmittelgesetz - SMG, BGBl. I Nr. 112/1997, begangen hat;

...

(4) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

...

5. Abschnitt

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen …

(2) ...

(3) Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. (...) Wurde eine dieser Anordnungen innerhalb der festgesetzten Frist nicht befolgt oder wurden die zur Erstellung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde nicht beigebracht oder wurde die Mitarbeit bei Absolvierung der begleitenden Maßnahme unterlassen, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung. (...) Die Anordnung der begleitenden Maßnahme oder des ärztlichen Gutachtens hat entweder im Bescheid, mit dem die Entziehung oder Einschränkung ausgesprochen wird, oder in einem gesonderten Bescheid zugleich mit dem Entziehungsbescheid zu erfolgen.

...

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Endet die Gültigkeit der Lenkberechtigung vor dem Ende der von der Behörde prognostizierten Entziehungsdauer, so hat die Behörde auch auszusprechen, für welche Zeit nach Ablauf der Gültigkeit der Lenkberechtigung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf.

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.

...

Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen

§ 32. (1) Personen, die nicht im Sinne des § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, hat die Behörde unter Anwendung der §§ 24 Abs. 3 und 4, 25, 26 und 29 entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges

1.

ausdrücklich zu verbieten,

2.

..."

Gegen die Entziehung der Lenkberechtigung macht der Beschwerdeführer geltend, dass die strafbaren Handlungen im März 2003 beendet worden seien und dass schon ab diesem Zeitpunkt die Entziehungsdauer zu berechnen gewesen wäre. Die Erstbehörde habe schon am 21. August 2003 auf Grund einer Anzeige Kenntnis von den strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers gehabt und hätte daher die Entziehungsdauer von diesem Zeitpunkt berechnen müssen.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die belangte Behörde nach der wiedergegebenen Begründung ihres Bescheides bei der Prognose, ab wann dem Beschwerdeführer die Verkehrszuverlässigkeit wieder zukomme, zutreffend vom Abschluss der strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers im März 2003 ausgegangen ist. Sie hat bei der Wertung des Fehlverhaltens nicht nur die den gegenständlichen Suchtgiftdelikten, vor allem jenem nach § 28 Abs. 2 vierter Fall SMG, innewohnende Verwerflichkeit berücksichtigt, sondern auch zugunsten des Beschwerdeführers einbezogen, dass das Strafgericht die über ihn verhängte Freiheitsstrafe von sechs Monaten bedingt nachgesehen hat (vgl. zur Bedeutung des letztgenannten Umstandes etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2003, Zl. 2002/11/0114).

Dennoch erweist sich die Beschwerde im Ergebnis als begründet.

Ausgehend vom unstrittigen Ende des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers im März 2003 ergäbe sich bis zum Ende der neunmonatigen Entziehungsdauer der Lenkberechtigung am 28. April 2005 eine angenommene Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers von 25 Monaten. Diese Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit hielt die belangte Behörde im Wesentlichen deshalb für angemessen, weil ihres Erachtens erstens der längere Deliktszeitraum, zweitens die auch unmittelbare Täterschaft des Beschwerdeführers beim Inverkehrsetzen von Suchtmitteln und drittens die Kumulation der strafbaren Handlungen nach § 27 Abs. 1 und § 28 Abs. 2 SMG als erschwerend zu werten seien. Keiner dieser drei Gesichtspunkte vermag jedoch die angenommene Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers und damit den angefochtenen Bescheid zu tragen:

Zunächst hat die belangte Behörde außer Acht gelassen, dass das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers, soweit es das besonders verwerfliche Inverkehrsetzen von Suchtmitteln (bzw. den Versuch desselben) betrifft, nach den Sachverhaltsannahmen von Jänner 2003 bis März 2003, somit nicht über einen längeren Zeitraum, erfolgte. Hingegen bezog sich der (längere) Tatzeitraum Oktober 2002 bis März 2003 nach Punkt II. des Strafurteils auf den Besitz von Suchtgift zum Eigenkonsum, was aber - weil damit die Gefährdung anderer Personen nicht verbunden ist - gegenüber dem Inverkehrsetzen von Suchtmitteln weniger verwerflich ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. September 2001, Zl. 2000/11/0235, und vom 25. Februar 2003, Zl. 2001/11/0357).

Was die als erschwerend gewertete "unmittelbare" Täterschaft des Beschwerdeführers beim Inverkehrsetzen von Suchtmitteln betrifft, so erweist sich dieser Vorwurf angesichts des wiedergegebenen Strafurteils vom 16. Februar 2004 als aktenwidrig. Im Übrigen wäre aber auch nicht nachvollziehbar, weshalb der unmittelbaren Täterschaft - der nach dem StGB typischen Begehungsform eines Delikts - erschwerendes Gewicht zukommen sollte (vgl. vielmehr § 34 Abs. 1 Z. 6 StGB zur Beitragstäterschaft als besonderen Milderungsgrund).

Schließlich vermag auch das von der belangten Behörde zu Lasten des Beschwerdeführers gewichtete Hinzutreten des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG zur strafbaren Handlung nach § 28 Abs. 2 SMG die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers für die Dauer von 25 Monaten nicht zu tragen, weil der Kumulation dieser beiden Delikte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur untergeordnete Bedeutung zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2000, Zl. 2000/11/0200).

Die belangte Behörde hat daher auf Grund unrichtiger Rechtsanschauung eine unangemessen lange Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers angenommen (vgl. zur Rechtswidrigkeit der in einem ähnlichen Fall angenommenen Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von 22 Monaten das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2000, Zl. 99/11/0375), sodass sich die ausgesprochene Entziehung der Lenkberechtigung als inhaltlich rechtswidrig erweist. Aus den gleichen Erwägungen erweist sich das Lenkverbot als rechtswidrig. Damit ist aber auch der mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten (und erkennbar auf § 24 Abs. 3 FSG gestützten) Anordnung zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen die Rechtsgrundlage entzogen, was die Aufhebung auch dieses Spruchteiles des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zur Folge hatte.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 28. April 2005

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005110042.X00

Im RIS seit

08.06.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten