TE OGH 1980/11/4 4Ob106/80

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Veröffentlicht am 04.11.1980
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Norm

BAG §13 Abs3

Kopf

SZ 53/141

Spruch

In den Fällen des § 13 Abs. 3 Berufsausbildungsgesetz ist der Lehrberechtigte verpflichtet, für den auf die volle Lehrzeit fehlenden Zeitraum entweder einen neuen Lehrvertrag abzuschließen oder den bestehenden Lehrvertrag entsprechend zu verlängern

OGH 4. November 1980, 4 Ob 106/80 (LG Linz 12 Cg 1/80; ArbG Linz 1 Cr 244/79)

Text

Nach einer anrechenbaren Vorlehrzeit vom 1. September 1976 bis 30. September 1977 bei der Firma August M in Linz begrundete der Kläger mit der Beklagten am 3. Oktober 1977 ein Lehrverhältnis im Lehrberuf als Tischler. Nach dem Lehrvertrag vom 12. Jänner 1978 ist das Lehrzeitende mit 2. September 1979 festgelegt. Auf Grund eines Arbeitsunfalles war der Kläger in der Zeit vom 13. Dezember 1978 bis 9. September 1979 krank und arbeitsunfähig. Wegen der in seiner Person gelegenen über einen Zeitraum von mehr als vier Monaten hinausgehenden Dienstverhinderung wurde dem Kläger die Zeit ab dem 19. April 1979 nicht auf die für den Lehrberuf festgesetzte Lehrzeit angerechnet. Bereits in der Woche zwischen dem 2. und 9. September 1979 sprach der Kläger mit seinem Vater bei der Beklagten vor und erklärte, er sei wieder gesund und werde am kommenden Montag wieder mit der Arbeit beginnen. Von der Beklagten wurde ihm damals erklärt, daß das Lehrverhältnis am 2. September 1979 ausgelaufen und der Kläger bereits bei der Gebietskrankenkasse abgemeldet sei und nicht mehr weiter beschäftigt werde. Dennoch trat der Kläger am 10. September 1979 seine Arbeit bei der Beklagten wieder an, indem er sich einer Arbeitspartie anschloß und mit dieser den ganzen Tag arbeitete. Als er an diesem Tag bei Dienstschluß wieder in den Betrieb der Beklagten zurückkehrte, wurde er vom Inhaber der Beklagten, bei dem er sich in der Frühe nicht zum Dienstantritt gemeldet hatte, mit der Erklärung aus dem Betrieb gewiesen, daß der Kläger nicht mehr gemeldet sei und auch nicht mehr angemeldet werde.

Gestützt auf diesen Sachverhalt und den Rechtsstandpunkt, daß die Beklagte nach den Bestimmungen des Berufsausbildungsgesetzes (BAG) zum Abschluß eines Lehrvertrages für jene Zeit verpflichtet sei, die infolge der Berufsunfähigkeit des Klägers gemäß § 13 Abs. 3 BAG in die Lehrzeit nicht eingerechnet wurde, beantragte der Kläger mit der vorliegenden Klage

1. es werde festgestellt, daß das Lehrverhältnis der klagenden Partei zur beklagten Partei über den 2. September 1979 hinaus weiter bis zur Vollendung der gesetzlich vorgeschriebenen dreijährigen Lehrzeit weiterhin aufrecht sei,

2. die beklagte Partei verpflichtet sei, mit der klagenden Partei binnen 14 Tagen einen Lehrvertrag im Ausmaß von 4 Monaten und 7 Tagen im Lehrberuf Tischler abzuschließen, in eventu

3. die beklagte Partei sei verpflichtet, den am 12. Jänner 1978 abgeschlossenen und am 20. Feber 1978 von der Lehrlingsstellenverwaltung des Gewerbes unter der Nr. 780354 eingetragenen Lehrvertrag für den Lehrberuf Tischler binnen 14 Tagen dahin gehend berichtigen zu lassen, daß das Ende der Lehrzeit mit 16. Jänner 1980 eintritt.

Das Erstgericht wies Punkt 1 des Klagebegehrens (rechtskräftig) ab, gab jedoch dem Begehren hinsichtlich des Punktes 2 Folge. Es vertrat die Auffassung, im Falle des Eintrittes eines Tatbestandes nach § 13 Abs. 3 BAG verlängere sich der Lehrvertrag nicht automatisch um die nicht anrechenbaren Zeiten; daher sei das Feststellungsbegehren des Punktes 1 nicht gerechtfertigt. Hingegen sei die Beklagte verpflichtet, mit dem Kläger einen Lehrvertrag im Ausmaß der noch auf die volle Lehrzeit fehlenden Zeit abzuschließen. Dies ergebe sich aus der in § 9 Abs. 1 BAG verankerten Verpflichtung des Lehrberechtigten, für die Ausbildung des Lehrlings zu sorgen, in Verbindung mit § 13 Abs. 1 BAG, wonach der Lehrvertrag grundsätzlich für die für den Lehrberuf festgesetzten Dauer der Lehrzeit abzuschließen sei. Wenn auf die gesetzliche Lehrzeit, wie im Falle des § 13 Abs. 1 BAG, bestimmte Zeiträume nicht anzurechnen seien, müsse dem Lehrling die Möglichkeit geboten werden, die nicht angerechneten und auf die Regellehrzeit fehlenden Zeiten in einem rechtsgültigen Lehrverhältnis nachzuholen, sei es durch Abschluß eines neuen Lehrvertrages für die fehlende Zeit oder durch Verlängerung des ursprünglichen Lehrvertrages um diesen Zeitraum. Die Verpflichtung des Lehrberechtigten zu einem neuen Vertragsabschluß oder zu einer Vertragsverlängerung ergebe sich aus der Ausbildungspflicht. Daß vom Lehrberechtigten damit nichts Unzumutbares verlangt werde, zeige schon die dem Lehrberechtigten im Gesetz eingeräumte Möglichkeit der vorzeitigen Auflösung des Lehrverhältnisses, wenn der Lehrling unfähig werde, den Lehrberuf zu erlernen, sofern er innerhalb der vereinbarten Lehrzeit die Wiedererlangung dieser Fähigkeit nicht zu erwarten habe. Da der Beklagte von dieser Auflösungsmöglichkeit nicht Gebrauch gemacht habe, sei er zu dem vom Lehrling verlangten Abschluß eines neuen Vertrages für die auf die Regellehrzeit noch fehlende Zeit verpflichtet.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung der Beklagten Folge (der Kläger bekämpfte die Teilabweisung nicht) und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren einschließlich des Eventualbegehrens zur Gänze abwies; gleichzeitig sprach es aus, daß der Wert des Berufungsgegenstandes 2000 S übersteige. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, nach österreichischem Recht sei ein Kontrahierungszwang nur in besonders normierten Fällen, etwa für lebensnotwendige Unternehmen wie Verkehrsunternehmen, Post und Energieversorgungsunternehmen, anzunehmen. Da im vorliegenden Fall eine positive Bestimmung fehle, seien die zur Klärung dieser Frage heranzuziehenden Normen restriktiv auszulegen. Die in § 9 BAG verankerte allgemeine Ausbildungspflicht des Lehrberechtigten und die daraus resultierende Verpflichtung zur Sicherung eines homogenen und austauschbaren Systems der betrieblichen Ausbildung reiche nicht aus, um daraus einen Vertragszwang für den Lehrberechtigten ableiten zu können. Dies wäre nur dann zu bejahen, wenn der Ausbildungszweck grundsätzlich nur dann erreicht werden könnte, wenn der Lehrling die gesamte Regellehrzeit in ein- und demselben Lehrbetrieb verbringe. Derartiges sei aber vom Gesetzgeber offensichtlich nicht als unbedingt notwendig erachtet worden, da die festgelegte Ausbildungszeit auch in mehreren Lehrbetrieben zurückgelegt werden könne. Gegen die Annahme eines Kontrahierungszwanges spreche auch die Neufassung der lit. f des § 15 Abs. 3 BAG durch die BAG-Novelle 1978. Während nämlich der Lehrberechtigte bis dahin zu einer vorzeitigen Auflösung des Lehrverhältnisses bei einer mehr als viermonatigen Krankheit des Lehrlings nur dann berechtigt gewesen sei, wenn er diesem zuvor den Abschluß eines neuen, für die nicht angerechnete Zeit geltenden Lehrvertrages vergeblich angeboten habe, und eine Entlassung nach einem Arbeitsunfall (wie im vorliegenden Fall) überhaupt nicht möglich gewesen sei, könne der Lehrberechtigte nunmehr eine vorzeitige Auflösung des Lehrvertrages immer dann aussprechen, wenn der Lehrling unfähig werde, den Lehrberuf zu erlernen, sofern innerhalb der vereinbarten Lehrzeit die Wiedererlangung dieser Fähigkeit nicht zu erwarten sei. Es werde also nicht mehr auf den Grund der Arbeitsunfähigkeit abgestellt; auch die Verpflichtung zum Anbot des Abschlusses eines zusätzlichen Lehrvertrages sei weggefallen. Die Beklagte hätte daher im vorliegenden Fall das Lehrverhältnis mit dem Kläger rechtsmäßigerweise sogar vorzeitig auflösen können, da der Kläger die Arbeitsunfähigkeit erst nach Ablauf der vereinbarten Lehrzeitdauer wieder erlangt habe und somit die Voraussetzungen nach § 15 Abs. 3 lit. f. BAG gegeben gewesen seien. Gerade diese Möglichkeit der vorzeitigen Auflösung des Lehrverhältnisses im Falle einer länger andauernden Arbeitsverhinderung des Lehrlings sei aber ein starkes Indiz dafür, daß der Gesetzgeber nicht beabsichtigt habe, den Lehrberechtigten über die ursprüngliche vereinbarte Lehrzeitdauer hinaus zum Vertragsabschluß zu verpflichten. Daraus könnten sich zwar für den Lehrling Härten ergeben; auch die durch die BAG- Novelle 1978 erfolgte Aufhebung der Bestimmungen des § 12 Abs. 2 MuttSchG und § 14 Abs. 1 Arbeitsplatzsicherungsgesetz, wodurch die dort angeführten Verhinderungszeiten wie solche nach § 13 Abs. 3 BAG zu behandeln seien, seien in ihren Folgen sicherlich unbefriedigend. Es wäre aber Sache des Gesetzgebers, sollte er den Kontrahierungszwang für notwendig erachten, diesen durch eine klare Regelung zu normieren.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge und stellte das Urteil des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Bei der Lösung der Frage ist davon auszugehen, daß die Bestimmungen des § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BAG durch die Novelle BGBl. 232/1978 nicht abgeändert wurden. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BAG ist der Lehrvertrag für die für den Lehrberuf festgesetzte Dauer der Lehrzeit abzuschließen. Eine kürzere als diese Zeit darf nur in bestimmten gesetzlich festgelegten Fällen vereinbart werden, darunter auch in den Fällen einer für den Lehrberuf anrechenbaren Lehrzeit oder schulischen Ausbildung (§ 13 Abs. 1 lit. a BAG), was auch im vorliegenden Fall geschehen ist, da der Kläger einen Teil seiner Lehrzeit bereits bei einem anderen Lehrberechtigten abgeleistet hatte. Die Vertragsteile dürfen daher bei Abschluß des Lehrvertrages dessen Dauer nicht willkürlich festsetzen, sondern sind an die noch offene jeweilige Lehrzeitdauer gebunden. Eine Zerstückelung der Lehrzeit in Zeiträume von beliebig kurzer Dauer würde nämlich dem Ausbildungszweck des Lehrverhältnisses widersprechen und ist daher unzulässig (Berger - Rohringer, BAG, 110). Schon daraus ergibt sich, daß der Gesetzgeber grundsätzlich Wert darauf legt, daß der Lehrling die einmal begonnene Ausbildung bei ein- und demselben Lehrberechtigten zu Ende bringt. Anderseits verfügt § 13 Abs. 3 BAG aus Gründen der sorgfältigen Ausbildung des Lehrlings, daß eine in der Person des Lehrlings gelegene, einen zusammenhängenden Zeitraum von vier Monaten übersteigende Verhinderungszeit sowie mehrere solche Verhinderungen von zusammen mehr als vier Monaten in einem Lehrjahr nicht auf die für den Lehrberuf festgesetzte Lehrzeit anzurechnen sind. Aus dem gleichen Grund bestimmten bis zur Novelle BGBl. 232/1978, § 14 Abs. 1 Arbeitsplatzsicherungsgesetz, BGBl. 154/1956, daß die Zeit des ordentlichen Präsenzdienstes auf die Dauer der Lehrzeit nicht angerechnet wird, sowie § 15 Abs. 2 letzter Satz MuttSchG, BGBl. 240/1960 i. d. F. der Novelle BGBl. 68/1961, daß die Zeit eines Karenzurlaubes auf die Dauer der Lehrzeit nicht angerechnet wird. Den Materialien zum BAG (876 BlgNR, XI. GP) ist ebensowenig wie den Durchführungserlässen 1969 des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie vom 12. November 1969 und 17. März 1970 (abgedruckt bei Berger - Rohringer, Berufsausbildungsrecht, 92 f.) zu entnehmen, ob im Falle des § 13 Abs. 3 BAG eine Verpflichtung des Lehrberechtigten besteht, mit dem Lehrling einen neuen Lehrvertrag über die Verhinderungszeit abzuschließen. In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage heißt es dazu nur (a. a. O., 40), daß für die in solchen Fällen auf die im Lehrberuf festgesetzte Dauer der Lehrzeit fehlende Zeit ein eigener Lehrvertrag abzuschließen sein wird. Gleiches wird auch im DErl. 1969 (a. a. O., 94 f.) gesagt. Auch die Lehre hat zu dieser Frage nicht Stellung genommen. Berger - Rohringer sagen nur dazu, daß sich im Falle des § 13 Abs. 3 BAG der bestehenden Lehrvertrag nicht automatisch um die nicht anrechenbaren Zeiten verlängert. Wenn nicht von vornherein eine Vereinbarung getroffen worden sei, daß sich das Lehrverhältnis bei Anwendung des Abs. 3 um die nicht anrechenbare Zeitspanne verlängere, oder wenn es nicht zu einer dementsprechenden Abänderung des bestehenden Lehrvertrages hinsichtlich der Dauer des Lehrverhältnisses komme, so ende diese zum ursprünglich vereinbarten Zeitpunkt (BAG, 117 FN 29). Anderseits lehren sie (a. a. O., FN 30), daß dann, wenn der Tatbestand des Abs. 3 vorliege und eine bestimmte Zeit nicht auf die für den Lehrberuf festgesetzte Lehrzeit angerechnet werden darf, für diese fehlende Zeit ein eigener Lehrvertrag abzuschließen sei, wobei sie sich auf den DErl. 1969 beziehen. Als Alternative dazu biete sich die Abänderung des bestehenden Lehrvertrages an. Ob diesbezüglich eine Verpflichtung des Lehrberechtigten besteht, wird aber nicht eindeutig gesagt. Auch Kinscher (BAG[2], 76) äußerst sich zu diesem Problem nicht, sondern vertritt gleichfalls nur die Ansicht, daß ein neuer Lehrvertrag abzuschließen oder der bestehende abzuändern sei. Weiters meint auch Winkler (Die arbeitsrechtlichen Neuerungen der BAG-Novelle 1978, ZAS 1978, 169 f., insbesondere 172 f.), nur im Zusammenhang mit § 13 Abs. 1 BAG, die Motive für die Unzulässigkeit der Vereinbarung einer unbestimmten oder einer längeren als der festgesetzten Lehrzeitdauer, ausgenommen bei Nichtanrechnung von Zeiten gemäß § 13 Abs. 3, lägen auf der Hand: Einerseits solle der Lehrling vor einer einseitigen und willkürlichen Gestaltung der Lehrzeitdauer durch den Lehrberechtigten geschützt werden, anderseits drücke sich hier auch deutlich die Zielsetzung aus, das System der betrieblichen Ausbildung in sich homogen und "austauschbar" zu gestalten.

Zu den seinerzeit in Geltung gestandenen Bestimmungen des § 14 Abs. 1 Arbeitsplatzsicherungsgesetzes und des § 15 Abs. 2 letzter Satz MuttSchG ist den Materialien überhaupt nichts zu entnehmen. Die Erläuternden Bemerkungen zu § 14 Abs. 1 Arbeitsplatzsicherungsgesetz (25 BlgNR, VIII. GP) sagen nur, daß die Zeit des Präsenzdienstes auf die Dauer der Lehrzeit deshalb nicht angerechnet werde, weil eine solche Anrechnung zu einer Verkürzung der Lehrzeit führen würde und damit der Lehrzweck nicht erreicht werden könnte. § 15 Abs. 2 letzter Satz MuttSchG hingegen wurde erst in Plenum des Nationalrates in die Novelle BGBl. 68/1961 eingefügt, wobei den stenographischen Protokoll des Nationalrates nichts über die Auswirkungen dieser Novelle im Zusammenhang mit der Beendigung des Lehrverhältnisses zu entnehmen ist (stenographisches Protokoll des Nationalrates, IX. GP, 61. Sitzung vom 15. Feber 1961, 2620). In der Lehre haben dazu Berger - Rohringer (BAG, 118 f. Anm. 36) die Auffassung vertreten, daß für die Dauer des Karenzurlaubes wie auch für die Dauer des ordentlichen Präsenzdienstes der Ablauf des Lehrverhältnisses kraft Gesetz gehemmt werde, sodaß sich das betreffende Lehrverhältnis automatisch über einen dementsprechend längeren Zeitraum erstrecke. Auch Kinscher vertritt in der ersten Auflage zum BAG (55) den Standpunkt, daß der Ablauf der Lehrzeit durch den Karenzurlaub und den ordentlichen Präsenzdienst gehemmt werde. Weißenberg - Martinek (MuttSchG, 120) sagen dagegen nur, daß die Lehrzeitdauer um die Dauer des Karenzurlaubes "zu erstrecken" sei. Neuwirth - Rohringer (Lehrlingsrecht und Jugendarbeitsschutz, 54) schließlich sagen zu § 98a (alt) GewO, die Zeit eines nach dem Mutterschutzgesetz in Anspruch genommenen Karenzurlaubes werde in die Dauer der Lehrzeit nicht eingerechnet. Die Lehrzeitdauer sei daher um die Dauer des Karenzurlaubes zu erstrecken.

In der Judikatur wurde - soweit ersichtlich - zu diesem Problem weder in den Fällen des § 13 Abs. 3 BAG noch im Zusammenhang mit dem bis zur Novelle BGBl. 232/1978 in Kraft gewesenen Bestimmungen des § 14 Abs. 1 Arbeitsplatzsicherungsgesetz und § 15 Abs. 2 letzter Satz MuttSchG bisher Stellung genommen.

Für die Beurteilung des vorliegenden Falles ist nun neben der Regelung des § 13 Abs. 1 BAG auch bedeutsam, daß bis zur Novelle BGBl. 232/1978 der Lehrberechtigte gemäß § 15 Abs. 3 lit. f. BAG berechtigt war, das Lehrverhältnis vorzeitig aufzulösen, wenn der Lehrling in einem zusammenhängenden Zeitraum von mehr als vier Monaten oder in einem Lehrjahr insgesamt mehr als vier Monate durch eine Krankheit an der Arbeit verhindert war, sofern diese nicht durch einen Arbeitsunfall verursacht wurde oder es sich dabei nicht um eine Berufserkrankung handelte, wenn der Lehrling nicht bereit war, für die auf Grund des § 13 Abs. 3 BAG auf die für den Lehrberuf festgesetzte Lehrzeit fehlende Zeit einen Lehrvertrag bei diesem Lehrberechtigten abzuschließen. Den Materialien ist über diese Bestimmung nichts zu entnehmen. § 15 Abs. 3 lit. f. BAG wurde durch die zitierte Novelle dahin abgeändert, daß ein vorzeitiger Auflösungsgrund dann festgesetzt wurde, wenn der Lehrling unfähig wird, den Lehrberuf zu erlernen, sofern innerhalb der vereinbarten Lehrzeit die Wiedererlangung dieser Fähigkeit nicht zu erwarten ist; gleichzeitig wurde die bisherige Bestimmung des § 14 Abs. 2 lit. e BAG, wonach das Lehrverhältnis vor Ablauf der vereinbarten Lehrzeit endete, wenn der Lehrling unfähig oder untauglich wird, seine Verpflichtungen auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder des Lehrvertrages zu erfüllen, aufgehoben. Damit wurde der bisherige Endigungsgrund in einen vorzeitigen Auflösungsgrund umgewandelt (Kinscher, BAG[2], 82). Schließlich wurden aber durch Art. IV Z. 2 der Novelle BGBl. 232/1978, auch § 15 Abs. 2 letzter Satz MuttSchG und § 14 Abs. 1 Arbeitsplatzsicherungsgesetz aufgehoben, sodaß künftig auch diese Fälle unter die Bestimmungen des § 13 Abs. 3 BAG zu subsumieren sind und daher diese Zeiten bis zu vier Monaten auf die Lehrzeit anzurechnen sind (vgl. Erläuternde Bemerkungen, 708 BlgNR, XIV. GP., 23 und DErl. des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie zur BAG-Novelle 1976 vom 13. Juni 1978, abgedruckt bei Kinscher, BAG[2], 76 Anm. 5).

Aus dieser Darstellung der gesetzlichen Entwicklung ergibt sich nach Ansicht des OGH die Verpflichtung des Lehrberechtigten, in den Fällen des § 13 Abs. 3 BAG über den danach auf die volle Lehrzeit fehlenden Zeitraum entweder einen neuen Lehrvertrag abzuschließen oder den bestehenden im Sinne einer entsprechenden Verlängerung zu ergänzen. Es wurde bereits dargetan, daß der Bestimmung des § 13 Abs. 1 BAG die Intention des Gesetzgebers zugrunde lag, die Ausbildung des Lehrlings möglichst bei ein und demselben Lehrberechtigten sicherzustellen. In die gleiche Richtung wies der inzwischen aufgehobene § 15 Abs. 3 lit. f. BAG. Gerade aus dieser Bestimmung ergibt sich, daß der Gesetzgeber schon vor der Novelle des Jahres 1978 für den Lehrberechtigten (nicht aber für den Lehrling) zwingend eine Verlängerung der Lehrzeit ins Auge gefaßt hatte, denn ohne einen solchen Zwang zum Abschluß eines Lehrvertrages für die fehlende Zeit wäre diese Bestimmung sinnlos gewesen. Sie hätte zwar den Lehrling zunächst vor einer vorzeitigen Auflösung des Lehrverhältnisses geschützt, nicht aber bewirken können, daß der Lehrling bei diesem Lehrberechtigten auch sein Lehrziel erreicht. Daß nur eine solche Auslegung sinnvoll ist, ergibt sich auch daraus, daß andernfalls der Lehrling nicht nur gezwungen wäre, für die noch offene Lehrzeit einen neuen Lehrplatz zu suchen, was insbesondere dann schwierig sein müßte, wenn nur wenige Wochen oder Monate auf die vorgeschriebene Lehrzeit fehlen; er würde in einem solchen Falle auch teilweise um die ihm aus der Behaltspflicht des Lehrberechtigten gemäß § 18 BAG erwachsenden Rechte kommen. Denn die Behaltepflicht trifft gemäß § 18 Abs. 1 BAG immer nur den letzten Lehrberechtigten, vermindert sich aber gemäß § 18 Abs. 2 BAG dann, wenn der Lehrling bei diesem Lehrberechtigten nur einen Teil der für den Lehrberuf festgesetzten Lehrzeit zurückgelegt hat, im Verhältnis der bei ihm zurückgelegten Lehrzeit zu der für den Lehrberuf festgesetzten Dauer der Lehrzeit. Auf den vorliegenden Fall angewendet würde dies bedeuten, daß einen neuen Lehrberechtigten nur eine Behaltepflicht von etwa zwei Wochen treffen würde.

Dazu kommt aber noch, daß sich in den Fällen des Präsenzdienstes und des Karenzurlaubes statt der durch die Novelle des Jahres 1978 beabsichtigten Besserstellung eine erhebliche Schlechterstellung der Betroffenen ergeben würde. Wie dargestellt vertrat die Lehre zu den Bestimmungen des § 14 Abs. 1 Arbeitsplatzsicherungsgesetz und § 15 Abs. 2 letzter Satz MuttSchG den Standpunkt, daß während dieser Zeiten eine Hemmung des Lehrverhältnisses eintrete und sich dieses automatisch um jene Zeiträume verlängere. Durch die Novelle sollten die betroffenen Lehrlinge insofern besser gestellt werden, als ihnen nunmehr - andere als bisher - Zeiten bis zu vier Monaten als Lehrzeit angerechnet werden. Wäre aber der Lehrberechtigte nicht zum Abschluß eines Lehrvertrages über die fehlende Dauer verpflichtet, so würde sich die Novelle zum Nachteil der Präsenzdiener und der Mütter auswirken, welche sich für die fehlende Zeit eine neue Lehrstelle suchen müßten. Daß dies auch schon vor der Novelle nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein kann, ergibt sich daraus, daß etwa § 14 Abs. 2 Arbeitsplatzsicherungsgesetz ausdrücklich sagt, daß der Ablauf der Frist nach § 105a der alten GewO (nunmehr der Ablauf der Frist nach § 18 BAG) sowie einer durch kollektivvertragliche Vereinbarung festgelegten längeren Frist für die Behaltepflicht durch den Präsenzdienst gehemmt wird. In jenen Fällen, in denen bereits ein Teil der Lehrzeit in die Zeit des Präsenzdienstes fiele, wäre diese Bestimmung unanwendbar, weil bei einer solchen Auslegung das Lehrverhältnis mit Ablauf der ursprünglichen Zeit bereits beendet wäre und für den Lehrberechtigten kein Zwang bestunde, es fortzusetzen. Es käme daher in solchen Fällen zu gar keiner Behaltepflicht, deren Ablauf gehemmt werden könnte.

Wenn das Berufungsgericht meint, die Neufassung des § 15 Abs. 3 lit. f. BAG spreche gegen die Annahme eines Kontrahierungszwanges, so kann dieser Argumentation nicht beigepflichtet werden. Der neugefaßte § 15 Abs. 3 lit. f. BAG ist nicht an die Stelle der alten diesbezüglichen Gesetzesbestimmung, sondern an Stelle des alten § 14 Abs. 2 lit. e BAG getreten. Damit sollte - wie dargelegt - aus einem Endigungsgrund des Lehrverhältnisses ein Auflösungsgrund werden. In diesem Zusammenhang kann es dahingestellt bleiben, ob die Ansicht des Berufungsgerichtes zutreffend ist, daß der Lehrberechtigte im vorliegenden Fall das Lehrverhältnis vorzeitig hätte auflösen können, weil der Kläger erst nach Ablauf der vereinbarten Lehrzeitdauer die Arbeitsfähigkeit wiedererlangt habe. Die Voraussetzung des neugefaßten § 15 Abs. 3 lit. f. BAG, d. i. die Unfähigkeit des Lehrlings, den Lehrberuf zu erlernen, geht nämlich über den Begriff der Krankheit im Sinne des § 15 Abs. 3 lit. f. BAG der alten Fassung hinaus (Winkler a. a. O., 179). Die Formulierung orientiert sich dabei an der Bestimmung des § 14 Abs. 2 lit. e BAG alte Fassung, hinsichtlich deren die Lehre (Berger - Rohringer, BAG, 123) die Auffassung vertreten hat, daß die Begriffe der Unfähigkeit und der Untauglichkeit Dauerzustände beschreiben, sodaß eine nur vorübergehende Behinderung nicht darunter falle. Wenn nun auch der neugefaßte § 15 Abs. 3 lit. f. BAG die vereinbarte Lehrzeit mit ins Kalkül zieht, kann es doch zweifelhaft sein, ob eine unfallbedingte (vorübergehende) Behinderung bereits als Unfähigkeit, den Lehrberuf zu erlernen, qualifiziert werden kann. Einer näheren Untersuchung bedarf es jedoch im vorliegenden Fall deshalb nicht, weil die Beklagte eine vorzeitige Auflösung des Lehrverhältnisses aus dem Grund des § 15 Abs. 3 lit. f. BAG gar nicht vorgenommen hat.

Anmerkung

Z53141

Schlagworte

Berufsausbildungsgesetz, Pflichten des Lehrberechtigten, Lehrberechtigter, Verpflichtungen des - betreffend Lehrvertrag in den, Fällen des § 13 Abs. 3 BAG, Lehrvertrag, Verpflichtungen des Lehrberechtigten betreffend - in den, Fällen des § 13 Abs. 3 BAG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0040OB00106.8.1104.000

Dokumentnummer

JJT_19801104_OGH0002_0040OB00106_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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