TE OGH 1980/9/23 4Ob366/80

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Veröffentlicht am 23.09.1980
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Norm

LadenschlußG §5 lita

Kopf

SZ 53/123

Spruch

"Reiseproviant" im Sinne des § 5 lit. a LadenschlußG sind nur solche Lebens- und Genußmittel, die üblicherweise während der Reise gegessen und getrunken werden, ohne daß vorher eine besondere Zubereitung notwendig wäre

OGH 23. September 1980, 4 Ob 366/80 (OLG Wien 4 R 57/80; HG Wien 37 Cg 1261/79)

Text

Vom Bahnhof Wien-X fahren an Samstagen bis in die Nachtstunden Züge und Autobusse ab. Das Kaufhaus der beklagten Partei hat neben einem etwa 4 m breiten, auf die L-Straße H-Straße mundenden Eingang drei weitere, 2.5 bis 3 m breite, in die Kassenhalle des Bahnhofes bzw. in die Perronzugänge mundende Eingänge. Die beklagte Partei übt in den Räumlichkeiten des Kaufhauses durch ihre Angestellten ihre Gastgewerbe-Konzession (Gast- und Schankgewerbe in der Betriebsform eines Warenhausbuffets mit den Berechtigungen nach § 16 lit. b GewO 1859, Verabreichung und Verkauf von Speisen, Brot, Gebäck und Mehlspeisen, warmen Wurstwaren, Suppen und anderen Speisen in dem in § 17 GewO 1859 näher bezeichneten Umfang sowie den Berechtigungen nach § 16 lit. c GewO 1859 ebenfalls in dem in § 17 GewO 1859 näher bezeichneten Umfang, beschränkt auf die Besucher des Warenhauses und auf die allgemeinen Ladenschlußzeiten) aus.

Das Magistratische Bezirksamt für den 3. Bezirk in Wien teilte der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei mit Schreiben vom 23. November 1965 mit, das Bundesministerium für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft, Generaldirektion der ÖBB, habe mit Schreiben vom 15. November 1965 bekanntgegeben, daß das Kaufhaus als Bestandteil des Bahnhofes anzusehen sei und seine Räumlichkeiten als Eisenbahnanlage kommissioniert worden sei. Im übrigen verwies es die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei auf § 5 lit. a LadenschlußG. Die beklagte Partei hielt ihre von den übrigen Abteilungen ihres Warenhauses räumlich getrennten Lebensmittelabteilungen an den vier Samstagen vor dem 24. Dezember 1979 geöffnet.

Bei Probekäufen wurden bei der beklagten Partei gekauft: Am 1. Dezember 1979 um 15 Uhr je ein Paket Kartoffelteig, Backerbsen, Feigenkaffee und Kartoffeln (Kipfler); ferner 1 kg Mehl und eine Plastiktasche; am 15. Dezember 1979 um 16 Uhr in der gut besuchten Lebensmittelabteilung Kartoffeln, Zwiebeln, Öl, Zucker, Mehl, Kaffee, Spaghetti und ein Schopfbraten, den sich der Testkäufer zurechtschneiden und auswägen ließ. Bei der Kasse sprach der Geschäftsführer diesen Kunden an, ob es nicht angenehm sei, hier auch am Samstag nachmittag Lebensmittel einkaufen zu können; die beklagte Partei sei nämlich wegen ihrer Bahnhofslage das einzige Geschäft in Wien, das an den vier Samstagen vor Weihnachten seine Lebensmittelabteilung bis 18 Uhr offen halte.

Die klagende Partei beantragt, zur Sicherung ihres mit Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruches der beklagten Partei zu verbieten, ihre dem Verkauf von Lebens- und Genußmitteln gewidmeten Einrichtungen an den vier Samstagen vor dem 24. Dezember eines jeden Jahres ab 14 Uhr unverschlossen zu halten. Zur Begründung führt sie aus, die beklagte Partei halte die erwähnten Räumlichkeiten an den vier genannten Samstagen unverschlossen. Das Kaufhaus liege entgegen der Behauptung der beklagten Partei nicht in einem Bahnhof, sondern lediglich auf Bahnhofsgrund und sei direkt von der Straße aus zu betreten. Die beklagte Partei verkaufe nicht nur Reiseproviant, sondern biete das gesamte Lebens- und Genußmittelsortiment an.

Die beklagte Partei sprach sich gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus. Sie vertrat die Auffassung, sie sei eine Verkaufsstelle im Sinne des § 5 LadenschlußG; von den vier Eingängen mundeten drei in die Kassenhalle bzw. in den Verbindungsgang zu den Bahnsteigen und nur einer, der überdies wesentlich kleiner sei, munde auf die Straße. Unter Proviant sei alles zu verstehen, was zum Verzehr durch die in den Transportmitteln befördernden Menschen und Tiere geeignet sei; dies treffe auch auf Kartoffelteig Backerbsen, Kartoffeln, Mehl, Feigenkaffee, Zwiebel, Dosenpfirsiche, Speiseöl, Salz, Zucker, Senf, Kaffee und (rohen) Schweineschopfbraten zu. Die beklagte Partei habe weder planmäßig noch sittenwidrig gehandelt. Im übrigen sei sie Inhaberin einer Schankgewerbekonzession mit der Berechtigung nach § 189 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973. Diese Berechtigung erstrecke sich auf die allgemeinen, für die Einkaufssamstage vor Weihnachten verlängerten Ladenschlußzeiten, sodaß sie gemäß § 191 Abs. 2 GewO auch zum Verkauf von im Gastgewerbebetrieb verwendeten Lebensmitteln berechtigt sei.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Lebensmittelabteilung der beklagten Partei sei eine Verkaufsstelle im Sinne des § 5 lit. a LadenschlußG. Die festgestellten Lebensmittel seien in ihrer Gesamtheit als Reiseproviant anzusehen, zumal ungewiß sei, ob diese Lebensmittel am Bestimmungsort der Reise erhältlich seien. Durch den Hinweis auf die Gastgewerbekonzession sei für die beklagte Partei allerdings nichts gewonnen, weil nicht dargetan worden sei, daß alle von den Probekäufen umfaßten Lebensmittel auch im Rahmen des Buffets Verwendung fänden.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es die beantragte einstweilige Verfügung erließ. Es nahm als bescheinigt an, daß die Lebensmittelabteilung der beklagten Partei in Form eines Selbstbedienungsladens betrieben werde und daß dort an den vier Samstagen vor dem 24. Dezember 1979 alle in einer Lebensmittelabteilung eines Kaufhauses üblicherweise geführten Waren feilgehalten worden seien.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Rekursgericht die Auffassung, daß das Warenangebot der Lebensmittelabteilung in seiner Gesamtheit, insbesondere aber auch ein Teil der vom Erstgericht festgestellten Lebensmittel der Probekäufe, nicht als Reiseproviant qualifiziert werden könne. Als solcher könnten nur jene Lebens- und Genußmittel angesehen werden, die von einem Reisenden vernünftigerweise während einer Reise zum Essen und Trinken benötigt werden. Die beklagte Partei habe daher gegen die Bestimmungen des LadenschlußG verstoßen. Ob die beklagte Partei eine Bahnhofsverkaufstelle im Sinne des § 5 lit. a LadenschlußG betreibe, könne dahingestellt bleiben, weil die Käufer des Selbstbedienungsladens mit wenigen Ausnahmen zu allen in Regalen gestaffelten Waren Zutritt hätten und weil diese Qualifikation mit den Mitteln des Provisorialverfahrens überdies nicht geklärt werden könnte.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 5 lit. a LadenschlußG, BGBl. 156/1958, i. d. F. von BGBl. 203/1964 dürfen während der allgemeinen Ladenschlußzeiten Verkaufsstellen in Bahnhöfen, auf Flugplätzen und an Schiffslandeplätzen für den Verkauf von Reiseproviant, Reiseandenken und notwendigem Reisebedarf (Reiselektüre, Schreibmaterialien, Blumen, Reisetoiletteartikel, Filme u. dgl.) nach Maßgabe der Verkehrszeiten offengehalten werden. Gemäß § 2 Wiener LadenschlußV, LGBl. 21/1965, sind alle ständigen und nichtständigen für den Kleinverkauf von Waren bestimmten Betriebseinrichtungen (Verkaufsstellen) an Samstagen ab 13 Uhr, beim Kleinverkauf von Lebensmitteln ab 14 Uhr, geschlossen zu halten. Die beklagte Partei war daher nur unter den Voraussetzungen des § 5 LadenschlußG berechtigt, ihre dem Verkauf von Lebens- und Genußmitteln gewidmeten geschäftlichen Einrichtungen an den vier gegenständlichen Samstagen vor Weihnachten ab 14 Uhr offenzuhalten. Es müßte sich daher bei den offengehaltenen Geschäftseinrichtungen um eine Bahnhofsverkaufsstelle für den Verkauf der oben genannten Waren, also hier insbesondere von Reiseproviant, handeln.

Entgegen der auch im Revisionsrekurs weiterhin vertretenen Auffassung der beklagten Partei dient jedoch die an gegenständlichen Samstagen offengehaltenen Lebensmittelabteilung diesem Zweck nicht. Nach den vom OGH nicht überprüfbaren Feststellungen des Rekursgerichtes, gegen deren Übereinstimmung mit den Denkgesetzen entgegen der Meinung der beklagten Partei keine Bedenken bestehen, wird diese Abteilung in der Form eines Selbstbedienungsladens betrieben; an den vier gegenständlichen Samstagen wurden hiebei alle in einer Lebensmittelabteilung eines Kaufhauses üblicherweise geführten Waren in dieser Abteilung feilgehalten. Daraus ergibt sich, daß die Lebensmittelabteilung der beklagten Partei dem allgemeinen Verkauf von Lebensmitteln schlechthin und nicht etwa nur jenem von Reiseproviant dient und daß entgegen den Bestimmungen des § 5 LadenschlußG und des § 2 Wiener LadenschlußV nicht bloß Reiseproviant feilgehalten wurde. Da die beklagte Partei mit ihren Rechtsmittelausführungen auf ihre Schankgewerbeberechtigung nicht mehr zurückkommt, genügt es dazu, auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichtes zu verweisen, wonach der gegenständliche Verkauf nicht in der genehmigten Betriebsform eines Buffets erfolgt ist.

Dem Rekursgericht ist aber auch in seiner Auffassung beizustimmen, daß die nach dem als bescheinigt angenommenen Sachverhalt tatsächlich verkauften Lebensmittel jedenfalls zum größten Teil nicht unter den Begriff des "Reiseproviants" fallen. Darunter sind schon nach dem Wortsinn und dem allgemeinen Sprachgebrauch nur jene Lebens- und Genußmittel zu verstehen, die während der Reise üblicherweise gegessen und getrunken werden, ohne daß vorher eine für den Genuß erforderliche Zubereitung notwendig wäre. Jede Ausweitung dieser Begriffsbestimmung, insbesondere in der von der beklagten Partei eingeschlagenen Richtung aller jener Lebensmittel, die ohne Rücksicht auf die Notwendigkeit ihrer Zubereitung gewöhnlich zu Ernährungs- und Genußzwecken zu sich genommen werden, widerspricht dem klaren Wortsinn. Unter dem vom Rekursgericht richtig ausgelegten Begriff des Reiseproviants fallen daher jedenfalls nicht Backerbsen, Kartoffeln, Kartoffelteig, Mehl, Feigenkaffee, Öl, Spaghetti und (rohes) Schweinefleisch. Da die beklagte Partei jedoch diese Lebensmittel an den vier gegenständlichen Samstagen nach 14 Uhr feilgehalten hat, hat sie gegen die vorgenannten Ladenschlußbestimmungen verstoßen. Auf die weitere Frage, ob dieses Feilhalten und Verkaufen im Rahmen einer Bahnhofsverkaufsstelle erfolgt ist, muß daher nicht mehr eingegangen werden.

Die Bestimmungen des § 5 LadenschlußG und des § 2 Wiener LadenschlußV sind, wie der OGH bezüglich des erstgenannten Gesetzes bereits zum Ausdruck gebracht hat (ÖBl. 1977, 7; JBl. 1980, 374; vgl. auch ÖBl. 1979, 122) nicht bloß wertneutrale Normen von ordnender Zweckmäßigkeit, sondern dienen wenigstens auch dem Schutz des lauteren Wettbewerbs. Ihre Verletzung ist daher unabhängig davon, ob diese Verletzung fortgesetzt und planmäßig erfolgt ist, sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG.

Für den Standpunkt der beklagten Partei ist auch aus der Bestimmung des § 8 Abs. 3 LadenschlußG nichts zu gewinnen. Auch wenn eine räumliche Trennung von Verkaufseinrichtungen, in denen Waren feilgehalten werden, für die unterschiedliche Ladenschlußzeiten gelten, nicht möglich oder nicht zumutbar ist, dürfen nach dieser Vorschrift jedenfalls nur die der maßgeblichen Ladenschlußzeit entsprechenden Waren verkauft werden. Im vorliegenden Fall hätte daher die beklagte Partei lediglich Reiseproviant verkaufen dürfen. Ein solcher eingeschränkter Verkauf ist aber nach den Ergebnissen des Provisorialverfahrens nicht erfolgt.

Anmerkung

Z53123

Schlagworte

Ladenschlußgesetz, Reiseproviant im Sinne des § 5 lit. a -, Reiseproviant im Sinne des § 5 lit. a Ladenschlußgesetz, Begriff

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0040OB00366.8.0923.000

Dokumentnummer

JJT_19800923_OGH0002_0040OB00366_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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