TE OGH 1980/9/17 11Os90/80

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.09.1980
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. September 1980

unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Eric A wegen des Verbrechens der versuchten erpresserischen Entführung nach den §§ 15, 102 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 29. Jänner 1980, GZ. 5 Vr 1420/ 79-24, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Harramach und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Schuldspruch wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 2

StGB unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Eric A ist schuldig, er hat am 8. September 1979 über österreichischem Staatsgebiet dadurch versucht, unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Luftverkehrs durch gefährliche Drohung gegen an Bord des Luftfahrzeuges befindliche Personen, nämlich gegen den Flugkapitän Josef B und die übrige Flugzeugbesatzung, die Herrschaft über ein Luftfahrzeug auszuüben, daß er während des Linienfluges Nr. OS 382 der Austrian Airlines von Kairo über Athen nach Wien als Passagier einen Zettel des Inhalts schrieb: 'Diesen Zettel der Stewardess geben. This Paper to the Stewardess. Es sind Entführer an Bord. Die Maschine muß nach Salzburg fliegen. Dann binnen 48 Stunden C, D (Austrian-Terrorist) an Bord. Dann Weiterflug nach Sizilien. Frauen dürfen in Salzburg aussteigen. In Sizilien Unterbringung der Männer in Jeeps und zur höchsten Erhebung bringen. Falls Forderungen nicht erfüllt werden, Sprengung von Hotels in Wien und Deutschland. Wir sind zu mehreren im Flugzeug' und diesen in einer der Hecktoiletten des Luftfahrzeuges gut sichtbar zur Übergabe an den Piloten des Luftfahrzeuges deponierte.

Er hat hiedurch das Verbrechen der versuchten Luftpiraterie nach den §§ 15, 185 Abs. 1 StGB begangen und wird hiefür sowie für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Punkt 2 des erstgerichtlichen Schuldspruchs zur Last fallende Vergehen der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 2 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB und unter Anwendung des § 11 JGG nach dem § 185 Abs. 1

StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres und gemäß dem § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB wird die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß dem § 38 StGB wird die Vorhaft vom 8. September 1979, 22 Uhr 30, bis zum 29. Jänner 1980, 15 Uhr, auf die Strafe angerechnet. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft verworfen.

Gemäß dem § 390 a Abs. 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 13. September 1964 geborene Schüler Eric A wurde zu Punkt 1 des angefochtenen Urteils - abweichend von der diesbezüglich auf die Verbrechen der versuchten erpresserischen Entführung nach den §§ 15, 102 Abs. 1 StGB und der versuchten Luftpiraterie nach den §§ 15, 185 Abs. 1 StGB lautenden Anklage - des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105, 106 Abs. 1 (Z 1) StGB schuldig erkannt. Das Erstgericht legte ihm in diesem Zusammenhang zur Last, am 8. September 1979 über österreichischem Staatsgebiet versucht zu haben, den Flugkapitän Josef B und die übrige Besatzung eines Flugzeugs durch gefährliche Drohung zum Weiterflug anstelle der Landung in Wien zu nötigen; während des Linienfluges Nr. OS 382 der Austrian Airlines von Kairo über Athen nach Wien habe der Angeklagte als Passagier ein Schriftstück mit folgendem Inhalt verfaßt und in einer der Hecktoiletten des Luftfahrzeuges gut sichtbar zur Übergabe an den Piloten deponiert: 'Diesen Zettel der Stewardess geben. This Paper to the Stewardess. Es sind Entführer an Bord. Die Maschine muß nach Salzburg fliegen. Dann binnen 48 Stunden C, D (Austrian-Terrorist) an Bord.

Dann Weiterflug nach Sizilien. Frauen dürfen in Salzburg aussteigen. In Sizilien Unterbringung der Männer in Jeeps und zur höchsten Erhebung bringen. Falls Forderungen nicht erfüllt werden, Sprengung von Hotels in Wien und Deutschland. Wir sind zu mehreren im Flugzeug'.

Das Jugendschöffengericht stellte u. a. fest, die Erwähnung der beiden österreichischen Terroristen C und D sei nur erfolgt, um der Drohung auch objektiv das nötige Gewicht zu verleihen. Das Beweisverfahren habe ergeben, daß dies der alleinige Zweck der entsprechenden Textstelle gewesen sei und der Angeklagte tatsächlich kein Interesse an der Freilassung von C und D - dem nach Lage des Falles einzigen erkennbaren von der Entführung verschiedenen Ziel - gehabt habe. Der Versuch der Erzwingung des Weiterfluges nach Salzburg und Sizilien könne nicht als Handlung, Duldung oder Unterlassung, zu der ein Dritter durch die Entführung genötigt werden sollte, angesehen werden, weil er sich bloß gegen die an Bord des Flugzeuges befindlichen, bereits entführten Personen gerichtet habe. Das Delikt der erpresserischen Entführung liege daher nicht vor. Die Tathandlung stelle sich aber auch nicht als versuchte Luftpiraterie dar, weil der Angeklagte nicht die spezifische Gefahrensituation des Luftfahrzeuges ausgenützt habe. Er habe nicht mit der Beschädigung oder Zerstörung des Flugzeuges, sondern mit der Sprengung von Hotels in Wien und Deutschland gedroht. Es bleibe somit nur die versuchte Nötigung der Flugzeugbesatzung zum Weiterflug nach Salzburg, welche zufolge der Drohung mit dem Einsatz von Sprengmitteln nach Ansicht des Schöffengerichtes den §§ 15, 105 und 106 Abs. 1 Z 1 StGB zu unterstellen gewesen sei. Gegen diesen Schuldspruch richtet sich nun die auf die Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

Ein weiterer Schuldspruch wegen eines am 30. August 1979 in Wien begangenen Vergehens der Urkundenfälschung nach dem § 223 Abs. 2 StGB (Punkt 2 des Urteilssatzes) blieb unangefochten.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt nur zum Teil, und zwar insoweit Berechtigung zu, als eine Unterstellung des als erwiesen angenommenen Verhaltens des Angeklagten als versuchte Luftpiraterie unter die §§ 15, 185 Abs. 1 StGB angestrebt wird.

Verfehlt ist nämlich die im Rahmen der rechtlichen Beurteilung geäußerte Ansicht des Erstgerichtes, es seien nicht Gewalttaten gegen das Flugzeug und dessen Insassen, sondern nur Sprengungen von Hotels in Wien und Deutschland angedroht worden, weshalb die Ausnützung der besonderen Verhältnisse des Luftverkehrs im Sinne des § 185 Abs. 1

StGB nicht vorliege, und die Tat nicht anders zu beurteilen sei, als ob der Täter durch gleichartige Drohungen einen Reiseautobus unter seine Kontrolle zu bringen versucht hätte.

Bei diesen Erwägungen übersieht das Schöffengericht, daß die schriftlich geäußerte Drohung ausdrücklich an die Flugzeugbesatzung gerichtet und insbesondere zur Kenntnisnahme durch den Flugkapitän bestimmt war, von dem entschieden werden mußte, ob die - unmittelbar bevorstehende -

Landung ungeachtet der Drohung durchgeführt, oder ob um Bewilligung zur Fortsetzung des Fluges mit dem im Schreiben verlangten Flugziel angesucht werden sollte. In dem in der schriftlichen Anweisung enthaltenen Gebot, nicht in Wien zu landen, sondern den Flug vorerst nach Salzburg fortzusetzen, lag somit der Versuch des Angeklagten, das Luftfahrzeug unter seine Kontrolle zu bringen bzw. darüber die Herrschaft auszuüben. Die während des (Landean-)Fluges und damit unter typischer Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Luftverkehrs, nämlich der sich aus der Anfälligkeit der Luftfahrzeuge gegen störende Eingriffe ergebenden speziellen Gefahrenlage (vgl. Dokumentation zum StGB, S 183), erfolgte gefährliche Drohung - in der Bedeutung des § 74 Z 5 StGB (vgl. in diesem Zusammenhang ÖJZ-LSK 1976/199) - bestand hiebei entgegen der Meinung des Erstgerichtes in dem nach den Urteilsfeststellungen vom Vorsatz des Angeklagten umfaßten Hinweis seines Schreibens, daß 'Entführer', und zwar mehrere, an Bord seien, wobei dieser Hinweis von den Bedrohten nur dahin verstanden werden konnte, daß es sich um Personen handle, die bei Flugzeugentführungen nach Art der der Öffentlichkeit durch wiederholte Berichte in den Medien nahegebrachten Gewalttaten und damit auch ihnen gegenüber in einer Weise vorzugehen bereit seien, die geeignet ist, begründete Besorgnisse hervorzurufen.

Diese Drohung wurde überdies durch die Erwähnung der Namen C und D sowie die weitere Ankündigung von Hotelsprengungen für den Fall, daß die Besatzung die an sie gerichteten Forderungen nicht erfüllen würde, bestärkt. Zu letzterer Ankündigung ist allerdings, was das Erstgericht übersehen hat, zu bemerken, daß sie an sich die Voraussetzungen des § 74 Z 5 StGB für die Annahme einer gefährlichen Drohung im Sinne des Gesetzes nicht erfüllt, weil insoweit das angedrohte Übel nicht gegen den (die) Bedrohten selbst, gegen dessen (deren) Angehörige oder gegen andere unter seinen (ihren) Schutz gestellte oder ihm (ihnen) persönlich nahestehende Personen gerichtet war.

Bei rechtsrichtiger Beurteilung des vom Schöffengericht festgestellten Sachverhalts stellt sich daher die vom Angeklagten gegenüber den Flugzeuginsassen, im besonderen gegen den Flugkapitän und die übrige Besatzung, durch den Hinweis auf die Anwesenheit von Entführern an Bord sinngemäß vorgenommene Androhung einer Gewaltanwendung mit dem Ziel, eine Landung in Schwechat zu verhindern und den Weiterflug zu erzwingen, im Hinblick auf ihre Erfolglosigkeit als versuchte Luftpiraterie nach den §§ 15, 185 Abs. 1 StGB dar.

Soweit die Staatsanwaltschaft die Zurechnung des dem Punkt 1 des angefochtenen Schuldspruches zugrundeliegenden Verhaltens unter die §§ 15, 185 StGB anstatt unter die vom Erstgericht hierauf angewendeten Gesetzesstellen anstrebt, erweist sich ihre Nichtigkeitsbeschwerde demnach aus dem Grunde des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO als berechtigt.

Dem Begehren der Nichtigkeitsbeschwerde, die vorerwähnte Tat des Angeklagten diesem auch als versuchte erpresserische Entführung nach den §§ 15, 102 StGB zuzurechnen, kann hingegen nicht entsprochen werden.

Die Staatsanwaltschaft bringt in diesem Zusammenhang vor, dieser Tatbestand sei dadurch verwirklicht worden, daß der geforderte Weiterflug mit anschließendem Transport der männlichen Passagiere zur höchsten Erhebung Siziliens die Freihaltung von Luftstraßen und Flugplätzen und die Bereitstellung von 'Fluchtfahrzeugen' vorausgesetzt hätte.

In ihren auf den § 281 Abs. 1 Z 5 StPO gestützten Ausführungen rügt sie die bezüglichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite als 'undeutlich und unvollständig', weil dem Urteil nicht zu entnehmen sei, ob der Angeklagte bei Hinterlegung des Drohbriefes neben dem Freihalten der Luftstraßen und Flugplätze die Bereitstellung von Fahrzeugen in Sizilien und den Transport auf die höchste Erhebung dieser Insel erreichen wollte.

Die behaupteten Mängel haften jedoch dem Urteil nicht an. Denn das Schöffengericht ist nach Erörterung aller wesentlichen Verfahrensergebnisse in Ausübung seiner freien richterlichen Beweiswürdigung (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Anklageschrift) der Verantwortung des Angeklagten - unmißverständlich - dahin gefolgt, daß er lediglich beabsichtigte, die Landung in Wien (Schwechat) zu verhindern, um das Zusammentreffen mit seiner Mutter zu verzögern, und sich darüber, wo der Weiterflug enden werde, gar keine Gedanken machte, weswegen auch das im Drohbrief enthaltene weitere Begehren, in Sizilien alle männlichen Flugzeuginsassen mit Jeeps zum höchsten Punkt dieser Insel bringen zu lassen, als von seinem deliktischen Vorsatz nicht umfaßt angesehen wurde. Soweit in der Beschwerde eine gegenteilige, die Zurechnung eines derartigen (qualifizierten) Vorsatzes rechtfertigende Tatsachenfeststellung begehrt wird, werden sohin keine Begründungs- (oder Feststellungs-)mängel aufgezeigt, sondern es wird in Wahrheit in unzulässiger und damit unbeachtlicher Weise die freie richterliche Beweiswürdigung des Schöffensenates bekämpft. Über die Nichtigkeitsbeschwerde war daher wie im Spruch zu erkennen. Bei der demgemäß erforderlichen Neubemessung der Strafe nahm der Oberste Gerichtshof als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, als mildernd das reumütige Geständnis, den bisher ordentlichen Wandel und den Umstand an, daß die Verbrechenstat auf Unbesonnenheit zurückzuführen ist und auch beim Versuch blieb.

Die verhängte Strafe erscheint daher schuldangemessen. Gleichwohl konnte die Strafe bedingt nachgesehen werden, weil bei der bisherigen Unbescholtenheit und dem Alter des Angeklagten anzunehmen ist, daß die bloße Androhung der Vollziehung - insbesondere auch in Verbindung mit der bereits angeordneten Bewährungshilfe - genügen werde, ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Dem stehen nach den Umständen des Falles Erwägungen der Generalprävention nicht entgegen, zumal sich die damit erwiesene Rechtswohltat im Hinblick auf die erlittene (und gemäß dem § 38

StGB angerechnete) Untersuchungshaft im Ergebnis ohnedies nur auf einen Teil der Strafsanktion auszuwirken vermag.

Die übrigen Aussprüche sind in den zitierten Gesetzesstellen begründet.

Anmerkung

E02796

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0110OS00090.8.0917.000

Dokumentnummer

JJT_19800917_OGH0002_0110OS00090_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten