TE OGH 1980/1/24 12Os172/79

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Veröffentlicht am 24.01.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Jänner 1980

unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Steininger, Dr. Friedrich und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Lehmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Wolfgang A wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB. über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. August 1979, GZ. 3 b Vr 4170/79-10, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Berufung des Angeklagten nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, und der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Krepp, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird jedoch gemäß § 290 Abs. 1 StPO. das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in Punkt 1) des Schuldspruches (Mißbrauch des Christian B und des Thomas C zur Unzucht) und in der einheitlichen rechtlichen Beurteilung des gesamten deliktischen Verhaltens des Wolfgang A als vollendetes Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 erster Fall StGB. sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und im Umfange dieser Aufhebung gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Wolfgang A ist schuldig, er hat am 31. März 1979

in Bruck an der Leitha dadurch, daß er den am 21. Dezember 1969 geborenen Christian B und den am 23. Juli 1970 geborenen Thomas C nach Veranlassung, ihre Hosen auszuziehen und Entblößung seines eigenen erregten Geschlechtsteiles jeweils am Bauch und an den Oberschenkeln betastete, die genannten unmündigen Personen auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht zu mißbrauchen versucht (§ 15 StGB.).

Er hat hiedurch sowie durch die ihm weiters zur Last liegende, zu Punkt 2) des Schuldspruches näher umschriebene Tat das Verbrechen der teils vollendeten, teils versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 207 Abs. 1 erster Fall und 15 StGB.

begangen und wird hiefür nach § 207 Abs. 1 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 (zehn) Monaten verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB. wird die verhängte Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft wird aus dem Ersturteil übernommen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 11. April 1960 geborene Küchengehilfe Wolfgang A des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 erstem Fall StGB. schuldig erkannt und zu einer - bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafe verurteilt. Inhaltlich des Schuldspruches mißbrauchte der Angeklagte in Bruck an der Leitha unmündige Personen auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht, und zwar am 31. März 1979 den am 21. Dezember 1969 geborenen Christian B und den am 23. Juli 1970 geborenen Thomas C, indem er sie nach Veranlassung, ihre Hosen auszuziehen, und Entblößung seines eigenen erregten Geschlechtsteiles jeweils am Bauch und an den Oberschenkeln betastete (Punkt 1.), sowie am 14. Juli 1979 die am 23. Jänner 1968 geborene Anita D durch Angreifen am bloßen Geschlechtsteil (Punkt 2. des Schuldspruches). Von dem weiteren Anklagevorwurf, am 14. Juli 1979 in Bruck an der Leitha mit dem erwähnten Mädchen auch den außerehelichen Beischlaf unternommen zu haben, erfolgte ein Freispruch gemäß § 259 Z. 3 StPO. Gegen dieses Urteil richten sich die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft sowie die Berufung des Angeklagten. Der öffentliche Ankläger rügt mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, gestützt auf § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO., die Abweisung seines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens darüber, in welcher geistigen Verfassung der Angeklagte sich zu den Tatzeitpunkten und im Zeitpunkt der Verhandlung befand, 'insbesondere ob die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 StGB. vorliegen' (S. 30 d.A.), während er sich mit seiner Berufung lediglich gegen das Strafmaß, nicht aber gegen die vom Erstgericht gewährte bedingte Strafnachsicht wendet.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Das Erstgericht hat die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen, ohne daß dies vom öffentlichen Ankläger bekämpft wurde; dessen - 'in eventu' ergriffene - Berufung richtet sich ausschließlich gegen das Strafmaß. Daher ist für die weitere Beurteilung davon auszugehen, daß im gegebenen Fall die bloße Androhung der Vollstreckung der verhängten Strafe genügt, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, der sofortige Strafvollzug mithin aus spezialpräventiven Gründen nicht geboten ist. Eine solche günstige Prognose in Ansehung des künftigen Verhaltens des Angeklagten schließt aber von vornherein die Anordnung der Anstaltsunterbringung dieses Angeklagten gemäß § 21 Abs. 2 StGB. aus, weil (auch) hiefür die (naheliegende) Befürchtung erforderlich wäre, daß der Angeklagte ohne Anstaltsunterbringung künftig (abermals) zumindest eine mit Strafe bedrohte Handlung (mit schweren Folgen) begehen werde. Ist die Befürchtung kriminellen Rückfalls (schon) in Ansehung der Notwendigkeit sofortiger Strafvollstreckung verneint, dann ist damit implizite auch die für die Anordnung der Unterbringung des Rechtsbrechers in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 2 StGB. - die gemäß § 45 Abs. 2 StGB. nur unbedingt erfolgen darf - erforderliche Gefährlichkeitsprognose negiert, weil andernfalls ein unlösbarer Widerspruch bestünde.

So gesehen schließt daher eine bedingte Nachsicht der verhängten Strafe jedenfalls im Ergebnis die Anordnung der Anstaltsunterbringung nach § 21 Abs. 2 StGB. aus. Eben deshalb stellt auch § 24 Abs. 1 StGB. darauf ab, daß die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher vor der Freiheitsstrafe zu vollziehen, die Zeit der Anhaltung auf die Strafe anzurechnen und der Rechtsbrecher in den Strafvollzug zu überstellen ist, wenn die Unterbringung vor dem Ablauf der Strafzeit aufgehoben wird, es sei denn, daß ihm (nunmehr) der Rest der Strafe bedingt oder unbedingt erlassen wird. Der Gesetzgeber geht mithin folgerichtig davon aus, daß eine Anstaltsunterbringung gemäß § 21 Abs. 2 StGB.

eben nur bei gleichzeitiger Verhängung einer unbedingten (Freiheits-)Strafe in Betracht kommt. An dieser Voraussetzung fehlt es vorliegend; sie kann auch nicht im Rechtsmittelverfahren geschaffen werden, weil der öffentliche Ankläger - wie eingangs bereits ausgeführt - die Gewährung bedingter Strafnachsicht nicht bekämpft hat.

Schon aus diesen Erwägungen erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, mit welcher diese auf den Nachweis einer geistigen Abartigkeit höheren Grades beim Angeklagten zwecks Anordnung der Maßnahme nach § 21 Abs. 2

StGB. abzielt, infolge der dargelegten rechtlichen Unerheblichkeit des Beweisthemas als verfehlt, abgesehen davon, daß die behauptete Nichtigkeit auch sonst nicht gegeben wäre, weil die vom Erstgericht angeführten Gründe für die Abweisung des in Rede stehenden Antrags des öffentlichen Anklägers auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zu dem angegebenen Beweisthema gleichfalls zutreffen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugen, daß das Erstgericht - von keiner Seite bekämpft - das festgestellte Tatverhalten des Angeklagten zu Punkt 1. des Urteilsspruches, wonach er die beiden Unmündigen Christian B und Thomas C veranlaßte, ihre Hosen auszuziehen, sein eigenes erregtes Glied entblößte und die Knaben dann jeweils am Bauch und an den Oberschenkeln betastete, zu Unrecht als vollendetes Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 erstem Fall StGB. beurteilte. Denn (vollendete) Unzucht im Sinne eines geschlechtlichen Mißbrauches liegt nur dann vor, wenn zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige, somit dem männlichen oder weiblichen Körper spezifisch eigentümliche Körperpartien des Opfers oder des Täters mit dem Körper des anderen in eine - nicht bloß flüchtige und sexuell sinnbezogene - Berührung gebracht werden, wogegen sexuell (eher) indifferente Handlungen (wie Küsse, Streicheln oder eben auch Betasten am Oberschenkel) für sich allein

hiezu noch nicht genügen (vgl. 12 0s 164/75 = ÖJZ-LSK. 1976/79;

11 0s 136/77 = ÖJZ-LSK. 1978/24 u.v.a.).

Demnach verwirklicht das bloße Betasten des Bauches oder der Oberschenkel eines Unmündigen noch nicht das Tatbild des § 207 Abs. 1 StGB. Mit seinem eigenen entblößten und erregten Glied ist aber nach den Feststellungen des Erstgerichtes der Angeklagte mit dem Körper der beiden Knaben nicht in Berührung gekommen. Die Tathandlungen sind allerdings im Zusammenhang mit der - auf den Tatablauf im vorliegenden Fall und der tatsächlich erfolgten Betastung des Geschlechtsteiles seines Opfers im Faktum Punkt 2) des Schuldspruches gestützten, den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechenden - Feststellung des Erstgerichtes, der Angeklagte habe auch in diesem Fall ein Abgreifen der Geschlechtsteile beabsichtigt und sei nur durch die Flucht der Knaben daran gehindert worden (S. 40), rechtlich als Versuch des Verbrechens nach § 207 Abs. 1 erster Fall StGB. zu beurteilen. Das Urteil erscheint somit in Ansehung des Schuldspruchfaktums 1. zum Nachteil des Angeklagten mit dem weder von ihm noch von der Staatsanwaltschaft geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. behaftet, welcher gemäß § 290 Abs. 1 StPO. aus Anlaß der Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft von Amts wegen wahrzunehmen war. Insoweit war wie aus dem Spruche erschtlich zu entscheiden. Bei der sohin vom Obersten Gerichtshof vorzunehmenden Neubemessung der Strafe wurde - gleich dem Erstgericht - als erschwerend die Tatwiederholung bzw. die Begehung der ersten Tat gegenüber zwei Unmündigen gewertet;

hingegen fielen das Alter des Angeklagten (zwar über 18, jedoch) unter 21 Jahren, eine Verstandesschwäche, der bisherige ordentliche Lebenswandel und das Geständnis des Genannten sowie der Umstand, daß die - schon erwähnte -

erste Tat nur bis zum Versuchsstadium gedieh, als mildernd ins Gewicht.

Auf der Basis dieser Strafzumessungsgründe und der allgemeinen, für die Strafbemessung geltenden Normen (§ 32 StGB.) erachtet der Oberste Gerichtshof eine zehnmonatige Freiheitsstrafe für angemessen.

Die Aussprüche über die Vorhaftanrechnung und die Gewährung der bedingten Strafnachsicht wurden als sachlich gerechtfertigt aus dem erstgerichtlichen Urteil übernommen.

Mit ihren gegen das Strafausmaß gerichteten Berufungen waren sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02457

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0120OS00172.79.0124.000

Dokumentnummer

JJT_19800124_OGH0002_0120OS00172_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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