TE OGH 1980/7/8 4Ob352/80

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Veröffentlicht am 08.07.1980
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Norm

UWG §1

Kopf

SZ 53/102

Spruch

Boykott im wettbewerbsrechtlichen Sinn ist die von einer oder mehreren Personen ausgehende, durch Dritte ausgeführte planmäßige Absperrung eines Unternehmers vom Geschäftsverkehr durch Nichtaufnahme neuer oder Abbruch bestehender Geschäftsbeziehungen. Boykott ist grundsätzlich nur dann erlaubt, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind; er darf nicht zur Durchsetzung ungerechtfertigter Forderungen benützt werden; vor allem dürfen keine Mittel verwendet werden, welche die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen gefährden könnten

OGH 8. Juli 1980, 4 Ob 352/80 (OLG Wien 3 R 33/80; HG Wien 18 Cg 3/80)

Text

Beide Parteien treten in Österreich als Reiseveranstater auf. Sie schließen mit den Reisebüros, die ihre Leistungen vermitteln, "Agenturverträge" ab, wobei die Klägerin (N-GmbH) und die Beklagte (T-GmbH) Vertragsformulare verwenden; diese Verträge enthalten keine Ausschließlichkeitsverpflichtung.

Punkt 1. 2. des Agenturvertrages der Klägerin lautet: "Der Agent verkauft zur Zeit des Vertragsabschlusses die Programme folgender weiterer Reiseveranstalter: Der Agent wird den Veranstalter vor Aufnahme von Programmen weiterer Reiseveranstalter in sein Angebot hierüber informieren. Der Veranstalter ist in solchen Fällen berechtigt, vom Agenten den Nachweis darüber zu fordern, daß der Verkauf seiner Reisen dadurch nicht beeinträchtigt wird."

Punkt IV ("Aufgaben der Vertretung") des "Agenturvertrages" der Beklagten enthält u. a. folgende Bestimmungen:

"Die Vertretung erklärt ...

2. die Interessen der T in jeder Hinsicht zu wahren; das schließt eine der Bedeutung der T, ihres Angebotes und ihren Leistungen entsprechende Werbung ein.

5. keinerlei Eigenveranstaltungen auf den Markt zu bringen, welche bereits im T-Programm angeboten werden."

Die Verträge mit der Klägerin können jeweils zum 31. Oktober mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten, die Verträge mit der Beklagten jeweils zum 30. November mit einer Kündigungsfrist von vier Monaten von jedem Vertragspartner ohne Angabe von Gründen aufgekundigt werden.

Etwa 600 der insgesamt rund 700 wesentlichen österreichischen Reisebüros haben Agenturverträge mit der Beklagten abgeschlossen. Sie wählen alle zwei Jahre einen Vertreterausschuß, welcher ihre Interessen wahrnimmt.

Am 19. Dezember 1979 richtete die Beklagte an den Vorsitzenden des Vertreterausschusses nachstehendes Schreiben:

"Eine Reihe von Anfragen zeigen uns, daß unter unseren Agenturen Unsicherheit darüber besteht, welche Konsequenzen der etwaige Abschluß eines N-Agenturvertrages auf das T-Agenturverhältnis hat. Wir dürfen Ihnen hiemit die Auffassung unserer Firma zu dieser Frage darlegen.

1. Unserer Auffassung nach schließen sich die Bedingungen des T-Agenturvertrages und die Vorschriften eines N-Agenturvertrages gegenseitig aus. Demgemäß wäre ein Reisebüro, das mit beiden Veranstaltern ein Agenturverhältnis eingeht, in einer vertragsrechtlich unhaltbaren Situation.

2. T steht auf dem Standpunkt, daß der Abschluß eines Agenturvertrages ein Partnerschaftsverhältnis begrundet, das von beiden Partnern ein Bekenntnis zu dieser Vereinbarung erfordert. Der Sinn einer solchen Partnerschaft ist jedoch in Frage gestellt, wenn das Reisebüro den Hauptkonkurrenten der T unterstützt.

T bringt in die Partnerschaft mit seinen Agenturen neben einer breiten Palette marktgerechter Reiseangebote auch eine Fülle von Serviceleistungen ein, die für die T-Agenturen eine wesentliche Verkaufshilfe bedeuten. Dieses Agenturservice werden wir im kommenden Jahr noch wesentlich erweitern. Angesichts der vertragsrechtlichen Situation, der unseren Agenturen gebotenen Serviceleistungen sowie schließlich auf Grund unserer breiten Angebotspalette am Mittelstrecken- und Fernreisesektor, ergänzt durch die Angebote der Airtour Austria und TS-Fernreisen, ist ein Doppelagenturverhältnis weder wirtschaftlich notwendig noch erwünscht. T wird daher in kommenden Jahr sein umfassendes Agenturservice nur jenen Reisebüros anbieten, die sich vollinhaltlich an die Bestimmungen und den Geist der bestehenden Agenturverträge halten. Im Interesse unserer vertragstreuen Agenturen sowie in konsequenter Verfolgung unseres Standpunktes würden wir uns daher veranlaßt sehen, Reisebüros, die mit N einen Agenturvertrag unterhalten bzw. einen solchen abschließen, das T-Agenturverhältnis aufzukundigen.

Wir sind sicher, daß Sie für diesen Standpunkt Verständnis haben

..."

Kopien dieses Schreibens übermittelte die Beklagte fast allen Reisebüros, die mit ihr Agenturverträge abgeschlossen haben, sowie der Mehrzahl jener Reisebüros, die im Sommerkatalog 1980 der Klägerin als deren Vertreter angeführt sind. Das beigefügte Begleitschreiben vom 4. Jänner 1980 hatte folgenden Wortlaut:

"Wir sahen uns veranlaßt, dem Vorsitzenden des Vertreterausschusses der T, Herrn Dr. Ludwig R, unseren Standpunkt zu einem etwaigen Abschluß eines N-Agenturvertrages und die daraus resultierenden Konsequenzen auf das T-Agenturverhältnis darzulegen.

Wir übermitteln Ihnen in der Beilage eine Kopie dieses Schreibens zur gefälligen Kenntnisnahme.

Anläßlich des Manager-Symposiums in Villach, zu dem Ihnen die Einladung bereits zugegangen ist, werden wir Gelegenheit nehmen, unseren Standpunkt ausführlich zu erläutern und in der vorgesehenen Diskussion Fragen zu beantworten."

Das hier erwähnte Manager-Symposium in Villach fand am 12. und 13. Jänner statt.

Die Klägerin sieht in diesem Verhalten einen Verstoß der Beklagten gegen § 1 UWG: Durch die Androhung der Aufkündigung des eigenen Vertragsverhältnisses beim Abschluß eines Agenturvertrages mit der Klägerin versuche die Beklagte, auf die einzelnen Reisebüros ungerechtfertigten psychischen und wirtschaftlichen Druck auszuüben und damit einen Boykott der Klägerin zu erzwingen. Ein solches Vorgehen, welches auf eine planmäßige Absperrung der Klägerin vom Geschäftsverkehr und damit auf ihre Ausschaltung vom freien Leistungswettbewerb abziele, verletze das Recht der Klägerin auf freie wirtschaftliche Bestätigung; die Beklagte wolle durch diesen sittenwidrigen Behinderungswettbewerb die Klägerin davon abhalten, ihre Reisedienstleistungen auf dem Markt entsprechend zur Geltung zu bringen. Die willkürliche, nicht auf Einhaltung eines bestehenden Vertrages gerichtete Kündigungsdrohung der Beklagten widerspreche dem Anstandsgefühl der durchschnittlichen Mitbewerber und bedeute eine leistungsfremde Verwilderung des Wettbewerbs. Da sie geeignet sei, den leistungsgerechten Wettbewerb im Sinne des § 1 Abs. 1 NahversorungsG (NVG) zu gefährden, verstoße sie auch unter diesem Gesichtspunkt gegen § 1 UWG.

Zur Sicherung eines gleichlautenden Unterlassungsanspruches beantragt die Klägerin daher, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr mit Reisebüros - insbesondere beim Managersymposion in Villach -, welche mit ihr in einem Agenturverhältnis stehen, die Ankündigung zu verbreiten, sie würde den Abschluß eines Agenturvertrages dieser Reisebüros mit der Klägerin zum Anlaß nehmen, das T-Agenturverhältnis aufzukundigen.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Da in den Agenturverbänden der Beklagten keine Ausschließlichkeitsbindung der Vertragspartner vorgesehen sei, mache die Beklagte mit ihrer Kündigungsdrohung kein vertragliches Recht geltend. Entgegen der Meinung der Klägerin schlössen die beiderseitigen Agenturverträge einander keineswegs aus; es handle sich vielmehr um im wesentlichen gleichartige Abmachungen, die durchaus nebeneinander bestehen könnten. Boykottmaßnahmen seien nach österreichischem Recht zwar nicht grundsätzlich verboten; sie dürften aber nicht zufolge besonderer Umstände, insbesondere nach ihrem Zweck oder den verwendeten Mitteln, den guten Sitten zuwiderlaufen. Im konkreten Fall liege unlauterer Behinderungswettbewerb vor, weil die Beklagte den überwiegenden Teil der österreichischen Reisebüros ohne vertragliche Grundlage durch Androhung der Vertragsaufkündigung dazu bewegen wolle, den Abschluß von Verträgen mit ihrer Hauptkonkurrentin zu unterlassen. Dadurch würde es der Klägerin erschwert, wenn nicht überhaupt unmöglich gemacht, ihre Leistungen auf dem Markt entsprechend zur Geltung zu bringen. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin nach § 1 UWG sei damit bescheinigt.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es meinte, jene Reisebüros, die mit der Beklagten Agenturverträge abgeschlossen haben, seien als Handelsvertreter im Sinne des § 1 HVG anzusehen. Da sie als solche auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung die Interessen ihres Geschäftsherrn wahrzunehmen hätten, dürften sie auch keine zusätzlichen Handesvertreterverträge abschließen, wenn der weitere Unternehmer mit dem Geschäftsherrn im Wettbewerb stehe und der Handelsvertreter durch seine Tätigkeit für ihn die Interessen des Geschäftsherrn vernachlässige oder doch wenigstens eine Gefahr in dieser Richtung schaffe. Davon abgesehen schließe auch Punkt IV Z 2 und 5 des Agenturvertrages der Beklagten einen gleichartigen Vertragsabschluß mit der Klägerin aus, wäre doch das Reisebüro gemäß Punkt 2. 1 des Mustervertrages der Klägerin in diesem Fall verpflichtet, "seine Kunden über die Reiseangebote (der Klägerin) ... ausführlich zu informieren und gewissenhaft zu beraten", was zwangsläufig zu einer Beeinträchtigung der Interessen der Beklagten führen müßte. Entgegen der Meinung des Erstgerichtes sei daher davon auszugehen, daß den vertraglich an die Beklagte gebundenen Reisebüros der Abschluß eines Agenturvertrages mit der Klägerin schon nach dem Inhalt ihrer Verträge, aber auch nach dem Handelsvertretergesetz verboten sei. Die Beklagte habe daher mit Recht auf die Unzulässigkeit des Abschlusses solcher Agenturverträge verwiesen; Ihre Ankündigungen, daß sie ihr eigenes Vertragsverhältnis gegenüber jenen Reisebüros aufkundigen werden, die mit der Klägerin einen gleichartigen Vertrag abschließen, sei auch für sich allein nicht sittenwidrig. Obgleich die Beklagte also ihre "Vertreter" zu Recht auf die Unzulässigkeit des Abschlusses von Agenturverträgen mit der Klägerin hingewiesen habe, sei ihre Drohung dennoch geeignet gewesen, den freien Willen der angeschriebenen Reisebüros - welche nach ihrer Stellung im Wirtschaftsleben funktionell selbständig und daher taugliche Boykottparteien seien - zu beeinflussen; die Entscheidung über den auf § 1 UWG gegrundeten Unterlassungsanspruch der Klägerin hänge davon ab, ob durch das beanstandete Verhalten der Beklagten eine Verdrängung oder Ausschaltung der Klägerin vom Markt bewirkt werden konnte. Das müsse hier verneint werden, weil die Klägerin nicht einmal behauptet habe, daß es den Reisebüros auf Grund ihres Vertrages mit der Beklagten verwährt wäre, als Vermittler verschiedener Reiseveranstalter aufzutreten. Da diese Tätigkeit auch ohne Begründung eines Agenturverhältnisses ausgeübt werden könne, seien die verschiedenen Reiseveranstalter durchaus in der Lage, ihre Leistungen auch ohne Abschluß von Agenturverträgen mit den einzelnen Reisebüros auf dem Markt zur Geltung zu bringen. Das Reisebüro trete dann nicht als Handelsvertreter im Sinne des § 1 HVG, sondern als Makler auf, welcher in keinem ständigen Vertragsverhältnis zum Veranstalter stehe. Entgegen der Meinung der Klägerin sei auch den Schreiben vom 19. Dezember 1979 und vom 4. Jänner 1980 kein unbeschränktes Verbot einer solchen Vermittlertätigkeit zu entnehmen, habe doch die Beklagte hier nur gegen ein Doppelagenturverhältnis Stellung genommen und Vertragspartner zur Einhaltung der getroffenen Abmachungen ermahnt. Die Klägerin sei dadurch in keiner Weise gehindert, ihre Leistungen - wenn auch nicht im Wege des Abschlusses von Agenturverträgen mit den Vertragspartnern der Beklagten - auf den Markt zu bringen. Verfehlt sei schließlich auch der Hinweis der Klägerin auf das Nahversorgungsgesetz: Nach § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes könnten Verhaltensweisen von Unternehmen im geschäftlichen Verkehr untereinander verboten werden, soweit sie geeignet sind, den leistungsgerechten Wettbewerb zu gefährden. In der deklarativen Aufzählung des § 1 Abs. 2 des Gesetzes sei das beanstandete Verhalten der Beklagten nicht zu finden. Der sogenannte "Wohlverhaltenskatalog" der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft nenne zwar als Mißbrauchstatbestand unter Z. 7 die "Forderung nach Nichtbelieferung des Mitbewerbers unter Androhung des Abbruches der Geschäftsbeziehungen"; ein solches Verhalten falle aber der Beklagten deshalb nicht zur Last, weil es hier nicht um Warenlieferungen gehe und die Beklagte überdies nicht jeden geschäftlichen Kontakt ihrer Vertragspartner mit der Klägerin, sondern nur den Abschluß von Agenturverträgen verhindern wolle.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Klägerin Folge und stellte die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Rekursgericht hat das beanstandete Verhalten der Beklagten mit Recht als Aufforderung zum Boykott der Klägerin gewertet: Boykott im wettbewerbsrechtlichen Sinn ist die von einer oder mehreren Personen ausgehende, durch Dritte ausgeführte planmäßige Absperrung eines bestimmten Gegners vom Geschäftsverkehr durch die Nichtaufnahme neuer oder den Abbruch bereits bestehender Geschäftsbeziehungen. Er setzt also die Beteiligung von mindestens drei Personen voraus, nämlich 1. eines Verrufers (Boykottierers), der einen anderen zur Sperre auffordert, 2. eines Ausführers (Sperrers), der als Adressat dieser Aufforderung die Absperrung ausführt, und 3. eines Verrufenen (Boykottierten, Gesperrten) als Opfer der Boykottmaßnahme (ÖBl. 1974, 105; Hohenecker - Friedl, Wettbewerbsrecht, 74 f.; Baumbach - Hefermehl, Wettbewerbsrecht[12], 565 f. § 1 dUWG Anm. 226 f.). Wesentlich ist, daß die Aufforderung zum Boykott geeignet ist, den freien Willen des Adressaten zu beeinflussen (ÖBl. 1962, 68; ÖBl. 1974, 105; Baumbach - Hefermehl a. a. O., 566 f. Anm. 228), und daß der Adressat seinerseits eine funktionell selbständige Stellung im Wettbewerb einnimmt, kraft deren er selbst Entscheidungsfreiheit besitzt (Baumbach - Hefermehl a. a. O., 567 f. Anm. 229). Boykott ist grundsätzlich nur dann erlaubt, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind; er darf nicht zur Durchsetzung ungerechtfertigter Forderungen benützt werden, es dürfen vor allem keine solchen Mittel verwendet werden, die geeignet sind, die wirtschaftliche Existenz des Konkurrenten zu gefährden (SZ 13/194; Rsp. 1928/316; ÖBl. 1952, 38; OBl. 1961, 22; JBl. 1963, 43; Hohenecker - Friedl a. a. O.; noch weitergehend die neuere Lehre und Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland, welche - anders als die Judikatur des Reichsgerichtes - im Boykott als Wettbewerbshandlung grundsätzlich einen Verstoß gegen § 1 dUWG sieht; vgl. dazu Baumbach - Hefermehl a. a. O., 569 Anm. 233 mit weiteren Hinweisen).

Die nach dem Gesagten für den Boykott im wettbewerbsrechtlichen Sinn kennzeichnende Beteiligung dreier verschiedener Personen (Personengruppen) an der (versuchten) Absperrung der Klägerin vom üblichen Geschäftsverkehr ist auch diesmal gegeben: Mit den Schreiben vom 19. Dezember 1979 und vom 4. Jänner 1980 hat die Beklagte - als "Verruferin" - die mit ihr in einem Agenturverhältnis stehenden Reisebüros - als "Ausführer" - unmißverständlich aufgefordert, mit der Klägerin - als der "Verrufenen" - keinen gleichartigen Agenturvertrag abzuschließen, widrigenfalls sie gezwungen wäre, das bestehende T-Agentur-Verhältnis aufzukundigen. Daß die solcherart angesprochenen Reisebüros ungeachtet ihrer verraglichen Bindung an die Beklagte wirtschaftlich selbständig und damit auch taugliche Adressaten einer Boykottaufforderung waren, hat das Rekursgericht ebenso zutreffend erkannt, wie es die Eignung der Drohung der Beklagten bejaht hat, den freien Willen der Empfänger dieser Aufforderung zu beeinflussen.

Soweit jedoch der angefochtene Beschluß die Auffassung vertritt, daß den vertraglich an die Beklagte gebundenen Reisebüros die Begründung eines Agenturverhältnisses mit der Klägerin nach dem Inhalt ihrer Verträge, aber auch nach dem Gesetz verboten und die Beklagte deshalb berechtigt gewesen sei, ihre Vertragspartner auf die Unzulässigkeit eines solchen Vertragsabschlusses hinzuweisen, kann ihm der erkennende Senat nicht folgen. Es ist zwar richtig, daß die Aufforderung, einen rechtsgültigen Vertrag einzuhalten und die sich daraus ergebenden Verpflichtungen zu erfüllen, nicht die Beeinflussung des freien Willens des Adressaten, sondern nur die Aufrechterhaltung der bestehenden Rechtslage bezweckt und schon aus diesem Grund nicht als Boykottmaßnahme angesehen werden kann (ÖBl. 1962, 68; Baumbach - Hefermehl a. a. O., 567 Anm. 228). Ein solcher Fall ist aber hier nicht bescheinigt. Das Rekursgericht leitet die Unzulässigkeit der Begründung vertraglicher Beziehungen zur Klägerin durch die Vertragspartner der Beklagten vor allem daraus ab, daß diese Reisebüros auf Grund der Agenturverträge als Handelsvertreter im Sinne des § 1 HVG angesehen werden müßten; da sie als solche auch ohne ausdrückliche Vereinbarung die Interessen der Beklagten wahrzunehmen hätten, sei ihnen insbesondere auch der Abschluß weiterer Handelsvertreterverträge mit Konkurrenten ihres Geschäftsherrn verwehrt. Diese Auffassung ist rechtlich verfehlt:

Handelsvertreter im Sinne des § 1 HVG ist, wer von einem anderen (dem Geschäftsherrn) mit der Vermittlung oder Abschließung von Handelsgeschäften oder überhaupt von Rechtsgeschäften über bewegliche Sachen, Rechte oder Arbeiten in dessen Namen und für dessen Rechnung ständig betraut ist und diese Tätigkeit selbständig und gewerbemäßig ausübt. Für einen Handelsvertreter im Sinne dieser Begriffsbestimmung kennzeichnend ist also, daß er nicht nur für Rechnung seines Geschäftsherrn, sondern auch - im Außenverhältnis - in dessen Namen handelt und damit unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen seinen Kunden und dem Geschäftsherrn begrundet oder anbahnt(Hämmerle - Wünsch, Handelsrecht[3] I, 290; vgl. dazu auch

VwSlgNF 2157 F = HS 289; VwSlgNF 2181 F = HS 290; VwSlgNF 2296 F =

HS 289/92; VwSlgNF 3838 F = HS 6676; HS 4500, 6677/6). Daß dies auch

für die Vertragspartner der Beklagten im Verhältnis zu dieser zuträfe, ist bisher nicht glaubhaft gemacht worden. Das Vertragsformular der Beklagten - welches mangels eines weiteren Sachvorbringens der Beklagten die alleinige Entscheidungsgrundlage im Provisionsverfahren bildet - bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß die mit der "Vertretung" der Beklagten betrauten Reisebüros deren Reiseprogramme und sonstige Veranstaltungen im Namen der Beklagten anbieten und verkaufen, somit tatsächlich "Agenten" (im Sinne des Handelsvertretergesetzes) sind; die Bezeichnung der Vertragspartner der Beklagten als "wholesaler" (= "Großhändler"); s. dazu v. Beseler - Jacobs; Law Dictionary[3], 877; Romain, Wörterbuch der deutschen und englischen Rechts- und Wirtschaftssprache I, 749 u. a.) und die Zusage eines (erhöhten) "Rabattes" - und nicht etwa einer "Provision" oder dergleichen - für alle von T ausgeführten Buchungsgeschäfte deutet vielmehr im Sinne der zutreffenden Ausführungen der Klägerin darauf hin, daß die "Vertreter der Beklagten - ebenso wie die "Agenten" der Klägerin - gegenüber ihren Kunden als sogenannte "Eigenhändler" auftreten (vgl. dazu auch SZ 32/1).

Ebensowenig wie aus dem Gesetz, kann aber eine Ausschließlichkeitsbindung der "T-Agenturen" an die Beklagten auch nicht aus den vom Rekursgericht in diesem Zusammenhang angeführten Bestimmungen des "Agenturvertrages" der Beklagten abgeleitet werden:

Daß die "Vertretungen" der Beklagten gemäß Punkt IV Z. 2 dieses Vertrages die Interessen von T "in jeder Hinsicht zu wahren" und insbesondere auch für deren Leistungen entsprechend zu werben haben, schließt gleichartige vertragliche Bindungen zu anderen Reiseveranstaltern nicht von vornherein aus (s. dazu die entsprechenden Bestimmungen des Agenturvertrages der Klägerin, welche für den Fall des Verkaufes von Programmen weiterer Reiseveranstalter durch einen "N-Agenten" lediglich eine Verpflichtung zur Information der Klägerin vorsehen). Auch das Verbot des Anbietens von Eigenveranstaltungen, die schon im T-Programm angeboten werden (Punkt IV Z. 5), kann die Annahme einer so weitgehenden Ausschließlichkeitbindung der "T-Vertreter", wie sie der angefochtene Beschluß daraus ableiten will, keinesfalls rechtfertigen. Mit einem so umfassenden Konkurrenzverbot wäre im übrigen auch die vom Rekursgericht gebilligte Auffassung der Beklagten, daß ihre Vertragspartner in keiner Weise gehindert seien, auch ohne Abschluß entsprechender Agenturverträge die Leistungen anderer Reiseveranstalter - also auch der Klägerin - auf den Markt zu bringen, schwer in Einklang zu bringen: Wäre nämlich dem Agenturvertrag der Beklagten tatsächlich eine Verpflichtung zur Unterlassung jeder die Interessen der Beklagten beeinträchtigenden Geschäftstätigkeit der "T-Vertreter" zu entnehmen, dann müßte dies wohl für jedes Anbieten von Leistungen anderer Reiseveranstalter gelten, gleichgültig ob es im Rahmen eines Agenturvertrages oder außerhalb eines solchen Vertragsverhältnissen geschieht.

Ist damit aber nach den Ergebnissen des Provisorialverfahrens nicht bescheinigt, daß die "T-Vertreter" auf Grund des Gesetzes oder nach dem Inhalt ihrer Verträge mit der Beklagten zur Unterlassung des Abschlusses gleichartiger Verträge mit der Klägerin verpflichtet wären, dann kann sich die Beklagte zur Abwehr des gegen sie erhobenen Unterlassungsanspruches nicht darauf berufen, daß sie mit ihren Schreiben nur das Ziel verfolgt habe, die Adressaten zur Einhaltung der bestehenden vertraglichen Bindungen aufzufordern. Mangels eines gerechtfertigten Anlasses muß vielmehr die Drohung der Beklagten, ihre eigenen Agenturverträge gegenüber allen Reisebüros aufzukundigen, die einen gleichartigen Vertrag mit der Klägerin abzuschließen, im Sinne der einleitenden Rechtsausführungen als sittenwidrige Boykottaufforderung im Sinne des § 1 UWG angesehen werden. Auf die übrigen Voraussetzungen eines zulässigen Boykotts braucht unter diesen Umständen ebensowenig eingegangen zu werden wie auf den von der Klägerin hilfsweise ins Treffen geführten Rechtsgrund des § 1 NVG.

Anmerkung

Z53102

Schlagworte

Boykott, Voraussetzungen seiner Berechtigung, Boykott, zum Begriff des - im wettbewerbsrechtlichen Sinn

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0040OB00352.8.0708.000

Dokumentnummer

JJT_19800708_OGH0002_0040OB00352_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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