TE OGH 1980/3/27 13Os186/79

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Veröffentlicht am 27.03.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.März 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Vichytil als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ulrich A und Wolfgang B wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1

und 4 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die von den Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengerichts vom 19.Oktober 1979, GZ. 3 Vr 258/79-52, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Göbel und Dr. Gass und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO. wird aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerden das Ersturteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die rechtliche Beurteilung des dem Angeklagten Ulrich A angelasteten Verhaltens (auch) als Vergehen nach dem § 88 Abs. 1 und 3 (§ 81 Z. 1) StGB.

und demgemäß auch in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Der Ausspruch und die Vollstreckung einer Strafe für die dem Angeklagten Ulrich A nach dem unberührt bleibenden Teil des Ersturteils angelasteten Straftaten, nämlich die in Tateinheit verwirklichten Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 und Abs. 4

(§ 81 Z. 1) StGB. und der fahrlässigen Gefährdung durch Sprengmittel nach dem § 174 Abs. 1 StGB., wird gemäß § 13 Abs. 1 JGG. für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig aufgeschoben.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Ulrich A auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Berufung des Angeklagten Wolfgang B wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 22.Jänner 1962 geborene Ulrich A und der am 9.Juli 1962

geborene Wolfgang B, beide Schüler, des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1

und Abs. 4 (§ 81 Z. 1) StGB., und des Vergehens der fahrlässigen Gefährdung durch Sprengmittel nach dem § 174 Abs. 1 (§ 173 Abs. 1) StGB., Ulrich A überdies des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 und Abs. 3 (§ 81 Abs. 1) StGB. und Wolfgang B überdies des Vergehens nach dem § 36 Abs. 1 lit. a WaffenG. schuldig erkannt.

Ihnen lag zur Last, am 20.Jänner 1979 in Graz unter besonders gefährlichen Verhältnissen fahrlässig schwere Verletzungen des Günter C (nämlich Verbrennungen ersten und zweiten Grades im Bereich des Ober- und Unterlids mit Erosion beider Hornhäute, Verbrennungen am rechten Arm und Ohr und eine traumatische beidseitige Trommelfellverletzung bei massiver Perforation des linken Trommelfells), Ulrich A überdies leichte Verletzungen des Wolfgang B (nämlich Verbrennungen ersten Grades am rechten Handrücken, Hautabschürfungen am linken Ellbogengelenk und eine traumatische Perforation des linken Trommelfells), Wolfgang B überdies schwere Verletzungen des Ulrich A (nämlich Verbrennungen und Pulvereinsprengungen sowie Hautabschürfungen im Bereich der linken Hand und beider Unterschenkel sowie eine perforierende Verletzung am linken Augapfel mit traumatischer Linsentrübung) dadurch herbeigeführt zu haben, daß Wolfgang B den Ulrich A aufforderte, Chemikalien, nämlich jeweils 10 Dekagramm roten Phosphor, Magnesium und Kaliumsalpeter mit 20 Dekagramm Unkrautsalz und Staubzucker gleichschwer zu vermengen, das Gemisch in ein Glasgefäß abzufüllen und zum vereinbarten Treffpunkt (zu transportieren und) mitzubringen, daß Ulrich A dieser Aufforderung auch nachkam und daß beide Angeklagten hierauf gemeinsam das Taxifahrzeug der Allgemeinen Leasing-Zentrale Ges.m.b.H.

bestiegen, in welchem es sodann zur Explosion des Chemikaliengemisches kam; weiters wurde Ulrich A und Wolfgang B auch vorgeworfen, durch ihr Verhalten Sprengstoff als Sprengmittel zur Explosion gebracht und dadurch fahrlässig eine Gefahr für Leib oder Leben eines anderen und für fremdes Eigentum in großem Ausmaß herbeigeführt zu haben; schließlich wurde dem Wolfgang B auch noch angelastet, vom 9. bis 12.November 1978 in Graz und Wien, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine Pistole der Marke Walther PPK Kal. 22, sohin eine Faustfeuerwaffe, besessen und geführt zu haben. Beide Angeklagten bekämpfen den gegen sie ergangenen Schuldspruch mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Ulrich A:

Rechtliche Beurteilung

Soweit der Beschwerdeführer vorerst, gestützt auf § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO., ausführt, die Feststellung des Schöffengerichts, es sei Burschen im Alter der beiden Angeklagten allgemein bekannt, daß ein Gemenge von Unkrautsalz und Staubzucker zu verheerenden Explosionen führen könne (I. Bd. S. 468, 469, ähnlich S. 504, 510), sei nur scheinbar begründet, ist ihm zu erwidern: Diese Feststellung konnte das Gericht in freier Würdigung (§ 258 Abs. 2 StPO.) der Ergebnisse eines äußerst weitwendigen Beweisverfahrens (einschließlich der zeugenschaftlichen Vernehmung zahlreicher Lehrer) treffen, ohne an irgendeine Auffassung des Gerichtshofs zweiter Instanz, der über den Einspruch gegen die Anklageschrift entschieden hat, gebunden zu sein. Der Jugendschöffensenat hat aber dem Beschwerdeführer primär vorgeworfen, daß er es im Fall der Unkenntnis der außerordentlichen Gefährlichkeit des von ihm hergestellten Gemischs unterlassen hat, 'bei verschiedenen Fachleuten, wie Chemieprofessoren in der Schule, die diesbezüglichen Auskünfte und Erkundigungen einzuholen' (I. Bd. S. 504). An diesem Vorwurf unbewußter Fahrlässigkeit geht die Rüge vorbei. Der angerufene Nichtigkeitsgrund haftet dem Urteil daher nicht an.

Mit der im Rahmen der Mängelrüge des weiteren aufgestellten Behauptung, die Gefährlichkeit einer derartigen Chemikalienmischung sei nicht vorhersehbar, wird kein Begründungsmangel, sondern eine unrichtige Lösung der Rechtsfrage geltend gemacht, ob bei Herbeiführung des Sprengstoffunfalls Fahrlässigkeit anzulasten sei. Dieser auch auf § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. gestützten Rechtsrüge kommt jedoch Berechtigung nicht zu.

Beiden Angeklagten wurde als Fahrlässigkeit vorgeworfen, daß sie sich anläßlich der Zubereitung des Gemischs, das sie ja nach ihrem Plan bei einem Feuerwerk abbrennen wollten, nicht ausreichend über die mit der Herstellung und Verwendung eines solchens Stoffs verbundenen Gefahren informiert haben (siehe oben und I. Bd. S. 506, 508, 511, 512).

Die Herstellung eines derart brisanten Gemischs, das nach den Urteilsfeststellungen nicht unbeträchtliche Mengen von rotem Phosphor, Magnesium und Kalisalpeter enthielt, dessen ungesicherter Transport und die beabsichtigte Art seiner Verwendung ohne vorausgehende Information über die mit dieser Tätigkeit verbundenen Gefahren, sind zutreffend insgesamt als (Einleitungs-) Fahrlässigkeit beurteilt worden; sie erfüllt im Hinblick auf die durch die Explosion in seinem Fahrzeug verursachte schwere Verletzung des Taxilenkers Günter C die objektive und subjektive Tatseite der dem Angeklagten angelasteten Vergehen (im objektiven Tatbestand des § 174 Abs. 1 StGB. auch vermöge des hohen Schadens - siehe § 173 Abs. 1 StGB.). Die im Hinblick auf die leichte Verletzung des Mitangeklagten Wolfgang B vorgenommene Unterstellung der Tat auch unter den § 88 Abs. 1 und 3 StGB. war allerdings - wie noch zu zeigen sein wird - rechtlich verfehlt.

Unberechtigt ist der vom Beschwerdeführer sinngemäß erhobene Vorwurf, das Gericht habe es, in einem Rechtsirrtum befangen, unterlassen, nach den Verfahrensergebnissen indizierte Feststellungen zu treffen, die zur Verneinung eines strafbaren Tatbestands geführt hätten. Wenn der Beschwerdeführer sohin die Feststellung vermißt, daß er keine Rechtsvorschrift oder Verkehrsnorm verletzt und das notwendige und zumutbare Maß an Sorgfalt angewendet habe, sei ihm erwidert, daß schon die Herstellung des verfahrensgegenständlichen Sprengstoffs ohne Erzeugungsbefugnis in einer überdies hiefür nicht genehmigten Erzeugungsanlage ebenso gegen die Bestimmungen des Schieß- und Sprengmittelgesetzes (vom 1.Juni 1935, BGBl. Nr. 196, in der geltenden Fassung), insbesondere gegen dessen §§ 6 und 39, Abs. 2, verstieß, wie auch die weitere Behandlung dieses Sprengstoffs, insbesonders der ohne jede Sicherheitsmaßnahme unternommene Transport mit vorübergehender Verwahrung in einer öffentlichen Garderobe und die zur Explosion führende Einbringung zur Weiterbeförderung in ein Mietauto.

Eine Urteilskonstatierung, daß die Angeklagten über die besondere Gefährlichkeit des von ihnen hergestellten Sprengstoffs nicht belehrt wurden und daß ihnen dessen Bezeichnung als Armstrong' sche Mischung nicht bekannt war, war, entgegen der Meinung des Beschwerdeführers, entbehrlich. Entscheidend ist vielmehr, daß die Angeklagten nicht nur ohne die erforderliche Genehmigung, sondern vor allem ohne ausreichende Sachkenntnis mit zur Sprengstofferzeugung geeigneten Zutaten einen Sprengstoff herstellten und es dann unternahmen, ihn ohne jede Sicherheitsmaßnahme an den beabsichtigten Verwendungsort zu transportieren, ohne sich über den voraussehbaren Grad der Gefährlichkeit des von ihnen beabsichtigten und dann tatsächlich hergestellten Erzeugnisses irgendwelche Kenntnisse verschafft zu haben, was ihnen zutreffend als Sorgfaltsverletzung zugerechnet wurde.

Daß die Angeklagten zu Überlegungen betreffend die Gefährlichkeit eines derartigen Vorgehens und die möglichen Folgen eines dadurch herbeigeführten Sprengstoffunfalls auf Grund ihres Alters, ihrer Schulbildung und ihres Intelligenzgrads fähig und daß ihnen diese Erwägungen zumutbar sind, hat das Jugendschöffengericht mängelund irrtumsfrei bejaht.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Wolfgang B:

Dieser Angeklagte wendet sich gegen den Schuldspruch, mit dem ihm auch die bei dem Sprengstoffunfall entstandene schwere Verletzung des Erstangeklagten neben derjenigen des Fahrzeuglenkers angelastet wurde, und gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens nach dem § 174 Abs. 1 StGB. Vor allem auf den § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. gestützt bringt er vor, daß das Alleinverschulden den Mitangeklagten Ulrich A treffe, weil er selbst an der Herstellung und dem Transport des Sprengstoffs nicht mitgewirkt und dessen Verwendung nicht beabsichtigt habe.

Damit zeigt er aber, obgleich eine Undeutlichkeit, Unvollständigkeit und innere Widersprüche des Urteils sowie dessen offenbar unzureichende Begründung behauptend, keinen Begründungsmangel in der Bedeutung der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. auf; der Beschwerdeführer, der im Zuge des Vorverfahrens das Tatsächliche des ihm angelasteten Verhaltens weitgehend ebenso zugegeben hatte (I. Bd. S. 95 f.), wie auch seinen im Spital zweimal unternommenen Versuch, den Mitangeklagten zu falschen Angaben zu verleiten (I. Bd. S. 99), versucht vielmehr bloß, diese durch Verlesung in der Hauptverhandlung gemäß dem § 258 Abs. 1 StPO. zur Entscheidungsgrundlage gewordenen Angaben im Wege einer Bekämpfung der freien richterlichen Beweiswürdigung des Schöffensenats in unzulässiger Weise anzufechten und seine leugnende Verantwortung in der Hauptverhandlung als richtig hinzustellen.

Weder eine Unvollständigkeit noch einen anderen Begründungsmangel stellt es dar, daß die anfängliche Weigerung des Angeklagten Ulrich A, Angaben zur Sache zu machen, im Urteil unerörtert blieb, weil er damals ausdrücklich auf seine Vernehmungsunfähigkeit und schlechte körperliche Verfassung sowie auf die Möglichkeit einer Befragung des Zweitangeklagten hingewiesen, überdies seine Bereitschaft zur Einvernahme für den nächsten Tag erklärt (I. Bd. S. 15 und 57) und sodann auch eingehende Angaben gemacht hat (I. Bd. S. 67 f.). Es steht auch die Annahme einer Vereinbarung der beiden Angeklagten, das Gemisch für eine beabsichtigte Verwendung bei einem Feuerwerk herzustellen, nicht in einem erörterungsbedürftigen Widerspruch zu der weiteren Annahme, daß einer von ihnen, nämlich der Beschwerdeführer, die Initiative zu diesem Vorgehen ergriffen und die Anweisungen zu Materialbeschaffung und Herstellung des Sprengstoffs erteilt hat. In gleicher Weise entspricht den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung, daß eine an sich aktivere Person, wie vorliegend vom Angeklagten Ulrich A angenommen, aus Dankbarkeit für die Begleichung von Zechschulden sich dem ansonsten weniger initiativen Partner bei einem bestimmten Vorhaben unterordnet. Ebensowenig ist es denkwidrig, die Darstellung des Angeklagten Ulrich A über seine Wahrnehmungen und das Hantieren mit der Pistole, die der Beschwerdeführer seinem Vater weggenommen hatte, auf einer Parkbank vor dem Wiener Südbahnhof für wahr zu halten und der ihr widersprechenden, erstmals in einer vertagten Hauptverhandlung aufgestellten Behauptung des Vaters des Beschwerdeführers, wesentliche Waffenteile seien von seinem Sohn nicht mitgenommen worden und die Waffe sei daher gebrauchsunfähig gewesen, den Glauben zu versagen. Hat doch der Beschwerdeführer selbst im Vorverfahren niemals gesagt, daß die Pistole unvollständig und daher nicht gebrauchsfähig gewesen wäre und gleichfalls erst in der vertagten Hauptverhandlung am 19.Oktober 1979

behauptet, die Pistolentasche gar nicht geöffnet zu haben und daher nicht zu wissen, ob die Waffe vollständig gewesen sei. Überdies hat auch der Vater des Beschwerdeführers vor der Sicherheitsbehörde lediglich angegeben, daß die Teile der zerlegten Waffe getrennt verwahrt gewesen seien, nicht aber, daß sein Sohn nur einen Teil der Waffe mitgenommen habe. Nach seiner damaligen Darstellung waren der Schlitten und die Rückholfeder der Pistole mit der Munition gemeinsam in einer Stahlkassette versperrt aufbewahrt gewesen, deren Schlüssel sein Sohn gefunden haben müsse (I. Bd. S. 105), während er in der Hauptverhandlung abweichend davon behauptete, diese Waffenteile seien hinter Büchern im Bücherschrank versteckt gewesen. Daß das Erstgericht diese die Glaubwürdigkeit des genannten Zeugen beeinträchtigenden Widersprüche im Urteil unerwähnt gelassen und nur ganz allgemein auf ein offensichtliches Bestreben, seinem Sohn zu helfen, hingewiesen hat, kann nicht als ein Begründungsmangel angesehen werden.

Diese in der Mängelrüge erhobenen Vorwürfe, die weitgehend überhaupt nur in unzulässiger und damit unbeachtlicher Weise auf eine Bekämpfung der Beweiswürdigung des Jugendschöffensenats hinauslaufen, erweisen sich damit zur Gänze als unberechtigt. In seiner auf den § 281 Abs. 1 Z. 10 - gemeint wohl Z. 9 lit. a - StPO. gestützten Rechtsrüge geht der Beschwerdeführer von der Annahme aus, das verfahrensgegenständliche Gemisch sei kein Sprengstoff gewesen, wobei er sich zu Unrecht auf die Ausführungen des vom Gericht beigezogenen Sachverständigen Univ.Doz. Dr. Oskar E beruft, der dessen Sprengwirkung ausdrücklich bestätigt und das fachmännisch als Armstrong' sche Mischung bezeichnete Gemenge sogar als einen der brisantesten Sprengstoffe bezeichnet hatte (I. Bd. S. 414 f.). Der Zweitangeklagte bringt daher weder den angerufenen noch einen anderen Nichtigkeitsgrund zur gesetzmäßigen Darstellung. Ebenso unberechtigt ist sein Einwand, zur Unterstellung seines Verhaltens unter den § 174 StGB. mangle es an einer Tatsachenfeststellung, die ihm die Auslösung der Explosion eines Sprengstoffs als Sprengmittel zurechnen ließe, weil er die gegenständlichen Chemikalien weder zusammengemischt noch transportiert noch irgendwie zur Explosion gebracht habe. Auch hier übergeht der Beschwerdeführer die weitere Urteilsannahme, daß der Erstangeklagte Ulrich A den Sprengstoff nicht nur mit Wissen, sondern sogar im Auftrag des Beschwerdeführers hergestellt und transportiert hat und daß dem letzteren eben diese Auftragserteilung, zum Teil auch die Materialbeschaffung, als fahrlässiges Herbeiführen des Sprengstoffunglücks angelastet wurde. Ebensowenig stichhältig ist die Einrede des Zweitangeklagten, der Schuldspruch wegen des in Tateinheit mit dem Vergehen der fahrlässigen Gefährdung durch Sprengmittel nach dem § 174 Abs. 1 StGB. verwirklichten Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach dem § 88 Abs. 1 und 4 (§ 81 Z. 1) StGB.

sei deshalb verfehlt, weil er die Tatumstände, die eine Beurteilung seines Verhaltens als unter den im § 81 Z. 1

StGB. gemeinten Verhältnissen begangen, gestatten konnten, nicht habe vorhersehen können. Auch diesbezüglich hat das Erstgericht nämlich durchaus zutreffend ausgeführt, daß der Angeklagte, wie alle anderen Personen seines Lebensund Bildungskreises, die Möglichkeit des Eintritts schwerwiegender Unfallsfolgen bei Herstellung und Transport relativ großer Sprengstoffmengen und damit auch die Gefahr eines zunächst gar nicht übersehbaren Schadens an Leib und Leben habe vorhersehen können, der die rechtliche Wertung der Begehung dieser Tat als unter besonders gefährlichen Verhältnissen im Sinne der letztangeführten Gesetzesstelle rechtfertigt.

Ins Leere gehen die die Bestimmungen der §§ 12 und 13 StGB. betreffenden Ausführungen des Beschwerdeführers, weil ihm ja nicht eine Beteiligung an der Straftat des Erstangeklagten zur Last gelegt wurde, sondern weil ihm vorgeworfen wird, durch sein Verhalten, nämlich durch seine Anweisungen zu Herstellung und Transport des Sprengstoffs zum Zwecke der beabsichtigten Verwendung bei einem Feuerwerk, für den Unfall und dessen Folgen eigenständig ursächlich geworden zu sein und sich damit als Nebentäter neben dem Erstangeklagten als anderem Nebentäter strafrechtlich selbständig verantwortlich gemacht zu haben.

Ebenfalls nicht gesetzmäßig ausgeführt und daher nicht weiter zu beachten ist der gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens nach dem § 36 Abs. 1 lit. a WaffenG.

gerichtete Teil der Rechtsrüge, weil er von der urteilsfremden Annahme ausgeht, die Pistole sei nicht verwendbar gewesen. Auch der im Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof vorgebrachte Einwand, die Waffe sei nicht geführt worden, weil die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 lit. a WaffG.

gegeben seien, geht fehl, weil der Angeklagte B die Pistole ihrer Waffeneigenschaft wegen, nicht aber lediglich zu dem Zweck, um sie von einem Ort zum anderen zu bringen, an sich nahm. Unter dem Gesichtspunkt der Berufung macht Wolfgang B geltend, es läge bei ihm eine verzögerte Reife (§ 10 JGG.) vor. Er releviert damit sachlich einen Schuldausschließungsgrund und folglich eine Nichtigkeit gemäß § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO. Indes fehlt auch diesem materiellrechtlichen Vorbringen die Grundlage im Urteilssachverhalt, weil Konstatierungen der im § 10 JGG. erforderten Art dort nicht enthalten sind, vielmehr die Diskretionsfähigkeit und die Dispositionsfähigkeit beider Angeklagten im Zusammenhang außer Frage gestellt erscheint. Die vom Beschwerdeführer vermißte Beweisaufnahme in der Richtung der verzögerten Reife zu beantragen, wäre seine Sache gewesen; ein unterbliebener Antrag kann in der Rechtsmittelschrift nicht suppliert werden.

Zur Maßnahme nach dem § 290 Abs. 1 StPO.:

Der Oberste Gerichtshof vermochte sich anläßlich dieser Nichtigkeitsbeschwerden davon zu überzeugen, daß dem Gericht zum Nachteil des Erstangeklagten ein den Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. verwirklichender Subsumtionsirrtum unterlaufen ist, weshalb gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO. so vorzugehen war, als wäre der in Frage kommende Nichtigkeitsgrund geltend gemacht worden. Dem Angeklagten Ulrich A wurde nämlich auch die bei dem Explosionsunfall entstandene leichte Verletzung des Zweitangeklagten Wolfgang B als Vergehen nach dem § 88 Abs. 1 und 3 (§ 81 Z. 1) StGB. zur Last gelegt;

dies allerdings zu Unrecht, weil das im Falle der Begehung unter besonders gefährlichen Umständen nach dem § 88 Abs. 3 StGB. mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedrohte Vergehen der (leichten) fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 StGB. mit dem spezielleren Vergehen der fahrlässigen Gefährdung durch Sprengmittel nach dem § 174 Abs. 1 StGB. im Hinblick auf das beiderseits geschützte Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit (siehe die Verweisung des § 174 Abs. 2 StGB. auf § 170 Abs. 2 StGB.) nicht eintätig zusammentreffen kann. Anders bei einem Zusammentreffen von § 174 Abs. 1 StGB. und § 88 Abs. 1 und 4

(§ 81 Z. 1) StGB., wo im Hinblick auf die strengere Strafdrohung des § 88 Abs. 4 (2. Fall) StGB. das Verhältnis der Spezialität einer echten Idealkonkurrenz weicht (LSK. 1979/23; a.M. anscheinend Leukauf-Steininger, RN. 9 Ende bei § 170 StGB., RN. 10 bei § 174 StGB. und RN. 7 bei § 177 StGB.; gleichfalls a.M. Kienapfel in ÖJZ. 1977 S. 657 f. zur analogen Konkurrenzfrage bei § 177 Abs. 2 StGB.). Daher ist wohl die Tat des Erstangeklagten Ulrich A im Hinblick auf die schwere Verletzung des Günter C rechtsrichtig der - die Strafverhängung nach dem Abs. 4, zweiter Fall, des § 88 StGB. unter Anwendung des § 28 StGB. nach sich ziehenden - Bestimmung des § 88 Abs. 1 und 4 (§ 81 Abs. 1) StGB. unterstellt, durch die im Hinblick auf die leichte Verletzung des Wolfgang B vorgenommene Subsumtion auch unter den § 88 Abs. 1 und 3 (§ 81 Z. 1) StGB. jedoch der bezeichnete Nichtigkeitsgrund verwirklicht worden. Die bei dem Unfall entstandene leichte Verletzung des Zweitangeklagten ist lediglich als Erschwerungsumstand zu berücksichtigen.

Zur Entscheidung über die Unrechtsfolgen:

Bei der abermaligen Gewährung der Rechtswohltat der echten bedingten Verurteilung an den Angeklagten A ließ sich der Oberste Gerichtshof von dessen Beitrag zur Wahrheitsfindung und von der Tatsache leiten, daß er durch sein strafbares Verhalten an seinem eigenen Körper schwer gelitten hat, was gewiß mehr als jedes Strafübel geeignet ist, ihn vor einer neuerlichen Straffälligkeit zu bewahren. Unter diesen Gesichtspunkten wurde die Probezeit nur mit zwei Jahren festgesetzt.

Die Berufung des Angeklagten B, mit welcher er eine bedingte

Verurteilung in Anwendung des § 13 Abs. 1 StGB. anstrebt, ist nicht berechtigt.

Das Jugendschöffengericht verhängte nach dem zweiten Strafsatz des § 88 Abs. 4 StGB. unter Anwendung des § 28

StGB. und Bedachtnahme auf § 11 JGG. eine Freiheitsstrafe von vier Monaten über ihn, die es gemäß § 43 Abs. 1 StGB.

unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend das Zusammentreffen dreier Vergehen, den hohen Schaden, die schwere Verletzung zweier Personen und die führende Beteiligung als Urheber an der Tat; als mildernd hingegen sah es die Unbescholtenheit dieses Angeklagten, seine eigene leichte Verletzung und das Mitverschulden des Erstangeklagten an.

Auf den Einwand mangelnder Reife wurde bereits in Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde eingegangen und seine fehlende Berechtigung dargetan. Das übrige Beschwerdevorbringen beschränkt sich auf die Behauptung, daß im Falle einer Mitverurteilung des Zweitangeklagten nach § 12 StGB. zufolge hinreichender Milderungsgründe § 13 JGG. anzuwenden gewesen wäre, zumal B das Chemikaliengemisch weder hergestellt, noch transportiert, noch zur Explosion gebracht habe. Auf den Fall der Anwendung des § 12 StGB. braucht als urteilsfremde Hypothese nicht eingegangen zu werden.

Das für die Strafbemessung grundlegende Ausmaß der Schuld (§ 32 Abs. 1 StGB.) kann bei der den Angeklagten zur Last liegenden Fahrlässigkeitstat aber nicht von der physischen Nähe des Täters zum Tatmittel und einer unmittelbaren Einwirkung auf dieses abhängen, sondern differenziert sich, wie das Jugendschöffengericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, vor allem nach der Schwere des subjektiven Vorwurfs, der dem Täter nach seiner Person und den konkreten Umständen gemacht werden kann; ein solcher Vorwurf kann gerade dann, wenn die Tat vorwiegend in einer intellektuellen Einwirkung auf einen weiteren Nebentäter besteht, in der Relation schwerer wiegen als jener, der den anderen Nebentäter trifft. Die Distanzierung des Zweitangeklagten vom Tatgeschehen, die zwangsläufig dem Erstangeklagten die Alleinschuld aufbürdet, ist neben den anderen vom Schöffengericht relevierten Umständen Grund genug zu der vorgenommenen Differenzierung in der Behandlung der beiden Angeklagten, die auch der Oberste Gerichtshof im Ausmaß für richtig hält.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02550

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0130OS00186.79.0327.000

Dokumentnummer

JJT_19800327_OGH0002_0130OS00186_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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