TE OGH 1980/10/28 9Os145/80

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Veröffentlicht am 28.10.1980
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Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hausenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Erich A wegen des Verbrechens des teils vollendeten und teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, 129 Z 1 und 15 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Erich A gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 30. Juli 1980, GZ. 29 Vr 492/80-32, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Verfahrens über seine Nichtigkeitsbeschwerde zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 2. März 1945 geborene Erich A des Verbrechens des teils vollendeten und teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, 129 Z 1 und 15 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Überdies ordnete das Gericht gemäß § 21 Abs. 2 StGB die Unterbringung des Erich A in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an. Den (drei Diebstahlsfakten umfassenden) Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 (richtig: 4) des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, das Strafausmaß sowie die gemäß § 21 Abs. 2 StGB angeordnete Maßnahme mit Berufung.

Einen Verfahrensmangel erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf 'Ergänzung' des psychiatrischen Gutachtens durch einen weiteren Sachverständigen 'zur Feststellung, ob und allenfalls welcher Teil des beim Angeklagten vorliegenden Defektzustandes simuliert sei'.

Dieser Beweisantrag sei gestellt worden, weil der beigezogene Gutachter eine in diese Richtung gestellte Frage nicht beantworten konnte und die Klärung dieses Umstandes insoweit bedeutsam sei, als die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten davon abhänge, ob der (vom Sachverständigen erwähnte) Defektzustand nur simuliert sei oder tatsächlich vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Klarstellung der Frage, ob der Angeklagte einen schizophrenen Defekt als Restzustand nach einer abgelaufenen Schizophrenie (S 175) bzw. einen schizophrenen Defektzustand nach einer abgelaufenen Psychose (S 173) simulierte oder ob ein solcher wirklich bestand, kommt jedoch nach Lage des Falles keine entscheidungswesentliche Bedeutung in Bezug auf die in der Beschwerde ventilierte Möglichkeit einer Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten zu. Denn es ist das Gericht in seiner Entscheidung, gestützt auf die Ausführungen des Sachverständigen (S 173) - deren Richtigkeit in diesem Punkt der Angeklagte in der Hauptverhandlung gar nicht bestritt und bezüglich deren auch in der Beschwerde konkret nichts vorgebracht wird - davon ausgegangen, daß der beim Beschwerdeführer bestehende Defektzustand keineswegs den Stellenwert einer weitergehenden Beeinträchtigung der Zurechnungsfähigkeit oder gar einer Zurechnungsunfähigkeit besitzt (S 173, 211). Im Ergebnis ist daher für die Beurteilung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ohne Belang, ob ein solcher (die Zurechnungsfähigkeit nicht aufhebender) Defektzustand besteht oder nicht. Demzufolge ist auch das Beweisanbot des Verteidigers zu Recht der Abweisung verfallen.

Insoweit in der Berufung das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt gemäß § 21 Abs. 2 StGB mit der Behauptung bestritten wird, daß eine geistige oder seelische Abartigkeit höheren Grades bei dem Angeklagten nicht gegeben sei, wird der Sache nach eine bei der Entscheidung über die vorbeugende Maßnahme unterlaufene Nichtigkeit geltendgemacht; denn es stellt der Einwand, das Gericht habe durch die Anordnung der Unterbringung seine Befugnis überschritten oder Fehler bei der Feststellung der Tatsachen begangen, die für die Beurteilung der Frage maßgeblich sind, ob es durch die Entscheidung über die vorbeugende Maßnahme seine Befugnisse überschritten hat, den Inhalt einer Nichtigkeitsbeschwerde (und nicht einer Berufung) dar (§ 435 Abs. 2 und 3 StPO; siehe dazu auch SSt 47/43

u. a.). So gesehen hat sich also der Beschwerdeführer in seiner Rechtsmittelausführung in der Bezeichnung des Rechtsmittels vergriffen, was vorliegend jedoch nicht schadet, da er sowohl Nichtigkeitsbeschwerde als auch Berufung angemeldet und ausgeführt hat.

Es läßt jedoch auch das in diesem Sinn umgedeutete Vorbringen des Beschwerdeführers, der - wie bereits oben gesagt - im wesentlichen nur das Vorliegen einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades (in tatsächlicher Hinsicht) bestreitet, weder den Vorwurf eines Verfahrensmangels (§ 281 Abs. 1 Z 4 StPO) bzw. eines Begründungsfehlers (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO; vgl. dazu insbes. KH 3861, 13 Os 134/77 u.a.), noch eine gesetzmäßige Darstellung einer Rechtsrüge (§ 281 Abs. 1 Z 11 StPO) erkennen, sodaß der Beschwerde auch diesbezüglich ein Erfolg zu versagen war. Nur der Vollständigkeit sei in diesem Zusammenhang noch vermerkt, daß das Gericht seiner Begründungspflicht durch die Verweisung auf die für stichhältig erachteten, zur relevierten Feststellung ergangenen Ausführungen des Sachverständigen in seinem auf frühere Untersuchungen und Expertisen (im Verfahren AZ 17 Vr 3433/72, Hv 24/73

des Landesgerichtes Innsbruck) Bezug nehmenden Gutachten durchaus entsprochen hat (vgl. 13 Os 19/80); ferner darauf, daß das Gericht das (tatsächliche) Substrat der beim Angeklagten bestehenden geistigen oder seelischen Abnormität in der - nach den Angaben des Sachverständigen in seinen Gutachten auf dem schizophrenen Defektzustand (nach abgelaufener Psychose, S 175 sowie S 389 des Aktenbandes I des Vorverfahrens) basierenden - Wesensveränderung im Sinne asozialer Züge, überwertiger Ideen und paranoiden, reizbaren sowie querulatorischen Verhaltens erblickte (S 143, 149, 151, 211), wobei es jedoch im Urteil unmißverständlich zum Ausdruck brachte (S 211), daß es (ersichtlich mit Rücksicht auf die vom Sachverständigen in früheren Gutachten aufgezeigten unterschiedlichen Beurteilungskriterien; siehe dazu Bd. I, S 387 des oben bezeichneten Voraktes) nicht sagen könne, ob der vom Sachverständigen beschriebene Zustand als geistige oder seelische Abnormität zu werten sei. Dies ist aber letztlich für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Anordnung gemäß § 21 Abs. 2

StGB ohne Bedeutung, weshalb die Beiziehung eines zweiten Sachverständigen zur Klärung dieser Frage - wie sie der Beschwerdeführer in seinen diesbezüglich undeutlich gebliebenen Ausführungen möglicherweise anstrebt - nicht erforderlich war. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß § 285 Abs. 1 Z 1

StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufung wird bei einem gemäß § 296 Abs. 3 StPO mit gesonderter Verfügung anzuberaumenden Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02888

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0090OS00145.8.1028.000

Dokumentnummer

JJT_19801028_OGH0002_0090OS00145_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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