TE OGH 1980/9/4 13Os82/80

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Veröffentlicht am 04.09.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.September 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, Dr. Schneider, Dr. Hörburger und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hausenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef A wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB. über die vom Angeklagten Josef A gegen das Urteil des Kreisgerichts Leoben vom 11.Jänner 1980, GZ. 11 Vr 1240/79-12, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Moser und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7.Dezember 1920 geborene Gendarmeriebeamte Josef A des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt, weil er vom 17.Februar 1978 bis 8.März 1978 in Spital am Semmering als (Journal-) Beamter des dortigen Gendarmeriepostens seine Befugnis, als Organ des Bundes Amtsgeschäfte vorzunehmen, mit dem Vorsatz, den Staat an seinem konkreten Recht auf Strafverfolgung zu schädigen, dadurch wissentlich mißbrauchte, daß er a) wegen des Überfalls auf Ursula B und deren leichten Verletzung seine dienstlichen Wahrnehmungen über die gegen Karl C bestehenden Verdachtsmomente nicht vollständig weiterleitete und eine Anzeige gegen unbekannte Täter erstattete, b) einen Alkoholtest oder eine klinische Untersuchung des Karl C trotz der Annahme unterließ, daß dieser unmittelbar vorher in alkoholisiertem Zustand einen Personenkraftwagen gelenkt hatte. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe des § 281 Abs. 1 Z. 4, 5, 9 lit. b und c, 10, der Sache nach Z. 9 lit. a, StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

In der auf dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund fußenden Verfahrensrüge wendet er sich gegen die Abweisung (S. 125/126 in Verbindung mit S. 145) seines in der Hauptverhandlung vom 11.Jänner 1980 gestellten Antrags auf Beischaffung der Akten über das gegen Karl C beim Kreisgericht St. Pölten anhängige Strafverfahren zur Klärung der Frage, ob in bezug auf Ursula B überhaupt ein strafbarer Tatbestand vorliege (S. 125).

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers wurden durch die Abweisung dieses Beweisantrags seine Verteidigungsrechte nicht verletzt: Der für den Schuldspruch maßgebende Vorwurf gegen den Angeklagten besteht darin, daß er Anzeige wegen leichter Verletzung der Ursula B (Rötung der Haut im Gesicht) gegen unbekannte Täter erstattete, obwohl nach seinen eigenen dienstlichen Wahrnehmungen gewichtige Verdachtsmomente gegen Karl C vorlagen, die er in der Anzeige im wesentlichen verschwieg. Dieser, durch die vom Beschwerdeführer selbst verfaßte und unterfertigte Anzeige (S. 47 ff.) sowie die Ergebnisse des Beweisverfahrens objektivierte Vorwurf wird durch den Beweisantrag gar nicht berührt.

Die vom Rechtsmittelwerber aufgeworfene Frage, ob Karl C wegen § 83 Abs. 1 StGB., begangen an Ursula B, schuldig gesprochen wurde, ist hingegen für die Beurteilung der Schuld des Angeklagten unerheblich, kann doch bei der Erstattung einer Anzeige nicht abgeschätzt werden, ob es tatsächlich zu einem Schuldspruch des Angezeigten kommt und vielfach auch nicht, in welcher Richtung dieser allenfalls ergehen wird, wobei das Unterbleiben eines Schuldspruchs unter Umständen auch auf einem Verfolgungsverzicht der Staatsanwaltschaft gemäß § 34 Abs. 2 StPO. oder dem Vorliegen des im § 42 StGB.

normierten (sachlichen) Strafausschließungsgrunds beruhen kann. Das vom Beschwerdeführer verletzte Recht des Staates auf Strafverfolgung setzt nicht einen konkreten und urteilsmäßig festgestellten Strafanspruch gegen eine bestimmte Person voraus; es wird bereits beeinträchtigt, wenn den nach der Strafprozeßordnung zuständigen Verfolgungsbehörden die Beurteilung einer mit Strafe bedrohten Handlung durch Verschweigen wesentlicher Verdachtsmomente gegen eine bestimmte Person unmöglich gemacht und statt dessen ein angeblich unbekannter Täter angezeigt wird, wodurch die Antragstellung der Staatsanwaltschaft in eine von vornherein falsche Richtung gelenkt wird.

In der Mängelrüge bezeichnet der Beschwerdeführer das angefochtene Urteil als unvollständig, undeutlich und in einem Punkt aktenwidrig begründet. In Wahrheit unternimmt er dabei aber lediglich den Versuch, die Beweiswürdigung des Schöffengerichts in der im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen Art einer Schuldberufung zu bekämpfen, ohne den angeführten Nichtigkeitsgrund zur gesetzmäßigen Darstellung zu bringen. Es ist ihm daher summarisch zu entgegnen, daß das Erstgericht alle relevanten Feststellungen, deren Kern darin liegt, daß der Angeklagte von der Täterschaft des Karl C überzeugt war, dies aber seinem Postenkommandanten verschwieg und letztlich eine Anzeige gegen unbekannte Täter verfaßte, vollständig traf und überzeugend begründete.

So ist auch insbesondere die Feststellung, daß Karl C selbst dem Angeklagten mitteilte, er habe ein Mädchen attackiert, keineswegs aktenwidrig, sondern beruht auf den in der Hauptverhandlung verlesenen (siehe S. 112) Aussagen dieses Zeugen vor der Gendarmerie (S. 27) und dem Untersuchungsrichter (S. 81). Selbst in der Hauptverhandlung bezeichnete der Zeuge es noch als möglich, dem Angeklagten den Vorfall mit dem Mädchen gemeldet zu haben, und setzte nur hinzu, er wisse nicht, ob ihn dieser verstanden habe (S. 122). Das Erstgericht wertete diese Abschwächung seiner Aussage auf Grund einer mit den Denkgesetzen in Einklang stehenden Beweiswürdigung als Versuch, dem Angeklagten zu helfen (S. 141). Das Schöffengericht überging auch nicht, wie ihm der Beschwerdeführer vorwirft, mit Stillschweigen, der Angeklagte habe seinem Postenkommandanten am Morgen nach der Selbstanzeige des Karl C mitgeteilt, daß dieser auf dem Posten war, sondern stellte dies ebenso wie die Tatsache fest, daß er bei dieser Gelegenheit nur CS Bekanntgabe einer Fahrzeugpanne meldete, nicht aber dessen Alkoholisierung und Selbstbeschuldigung wegen des Angriffs auf ein Mädchen (S. 137 f.). Wie sich aus der Aussage des Postenkommandanten, des Zeugen Norbert D, ergibt (S. 114 f.), bezog er Karl C allein deshalb in den Kreis der Verdächtigen ein, weil sein Fahrzeug in der Nähe des Tatorts abgestellt war, hatte aber von dessen Selbstbeschuldigung keine Kenntnis.

Die die Unterlassung einer derartigen Feststellung über die (angeblich) vollständige Erfüllung der Meldepflicht durch den Angeklagten bekämpfende Mängelrüge geht daher auch insofern ins Leere.

In der Rechtsrüge wendet sich der Beschwerdeführer zunächst unter Zitierung des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b und c sowie Z. 10 StPO. mit dem Vorbringen, er sei seiner Meldepflicht voll nachgekommen, weil er in der Anzeige gegen unbekannte Täter immerhin auf den in der Nähe des Tatorts abgestellten Personenkraftwagen unter Angabe des Kennzeichens hingewiesen habe, gegen den Schuldspruch zu a) wegen Unterdrückung der Verdachtsmomente gegen Karl C in Richtung des § 83 StGB. Er setzt sich bei diesem Vorbringen aber darüber hinweg, daß die weiteren Angaben in der Anzeige, der (nicht genannte) Lenker dieses Kraftwagens habe nachweisen können, daß er mit dem Vorfall nichts zu tun hatte, nach den eindeutigen Urteilsfeststellungen vom Angeklagten wider besseres Wissen gemacht, also gelogen wurden. Sofern das Vorbringen des Beschwerdeführers dahin zu verstehen ist, daß ihm tätige Reue zustatten komme, weil er am Morgen dem Gendarmeriepostenkommandanten ohnehin Meldung erstattet habe, übersieht er, daß dieses Rechtsinstitut bei Amtsdelikten überhaupt nicht vorgesehen ist, aber auch, daß die ihm angelasteten strafbaren Handlungen - teilweise durch Unterlassung pflichtgemäßen Vorgehens, teilweise durch Verfassung einer unrichtigen Anzeige gegen unbekannte Täter - in der Zeit vom 17.Februar bis 8.März 1978 begangen wurden, sodaß ihre Strafbarkeit durch eine (in Wahrheit unvollständige) Meldung am Morgen des 18.Februar 1978 nicht aufgehoben werden kann.

Der Angeklagte beging auch nicht bloß ein Disziplinarvergehen, wie er in seiner Rechtsrüge als Subsumtionsirrtum - der Sache nach als Nichtigkeit gemäß § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. - geltend macht, sondern er verletzte seine Amtsbefugnisse wissentlich und mit Schädigungsvorsatz durch Verweigen eines Teils seiner dienstlichen Wahrnehmungen und Verfassung einer seinem Wissensstand nach unrichtigen Anzeige. Den Schuldspruch zu b) bekämpft der Angeklagte mit einer auf dieselben Nichtigkeitsgründe, inhaltlich aber nur auf § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. gestützten Rechtsrüge mit dem Vorbringen, er sei nach Lage des Falls nicht verpflichtet gewesen, Karl C einem Alkoholtest oder einer klinischen Untersuchung auf Alkoholbeeinträchtigung zu unterziehen, weil er ihn weder beim Lenken des Kraftwagens noch bei der Absicht, mit diesem wegzufahren, betreten habe. Soweit der Beschwerdeführer sich auf seine angebliche Meinung beruft, Karl C habe erst nach Abstellen des Fahrzeugs Alkohol konsumiert und es habe daher für ihn kein Grund bestanden, einen Verstoß gegen § 5 StVO. zu vermuten, so geht er von einer urteilsfremden Annahme aus und stellt den Nichtigkeitsgrund insofern nicht gesetzmäßig dar. Im übrigen kann es hier dahingestellt bleiben, ob der Rechtsmittelwerber nach seinen Dienstvorschriften verpflichtet oder bloß berechtigt gewesen wäre, bei einem seiner Meinung nach eindeutig alkoholbeeinträchtigten und daher fahruntüchtigen Kraftfahrzeuglenker weitere Untersuchungen zu veranlassen.

Fest steht nämlich, daß für den Angeklagten auf Grund seiner eigenen Wahrnehmungen über die Alkoholisierung des Karl C und dessen Mitteilung über das nach Lage der Dinge unmittelbar vorangegangene Abstellen seines Autos der Verdacht eines Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 StVO. durch C und damit einer nach § 99 Abs. 1 lit. a StVO. strafbaren Verwaltungsübertretung gegeben war. Nach dem auch das Verwaltungsstrafverfahren beherrschenden Legalitätsgrundsatz (§ 25 VStG.) war die Verwaltungsbehörde zur Verfolgung dieser Tat verpflichtet, und zwar naturgemäß unabhängig davon, ob der verdächtige Kraftfahrzeuglenker auf frischer Tat betreten oder seine Gesetzesverletzung auf andere Weise bekannt wurde. Es steht auch außer Frage, daß nicht nur bei Betretung auf frischer Tat, sondern auch noch nach Beendigung des Lenkens eine Untersuchung des Fahrzeuglenkers gemäß § 5 Abs. 2 StVO. zulässig gewesen wäre (vgl. die unter Nr. 75, 77 bis 79, 84 zu § 5 StVO.

bei Kammerhofer-Benes6 zitierten Entscheidungen), übrigens sogar im Fall eines - hier von C gar nicht behaupteten, sondern nur vom Nichtigkeitswerber ins Treffen geführten - Nachtrunks (a.a.O. Nr. 85, 87, 88). Andererseits ist die Beweisführung keineswegs nur durch Untersuchung der Atemluft oder durch klinische Untersuchung zulässig, sondern auch auf andere geeignete Weise (a.a.O. Nr. 54, 57).

Das Untätigbleiben des Beschwerdeführers und die Unterlassung einer Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft bewirkte hingegen jedenfalls Erlöschen des Strafverfolgungsrechts des Staates durch Verjährung (§ 31 StVG.), sodaß der Nichtigkeitsbeschwerde auch insofern keine Berechtigung zukommt.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 302 Abs. 1 StGB. eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten. Gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB. wurde die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Das Erstgericht nahm bei der Strafbemessung keinen Umstand als erschwerend an, hingegen berücksichtigte es die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten, in Verbindung mit dem Umstand, daß der Genannte bisher einen ordentlichen Lebenswandel führte und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten im auffallenden Widerspruch steht (§ 34 Z. 2 StGB.), als mildernd.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte unter Hinweis auf das - vom Erstgericht u.a. zur Begründung der Gewährung der bedingten Strafnachsicht angeführte - Handeln aus (falsch verstandener) Kameradschaft und auf seine Sorgepflichten die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und (sodann) die Verhängung einer Geldstrafe an Stelle der Freiheitsstrafe an.

Der Berufung kommt Berechtigung nicht zu.

Selbst bei Berücksichtigung des eben erwähnten Tatmotivs als zusätzlicher Milderungsgrund erachtet der Oberste Gerichtshof die vom Schöffengericht verhängte, ohnehin im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens liegende Freiheitsstrafe keinesfalls als überhöht.

Sie entspricht vielmehr dem Schuld- und Unrechtsgehalt der dem Urteil zugrundeliegenden Tat. Die Sorgepflichten stellen nach Lage des vorliegenden Falls keinen Milderungsumstand dar; sie können nämlich nur dann mildernd sein, wenn ihr der Täter aus Not nicht nachkommen konnte und dies der einzige Beweggrund für seine Straftat gewesen ist (Leukauf-Steininger2 RN. 29 zu § 34 StGB. und die dort zitierte Judikatur). Bedurfte es somit - wie das Erstgericht zutreffend erkannte - einer sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafe, verbot sich gemäß dem § 37 Abs. 1

StGB. die Verhängung einer Geldstrafe.

Aus den aufgezeigten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch zitierte Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02826

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0130OS00082.8.0904.000

Dokumentnummer

JJT_19800904_OGH0002_0130OS00082_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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