TE OGH 1979/11/22 13Os139/79

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Veröffentlicht am 22.11.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.November 1979

unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Horak und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Böhm-Hiller als Schriftführers in der Strafsache gegen Johann A und einen anderen wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB. beziehungsweise einer Beteiligung daran nach dem § 12 StGB. über die vom Angeklagten Johann A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 20. Juni 1979, GZ. 6 d Vr 7848/78-76, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Walter B nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, der Ausführungen der Verteidiger der Angeklagten, der Rechtsanwälte Dr. Lampelmayer und Dr. Michael Stern, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerden wird gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO. das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Johann A auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Polizeibeamte Johann A des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB. und der Berufsdetektiv Walter B desselben Verbrechens als Beteiligter nach den §§ 12, 302 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt. Nach dem Urteilsspruch haben sie in Wien in der Zeit von 1961 bis Ende September 1978

1. Johann A als Beamter des Bundesministeriums für Inneres bzw. der Bundespolizeidirektion Wien mit dem Vorsatz, den Staat an seinem Recht, nachstehende Auskünfte nur Behörden zukommen zu lassen und in seinem Recht auf Gebührenhoheit (Meldeauskünfte) und die Betroffenen in ihrem Recht auf Geheimhaltung zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er

a) dem Walter B in zahlreichen Fällen den Inhalt von Strafregister-, Melde- und Fahndungsauskünften sowie polizeilichen Vormerkungen und von mindestens zwei Interpol-Akten mitteilte;

b) einem Dritten eine Fahndungsauskunft zur Kenntnis brachte;

2. Walter B durch Aufforderung Johann A zur Ausführung der zu Punkt 1./a) angeführten Straftaten vorsätzlich bestimmt.

Diesen Schuldspruch bekämpfen beide Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerden; Johann A macht den Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO.

geltend, Walter B stützt sein Rechtsmittel auf die Nichtigkeitsgründe nach dem § 281 Abs. 1 Z. 5, 9 lit. a und lit. b StPO.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann A:

Dieser Beschwerdeführer bringt in seinem Rechtsmittel vor, das Gericht habe sich insbesondere mit der subjektiven Tatseite des ihm angelasteten Delikts nur ungenügend befaßt. Er behauptet, es sei ihm jede Beeinträchtigung staatlicher Rechte oder gar eine Schädigung des Staates ferngelegen; die Weitergabe von Informationen an Walter B sei nur deshalb erfolgt, weil sie ähnliche Berufe ausgeübt hätten, was zu einer 'seelenverwandten' Einstellung zu Problemen der Kriminalität und der Gerechtigkeit geführt hätte; er habe gesehen, daß sich B mit großem Zeitaufwand Informationen beschaffen mußte, und ihm daher durch Übergabe von polizeilichem Datenmaterial, zu dem er Zugang gehabt habe, die Arbeit erleichtern wollen. Dabei habe er keineswegs nur dem Walter B aus der Zusammenarbeit Vorteile verschafft, sondern im Austausch für seine Informationen von B wertvolle Hinweise erhalten, die zur Aufklärung verschiedener Straftaten geführt hätten, die ansonsten niemals hätten geklärt werden können. Ein ehemaliger Vorgesetzter habe den Kollegen anläßlich des Übertrittes von B aus dem öffentlichen Dienst in den Beruf des Privatdetektivs sogar geraten, B bei der Lösung beruflicher Probleme behilflich zu sein. Es fehle somit auf seiner Seite der für das Verbrechen des Amtsmißbrauches vorausgesetzte Schädigungsvorsatz; sein Verhalten stelle lediglich ein Disziplinarvergehen dar, das nicht in die Zuständigkeit der Gerichte falle.

Diesen zusammengefaßt wiedergegebenen Einwendungen, mit denen in breiter Ausführung über weite Strecken bloß unzulässig und damit auch unbeachtlich die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes bekämpft wird, kommt keine Berechtigung zu.

So stellte das Erstgericht mit im Beweisverfahren, insbesondere in der geständigen Verantwortung des Beschwerdeführers im Vorverfahren gedeckter Begründung fest (S. 184/II), daß er seine Amtsbefugnisse (sogar) wissentlich mißbraucht hat, zumal ihm klar war, daß die Weitergabe von Informationen durch ihn den Vorschriften widersprach. Dadurch aber, daß der Beschwerdeführer sich bewußt über die Dienstvorschriften hinwegsetzte und ihnen zuwider ihm auf Grund seines Amtes und seiner dienstlichen Stellung zugängliche Informationen an Unberechtigte weitergab, hat er jedenfalls - zumindest von bedingtem Vorsatz umfaßt -

ihm ausschließlich kraft seines Amtes anvertraute oder zugänglich gewordene Geheimnisse offenbart.

Der Beschwerdeführer kann sich auch nicht damit entschuldigen, daß Kontakte zwischen Polizeibeamten und Privatdetektiven geradezu erwünscht seien und ihm von Vorgesetzten der Rat erteilt worden sei, dem Walter B bei beruflichen Problemen zu helfen. Denn wenn auch im Interesse der Aufklärung von Straftaten die Zusammenarbeit zwischen Polizeibeamten und verwandten Berufen durchaus notwendig sein kann, so durfte dies jedenfalls nicht in wissentlicher Übertretung von Dienstvorschriften geschehen (vgl. SSt. 40/64); auch die vom Beschwerdeführer behauptete Aufforderung eines Vorgesetzten, den Walter B zu unterstützen, vermag sein Vorgehen nicht zu decken, zumal eine solche Unterstützung durchaus im Rahmen der bezüglichen Gesetze und Dienstvorschriften geschehen kann. Ein vom Beschwerdeführer überdies nicht ausdrücklich behaupteter Rechtsirrtum in dieser Richtung wäre ihm jedenfalls im Sinne des § 9 Abs. 2 StGB. vorwerfbar und daher nicht geeignet, ihn zu exculpieren. Das Schöffengericht hat sohin auch nicht etwa in einer den Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. verwirklichenden Weise das Vorliegen dieses Schuldausschließungsgrundes übersehen.

Die auf einen Freispruch mangels eines gerichtlich strafbaren Sachverhaltes abzielende Nichtigkeitsbeschwerde des Johann A erweist sich sohin als nicht berechtigt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Walter B:

Wenn der genannte Beschwerdeführer unter Berufung auf den Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs. 1 Z. 5

StPO. dem Erstgericht vorwirft, es habe sich mit den ihm vorliegenden Beweismitteln nicht hinreichend auseinandergesetzt, die Zusammenarbeit zwischen ihm und Johann A sei im beiderseitigen Interesse gelegen gewesen und es bestehe die Verpflichtung eines Polizeibeamten zur Verhinderung und Aufklärung strafbarer Handlungen unabhängig von der Existenz von Akten, deren Bearbeitung ihm übertragen sei, so ist ihm zu erwidern, daß im Rechtsstaat eine Selbstbeschränkung der Staatsgewalt auf gesetzmäßige Akte auch bei der Verbrechensbekämpfung und Verbrechensvorbeugung eine Selbstverständlichkeit ist (SSt. 40/64). Den Boden der Gesetzmäßigkeit hat aber Johann A durch die Weitergabe von Informationen, die seiner Amtsverschwiegenheit unterlagen und die ihm nur auf Grund seines Amtes zugänglich waren, verlassen; dies hat nach den Feststellungen des Schöffengerichtes der Beschwerdeführer B auch gewußt und dennoch veranlaßt. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob durch die gesetzwidrige Tätigkeit des Johann A dem Staat Vorteile im Rahmen der Verbrechensbekämpfung und -verhütung entstanden sind, weshalb das Schöffengericht seine in dieser Richtung zielende Verantwortung nicht zu überprüfen verpflichtet war.

Wenn schließlich dieser Beschwerdeführer unter Berufung auf die Nichtigkeitsgründe nach dem § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a und b StPO. ausführt, es seien keine genügenden Feststellungen darüber getroffen worden, ob Johann A sein Amt wissentlich mißbraucht und den daraus (auch zum Nachteil unbeteiligter Dritter) resultierenden Schaden (zumindest bedingt) vorsätzlich herbeigeführt und ob der Beschwerdeführer B im Bewußtsein der Rechtswidrigkeit gehandelt habe, so ist er, um Wiederholungen zu vermeiden, unter anderem auf das dem Mitangeklagten auf dessen im wesentlichen gleichgelagerte Rechtsrüge Erwiderte zu verweisen. Entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers B hat das Erstgericht nämlich durch die mit durchaus zutreffender Begründung getroffene Feststellung (S. 184, 185/II), daß es dem Beschwerdeführer schlechthin darauf angekommen ist, den Amtsmißbrauch des Johann A herbeizuführen, der Sache nach konstatiert, daß er es jedenfalls zumindest auf eine Herbeiführung der Verletzung des Amtsgeheimnisses durch Johann A angelegt hatte, also auch in subjektiver Richtung die Voraussetzungen für die Beurteilung seines Verhaltens als Bestimmungstäterschaft zumindest zu einer Verletzung des Amtsgeheimnisses erfüllt sind. Auch die Nichtigkeitsbeschwerde des Walter B war daher zu verwerfen.

Zur Maßnahme nach dem § 290 Abs. 1 StPO.:

Allerdings haftet dem erstgerichtlichen Schuldspruch der von keinem der Angeklagten geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. an.

Denn die Tat des Angeklagten Johann A wurde rechtsirrtümlich ohne ausreichende Feststellungen, inwieweit andere in relevanter Weise an Rechten geschädigt wurden bzw. werden sollten, als das Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt nach dem § 302 StGB. und die des Angeklagten Walter B als ebendieses Verbrechen in Tatbeteiligung nach dem § 12 StGB. hiezu beurteilt, weshalb, da insoweit das Strafgesetz zum Nachteil der Angeklagten unrichtig angewendet wurde, diese Rechtsverletzung nach dem § 290 Abs. 1 StPO. von Amts wegen zu ihren gunsten wahrzunehmen ist.

Denn das Strafgesetzbuch hat Verletzungen des Amtsgeheimnisses durch einen Beamten aus dem Begriff des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach den §§ 101, 102 lit. c StG.

herausgeschält und im Vergehen der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach dem § 310 StGB. ein delictum sui generis für Fälle des amtlichen Geheimnisverrats begründet, wobei aber selbst das bloße Interesse an der Geheimhaltung für sich allein - wie in den Materialien zum Strafgesetzbuch (vgl. Dok. S. 237) zum Ausdruck kommt - noch nicht geschütztes Rechtsgut ist, sondern für die Tatbestandsmäßigkeit auch die Verletzung eines öffentlichen oder berechtigten privaten Interesses hinzukommen muß. Der Umstand, daß sich A die gegenständlichen Geheimnisse erst zugänglich machte, entspricht dabei durchaus dem Begriff des 'zugänglich gewordenen Geheimnisses' (§ 310 Abs. 1 StGB.). In diesem Sinn ist auch schon die Judikatur zu § 102 lit. c StG. (vgl. EvBl. 1970/185, 1970/238 = SSt. 41/7 und schon SSt. 19/173) ergangen. Auch nach der deutschen Rechtslage (§ 353 b dStGB.: 'wer ein Geheimnis, das ihm .... anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist ....'), ist der Fall, daß der Täter auf Grund seiner dienstlichen Möglichkeiten an das Geheimnis herankommt, sei es auch durch deren unbefugte Ausnutzung (so Schönke-Schröder RZ. 8 zu § 353 b), als ein Bekanntwerden erfaßt.

Demnach war es schon von vornherein verfehlt, wenn das Erstgericht den Vorsatz auf Geheimnisverrat bereits als solchen als einen Schädigungsvorsatz i.S. des § 302

StGB. ansah. Desgleichen war es verfehlt, schon in der Nichtzahlung von Gebühren für Meldeauskünfte allein eine Beeinträchtigung des Rechtes des Staates auf die Einhebung solcher Gebühren zu erblicken. Ob aber die Handlungen der Angeklagten bloß geeignet waren, nur öffentliche oder insbesondere berechtigte private Interessen, nämlich das Recht der Betroffenen auf Geheimhaltung von Strafregister-, Melde- und Fahndungsauskünften und sonstigen polizeilichen Vormerkungen und Daten über ihre persönlichen Verhältnisse, zu verletzen, welche Verletzung durch Amtsgeheimnisverrat aber allein durch die besondere Bestimmung des § 310 StGB.

pönalisiert wird, (die als die spezielle, der allgemeinen Bestimmung des § 302 StGB. vorgeht) oder aber doch im Einzelfall über die Gebührenhoheit und die Geheimhaltung hinaus weitergehende konkrete Rechte im Sinne des § 302 Abs. 1 StGB. verletzt wurden oder werden sollten (oder nicht), ist vom Erstgericht in einer zu einer abschließenden materiellrechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes ausreichenden Weise nicht festgestellt worden.

Da sohin diesbezüglich erforderliche Feststellungen fehlen und daher eine abschließende materiellrechtliche Beurteilung des Straffalles derzeit noch nicht möglich ist, war in Anwendung des § 290 Abs. 1 StPO. das angefochtene Urteil von Amts wegen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte Johann A auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E02353

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0130OS00139.79.1122.000

Dokumentnummer

JJT_19791122_OGH0002_0130OS00139_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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