TE OGH 1979/10/24 3Ob616/78

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Veröffentlicht am 24.10.1979
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Norm

ZPO §179
ZPO §226
ZPO §411
ZPO §530

Kopf

SZ 52/151

Spruch

Die Frage, ob das Prozeßhindernis der res judicata vorliegt, kann im Revisionsverfahren nicht mehr aufgerollt werden, wenn die entsprechende Einrede von den Untergerichten ausdrücklich und übereinstimmend, sei es auch nur in den Gründen, verworfen wurde

Die Verwerfung der Prozeßeinrede der res judicata hindert nicht die Prüfung, ob das im Vorprozeß gefällte Urteil zufolge der von ihm geschaffenen materiellen Rechtskraft zu einer inhaltlichen Bindung führt

Die bei Schluß der Verhandlung bereits existenten und für den erhobenen Anspruch rechtserheblichen Tatsachen können unter den Voraussetzungen des § 530 ff. ZPO zur Begründung einer Wiederaufnahmsklage herangezogen werden, regelmäßig aber nicht zur Begründung einer neuerlichen Klage; ein neues Vorbringen wäre dann nicht präkludiert, wenn es mit dem Prozeßstoff des ersten Rechtsstreites nicht im Zusammenhang stunde

OGH 24. Oktober 1979, 3 Ob 616/78 (LGfZRS Wien 45 R 655/77; BG Innere Stadt Wien 23 C 389/77)

Text

Die Beklagten sind Miteigentümer des Hauses Wien 1, G-Gasse 5, die Erstbeklagte zu 7/24-, die Zweitbeklagte zu 1/4- und die Drittbeklagte - seit 1973 als Gesamtrechtsnachfolgerin der Margarethe L - zu 5/60-Anteilen. Ferner sind Miteigentümer dieses Hauses Erika W zu 1/8 und das Bankhaus Sch. - seit 18, Oktober 1973 als Rechtsnachfolger der Gertrude C und des Dr. S - zu 1/4.

Mit der am 13. März 1977 eingebrachten Klage begehrt der Kläger von den Beklagten zur ungeteilten Hand den Ersatz seines durch Vertragsverletzung erlittenen Schadens von 235 384.84 S. Er brachte hiezu vor, daß er am 23. April 1965 von der Hausverwaltungskanzlei F, R & Co. den Kellerraum Tür M im Hause Wien 1, G-Gasse 5 zur Benützung als Sauna- und Massagebetrieb gemietet habe. In einer am selben Tage getroffenen Vereinbarung habe ihm die Hausverwaltung das Recht eingeräumt, die entsprechenden Hinweistafeln beim Stiegenabgang anzubringen sowie die noch erforderlichen Maler-, Anstreicher-, Installations-, Elektriker- und sonstigen Arbeiten durchzuführen. Die Hausverwaltung habe damals die Hauseigentümer mit Ausnahme der dem Kläger nicht bekannten Miteigentümerin Erika W vertreten. Sowohl für die Verwendung des Magazins als Sauna- und Massagebetrieb als auch für die im Mietvertrag zugestandenen baulichen Änderungen sei die Zustimmung der Mehrheit erforderlich gewesen, da es sich um Maßnahmen "der außerordentlichen Verwaltung" gehandelt habe. Die vom Hausverwalter vertretenen Miteigentümer seien verpflichtet gewesen, alle zur vertragsgemäßen Benützung des Bestandobjektes durch den Kläger erforderlichen "Zustimmungen" zu erteilen und die fehlende Zustimmung der, Miteigentümerin Erika W im Verfahren außer Streitsachen zu erreichen. Der Kläger habe gegen die Beklagten beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien zur GZ 47 C 4073 ein rechtskräftiges Versäumungsurteil auf Abgabe aller Erklärungen erwirkt, die für die Benützung des von ihm gemieteten Kellerlokals als Sauna erforderlich sind. Die Klage gegen Erika W sei mangels Bestimmtheit des Begehrens abgewiesen worden. Dennoch hätten die Beklagten nie versucht, die Zustimmung der Miteigentümerin Erika W zu erlangen. Obwohl der Kläger die Beklagten bereits zu 47 C 343/76 des Erstgerichtes auf Schadenersatz belangt habe, könne nicht res judicata eingewendet werden, weil die vorliegende Klage auf weitere rechtserzeugende Tatsachen, nämlich die Zusatzvereinbarung vom 23. April 1965, und darauf gestützt werde, daß die Beklagten bei der mündlichen Bauverhandlung am 20. Oktober 1975 die schon früher von der Hausverwaltung gegebene Zustimmung zur Bauführung widerrufen hätten. Die Baubehörde habe daher die Baubewilligung mit Bescheid vom 7. Jänner 1976 versagt.

Der Schaden des Klägers setze sich wie folgt zusammen:

a) Ablöse an die Hausverwaltung F, R & Co. am 23. April 1965

.......................................  25 000,-- S b) Mietzins für

den Zeitraum von November 1975 bis einschließlich Feber 1977

...........................  10 276.43 S c) Investitionen zum Ausbau

der Kellerräumlichkeiten für eine betriebsfertige Sauna

.......................... 109 263.86 S d) vom Kläger aufgewendete

Baumaterialien und Maurerarbeiten

......................................  64 356.55 S e) Kosten eines

Bauprovisoriums (E-Werk) ................   4 000,-- S Kosten für

das Bauprovisorium (Wasserwerke) .............   3 200,-- S f) für

Planverfassung u. dgl. an zwei Baumeister geleistete Beträge

......................................   3 388,-- S g) Kosten der

Beseitigung der durchgeführten baulichen Veränderungen

.................................   5 900,-- S Valorisierung dieser

Beträge ............................  10 000.-- S

Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage und wendeten ein, daß rechtskräftig entschiedene Sache vorliege, weil bereits zu GZ 47 C 343/76 des Erstgerichtes eine auf dieselbe rechtserzeugenden Tatsachen gestützte Klage des nunmehrigen Klägers gegen dieselben Beklagten auf Ersatz eines Schadens von 277 340.12 S rechtskräftig abgewiesen worden sei. Der Kläger habe im Vorprozeß geltend gemacht, daß es die Beklagten unterlassen hätten, durch entsprechende Antragstellung die Zustimmung der übrigen Miteigentümer zur Bauführung im Außerstreitverfahren einzuholen. Die Beklagten hätten den umfangreichen Bauarbeiten niemals zugestimmt; es könne höchstens der Hausverwalter widerrechtlich eine solche Zustimmung erteilt haben. Eine schriftliche Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag, mit der die Beklagten Bauarbeiten des Klägers bewilligt hätten, bestehe nicht. Darüber hinaus sei die Zustimmung oder Ablehnung der Bauarbeiten durch die Beklagten nicht entscheidend, weil schon die ablehnende Stellungnahme der Miteigentümerin Erika W die Unmöglichkeit der Umwidmung des Magazins in einen Sauna- und Massagebetrieb zur Folge habe. Die Klagsforderung sei überdies verjährt. Schließlich wendeten die Beklagten Gegenforderungen zur Aufrechnung ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgendes fest:

Am 23. April 1965 schloß der Kläger mit der Verwaltungskanzlei F, R & Co. einen Mietvertrag. Vermietet wurde zur Benützung als Sauna- und Massagebetrieb im Hause Wien 1, G-Gasse 5 ein Kellerraum Tür M. Gemäß § 5 Z. 3 des Vertrages wurde eine Gewähr für eine bestimmte Beschaffenheit oder einen bestimmten Zustand des Mietgegenstandes vom Vermieter nicht übernommen. Bauliche Veränderungen innerhalb des Geschäftes oder an der Außenseite, wie Installation von Gas- oder elektrischen Leitungen, bedürfen nach § 8 Z. 4 des Mietvertrages der schriftlichen Bewilligung des Vermieters. Nach einem Zusatz zum Mietvertrag ist der Kläger im Rahmen dieses Vertrages berechtigt, am Haustor oder am Mauerwerk beim Hauseingang die Tafeln für den Betrieb anzubringen, ebenso im Stiegenabgang, weiters die notwendig erscheinenden Maler- und Anstreicherarbeiten auch außerhalb des Lokales durchzuführen, die notwendigen Heizungskonvektoren im Lokal montieren zu lassen, die Abzüge durch die Hofmauer zu führen und notwendige Installationsarbeiten für Gas-, Wasser- und Stromzuleitung auch außerhalb des Lokales durchführen zu lassen. Die erforderlichen baulichen Veränderungen innerhalb des Bestandobjektes waren jedoch als Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung von der Zustimmung sämtlicher Miteigentümer abhängig. Die Miteigentümerin Erika W verweigerte die Zustimmung. Die vom Kläger beim Erstgericht zu 47 C 4/73, 47 C 240/74 gegen diese Miteigentümerin eingebrachten Klagen auf Zuhaltung des Mietvertrages wurden rechtskräftig abgewiesen. Das Erstgericht wies auch die zur GZ 47 C 343/76 eingebrachte und auf die Tatsache gestützte Schadenersatzklage, daß die Beklagten eine Antragstellung im Außerstreitverfahren zur Erwirkung der notwendigen Zustimmungserklärung der Erika W verabsäumt hätten, rechtskräftig ab. Die Beklagten widerriefen die im Feber 1972 erteilte Zustimmung bei der Bauverhandlung am 20. Oktober 1975. Die Miteigentümerin Erika W stimmte der Vermietung des Objektes an den Kläger zu den im Vertrag im genannten Bedingungen bis heute nicht zu. Der Kläger erfuhr erstmals im Juni 1965 vom Gatten der Miteigentümerin Erika W, daß diese den erforderlichen Umbauten niemals zustimmen werde.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß der Widerruf der Zustimmung der Beklagten im Hinblick auf das Fehlen des Einverständnisses der Miteigentümerin Erika W mangels Kausalität eine Schadenersatzpflicht der Beklagten nicht begrunde.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es stellte aus dem Akt GZ 47 C 343/76 des Erstgerichtes ergänzend fest:

In der am 10. August 1976 gleichfalls gegen die nunmehrigen Beklagten eingebrachten, auf Zahlung von 277 340.12 S gerichteten Klage brachte der Kläger vor, er habe am 23. April 1965 mit der Verwaltungskanzlei F, R & Co., die als Vertreter der Beklagten aufgetreten sei, über das Objekt M im Hause Wien 1, G-Gasse 5 einen Mietvertrag abgeschlossen. Das Objekt, das vorher als Magazin gedient habe, sei dem Kläger zur Benützung als Sauna- und Massagebetrieb vermietet worden. Um das Objekt dem bedungenen Gebrauch entsprechend verwenden zu können, seien umfangreiche Bauarbeiten notwendig gewesen. Der Kläger habe sofort mit diesen Arbeiten begonnen, sie aber nicht weiterführen können, weil die Genehmigung der Baubehörde notwendig geworden sei. Da die Unterschriften der Vermieter auf den Einreichplänen verweigert worden seien, habe der Kläger die Eigentümer auf Erteilung der Zustimmung zu diesen Arbeiten geklagt. Diese Klage sei, obwohl einzelne Miteigentümer gegen sich ein Versäumungsurteil ergehen ließen, mangels Konkretisierung abgewiesen worden. Auf Grund einer neuerlichen Klage gegen die von der Hausverwaltung F, R & Co. nicht vertretene Miteigentümerin sei festgestellt worden, daß der Kläger die Durchsetzung der Arbeiten zwecks Herstellung jenes Bauzustandes, der zum Betrieb eines Sauna- und Massagebetriebes diene, nicht erreichen können, weil die Vereinbarung über den Umfang der ordentlichen Verwaltung hinausgehe und die Zustimmung aller Miteigentümer erforderlich sei. Die Beklagten als Vertragspartner des Klägers hätten es unterlassen, die Zustimmung der übrigen Miteigentümer durch Antragstellung im Außerstreitverfahren zur Genehmigung des Widmungszweckes des Mietvertrages einzuholen, so daß der Kläger sämtliche durchgeführte bauliche Änderungen wieder entfernen müsse. Durch die Nichterfüllung des Vertrages sei dem Kläger nachstehender Schaden entstanden:

Zahlungen für die Erlangung der Widmung ...............   37 277,--

S Zahlung für bereits durchgeführte Adaptierungsarbeiten

..................................  139 648,-- S Zahlung für

angeschaffte Baumaterialien ...............   83 297,-- S

Planungskosten ........................................   17 118.12

S ------------ zusammen

............................................... 277 340.12 S.

Als Beweismittel bot der Kläger u. a. den Mietvertrag sowie die erstgerichtlichen Akten 47 C/73 und 47 C 240/75 an.

Die Beklagten beantragten die Abweisung dieser Klage und brachten u.

a. vor, daß der Kläger gegen alle Miteigentümer des Hauses eine Klage auf Duldung der von ihm beabsichtigten beträchtlichen und baubehördlich genehmigungspflichtigen baulichen Maßnahmen (wie Installation von Waschgelegenheiten, einer Heizungsanlage, eines Rauchabzuges, Unterteilung des Raumes usw.) eingebracht habe. Das Begehren dieser Klage sei aber verfehlt und daher, soweit Versäumungsurteile ergingen, nicht vollstreckbar gewesen. Die Klage gegen die Miteigentümerin Erika W sei überhaupt abgewiesen worden. Die Verwaltungskanzlei F, R & Co. habe zwar das Objekt M zur Benützung als Sauna- und Massagebetrieb vermietet, aber keine Bewilligung zur Vornahme bedeutender baulicher Maßnahmen erteilt, sondern lediglich den Anschluß eines Heizgerätes erlaubt. In § VIII Abs. 4 des Mietvertrages heiße es außerdem "Bauliche Veränderungen innerhalb oder an der Außenseite, das Legen von Gas- und elektrischen Leitungen usw. dürfen nur mit schriftlicher Bewilligung des Vermieters erfolgen." Die Schadenersatzklage wurde mit rechtskräftigem Urteil des Erstgerichtes vom 27. September 1976, GZ 47 C 343/76-4, abgewiesen.

Das Berufungsgericht ging bei seiner Entscheidung ferner davon aus, daß auf Grund des vom Kläger in der mündlichen Berufungsverhandlung erstatteten, von den Beklagten nicht bestrittenen Vorbringen folgendes feststehe: Die Abweichung zu den im Vorprozeß GZ 47 C 343/76 geltend gemachten Beträgen ergibt sich dadurch, daß in der Vorklage dem Kapital Zinsen zugeschlagen wurden sowie daß die Kosten anders gegliedert und zusammengefaßt wurden. Für die einzelnen Punkte der vorliegenden Klage ergibt sich folgendes:

a) Ablöse 25 000 S, ist in dem Betrag von 37 277 S der Vorklage zur Gänze enthalten.

b) Mietzinsbeträge von 10 276.43 S wurden in der Vorklage nicht geltend gemacht.

c) Investitionen von 109 263.86 S sowie

d) Bauprovisorien von 4000 S und 3200 S sind in dem Punkte Adaptierungsarbeiten 139 648 S der Vorklage zur Gänze enthalten.

e) Baumaterialien und Maurerarbeiten 64 356.55 S sind im Punkt Baumaterialien 83 297 S und Adaptierungsarbeiten 139 648 S der Vorklage zur Gänze enthalten.

f) Baumeisterarbeiten 3388 S sind im Punkt Prozeß- und Planungskosten 17 118.12 S der Vorklage zur Gänze enthalten.

g) Abbruchkosten von 5900 S sind in der Vorklage nicht enthalten. Ebensowenig die Post von 10 000 S für Valorisierung.

Erstmalig geltend gemacht wurden daher in der vorliegenden Klage die

Mietzinse für die Zeit von November 1975 bis einschließlich Feber

1977 .............................  10 276.43 S die Abbruchkosten

.....................................   5 900,-- S die Valorisierung

.....................................  10 000,-- S ----------- 26

176.43 S

Außer Streit wurde gestellt, daß die zusätzliche Vereinbarung vom 23. April 1965 im Vorprozeß 47 C 343/76 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien nicht vorgelegt wurde.

Das Berufungsgericht führte aus, daß trotz des teilweise identen Begehrens formelle Rechtskraftwirkung des im vorangegangenen Schadenersatzprozeß ergangenen Urteiles nicht anzunehmen sei, weil der Kläger den Widerruf der von der Hausverwaltung namens der Beklagten erteilten Zustimmung zur Bauführung als neuen anspruchsbegrundenden Sachverhalt geltend mache. Dies führe jedoch im Hinblick auf die durch die materielle Rechtskraft geschaffene inhaltliche Bindung des später entscheidenden Gerichtes nicht zu einer neuerlichen Prüfung der schon im Vorprozeß entschiedenen Rechtsfrage, ob die Beklagten verpflichtet seien, dem Kläger die Zustimmung der Miteigentümerin Erika W zu verschaffen bzw. dem Kläger für eine Untätigkeit in dieser Richtung zu haften. Das im vorliegenden Prozeß erstmals erstattete Vorbringen, daß die Beklagten die erforderlichen Bauarbeiten und sonstigen Vorkehrungen in einer Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom 23. April 1965 gestattet hätten, stelle keinen eigenen rechtserzeugenden Sachverhalt, sondern lediglich einen Hilfstatbestand zu dem im Vorprozeß herangezogenen Rechtsgrund dar. In dieser lange vor Einleitung des Vorprozesses getroffenen Vereinbarung könne auch keine nachträgliche Änderung des Tatbestandes, der die materielle Rechtskraft nicht standhalten würde, erblickt werden. Im übrigen könne im Hinblick darauf, daß die Zusatzvereinbarung nicht von allen Miteigentümern getroffen worden sei, aus dieser eine Verpflichtung der Beklagten, die Zustimmung der vom Hausverwalter nicht vertretenen Miteigentümerin zu verschaffen, nicht abgeleitet werden. Der Widerruf der von den Beklagten erteilten Zustimmung zur Bauführung sei daher für den geltend gemachten Schaden nicht kausal.

Der Oberste Gerichtshof hob infolge Revision des Klägers die Urteile der Vorinstanzen hinsichtlich eines Teilbetrages von 10 276.43 S samt Anhang zur Verfahrensergänzung auf und gab der Revision im übrigen nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Beklagten hatten in erster Instanz ausdrücklich res judicata eingewendet und beantragt, die Klage schon deshalb zurück- bzw. abzuweisen, weil das Erstgericht im Vorprozeß 47 C 343/76 entschieden habe, daß dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen nicht zustehe. Die Rechtskraft einer Entscheidung über den gleichen Gegenstand zwischen denselben Parteien ist ein Prozeßhindernis, das in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen ist und zur Zurückweisung der Klage führen muß. Die Nichtbeachtung dieser negativen Prozeßvoraussetzung bewirkt die Nichtigkeit der trotzdem gefällten Sachentscheidung und des vorangegangenen Verfahrens in der Hauptsache (Fasching III, 8, 694, und IV, 302). Prozeßhindernisse können allerdings in höherer Instanz von Amts wegen nicht mehr wahrgenommen werden, wenn eine noch bindende Entscheidung entgegensteht. Die im § 42 Abs. 3 JN für einzelne Prozeßhindernisse normierten Rechtsfolgen gelten, wie der OGH in seinem grundlegenden Plenarbeschluß JB 63 neu = SZ 28/265 ausgesprochen hat, auch für die anderen Prozeßhindernisse, da ein Anlaß, einzelne Prozeßhindernisse in dieser Hinsicht verschieden zu behandeln, nicht besteht (vgl. auch Fasching I, 271). Das Erstgericht faßte über die Einwendung der rechtskräftig entschiedenen Sache keinen formellen Beschluß, sondern verneinte das Vorliegen dieses Prozeßhindernisses lediglich in den Entscheidungsgründen. Es führte dazu aus, daß der Kläger im Vorprozeß 47 C 343/76 einen anderen als den nunmehr behaupteten rechtserzeugenden Sachverhalt seinem Begehren zugrunde gelegt habe, somit die Rechtskraftwirkung der im Vorprozeß ergangenen Entscheidung nicht zur Zurückweisung der vorliegenden Klage führen könne. Auch das Berufungsgericht befaßte sich mit dem Prozeßhindernis der Rechtskraft nur in den Gründen seiner Entscheidung.

Die Auffassungen darüber, ob die Verneinung des Vorliegens eines

Prozeßhindernisses durch die Untergerichte, die sich nur aus den

Entscheidungsgründen ergibt, den OGH bindet, gehen auseinander. Eine

Bindung der Rechtsmittelgerichte wurde in der Entscheidung SZ 31/74

angenommen, die davon ausgeht, daß eine Trennung von Spruch und

Gründen für Beschlüsse nicht vorgeschrieben sei; es genüge, daß der

Entscheidungswille des Gerichtes eindeutig zum Ausdruck komme

(gegenteilig: JBl. 1962, 315; ArbSlg. 8901, 8787, 8761; ÖBl. 1968,

61 u. a., die sich auf Fasching I, 283, und Novak in den JBl. 1962,

317, berufen können). Der in der Entscheidung SZ 31/74 vertretenen

Auffassung folgten zahlreiche Entscheidungen bis in die jüngste Zeit

(SZ 43/121; SZ 41/184; JBl. 1967, 524 und mehrere

nichtveröffentlichte Entscheidungen, zuletzt 4 Ob 1/77 u. a.). Der

erkennende Senat hat in der Entscheidung 3 Ob 519/76 gleichfalls die

Auffassung vertreten, daß die Frage, ob ein Prozeßhindernis

vorliegt, im Revisionsverfahren nicht mehr aufgerollt werden kann,

wenn die Einrede eines Prozeßhindernisses von den Untergerichten

ausdrücklich und übereinstimmend, sei es auch nur in den Gründen,

verworfen wurde. Daran wird auch diesfalls festgehalten. Da die vom

Erstgericht in den Entscheidungsgründen ausdrücklich ausgesprochene

Verneinung des Prozeßhindernisses der Rechtskraft in zweiter Instanz

nicht bekämpft wurde, war schon das Berufungsgericht an diese

Entscheidung gebunden und daher nicht berechtigt, die Frage der res

judicata von Amts wegen aufzuwerfen.

Gemäß § 226 und § 243 Abs. 2 ZPO trifft die Parteien die Pflicht,

alle zur Begründung oder Widerlegung des konkreten Begehrens

erforderlichen Tatsachen zu behaupten und die hiezu erforderlichen

Beweise anzubieten. Für den Kläger bestand bereits im Vorprozeß Gelegenheit, alle jene Tatsachen vorzubringen, auf die er seinen Schadenersatzanspruch nunmehr stützt. Diese Tatsachen waren bei Einbringung der Vorklage bereits existent. Der Kläger hat nie behauptet, daß ihm die Existenz der Zusatzvereinbarung vom 23. April 1965 unbekannt gewesen sei. Er war daher durch die Bestreitung dieser Zusatzvereinbarung seitens der Beklagten an einem entsprechenden Prozeßvorbringen nicht gehindert. Es kann, soweit es das Prozeßhindernis der Rechtskraft betrifft, dahingestellt bleiben, ob die von Fasching im Komm. zu den ZP-Gesetzen III, 720 vertretene Ansicht zutrifft, daß durch die Rechtskraft der Entscheidung das Vorbringen von Tatsachen, die zur Begründung oder Widerlegung des Begehrens erforderlich waren und schon bei Schluß der mündlichen Verhandlung (im Vorprozeß) bestanden, ausgeschlossen wird und - unter den Voraussetzungen des § 530 Abs. 2 ZPO - lediglich zur Begründung einer Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs. 1 Z. 7 ZPO herangezogen werden kann. Dem OGH ist die Prüfung dieser Frage mit Rücksicht darauf, daß das Erstgericht das Vorliegen des Prozeßhindernisses der rechtskräftig entschiedenen Sache unbekämpft und daher bindend verneint hat, verwehrt. Es ist demnach davon auszugehen, daß eine Identität der Begehren als notwendige Voraussetzung der Klagszurückweisung wegen Rechtskraft der Vorentscheidung nicht vorliegt.

Dem Berufungsgericht ist grundsätzlich darin beizupflichten, daß ein Urteil in einem Vorprozeß auch dann, wenn es mangels Identität der Begehren keine Rechtskraftwirkung hat, zufolge der von ihm geschaffenen materiellen Rechtskraft zu einer inhaltlichen Bindung des später entscheidenden Gerichtes führen kann. Das ist der Fall, wenn die Parteien und der rechtserzeugende Sachverhalt ident sind und beide Prozesse in einem so engen inhaltlichen Zusammenhang stehen, daß die Gebote der Rechtssicherheit und der Entscheidungsharmonie eine widersprechende Beantwortung derselben in beiden Prozessen entscheidenden Rechtsfrage nicht gestatten (Fasching III, 705 f.; MietSlg. 22 618; RZ 1977/49 u. a.). Diese Bindungswirkung hindert nicht die Urteilsfällung über den neuen Anspruch, schließt jedoch die Verhandlung, Beweisaufnahme und neuerliche Prüfung eines rechtskräftig entschiedenen Anspruches der Entscheidung über ein neues, begrifflich aber untrennbar mit dem Inhalt der rechtskräftigen Vorentscheidung zusammenhängendes Klagebegehren aus. Die Verwerfung der Prozeßeinrede der res judicata durch das Erstgericht hindert nicht die Prüfung der Frage, ob das im Vorprozeß 47 C 343/76 gefällte Urteil über das Schadenersatzbegehren des Klägers zufolge der von ihm geschaffenen materiellen Rechtskraft im vorliegenden Rechtsstreit zu einer inhaltlichen Bindung mit den dargestellten Wirkungen führt, also die Verhandlung, Beweisaufnahme und neuerliche Prüfung des im Vorprozeß rechtskräftig entschiedenen Anspruches bei der Entscheidung über das nunmehrige Klagebegehren ausschließt. Im Zusammenhang mit diesem Problem der inhaltlichen Bindung ist daher zu prüfen, ob infolge Rechtskraft der Vorentscheidung die Berufung auf Tatsachen, die bei Schluß der Verhandlung erster Instanz im Vorprozeß schon existent waren, aber nicht vorgebracht wurden, ausgeschlossen ist. Die Prozeßordnung sieht für derartige Fälle grundsätzlich die Wiederaufnahmsklage (§§ 530 ff. ZPO) vor. Es ist daher regelmäßig nicht zulässig, den abgeurteilten Rechtsanspruch ohne Vorliegen dieser Voraussetzungen deshalb neuerlich geltend zu machen, weil der Tatbestand schon zur Zeit der ersten Entscheidung sich anders dargestellt hat, als er vorgetragen oder ermittelt wurde (Pollak, System[2], 538, ähnlich auch Fasching III, 720). Neues Vorbringen wäre durch die Rechtskraft höchstens dann nicht präkludiert, wenn es mit dem Prozeßstoff des ersten Rechtsstreites nicht im Zusammenhang stunde (Rosenberg - Schwab, Zivilprozeßrecht[12], 880). Solche Umstände wurden in der vorliegenden Klage nicht vorgebracht. Die bei Schluß der Verhandlung bereits existent und für den erhobenen Schadenersatzanspruch rechtserheblichen Tatsachen könnten somit lediglich unter den Voraussetzungen der §§ 530 ff. ZPO zur Begründung einer Wiederaufnahmsklage herangezogen werden (Pollak a. a. O.; Fasching a. a. O.). Die inhaltliche Bindung an die Entscheidung des Vorprozesses hat daher zur Folge, daß die Vorentscheidung unter Ausschluß der sachlichen Verhandlung und Prüfung ihres Gegenstandes dem neuerlichen Urteil über den nunmehr erhobenen Schadenersatzanspruch zugrunde zu legen ist (Fasching III, 705). Im Vorprozeß begrundete der Kläger die Schadenersatzpflicht der Beklagten ausschließlich damit, daß diese es unterlassen hätten, die erforderliche Zustimmung der übrigen Miteigentümer zu erreichen. Auf Grund der rechtskräftigen Vorentscheidung steht fest, daß eine solche Schadenersatzpflicht der Beklagten nicht besteht. Eine Überprüfung dieser Entscheidung auf ihre Richtigkeit ist zufolge der Rechtskraft ausgeschlossen. Die mit der materiellen Rechtskraft verbundene inhaltliche Bindung erstreckt sich auch auf die im vorliegenden Rechtsstreit erstmals geltend gemachten Ersatzansprüche. Nicht erfaßt von dieser Bindung des rechtskräftigen Urteiles ist lediglich der Anspruch auf Rückzahlung des Mietzinses von 10 276.43 S. Ein allfälliger Rückforderungsanspruch hinsichtlich des Mietzinses ist nämlich kein Schadenersatzanspruch, sondern ein Anspruch nach § 1431 ABGB in Verbindung mit den Bestimmungen der §§ 1104, 1105 ABGB, die auch für die Vereitlung des vertragsmäßigen Gebrauches durch den Vermieter gelten (vgl. SZ 44/5 u. a.). Ein solcher Rückforderungsanspruch unterliegt der allgemeinen Verjährung und ist daher, wenn er tatsächlich besteht, keinesfalls verjährt. Ob und in welcher Höhe dem Kläger diesbezüglich ein Rückforderungsanspruch zusteht, kann nicht abschließend beurteilt werden, da es an den hiefür erforderlichen Feststellungen mangelt.

In diesem Punkt erweist sich die Revision als berechtigt, was zur

teilweisen Aufhebung der Urteile der Untergerichte führen muß. Das

Erstgericht wird mit den Parteien gemäß § 182 ZPO die

Voraussetzungen eines solchen Rückforderungsanspruches zu erörtern

haben. Im übrigen erweist sich jedoch die Revision aus den

dargelegten Erwägungen als unberechtigt und ist das angefochtene

Urteil infolge inhaltlicher Bindung an die rechtskräftige

Vorentscheidung zu bestätigen, so daß auf die weiteren

Revisionsausführungen nicht eingegangen werden muß.

Anmerkung

Z52151

Schlagworte

res indicata, Vorliegen des Prozeßhindernisses, Wiederaufnahmsklage, rechtserhebliche Tatsachen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0030OB00616.78.1024.000

Dokumentnummer

JJT_19791024_OGH0002_0030OB00616_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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