TE OGH 1980/7/1 10Os90/80

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Veröffentlicht am 01.07.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Juli 1980 unter dem dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Baumgartner als Schriftführer in der Strafsache gegen Kurt A wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 11. April 1980, GZ. 5 a Vr 8876/79-34, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, nach Verlesung der Rechtsmittelschrift des Angeklagten und nach Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 6 (sechs) Monate herabgesetzt; im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kurt A des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er am 7. August 1979 in Wien Maria B der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzte, indem er sie durch die bei der Polizei erstattete Anzeige, sie habe ihm 24.800 S gestohlen, einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, und zwar des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB., falsch verdächtigte, wobei er wußte (§ 5 Abs. 3 StGB.), daß die Verdächtigung falsch war.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. c StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, mit der er die Rechtsansicht des Erstgerichtes, zur Zeit der Tatbegehung habe zwischen ihm und der falsch Verdächtigten keine Lebensgemeinschaft (§ 72 Abs. 2 StGB.) mehr bestanden, unter (sachlicher) Geltendmachung von Feststellungsmängeln zu dieser Frage anficht, um darzutun, daß er die Genannte mit seinem falschen Diebstahlsvorwurf nicht eines Offizial-, sondern nur eines Privatanklagedelikts, nämlich des Vergehens nach § 166 Abs. 1

StGB., bezichtigt habe - sodaß er nicht das Verbrechen der Verleumdung, sondern lediglich das bloß auf Verlangen des in seiner Ehre Verletzten zu verfolgende (§ 117 Abs. 1 StGB.) Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs. 1 StGB. zu verantworten hätte und mangels einer hiezu nach dem Gesetz erforderlichen Anklage freizusprechen wäre -, kommt keine Berechtigung zu. Denn bei der Beurteilung, ob die dem Tatopfer fälschlich angelastete strafbedrohte Handlung eine von Amts wegen zu verfolgende ist, kommt es ausschließlich auf den Inhalt der betreffenden falschen Verdächtigung an: verschweigt der Täter dabei Umstände, nach denen die (wissentlich falsch) behauptete Tat (zudem) nur auf Verlangen des (angeblich) Verletzten zu verfolgen wäre, und stellt sich seine falsche Anschuldigung damit als Vorwurf eines Offizialdelikts dar, dann entspricht diese - den Betroffenen solcherart der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzende - Falschbezichtigung dem Tatbild des § 297 Abs. 1 StGB. auch dann, wenn die vorgetäuschte Straftat, wäre sie wirklich begangen worden, nur über Privatanklage verfolgbar wäre (vgl. hiezu Leukauf-Steininger, StGB.2, RN 8 zu § 297).

Feststellungen in Ansehung der Frage, ob zur Zeit des vom Beschwerdeführer (wissentlich falsch) behaupteten (angeblichen) Diebstahls der Maria B (oder gar erst seiner tatgegenständlichen Anzeigeerstattung darüber - vgl. S. 168) zwischen ihm als vorgeblich Bestohlenem sowie der falsch Verdächtigten objektiv eine Lebensgemeinschaft im Sinn des § 72 Abs. 2 StGB. bestanden hat (und dementsprechend auch die der Sache nach mit der Rechtsrüge reklamierten, darauf Bezug habenden Konstatierungen) waren daher (überhaupt) entbehrlich. Genug daran, daß der Angeklagte bei der Anzeigeerstattung in keiner Weise Beziehungen zwischen Maria B und ihm auch nur andeutete, die (in rechtlicher Hinsicht) als Lebensgemeinschaft (§ 72 Abs. 2 StGB.) zu beurteilen wären, sondern die Genannte im Gegenteil sogar ausdrücklich als 'ehemalige Untermieterin' bezeichnete, die sich schon vor mehr als zwei Monaten von seiner Wohnung abgemeldet habe sowie (in ihre Heimat) nach Ungarn gefahren sei und die am (angeblichen) Tattag (erst etwa vier bis fünf Tage vor der Anzeige) nur noch einige Kleidungsstücke bei ihm abgeholt habe (S. 19, 20); denn damit zielte jedenfalls seine (falsche) Anzeige (vorsätzlich - siehe S. 168) - nicht auf das Vergehen des im Familienkreis begangenen Diebstahls nach § 166 Abs. 1

(i.V.m. §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z.4) StGB., also auf ein Privatanklagedelikt, sondern - auf das von Amts wegen zu verfolgende Vergehen des Diebstahls nach den im Spruch bezeichneten Strafbestimmungen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach dem zweiten Strafsatz des § 297 Abs. 1 StGB. zu acht Monaten Freiheitsstrafe; dabei wertete es keinen Umstand als mildernd, im Hinblick darauf, daß seine Vorstrafen nicht einschlägig sind, aber auch nichts als erschwerend.

Der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Strafherabsetzung, die Verhängung einer Geldstrafe statt der Freiheitsstrafe und die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt, kommt teilweise Berechtigung zu.

In der Tat sind ihm sowohl die (als Verzeihung zu wertende) mittlerweilige Versöhnung mit der Verleumdeten als auch der Umstand als mildernd zuzubilligen, daß er die Falschbezichtigung nach der (ihm allerdings bekannt gewesenen - vgl. S. 20) mittlerweiligen Festnahme der Angezeigten noch am selben Tag mit der Behauptung abschwächte, letztere müsse zwar das Geld (wie von ihm angezeigt) aus seiner im Wohnzimmer in einem Schrank versteckt gewesenen Brieftasche genommen haben, doch habe er es, ohne daß er dies bei der Anzeigeerstattung erwähnt hätte, bereits vorher in jenem Raum unter seiner Bettbank wieder gefunden gehabt (S. 23). Davon, daß diese Ergänzung seiner Anzeige in ihrem Milderungswert einer Aufklärung des Sachverhalts oder gar (auch nur dem Versuch) einer tätigen Reue (§ 297 Abs. 2 StGB.) - die ihm schon wegen der in der Zwischenzeit auf Grund seines Tatverhaltens erfolgten Verhaftung der Maria B keinesfalls zugute kommen könnte -

gleichkäme, kann allerdings keine Rede sein; hat er doch mit seinen ergänzenden Angaben nicht einmal den Versuch unternommen, die durch seine verleumderische Anzeige herbeigeführte Gefahr einer behördlichen Verfolgung der falsch Verdächtigten zur Gänze zu beseitigen. Überdies ist ihm anderseits als erschwerend anzulasten, daß die Verleumdete wegen ihrer falschen Verdächtigung durch ihn tatsächlich immerhin für einige Stunden in Haft genommen wurde. Bei diesen (zum Teil neu hervorgekommenen) Strafzumessungsgründen ist nach Lage des Falles eine Herabsetzung der über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe auf das - seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB.) entsprechende - gesetzliche Mindestmaß (§ 297 Abs. 1 zweiter Strafsatz StGB.) gerechtfertigt, sodaß seiner Berufung insoweit (teilweise) Folge zu geben war.

Die Verhängung einer Geldstrafe statt der Freiheitsstrafe (§ 37 Abs. 1 StGB.) und (oder) die Gewährung bedingter Strafnachsicht (§ 43 Abs. 1 StGB.) dagegen kamen mit Rücksicht auf das schwer getrübte Vorleben des Angeklagten aus Gründen der Spezialprävention nicht in Betracht; in diesem Umfang war daher seiner Berufung nicht stattzugeben.

Anmerkung

E02673

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0100OS00090.8.0701.000

Dokumentnummer

JJT_19800701_OGH0002_0100OS00090_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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