TE OGH 1979/11/8 13Os114/79

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Veröffentlicht am 08.11.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.November 1979

unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Horak und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Böhm-Hiller als Schriftführers in der Strafsache gegen Albert A wegen des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB. und der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 StGB.

über die vom Angeklagten Albert A gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 7.Juni 1979, GZ. 20 Vr 2485/77-76, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, der Ausführungen des Verteidigers des Angeklagten, Rechtsanwaltes Dr. Leitinger, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Albert A des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1

und Abs. 2 Z. 1 StGB. und des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB. schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er am 5.Juli 1977 in Tilburg (Niederlande) 1. die Maria Laurentia Marina B durch einen Schlag mit einem Kerzenständer gegen den Kopf am Körper verletzte, wobei die Tat eine schwere Verletzung nach sich gezogen hat und mit einem solchen Mittel und auf solche Weise begangen wurde, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist;

2. die Maria Laurentia Marina B nach Fesselung der Hände würgte, ihr die Bänder einer Schürze um den Hals knotete und sie damit erdrosselte.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer allein auf § 345 Abs. 1 Z. 5 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Einen Verfahrensmangel erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung der Anträge auf zeugenschaftliche Vernehmung 1. der beiden holländischen Polizeibeamten, die bei der Einvernahme des Angeklagten auf dem Gendarmerieposten Imst anwesend waren, darüber, wie die Protokollierung des Geständnisses des Angeklagten im Hinblick auf seine Aussage in der Hauptverhandlung zustandegekommen ist;

2. des Bernardus Hubertus de C durch das Rechtshilfegericht Breda darüber, ob sich dieser Zeuge in der Nacht vom 4.Juli 1977 auf den 5. Juli 1977 in der Zeit zwischen 23,30 Uhr und 2 Uhr in der Wohnung des Angeklagten bzw. der Ermordeten aufgehalten hat;

3. des Anders D durch das Rechtshilfegericht Breda darüber, welche Getränke (nach Art und Menge) dieser Zeuge am 4.Juli 1977 um etwa 17,15 Uhr beim Bett des Angeklagten stehen sah, zum Beweise dafür, daß der Angeklagte auf Grund der an diesem Tag und an den Tagen vor dem 4.Juli 1977 konsumierten Alkoholmengen zur Tatzeit voll berauscht war bzw. es ihm an der notwendigen Dispositionsund Diskretionsfähigkeit mangelte;

4. Ladung und Einvernahme der Franziska Johanna Antonia D durch das erkennende Gericht darüber, daß der Angeklagte von ihrem Ehegatten tatsächlich um 1 Uhr des 5.Juli 1977 in der Belinistraat voll berauscht auf der Bank liegend angetroffen wurde und daß die anders lautende Aussage dieses Zeugen bei seiner dritten Vernehmung so zustande gekommen ist, daß ihm das mittlerweile vom Angeklagten abgelegte Geständnis vorgehalten wurde und er aus Angst vor neuerlicher Haft nunmehr eine andere Aussage ablegte; sowie 5. seines Antrages auf Einholung eines zweiten psychiatrischen Gutachtens.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge kommt in keinem Punkt Berechtigung zu. Zu 1. und 2. pflichtet der Oberste Gerichtshof der für das abweisliche Zwischenerkenntnis gegebenen Begründung des Erstgerichtes bei, daß zu diesen Beweisthemen bereits die Zeugen Sebastian E und Monica Maria Edith de F vernommen worden sind. Welchen Beweiswert das anläßlich seiner Einvernahme vor dem Gendarmerieposten Imst (Band I, S. 5 ff.) und vor dem Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Innsbruck (Band I, S. 53 ff.) abgelegte Geständnis des Angeklagten zukommt, war von den Geschwornen in freier Beweiswürdigung zu beurteilen. Im Hinblick auf den späteren Widerruf war das Zustandekommen des Geständnisses zwar zu überprüfen;

hieraus kann aber nicht abgeleitet werden, daß der Schwurgerichtshof alle Beweise zulassen mußte, aus denen nur überhaupt auf irgendeine Art eine Schlußfolgerung zu dieser Frage gezogen werden konnte. Es mußte vielmehr auf Grund einer gewissenhaften Würdigung der gegebenen Sachlage ein Anlaß für die Annahme vorliegen, daß von der beantragten Beweisaufnahme ein in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht ins Gewicht fallendes Ergebnis zu erwarten war. Da der Beschwerdeführer in seinem Antrag nicht einmal behauptet hat, daß die (bei der Einvernahme des Angeklagten beim Gendarmerieposten Imst anwesend gewesenen) holländischen Polizeibeamten etwas anderes als der Zeuge Sebastian E, der die Protokollierung des vom Angeklagten damals abgelegten Geständnisses vorgenommen hat, aussagen könnten, konnte der Schwurgerichtshof mit Recht von der Einvernahme dieser Zeugen absehen. Das gleiche gilt für die Abweisung des Antrages auf Einvernahme der Zeugin de F: Der Zeuge de C wurde vom Landesgericht Breda auch über seinen Aufenthalt in der Wohnung der Zeugin de F vernommen. Er gab in diesem Zusammenhang an, daß er am 4.Juli 1977 in der Zeit zwischen 7 Uhr und 8 Uhr morgens gemeinsam mit de F in deren Wohnung gewesen ist (Band I ON. 48, s. 20 f.), was von der Zeugin de F bestätigt wurde (Band I ON. 48, S. 13). Der Beschwerdeführer hat weder in seinem Antrag noch in der Beschwerde dargetan, daß durch eine neuerliche Einvernahme dieses Zeugen zu diesem Beweisthema ein in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht ins Gewicht fallendes anderes Ergebnis zu erwarten wäre. Die Beweisaufnahme zu 3. hatte zu unterbleiben, weil der Zeuge Anders D nur dazu gehört werden sollte, welche Getränke (nach Art und Menge) er am späten Nachmittag des 4.Mai 1977 am Bett des Angeklagten stehen sah, dieses Beweismittel daher schon nach seiner Art nicht geeignet war, zum beantragten Beweisthema (ob der Angeklagte zur Tatzeit voll berauscht war bzw. es ihm an der notwendigen Dispositions- und Diskretionsfähigkeit mangelte) etwas auszusagen, da auf Grund dieser Zeugenaussage nicht festgestellt werden kann, welche Alkoholmengen der Angeklagte auch tatsächlich getrunken hat.

Das Erstgericht hat auch mit Recht darauf hingewiesen, daß nicht einmal der Angeklagte selbst jemals behauptete, er hätte sich im Zeitpunkt der Begehung der Straftaten in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand befunden. Auch zu Punkt 4. ist die Abweisung des Beweisantrages mit Recht erfolgt:

Der Beweisantrag des Beschwerdeführers (Glaubhaftmachung der Unrichtigkeit der Darstellung des Anders D bei seiner dritten Einvernahme am 12.August 1977

durch Beamte der Polizei Tilburg, er wisse nicht, ob er den Angeklagten am 5.Juli 1977 um ein Uhr nachts gesehen habe, Band I ON. 32, Seite 670 ff.) läuft im Ergebnis darauf hinaus, im Hinblick auf die von der Zeugin Marjolein van G geschilderte Tatzeit und die Wegstrecke zwischen der Wohnung des D und dem Tatort den Nachweis dafür zu erbringen, daß noch eine andere Person als der Angeklagte (der nie bestritten hat, daß er in der Nacht vom 4. zum 5.Juli 1977 in der Wohnung der getöteten Maria L.M.

B war) als Täter in Frage kommen könne. Da im vorliegenden Falle die Anklage auf dem ursprünglichen Geständnis des Angeklagten und nicht etwa darauf aufgebaut ist, daß sonst niemand als Täter in Betracht kommen könne, ist die unter Beweis gestellte Möglichkeit ohne Belang. Der Angeklagte wurde durch die Abweisung des in diese Richtung zielenden Beweisantrages in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer E. Nr. 17 bei § 345 Abs. 1 Z. 5 StPO.).

Auch zu Punkt 5. liegt durch die Abweisung des Antrages auf Bestellung eines zweiten (psychiatrischen) Sachverständigen ein Verfahrensmangel nicht vor.

Was zunächst die gerügte Nichtzulassung der Frage des Verteidigers an den Sachverständigen Dr. Hans H über den Blutalkoholgehalt des Angeklagten zum Zeitpunkt der Tat betrifft (Band II, Seite 122), so hat der Verteidiger (nachdem der Vorsitzende die Frage nicht zugelassen hat) keinen Antrag auf Einholung eines Gerichtsbeschlusses über die Zulässigkeit dieser Frage gestellt und ist deshalb eine Entscheidung des Gerichtshofes hierüber nicht erfolgt, sodaß es der Beschwerde an den nach dem § 345 Abs. 1 Z. 5 StPO. erforderlichen formellen Voraussetzungen fehlt (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer E. Nr. 1 c bei § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO.; Nr. 1 bei § 345 Abs. 1 Z. 5

StPO.).

Auch trifft der Einwand der Beschwerde nicht zu, das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. I stehe mehrfach mit sich selbst in Widerspruch, weil der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten (Band I S. 319 f.) ausführe, daß sich für den Tatzeitpunkt ein praedelirantes Zustandsbild nicht ausschließen lasse, während er in dem in der Hauptverhandlung abgegebenen Gutachten ein solches verneine. Wenn der Sachverständige davon spricht (Band II S. 125), daß beim Angeklagten zum Tatzeitpunkt auch keine Praedeliranz vorgelegen habe, so kann dies - bei Würdigung des gesamten Teiles des auf diese Äußerung bezughabenden Gutachtens, in welchem die Gründe für den Ausschluß einer ausgeprägten Praedeliranz oder eines Deliriums angeführt werden - nur im Sinne des Fehlens einer ausgeprägten Praedeliranz verstanden werden.

Die Behauptung der Beschwerde ist nicht berechtigt, der Sachverständige Dr. I habe sein Gutachten (nur) auf die Aussage des Angeklagten (er könne sich auf Alkohol nicht ausreden) aufgebaut. Wie sich aus dem gesamten Inhalt des Sachverständigengutachtens ergibt, hat der Sachverständige lediglich illustrativ angeführt (Band II Seite 125), daß auch der Angeklagte angegeben habe, er könne sich nicht auf Alkohol ausreden.

Soweit der Beschwerdeführer behauptet, das Gutachten des Sachverständigen Dr. I stehe hinsichtlich seiner Ausführungen über den Ausschluß eines kurzen deliranten Zustandsbildes mit dem derzeitigen Stand der Wissenschaft in Widerspruch, wird gleichfalls kein Verfahrensmangel aufgezeigt. Der Sachverständige hat dem Gericht die Gründe, die nach seiner Meinung gegen die Annahme eines solchen kurzen deliranten Zustandsbildes sprechen, dargetan; im Nichtigkeitsverfahren kann aber die sachliche Richtigkeit und Überzeugungskraft eines den Urteilsfeststellungen als unbedenklich zugrunde gelegten Sachverständigengutachtens nicht angezweifelt und bestritten werden (11 Os 73/71), die Schlüssigkeit des Gutachtens ist Frage der Beweiswürdigung, desgleichen, ob es ausreichend ist (EvBl. 1959/128 u. a.).

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher in keiner Richtung

begründet.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten unter Bedachtnahme auf den Strafausspruch des Landesgerichtes Innsbruck vom 18.April 1978, 28 Vr 1074/78, zu einer Zusatzstrafe von 18 Jahren.

Bei der Strafbemessung nahm es als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Straftaten, den verwerflichen Beweggrund beim Mord und die überaus grausame und auffallend rohe Begehungsweise der Taten an, als mildernd hingegen das vor der Gendarmerie abgelegte und (etwas eingeschränkt) auch vor dem Untersuchungsrichter aufrecht erhaltene Geständnis sowie die verminderte Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig erfaßt sowie auch zutreffend gewürdigt. Der Angeklagte vermag in seiner Berufung nichts aufzuzeigen, was eine Strafminderung rechtfertigen könnte.

Nach Lage des Falles ist die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe, welche den im § 32 StGB. normierten allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung Rechnung trägt und auch auf die gegenüber den rechtlich geschützten Werten ablehnende Einstellung des Angeklagten (die sich aus dem Hergang der Taten und der brutalen Vorgangsweise des Angeklagten manifestiert) entsprechend Bedacht nimmt, nicht überhöht.

Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E02351

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0130OS00114.79.1108.000

Dokumentnummer

JJT_19791108_OGH0002_0130OS00114_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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