TE OGH 1980/5/20 9Os44/80

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Veröffentlicht am 20.05.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Mai 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schubert als Schriftführerin in der Strafsache gegen Walter A und andere wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB. über die vom Angeklagten Friedrich B gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. Jänner 1980, GZ. 3 b Vr 1385/79-27, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Lehner und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten Friedrich B auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 25. April 1927 geborene Rentner Walter A und der am 10. September 1928 geborene Kaufmann Friedrich B des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB. schuldig erkannt, weil sie am 2. Jänner 1979 in Wien in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB.) fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S übersteigenden Wert, nämlich eine Aktentasche mit einem Taschenrechner im Wert von ca. 300 S, einem Notizblock und einem Inhaberscheck über 15.000 S, dem Rainer C mit dem Vorsatz weggenommen haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Während das Urteil in Ansehung des Angeklagten Walter A in Rechtskraft erwachsen ist, bekämpft der Angeklagte Friedrich B den Schuldspruch mit einer auf die Z. 5 und 9 (lit. a), der Sache nach auch Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO.

gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

In Ausführung des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes wirft die Beschwerde dem Ersturteil eine undeutliche, unvollständige, widersprüchliche und offenbar unzureichende Begründung des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen vor.

Rechtliche Beurteilung

Die behaupteten Begründungsmängel liegen indessen nicht vor. Das Vorbringen in der Mängelrüge stellt sich vielmehr im wesentlichen nur als eine im Nichtigkeitsverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässige und damit unbeachtliche Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung dar.

Vor allem verkennt der Beschwerdeführer - der selbst einräumt, daß die Entscheidungsgründe in gedrängter Darstellung abzufassen sind (§ 270 Abs. 1 Z. 5 StPO.) - das Wesen des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO., wenn er offensichtlich schon darin einen Begründungsmangel im Sinne der angeführten Gesetzesstelle erblickt, daß im Urteil nicht der vollständige Inhalt sämtlicher Aussagen sowie sämtliche Verfahrensergebnisse schlechthin erörtert und darauf untersucht werden, wie weit die einzelnen Angaben oder sonstigen Beweisergebnisse für oder gegen diese Darstellung sprechen, und daß das Gericht sich bei der Würdigung von Aussagen oder sonstigen Beweisergebnissen nicht von vornherein mit allen vom Beschwerdeführer nachträglich ins Treffen geführten Gesichtspunkten befaßt hat.

Zudem übersieht der Beschwerdeführer, daß nach dem Gesetz (§ 258 Abs. 2 StPO.) die Beweismittel in Ansehung ihrer Glaubwürdigkeit und Beweiskraft nicht nur einzeln, sondern auch in ihrem inneren Zusammenhang sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen sind, und daß über die Frage, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist, das Gericht letztlich nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden hat. Unzureichend begründet ist eine Feststellung nur dann, wenn aus den vom Erstgericht ermittelten Prämissen die von ihm gezogene Schlußfolgerung entweder nach den Denkgesetzen überhaupt nicht abgeleitet werden konnte oder doch so weit hergeholt erscheint, daß das Urteil sohin mit logischen Mängeln behaftet ist, oder wenn es an entsprechenden Prämissen überhaupt fehlt. Daß aus den betreffenden Verfahrensergebnissen allenfalls auch andere als die vom erkennenden Gericht abgeleiteten, insbesondere für den Angeklagten günstigere Schlußfolgerungen möglich gewesen wären und das Gericht sich dennoch für die dem Angeklagten ungünstigeren entschieden hat, ist, sofern die Annahme des Gerichtes auf denkrichtigen und den Lebenserfahrungen nicht widersprechenden Überlegungen beruht, als Akt freier Beweiswürdigung einer Anfechtung mittels Nichtigkeitsbeschwerde - zumindest unter dem Gesichtspunkt unzureichender Begründung - entzogen (SSt. 19/94, RZ. 1969, 68). Auf Grund denkrichtiger Schlußfolgerungen aus erwiesenen Tatsachen kann das Gericht auch zur Überzeugung von der Richtigkeit weiterer Tatsachen kommen und diese somit gleichfalls als erwiesen ansehen (EvBl. 1942/238, 1972/17).

Was nun die vom Beschwerdeführer im einzelnen als mangelhaft begründet bekämpften Urteilsannahmen betrifft, so findet die Feststellung, der Angeklagte A habe die Aktentasche über Aufforderung des Angeklagten B ergriffen (S. 142 d.A.), in den bezüglichen Angaben des Angeklagten A vor der Polizei (S. 37 d.A.) Deckung. Wenn das Gericht der Sachverhaltsfeststellung diese den Beschwerdeführer belastenden Angaben zugrundegelegt und der davon abweichenden Darstellung des Angeklagten A in der Hauptverhandlung den Glauben versagt hat (S. 143 d. A.), so stellt dies einen - vom erkennenden Schöffensenat letztlich auch auf Grund des in der Hauptverhandlung von den Beteiligten gewonnenen persönlichen Eindrucks vorgenommenen - Akt freier richterlicher Beweiswürdigung dar, der einer Bekämpfung im schöffengerichtlichen Verfahren entzogen ist.

Der ihm in diesem Zusammenhang obliegenden Begründungspflicht ist das Erstgericht mängelfrei nachgekommen, wobei es die Annahme der Tatbeteiligung des Beschwerdeführers denkrichtig damit begründet hat, daß nach Wegnahme der Tasche, die in einem Augenblick erfolgte, als der Pächter Rainer C nicht in den Gastraum blickte und der Kellner sich in einem anderen Raum aufhielt, beide Angeklagten sich aus dem Lokal entfernten, ohne die bestellten (und von den Angeklagten konsumierten) Getränke bezahlt zu haben, und daß der Beschwerdeführer sogar noch bei der Betretung durch den Bestohlenen behauptete, die Tasche sei s e i n Eigentum, und sie nicht freigeben wollte.

Daß es sich bei der Verantwortung des Angeklagten A, zuerst gemeint zu haben, die Tasche gehöre B, um eine Schutzbehauptung gehandelt hat, wurde vom Erstgericht ohnehin erkannt und einleuchtend damit begründet, daß es während des vorangegangenen stundenlangen gemeinsamen Herumziehens jedem der Angeklagten hätte auffallen müssen, wenn der andere eine solche Tasche bei sich gehabt hätte (S. 143 d.A.).

Wann und von wem die Tasche durchsucht wurde, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls hatte der Angeklagte A, bevor Rainer C im 'Mondscheinstüberl' erschien, den Scheck bereits aus der Tasche herausgenommen und auf dem WC versteckt. Nicht entscheidungswesentlich ist auch, welcher der beiden Angeklagten die Tasche jeweils bei sich gehabt und sie schließlich der Gattin des Beschwerdeführers übergeben hat.

Daß nicht der Beschwerdeführer selbst, sondern die Wirtin seine Gattin angerufen hat, wurde von der Zeugin Margarethe B bestätigt (S. 120 d.A.). Davon abgesehen kommt dem Umtand, ob der Angeklagte B beim Durchsuchen der Tasche zugegen gewesen ist und deren Inhalt gesehen hat, entscheidungswesentliche Bedeutung nicht zu, weil für die strafrechtliche Beurteilung nur die Wertvorstellung des Täters im Zeitpunkt der Wegnahme der Sache maßgebend ist. In diesem Zusammenhang steht aber die Annahme, daß auch der Beschwerdeführer mit einer möglichst hohen und allenfalls 5.000 S übersteigenden Beute gerechnet hat, mit der forensischen Erfahrung durchaus in Einklang, wobei das Erstgericht zutreffend darlegt, es sei für beide Angeklagten unter den gegebenen Umständen naheliegend gewesen, daß die Tasche dem Lokalinhaber gehört (S. 143-144 d.A.). Was schließlich das Verhalten des Beschwerdeführers anläßlich der Betretung durch den Bestohlenen anlangt, wird die Feststellung, daß er die Tasche als s e i n Eigentum bezeichnete, vom Erstgericht mit dem Hinweis, der Zeuge C habe diese Worte ebenso wie die von B geäußerten Drohungen deutlich vernommen und der Beschwerdeführer habe die Tasche nach den Bekundungen dieses Zeugen erst nach längerem Festhalten freigegeben (S. 145 d.A.), mängelfrei begründet. In seiner auf '§ 281 Z. 9 StPO.' gestützten Rechtsrüge macht der Beschwerdeführer Feststellungsmängel (im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO.) betreffend sein Einverständnis über den Diebstahl und die Art seiner Mitwirkung an der Tat geltend. Entgegen diesem Vorbringen hat aber das Erstgericht ohnedies festgestellt, daß die Wegnahme der Tasche durch den Angeklagten A über Aufforderung des Angeklagten B erfolgte (S. 142 d.A.), wobei es diese Mitwirkung des Beschwerdeführers (als Bestimmender im Sinne des § 12 zweiter Fall StGB.) angesichts seiner Anwesenheit am Tatort und des räumlichen Naheverhältnisses zwischen ihm und dem unmittelbaren Täter rechtsrichtig als Gesellschaftsdiebstahl nach § 127 Abs. 2 Z. 1 StGB. beurteilt hat.

Soweit der Beschwerdeführer jedoch behauptet, die Tasche für Eigentum seines Begleiters Walter A gehalten zu haben, führt er die Rechtsrüge - mit welcher er einen vorsatzausschließenden Tatirrtum geltend macht - nicht dem Gesetz gemäß aus, weil er insoweit von einer urteilsfremden Annahme ausgeht, hat doch das Erstgericht festgestellt, es sei beiden Angeklagten, somit auch dem Beschwerdeführer, klar gewesen, daß die Tasche nicht dem jeweiligen Begleiter gehört, sondern Fremdeigentum darstellt (S. 143 d.A.). Was aber die Einwände gegen die Zurechnung eines 5.000 S übersteigenden Werts der Diebsbeute und damit gegen die Qaulifikation der Tat nach § 128 Abs. 1 Z. 4 StGB. betrifft, mit welchen die Beschwerde der Sache nach eine Urteilsnichtigkeit im Sinne der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO. releviert, so übersieht der Beschwerdeführer, daß es insoweit genügt, wenn der Täter die Überschreitung der Wertgrenze zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat, ohne daß er den genauen Wert der Beute kennen mußte (vgl. ÖJZ-LSK. 1979/376, 377). Eben das hat aber das Erstgericht festgestellt, indem es ausführte, daß auch der Beschwerdeführer in der Hoffnung auf möglichst große Beute gehandelt und damit gerechnet hat, daß sich in der offensichtlich dem Inhaber des Kaffeehauses gehörenden Tasche Sachen in einem 5.000 S übersteigenden Wert befinden, womit er sich abgefunden hat (S. 144 d.A.).

Schließlich ist den Urteilsgründen - entgegen dem Beschwerdevorbringen - auch zu entnehmen, daß der gestohlene Überbringerscheck ordnungsgemäß ausgefüllt war (S. 141 d.A.), wobei das Erstgericht im übrigen in tatsachenmäßiger Beziehung ersichtlich davon ausgegangen ist, daß dieser Scheck - der dem Zeugen C kurz vor der Tat übergeben worden war, wobei er mit 3. Jänner 1979 datiert war und an diesem Tag hätte eingelöst werden sollen (S. 29 d.A.) - gedeckt, sohin ein taugliches Diebstahlsobjekt (vgl. S. 146 d.A.) gewesen ist, zumal das Verfahren nichts Gegenteiliges ergeben hat, weshalb auch in dieser Beziehung Feststellungsmängel nicht ersichtlich sind. Hätte der Beschwerdeführer in der aufgezeigten Richtung Bedenken gehabt, dann wäre es seine Sache gewesen, in der Hauptverhandlung anläßlich der Erörterung der Beschaffenheit des Schecks (vgl. S. 130 d.A.) entsprechende Anträge zu stellen, was er jedoch nicht getan hat.

Mithin versagt auch die Rechtsrüge, sodaß die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten Friedrich B nach § 128 Abs. 1 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 7 (sieben) Monaten. Dabei wertete es als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe sowie die zweifache Qualifikation, als mildernd hingegen die objektive Schadensgutmachung und die Alkoholisierung, und berücksichtigte bei der Strafbemessung überdies auch den Umstand, daß B seinen Komplizen A zur Tat bestimmt hat und daß auch die Nötigungsvortat Bereicherungstendenz aufwies.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte B die Herabsetzung der Strafe sowie die Gewährung bedingter Strafnachsicht an. Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Auch nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes entspricht die vom Erstgericht über den Angeklagten B verhängte Strafe der Schuld dieses Angeklagten und seiner Täterpersönlichkeit, wobei das Strafmaß - entgegen dem Vorbringen des Berufungswerbers - auch in einer angemessenen Relation zu der über den Mitangeklagten Walter A verhängten (18-monatigen) Freiheitsstrafe steht, zumal A zwar mehr einschlägige Vorstrafen als B aufweist, aber geständig war. Die Alkoholisierung des Berufungswerbers zur Tatzeit kann - entgegen der Auffassung des Erstgerichtes -

im vorliegenden Fall nicht als mildernd gewertet werden, weil es an den Voraussetzungen des § 35 StGB. fehlt. Soweit sich der Berufungswerber dagegen wendet, daß er als Urheber der strafbaren Handlung angesehen wurde, so übersieht er die Feststellung des Schöffengerichtes, wonach er es war, der den Mitangeklagten zum Diebstahl der Tasche aufforderte (S. 142 d.A.).

Selbst wenn man eine gewisse Unbesonnenheit berücksichtigt - eine Tatbegehung infolge besonders verlockender Gelegenheit scheidet aus, weil nach den erstgerichtlichen Feststellungen nicht davon gesprochen werden kann, es habe eine Gelegenheit vorgelegen, die es in besonderem Maße nahelegte, daß ihr auch ein ansonsten rechtstreuer Mensch unterliegen könnte -, so kann dies unter Berücksichtigung der übrigen Strafzumessungsgründe und der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung eine Reduzierung des Strafmaßes nicht rechtfertigen.

Die angestrebte bedingte Nachsicht der Strafe wurde im Hinblick auf das getrübte Vorleben des Berufungswerbers, das gegen die Annahme künftigen Wohlverhaltens bei bloßer Androhung der Strafe spricht, zu Recht nicht gewährt.

Daher mußte auch der Berufung zur Gänze ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02602

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0090OS00044.8.0520.000

Dokumentnummer

JJT_19800520_OGH0002_0090OS00044_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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