TE OGH 1979/11/22 12Os165/79

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Veröffentlicht am 22.11.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Schneider als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Lehmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Willibald A und Ferdinand B wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB. nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Willibald A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 20. September 1979, GZ. 6 Vr 2263/79-28, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 7. Juni 1951 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Dachdecker Ferdinand B und der am 14. Juni 1938 geborene, zuletzt gleichfalls beschäftigungslos gewesene Tankwart Willibald A des Vergehens des schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt, weil sie (inhaltlich des Urteilsspruches) am 25. Juli 1979 in Klein-Preding, Bezirk Deutschlandsberg, in Gesellschaft als Beteiligte nachgenannten Personen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz wegnahmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

a) den Ehegatten und Franz und Margarete C eine schwarze Ledergeldtasche unerhobenen Wertes mit verschiedenen Dokumenten, eine Blechdose mit einer Tausendschillingnote, zwei nichtvinkulierte Sparbücher mit einem Guthaben von 27.000 S und 29.000 S sowie einen Geldbetrag von 400 S;

b) Maria C einen Bargeldbetrag von etwa 4.000 S.

Während die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte B kein Rechtsmittel ergriffen, bekämpft der Angeklagte A das Urteil im Schuldspruch mit einer auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und in den Aussprüchen über die Strafe und den Zuspruch an den Privatbeteiligten Franz C mit Berufung.

Unter dem zitierten Nichtigkeitsgrund wirft der Beschwerdeführer dem Erstgericht vor, 'für den Schuldspruch hinsichtlich des angelasteten Tatbestandes des schweren Diebstahls nur offensichtlich unzureichende Gründe' gefunden (S 232) und (demgemäß) keine 'eindeutigen und denkrichtigen Feststellungen' über die (urteilsgegenständliche) Tathandlung getroffen zu haben (S 233). Dazu bringt der Beschwerdeführer zunächst vor, seine Vorstrafenbelastung hätte nicht dazu führen dürfen, 'daß daraus ein eindeutiger Schuldnachweis angenommen wird'. Des weiteren vermeint er, der Mitangeklagte B habe in der Hauptverhandlung seine im Vorverfahren abgelegten Aussagen, soweit sie ihn (A) belasteten, nicht aufrechterhalten, wobei die (belastenden) Angaben BS bei der Gendarmerie auch deshalb als 'äußerst problematisch' anzusehen seien, weil sie nach einer verletzungsbedingten zweitägigen Unansprechbarkeit gemacht wurden. Die anläßlich des Einschreitens der Gendarmerie knapp nach der Tat vom Beschwerdeführer unternommenen Versuche zu flüchten und 'Unterlagen und Dokumente' wegzuwerfen, seien nicht als Indiz für seine Täterschaft aufzufassen; vielmehr habe der Beschwerdeführer nur deshalb einen Kontakt mit Gendarmeriebeamten vermeiden wollen, weil er zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe ausgeschrieben gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keinen formalen Begründungsmangel auf, wie es die gesetzmäßige Ausführung des geltendgemachten Nichtigkeitsgrundes erfordern würde, sondern bekämpft nach Art einer Schuldberufung - im Nichtigkeitsverfahren unzulässig - die schöffengerichtliche Beweiswürdigung:

Gemäß dem § 258 Abs. 2 StPO hat das Gericht die Beweismittel auf ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft sowohl einzeln als auch in ihrem inneren Zusammenhang sorgfältig und gewissenschaft zu prüfen. Über die Frage, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen sei, entscheiden die Richter nicht nach gesetzlichen Beweisregeln, sondern nur nach ihrer freien, aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnenen Überzeugung. Wenn nun das Schöffengericht (auch) zur Frage der Tatbeteiligung des Beschwerdeführers jenen Angaben des Mitangeklagten B bei der Gendarmerie (s S 35 bis 37) und - was der Beschwerdeführer in seinen Ausführungen übergeht - auch vor dem Untersuchungsrichter (vgl. S 50 bis 52, 52 a verso bis 53 d) folgte, denen zufolge sich der Beschwerdeführer - gleich ihm (B) - mit dem Vorsatz in das unversperrte, von den Bewohnern wegen Verrichtung von Feldarbeiten verlassenen Haus begab, um die schon angeführten Sachen zu stehlen, hingegen den diesbezüglich mehr oder weniger abgeschwächten Angaben BS in der Hauptverhandlung (s S 174, 175; 177) den Glauben versagte, setzte es einen Akt der - wie schon erwähnt, einer Anfechtung entzogenen - freien Beweiswürdigung.

In diesem Zusammenhang unterzog das Schöffengericht - ebenfalls in Ausübung freier Beweiswürdigung - auch das Verhalten des Beschwerdeführers nach der Tat, nämlich die Versuche zu flüchten und sich des in seinem Besitze befindlichen Diebsgutes sowie der aus dem Hause C stammenden Urkunden zu entledigen, einer Beurteilung. Nur der Vollständigkeit halber kann jedoch zu der vom Beschwerdeführer - wie dargelegt, nur nach Art einer Schuldberufung - bekämpften Feststellung, auch er habe sich (mit Diebstahlsvorsatz) in das Haus begeben (und tatplangemäß Sachen an sich gebracht), angemerkt werden, daß Gesellschaftsdiebstahl im Sinne des § 127 Abs. 1 Z 2 StGB (neben den anderen Voraussetzungen) die Anwesenheit der Diebsgenossen im Bereiche des Tatortes verlangt, sodaß es im vorliegenden Fall rechtlich irrelevant ist, ob der Beschwerdeführer anläßlich der gemeinsamen Diebstahlsverübung im Hause oder nur vor diesem war (vgl. dazu u. a. EvBl. 1977/242;

RZ 1976/123; ÖJZ-LSK 1976/129 und 1977/141). Übrigens gab der Beschwerdeführer beim Untersuchungsrichter selbst an, mit B - wenn auch ohne Diebstahlsvorsatz - das Haus betreten zu haben und 'im Vorraum bzw Vorhaus' stehengeblieben zu sein (s S 58). Der vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf, es sei auf Grund seiner Vorstrafenbelastung 'bereits ein eindeutiger Schuldnachweis angenommen' worden, geht ins Leere, weil die Urteilsbegründung einen Hinweis, daß (auch) das Vorleben des Beschwerdeführers die Schuld an dem ihm angelasteten Diebstahl indiziere, gar nicht enthält. Mithin erweist sich, daß die Nichtigkeitsbeschwerde zur Gänze einer gesetzmäßigen Ausführung entbehrt, weshalb sie gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO i. V. m. dem § 285 a Z 2

StPO bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen war. Daraus folgt, daß gemäß dem § 285 b Abs. 6 StPO die Akten zur Entscheidung über die Berufung dem zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz, nämlich dem Oberlandesgericht Graz, zuzuleiten sind. Abschließend ist zu bemerken, daß die vom Erstgericht in Ansehung beider Angeklagten festgestellte (infolge der Entfremdung und des /notwendigen / Aufwandes an Wiederbeschaffungskosten eintretende) Schädigung der Eheleute C durch die - laut Tatplan dauernde - Entziehung von 'verschiedenen Dokumenten' (ersichtlich gemeint: ein Zulassungsschein für ein Motorfahrrad, ein Zeckenschutzimpfzeugnis, zwei Blutspenderausweise, zwei Reisepässe - vgl. S 83) entgegen der vom Erstgericht - allerdings unangefochten gebliebenen - Ansicht rechtlich nicht als Diebstahl zu beurteilen ist, weil diese Urkunden keine Wertträger sind, sodaß sie als Diebstahlsobjekte nicht in Frage kommen (vgl. dazu u. a. SSt 11/42;

EvBl. 1976/132). Es wäre insoweit rechtsrichtig das Vergehen der dauernden Sachentziehung nach dem § 135 Abs. 1 StGB in Betracht zu ziehen. (Zur rechtlichen Beurteilung der Entfremdung von Urkunden vgl. Leukauf-Steininger, Komm.2, RN 5 a zu § 135 StGB, auch RN 5 zu § 229 StGB und die dort zitierte Judikatur, ferner Wiener Kommentar zum StGB, RZ 3 und 4

zu § 135.) Gleichwohl sieht sich der Oberste Gerichtshof zu einer Maßnahme gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO nicht veranlaßt, weil der vorstehend aufgezeigte Rechtsirrtum den Angeklagten nicht zum Nachteil gereicht. Denn im Falle einer - nur in Ansehung der vom Schuldspruch erfaßten Urkunden indizierten - Umqualifizierung in Richtung des Vergehens nach dem § 135 Abs. 1

StPO würde der (auch das Unrecht umfassende) Schuldgehalt des aufrecht bleibenden Schuldspruches wegen (Gesellschafts-) Diebstahls von Sachen im Gesamtwert von rund 60.400 S nicht gemindert werden; hingegen träfe die Angeklagten (bei gleichbleibendem Strafsatz des § 128 Abs. 1 StGB) der zusätzliche Erschwerungsumstand der Begehung mehrerer strafbarer Handlungen verschiedener Art (§ 33 Z 1 StGB).

Anmerkung

E02395

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00165.79.1122.000

Dokumentnummer

JJT_19791122_OGH0002_0120OS00165_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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