TE OGH 1980/1/29 10Os157/79

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Veröffentlicht am 29.01.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Jänner 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mayerhofer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Friedrich A wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. September 1979, GZ 8 d Vr 1579/79- 23, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Janek und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und gemäß §§ 37, 128 Abs 1 StGB über den Angeklagten eine Geldstrafe in der Höhe von 300 (dreihundert) Tagessätzen zu je 200

(zweihundert) S, für den Fall der Uneinbringlichkeit 150 (hundertfünfzig) Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Friedrich A des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4 StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er am 20. Oktober 1978 in Wien fremde bewegliche Sachen, und zwar neun Pfandscheine im Gesamtwert von etwa 32.000 S, der Hildegard B mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch die Zueignung dieser Scheine unrechtmäßig zu bereichern. Nach den hier relevanten Urteilsfeststellungen fiel B ein Kuvert mit den bezeichneten Urkunden im Schalterraum einer Zweiganstalt des Dorotheums, wo sie andere Pfandscheine umsetzte, unbemerkt aus ihrer Tasche zu Boden; der Angeklagte, der dort Schmuck verpfändete, hob es kurze Zeit später (mit - vorerst globalem - Zueignungs- und Bereicherungsvorsatz) auf, steckte es ein und beschloß nach Besichtigung des Inhalts, die Scheine später einzulösen oder anderweitig zu verwerten; schon beim ersten Einlösungsversuch wurde er aber betreten, weil von der Berechtigten, die den Verlust noch vor dem Verlassen des Raumes bemerkt und gemeldet hatte, inzwischen eine Diebstahlsanzeige erstattet worden war.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen den Schuldspruch kommt keine Berechtigung zu.

Die Einwände des Beschwerdeführers gegen die der angefochtenen Beurteilung der Tat als Diebstahl zugrundeliegende Urteilsannahme, daß er das Kuvert mit den Pfandscheinen durch Gewahrsamsbruch an sich brachte, gehen jedenfalls deswegen fehl, weil er die Tat im (insoweit einem Geschäftslokal gleichzuhaltenden) Schalterraum eines Pfandleihbetriebes verübte. Denn falls tatsächlich Umstände vorgelegen sein sollten, auf Grund deren der Gewahrsam der Hildegard B an den von ihr dorthin mitgebrachten Urkunden schon vor der ersten Tathandlung des Angeklagten erloschen wäre, würde - der in der Rechtsrüge vertretenen Beschwerdeauffassung zuwider - zugleich damit ein Gewahrsamsübergang auf die dort für den Inhaber des Lokals mit der Betreuung der darin befindlichen, nicht in fremdem Gewahrsam stehenden Sachen befaßten Personen stattgefunden haben: die Zuordnung solcher Sachen zum gewahrsamsbegründenden Machtbereich der in einem Geschäftslokal Beschäftigten entspricht den in der Gesellschaft bestehenden allgemeinen Gepflogenheiten (vgl hiezu Rittler II2 S 129, Leukauf-Steininger2 RN 15, 16, 19, 20 zu § 127 StGB, Bertel im Wiener Kommentar, RN 14, 15 zu § 127 StGB, und ÖJZ-LSK 1979/91).

Bereits aus diesem Grund waren die vom Beschwerdeführer vermißten weiteren Konstatierungen, aus denen er ableiten möchte, daß die Pfandscheine zur Tatzeit nicht mehr im Gewahrsam der Berechtigten standen und daß demzufolge sein Verhalten als Vergehen der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 und Abs 3 StGB zu beurteilen sei (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO), entbehrlich und richtet sich die darauf bezogene Mängelrüge nicht gegen Feststellungen über entscheidende Tatsachen (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 128 Abs 1 StGB zu acht Monaten Freiheitsstrafe. Dabei wertete es sein Geständnis und die Sicherstellung der Pfandscheine als mildernd, seine sieben einschlägigen Vorstrafen dagegen als erschwerend.

Der Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Strafherabsetzung anstrebt, kommt Berechtigung zu.

Verfehlt ist zwar die Ansicht des Berufungswerbers, seine einschlägigen Vorstrafen seien bereits in der Rückfallsqualifikation des § 39 StGB berücksichtigt, die zu einer erhöhten Strafdrohung führe; denn § 39 StGB bewirkt keine Veränderung der Strafsätze, sondern stellt eine bloß fakultativ anzuwendende Strafbemessungsvorschrift dar (EvBl 1975/268 = verstärkter Senat), von der das Schöffengericht im vorliegenden Fall keinen Gebrauch machte.

Mit Recht weist aber der Angeklagte darauf hin, daß nicht bloß objektiv durch die Sicherstellung der Pfandscheine kein Schaden eintrat, sondern daß insbesondere er (in acht von neun Fällen) durch seine Angaben zum Zustandebringen dieser Pfandscheine beitrug, von denen vier noch gar nicht gesperrt waren (§ 34 Z 14, 15 StGB). Auch ist es augenscheinlich, daß er die Tat mehr durch eine besonders verlockende Gelegenheit verleitet als mit vorgefaßter Absicht, und zudem unter Umständen beging, die eher die Annahme einer Unbesonnenheit nahelegen (§ 34 Z 7, 9 StGB).

Hält man dazu den für einen Diebstahl (zumal im Rückfall) atypischen Tatverlauf und den Umstand, daß der Angeklagte seit seiner letzten Haftentlassung immerhin vier Jahre und drei Monate lang nicht straffällig wurde, sondern sich (bei einem Monatseinkommen von 10.000 bis 15.000 S durch Gelegenheitsarbeiten als Tapezierer) allmählich sozial zu integrieren schien, dann erweisen sich die - an sich gewiß beachtlichen - spezial- und generalpräventiven Erwägungen des Erstgerichts zur Rückfallskriminalität im vorliegenden Fall nicht als zielführend.

Da die tat- und persönlichkeitsbezogene Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB) bei den gegebenen Strafzumessungsgründen keine Freiheitsstrafe in der Dauer von mehr als sechs Monaten erfordert und auch die übrigen Voraussetzungen des (sohin von Amts wegen anzuwendenden - SSt 46/71

ua) § 37 StGB vorliegen, war statt auf eine Freiheitsstrafe auf eine Geldstrafe zu erkennen.

Die - einer Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe von 150 Tagen entsprechende (§ 19 Abs 3 StGB) - Zahl von 300 Tagessätzen ist schuldangemessen; die Höhe des Tagessatzes von 200 S entspricht bei dem vorerwähnten, durch seine Sorgepflicht für ein Kind belasteten Einkommen den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (§ 19 Abs 2 StGB). Sohin war in Stattgebung der Berufung wie im Spruch zu erkennen.

Anmerkung

E02454

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0100OS00157.79.0129.000

Dokumentnummer

JJT_19800129_OGH0002_0100OS00157_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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