TE OGH 1980/9/12 9Os91/80

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Veröffentlicht am 12.09.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. September 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hausenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Reinhard Anton A wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. Februar 1980, GZ. 7 b Vr 5534/79-41, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Schichl und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 27. Juli 1955 geborene, zuletzt beschäftigungslose Reinhard Anton A - neben unbekämpft gebliebenen Schuldsprüchen wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB und des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147

Abs. 1 Z 1, Abs. 2 StGB - des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 3 StGB schuldig erkannt.

Den zu diesem Schuldspruch getroffenen Feststellungen des Erstgerichtes zufolge hat er am 12. Juni 1979

(in Wien) als Verkäufer im Würstelstand seines Dienstgebers Peter B eine von dem Kunden Klaus C auf das an der Außenseite des Standes befindliche und dem Abstellen von Speisen dienende Brett gelegte und dortselbst vergessene Handtasche samt Inhalt (in einem 5.000 S nicht übersteigenden Wert) kurz nachdem der Kunde sich vom Stand entfernt hatte, mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung an sich gebracht. Gegenüber dem Kunden C, welcher kurz darauf das Fehlen der Tasche bemerkte, sofort zum Würstelstand zurückkehrte und nach der Tasche fragte, behauptete der Angeklagte wahrheitswidrig, ein anderer Kunde müßte die Tasche mitgenommen haben.

Dem Angeklagten kam als Verkäufer auch die 'Aufsicht' in Ansehung des erwähnten Ablagebrettes zu. Er hatte sich durch den ihm als Verkäufer des Würstelstandes erteilten Auftrag in einer günstigeren Position zur Tatverübung befunden als ein Außenstehender (S 249 f, 254).

Rechtliche Beurteilung

Der die Subsumtion dieser Tat unter den Tatbestand der Unterschlagung nach § 134 Abs. 1 StGB reklamierenden, sich auf § 281 Abs. 1 Z 10 StPO stützenden Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kann Berechtigung nicht zuerkannt werden.

Wohl ist in der Regel der (strafrechtliche) Gewahrsam einer Person an einer Sache, d.i. die Möglichkeit, über die Sache tatsächlich zu verfügen, verbunden mit dem Willen, diese Möglichkeit aufrechtzuerhalten, untergegangen, wenn die Sache verloren wurde, also zwar in jemandes Eigentum aber in niemandes Gewahrsam mehr steht. Der Gewahrsam des Inhabers einer Sache, dem diese solcherart ohne seinen Willen abhanden gekommen ist, besteht indes nur dann nicht fort, wenn ihm der Ort, wo sie sich befindet, nicht oder nicht mehr bekannt oder auf bleibende Weise unzugänglich geworden ist, sowie auch bei Zurücklassung an einem allgemein zugänglichen, von jedermann frei benützbaren Ort, welcher der Aufsicht eines anderen nicht unterliegt (Leukauf-Steininger2, RN 15, 19 und 20 zu § 127 StGB). Das für den Gewahrsamsbegriff wesentliche faktische Machtverhältnis bleibt aber jeweils aufrecht, wenn für den bisherigen Gewahrsamsinhaber die leichte Wiedererlangungsmöglichkeit in Ansehung der Sache gegeben ist (Mayerhofer/Rieder I E.Nr. 83 zu § 127 StGB u.a.).

So gesehen kommt es, entgegen der Beschwerdeauffassung, vorliegend nicht darauf an, ob der Zeugen C 'genau wußte', wo sich seine Tasche befand, als er deren Fehlen bemerkte, oder ob er gleichsam nur 'rekonstruierend' dort nachfragte, wo er damit 'im Lauf der Zeit' gewesen war.

Genug daran, daß C - wie vom Schöffengericht mängelfrei konstatiert - bereits kurz nach dem Verlassen des unter der Aufsicht des Angeklagten befindlichen Standes das Fehlen der Tasche bemerkte, sofort umkehrte und den Angeklagten nach dieser befragte, und daß mithin für ihn die, auch zeitlich sehr nahe (vgl. S 241), leichte Möglichkeit der Wiedererlangung der Sache bestanden hätte, wäre sie nicht vom Angeklagten durch Bruch des aufrechten Gewahrsams an sich gebracht worden.

Somit schlagen die die Unterstellung der Tat unter den Grundtatbestand des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 StGB bekämpfenden Beschwerdeausführungen fehl.

Soweit aber der Angeklagte in der Rechtsrüge auch die Annahme der Qualifikation des sogenannten Dienstdiebstahls nach § 127 Abs. 2 Z 3 StGB anficht, bringt er den materiellen Nichtigkeitsgrund, der ein Festhalten an dem im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalt voraussetzt, nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Denn mit dem Einwand, er sei, weil die Tasche, seiner unmittelbaren Sicht entzogen, auf einem Brett außerhalb des Würstelstandes gelegen sei, in Ansehung der Voraussetzungen zur Tatverübung im Vergleich zu Dritten, beispielsweise einem Passanten, nicht 'besser gestellt' gewesen, negiert der Angeklagte die bereits erwähnte, die persönlichen Verhältnisse des Täters als Voraussetzung des spezifischen Schuldvorwurfes (Leukauf-Steininger2, RN 90 zu § 127 StGB) betreffende und daher ausschließlich in den Bereich der Lösung der Tatfrage fallende, ausdrückliche Urteilsannahme, wonach er sich konkret durch die ihm aufgetragene Arbeit (als Verkäufer im Würstelstand) in einer günstigeren Ausgangsposition zur Tat befand als ein Außenstehender (S 254).

Da gerade dies die essentielle Voraussetzung für die Beurteilung eines Verhaltens als Dienstdiebstahl im Sinne des § 127 Abs. 2 Z 3 StGB darstellt (Leukauf-Steininger2, Anm. 86 zu § 127 StGB), hat das Erstgericht rechtsrichtig auch diese Qualifikation für gegeben angesehen.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sonach zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß §§ 28, 297 Abs. 1, zweiter Strafsatz, StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten. Dabei wertete es als erschwerend die Tatwiederholung beim Betrug, die einschlägigen Vorstrafen, den raschen Rückfall und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen, während es als mildernd das umfassende Geständnis in Betracht zog. Mit ihren Berufungen streben die Staatsanwaltschaft eine Erhöhung, der Angeklagte hingegen eine Reduzierung des Strafausmaßes an. Keines der beiden Rechtsmittel ist begründet.

Daß die Verleumdung der Johanna Maria D dem Verteidigungsstreben des Angeklagten entsprang, kann ihm ebensowenig als mildernd zuugutegehalten werden wie die Ausnützung der durch das Verhalten des Klaus C geschaffenen Diebstahlsgelegenheit, weil eben darauf die Qualifikation nach § 127 Abs. 2 Z 3 StGB basiert. Hingegen kann bei der Strafbemessung nicht ganz darüber hinweggegangen werden, daß ein wesentlicher Teil der zur Aburteilung gelangten Taten vor dem 30. Juli 1979 (dem Tag der letzten Vorverurteilung des Angeklagten zu 9 Monaten Freiheitsstrafe, AZ. 7 b E Vr 5742/79 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) verübt wurde und daß der Anwendbarkeit des § 31 StGB lediglich die am 1. August 1979 erfolgte Wiederholung der gegen Johanna Maria D gerichteten verleumderischen Angaben entgegensteht. Berücksichtigt man aber anderseits den im Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hervorgehobenen Umstand, daß die in Frage stehende Verleumdung eine nahezu dreimonatige Untersuchungshaft der falsch Verdächtigten, also besonders schwere Folgen nach sich zog, dann erweist sich die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe auch bei Abwägung der ergänzten Strafzumessungsgründe als im Ergebnis durchaus tat- und tätergerecht, weshalb beiden Berufungen ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02807

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0090OS00091.8.0912.000

Dokumentnummer

JJT_19800912_OGH0002_0090OS00091_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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