TE OGH 1979/11/15 12Os35/79

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Veröffentlicht am 15.11.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.November 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Lehmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Giovanni A wegen des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach §§ 12, 15, 302 Abs. 1 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 12.Dezember 1978, GZ. 24 Vr 1037/77-39, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Sarlay, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO.

in der Sache selbst erkannt:

Gemäß § 38 StGB. und § 23 Abs. 4 FinStrG. wird die Vorhaft vom 24. März 1977, 17 Uhr 20, bis 7.April 1977, 17 Uhr 10, auf die Freiheitsstrafe, auf die Geldstrafe und auf den Wertersatz angerechnet.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und über den Angeklagten anstelle der nach § 302 Abs. 1 StGB. bemessenen Freiheitsstrafe eine Geldstrafe in der Höhe von 360 Tagessätzen verhängt. Der Tagessatz wird mit 200 S bestimmt und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 180 Tagen festgesetzt.

Gemäß § 43 Abs. 1 StGB. wird der Vollzug (auch) dieser Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen. Die für die Wertersatzstrafe in der Höhe von 328.702 S verhängte Ersatzfreiheitsstrafe wird auf zwei Monate herabgesetzt. Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 26.Mai 1929 geborene Landmaschinenmechanikermeister Giovanni (auch Johann bzw. Hans) A - ein italienischer Staatsangehöriger aus Eppan (Südtirol) - des Verbrechens der versuchten Verleitung (richtig: Bestimmung) zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 und 302 Abs. 1 StGB. sowie des Finanzvergehens des teils vollendeten und teils versuchten (gewerbsmäßigen) Schmuggels nach §§ 35 Abs. 1, 38

Abs. 1 lit. a und 13 FinStrG. schuldig erkannt.

Giovanni A wurde nach § 302 Abs. 2 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten und gemäß §§ 38 Abs. 1, 22 Abs. 1 FinstrG. zu einer Geldstrafe von 116.062 S, im Nichteinbringungsfall zwei Monate Ersatzfreiheitsstrafe und gemäß § 19 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 FinStrG. zu einer Wertersatzstrafe von 328.702 S, im Nichteinbringungsfall vier Monate Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt. Gemäß §§ 43 Abs. 1 StGB. und 26 Abs. 1 FinStrG. wurde die Freiheitsstrafe und die Geldstrafe in der H§he von 116.062 S unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Bei der Strafbemessung nahm das Erstgericht als erschwerend an, das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen und die Wiederholung beim Schmuggel, als mildernd das Geständnis des Angeklagten im wesentlichen Umfang, sein bisher tadelfreies Vorleben, daß es bei dem Verbrechen nach §§ 12, 15, 302 Abs. 1 StGB. und in einem Fall beim Schmuggel nur beim Versuch geblieben ist, die geistige Primitivität des Angeklagten und daß er sich des Begleitscheinverfahrens hätte bedienen können, um straffrei die Waren durchführen zu können.

Nach dem Inhalt des Urteilsspruchs hat er in Kiefersfelden in den Jahren 1975 und (bis 1.Dezember) 1976 wiederholt Kraftfahrzeugbestandteile, auf welche Eingangsabgaben von 58.031 S entfielen, vorsätzlich unter Verletzung der zollrechtlichen Stellungspflicht dem Zollverfahren entzogen und am 22.Dezember 1976 weitere Kraftfahrzeugbestandteile, auf welche Eingangsabgaben von 4.737 S entfallen wären, gleichfalls unter Verletzung der zollrechtlichen Stellungspflicht dem Zollverfahren zu entziehen versucht, wobei es ihm in allen Fällen darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung des Schmuggels eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen; am zuletzt genannten Tag hat er außerdem den Zollwachrevisor Georg B des Zollamts Kiefersfelden durch das Anbot eines Gratisurlaubs für ihn und dessen Familie und durch das Ansinnen, die Untersuchung des Personenkraftwagens des Angeklagten zu unterlassen, dazu zu bestimmen versucht, als Beamter mit dem Vorsatz, den Staat an seinem Recht auf Kontrolle der Wareneinfuhr zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich zu mißbrauchen.

Dieses Urteil wird vom Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z. 5, 9 lit. a und 11 des § 281 Abs. 1 StPO. - soweit sich die Beschwerde auf die Z. 3 dieser Gesetzesstelle stützt, wurde sie zurückgezogen - und mit Berufung bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

In Ausführung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. wendet sich der Beschwerdeführer gegen den im angefochtenen Urteil als erwiesen angenommenen Umfang seiner Schmuggeltätigkeit. Mit der Behauptung, seine vom Erstgericht als unglaubwürdig abgelehnte Verantwortung, bloß drei oder vier Schmuggelfahrten (durch Österreich) unternommen zu haben, werde durch die im Urteil dagegen angeführten Argumente nicht zwingend widerlegt, weil auch für ihn günstigere Schlußfolgerungen möglich wären, macht er allerdings keinen formalen Begründungsmangel geltend, wie er zur Herstellung des bezeichneten Nichtigkeitsgrundes erforderlich ist. Solcherart bekämpft er nämlich nicht die Schlüssigkeit der erstgerichterlichen Argumentation, sondern (in im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässiger und daher unbeachtlicher Weise) nur die freie Beweiswürdigung des Erstgerichts, das die Beweismittel gemäß § 258 Abs. 2 StPO. auf ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft nicht nur einzeln, sondern auch in ihrem inneren Zusammenhang sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen hatte, sich in diesem Sinn ohnedies ausführlich mit der Verantwortung des Beschwerdeführers auseinandersetzte und mit dem Hinweis auf dessen volles Geständnis im Vorverfahren, aber auch auf die konkreten inneren Merkmale der als Beweismittel vorgelegenen Rechnungen lebensnah begründete, warum es der Darstellung des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung den Glauben versagte. Auf die Behauptung aber, daß aus den gegebenen Umständen auch andere Schlüsse gezogen werden könnten, kann der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO nicht gestützt werden.

Mit dem Vorbringen, er habe sich bei dem ihm angelasteten Durchfuhrschmuggel (aus der Bundesrepublik Deutschland nach Italien) durch die Nichtentrichtung österreichischer Eingangsabgaben nichts erspart, weil er bei ordnungsgemäßer Stellung der Waren zur Durchfuhr in Österreich keinen Zoll hätte bezahlen müssen, bestreitet der Beschwerdeführer die Annahme gewerbsmäßiger Begehung des Schmuggels und damit nach den Umständen des gegebenen Falles im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. das Vorliegen eines (gemäß § 53 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 38 Abs. 1 lit. a FinStrG.) gerichtlich strafbaren Finanzvergehens überhaupt.

Diesem Einwand ist zunächst zu entgegnen, daß es nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht darauf ankommt, was geschehen wäre, wenn die eingeführte Ware etwa als Transitgut im Begleitscheinverfahren ordnungsgemäß gestellt und abgefertigt worden wäre, sondern daß von der tatsächlichen Handlungsweise des Täters auszugehen ist; so gesehen kann auch ein sogenannter Durchfuhrschmuggel gewerbsmäßig begangen werden (SSt. 38/42 u.a.). Der rechtlichen Annahme gewerbsmäßiger Begehung im Sinne des § 38 Abs. 1 lit. a FinStrG. tut es aber auch keinen Abbruch, daß die Absicht des Beschwerdeführers nach den Urteilsfeststellungen primär darauf gerichtet war, sich die bei ordnungsgemäßer Abfertigung der Waren in weiterer Folge notwendig zu entrichtenden italienischen Eingangsabgaben zu ersparen. Denn das Gesetz fordert hiefür nicht, daß die durch wiederkehrende Begehung eines Schmuggels angestrebte fortlaufende Einnahme das Korrelat zu dem damit verbundenen Ausfall inländischer Abgaben bildet.

Als berechtigt erweist sich lediglich die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs. 1 Z. 11

StPO. wegen der dem Gesetz nicht (voll) entsprechenden Anrechnung der Vorhaft.

Das Erstgericht, das den Beschwerdeführer gemäß § 22 Abs. 1 FinStrG. zu gesonderten Strafen, nämlich nach § 302 Abs. 1 StGB. zu einer Freiheitsstrafe und nach § 38 Abs. 1 FinStrG. zu einer Geldstrafe sowie nach § 19 FinStrG. (im Umfang der Unvollziehbarkeit des vorgesehenen Verfalls) zu einer Wertersatzstrafe verurteilte - wobei die beiden erstgenannten Strafen bedingt nachgesehen wurden - , rechnete gleichwohl die Vorhaft gemäß § 38 StGB. nur auf die (nach § 302 Abs. 1 StGB. verhängte) Freiheitsstrafe an.

Damit vernachlässigte das Gericht die im vorliegenden Fall außerdem noch zu beachtende Vorschrift des § 23 Abs. 4 FinStrG.: Ihr zufolge ist dann, wenn in einer Finanzstrafsache auf mehrere Strafen erkannt wird, die Vorhaft (urteilsmäßig grundsätzlich) auf alle hiefür nach dieser Gesetzesstelle in Betracht kommenden Strafen anzurechnen, zu denen neben der Freiheitsstrafe die Geldstrafe und der Wertersatz gehören. In welcher Weise die Vorhaftanrechnung in einem solchen Fall sodann konkret zum Tragen kommt, bestimmt § 23 Abs. 4 zweiter Satz FinStrG.;

darnach hat die Anrechnung zunächst auf diejenigen Strafen zu erfolgen, die nicht bedingt nachgesehen werden, im übrigen zunächst auf die Freiheitsstrafe, sodann auf die Geldstrafe und schließlich auf den Wertersatz.

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, daß - bei bedingter Nachsicht sowohl der Freiheitsstrafe als auch der Geldstrafe - die Anrechnung (nach Maßgabe des § 23 Abs. 5 FinStrG.) zunächst auf den Wertersatz zu erfolgen hätte. Die gesetzwidrige Beschränkung der Vorhaftanrechnung im angefochtenen Urteil auf die Freiheitsstrafe allein gereicht deshalb dem Beschwerdeführer zum Nachteil. Hinzu kommt noch, daß das Erstgericht die Vorhaft erst ab 25.März 1977, 12 Uhr anrechnete, wiewohl der Angeklagte nach der Aktenlage schon am 24.März 1977 um 17 Uhr 20 vom Zollamt Innsbruck in Verwahrungshaft genommen worden war (Bl. 80 des Zollstrafaktes); auch dieser Verstoß wurde vom Beschwerdeführer zutreffend gerügt. Nach § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO. ist zwar bei der Anrechnung oder Nichtanrechnung einer Vorhaft nur ein Verstoß gegen § 38 StGB. ausdrücklich mit Nichtigkeit bedroht.

Diese Nichtigkeitsfolge muß aber im gerichtlichen Finanzstrafverfahren sinngemäß auch für einen - sonst sanktionslosen - Verstoß gegen die dem § 38 Abs. 1 StGB. im Allgemeinen Teil des (materiellen) Finanzstrafrechts entsprechende Vorschrift des § 23 Abs. 4 FinStrG. gelten.

Im Umfang der sonach gegebenen Urteilsnichtigkeit war daher der Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden; im übrigen war sie zu verwerfen.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte die Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes und die Verhängung einer bedingten Geldstrafe anstelle der nach dem Strafgesetzbuch bestimmten Freiheitsstrafe und die Herabsetzung der für die Wertersatzstrafe bemessenen Ersatzfreiheitsstrafe auf einen Monat. Die Berufung ist zum Teil berechtigt.

Mit Rücksicht auf die Bestimmung des § 22 Abs. 1

FinStrG. (Kumulationsprinzip) kann das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Finanzvergehen nicht als erschwerend gewertet werden. Zu den vom Erstgericht im übrigen zutreffend festgestellten Strafbemessungsgründen kommt als weiterer Milderungsgrund noch der Umstand, daß die Tat schon vor längerer Zeit begangen wurde und sich der Angeklagte seither wohlverhalten hat. Es bedarf somit nicht der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, um den Täter von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Unter den besonderen Umständen des Falles, dem relativ geringen Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat, sprechen auch nicht generalpräventive Erwägungen gegen die Verhängung einer Geldstrafe. Gemäß § 37 StGB. wurde daher eine angemessene Geldstrafe in der Höhe von 360 Tagessätzen bestimmt. Unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse, der Angeklagte ist Hauseigentümer, betreibt eine eigene Mechanikerwerkstätte und hat für eine Frau und drei Kinder zu sorgen, wurde der Tagessatz mit 200 S festgesetzt (§ 19 Abs. 2 StGB.). Für den Fall der Uneinbringlichkeit war eine Ersatzfreiheitsstrafe von 180 Tagen auszusprechen.

Bei den vorliegenden Strafbemessungsgründen ist auch die Annahme gerechtfertigt, daß die bloße Androhung der empfindlichen Geldstrafe genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB. wurde daher die bedingte Strafnachsicht auch hinsichtlich der nach dem Strafgesetzbuch ausgesprochenen Geldstrafe gewährt und eine angemessene Probezeit von drei Jahren bestimmt. Die Höhe der Geldstrafe, der Ersatzfreiheitsstrafe für die nach § 38 FinStrG. ausgesprochene Geldstrafe und die Wertersatzstrafe wurden nicht bekämpft. Gemäß § 20 Abs. 2 FinStrG. darf die anstelle eines Wertersatzes festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe das Ausmaß von einem Jahr nicht übersteigen. Die Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Monaten für die mit 328.702 S bestimmte Wertersatzstrafe erscheint angemessen.

Es war somit der Berufung teilweise Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02363

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00035.79.1115.000

Dokumentnummer

JJT_19791115_OGH0002_0120OS00035_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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