TE OGH 1980/11/6 12Os134/80

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Veröffentlicht am 06.11.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. November 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Friedrich und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Brandhuber als Schriftführer in der Strafsache gegen Gertrude A wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 28. März 1980, GZ. 11 Vr 560/79-21, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Lindmayr und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die über die Angeklagte verhängte Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 41 StGB auf 5 (fünf) Monate herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 3.1938

geborene Hausfrau Gertrude A des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 StGB, der Vergehen der Begünstigung eines Gläubigers nach § 158 Abs. 1 StGB und der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2, erster Fall, StGB sowie des Vergehens nach § 114 ASVG schuldig erkannt.

Ihr liegt zur Last, als geschäftsführende Gesellschafterin der Bauunternehmung B GesmbH in Thörl I. am 8.1.1979 einen Bestandteil ihres Vermögens, nämlich einen Betrag von S 17.828,50 beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger geschmälert;

II. (1.-4.) vom 8. bis 10.1.1979 nach Eintritt ihrer Zahlungsunfähigkeit vier ihrer Gläubiger durch Zahlung von insgesamt

S 123.104,50 begünstigt und die übrigen Gläubiger hiedurch geschädigt;

III. zwischen 31.7. und 31.12.1978 sich ein ihr anvertrautes Gut, nämlich einen von der Bauarbeiterurlaubskasse an sie zur Auszahlung an Arbeitnehmer überwiesenen Betrag von S 19.103,60 mit Bereicherungsvorsatz zugeeignet; und IV. vom September bis Dezember 1978 zur Sozialversicherung vereinnahmte Beträge von insgesamt S 62.218,21

der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte vorenthalten zu haben.

Ein weiteres Anklagefaktum (V.-Vergehen der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs. 1 Z 1 und 2 StGB) wurde vom Erstgericht mit Beschluß vor Urteilsverkündung zur besseren Aufklärung des Sachverhaltes ausgeschieden und dem öffentlichen Ankläger - überflüssigerweise, da nur im Falle des § 263 StPO erforderlich - die Verfolgung dieser Tat vorbehalten.

Diesen Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z 4, 5, 9 lit. a und b gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

I. Zu den Fakten I. und II. (§§ 156 Abs. 1, 158 Abs. 1 StGB).

Den Schuldspruch wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Begünstigung von Gläubigern nach § 158 Abs. 1 StGB bekämpft die Beschwerdeführerin, die nach den dafür wesentlichen Urteilsfeststellungen unmittelbar nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der B GesmbH die Überweisung eines dieser Gesellschaft von einem Kunden geschuldeten Betrages von S 141.000 auf das Firmenkonto veranlaßt, von dort behoben, zum größeren Teil zur Bezahlung der Forderungen von (ihr persönlich nahestehenden) Gläubigern verwendet, den Restbetrag aber sich selbst zugewendet hat, unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a, hilfsweise auch Z 5 und 9 lit. b StPO. Sie rügt zunächst, daß ihr dem Wortlaut des Schuldspruches nach angelastet wird, einen Bestandteil 'ihres' Vermögens beiseite geschafft und die Befriedigung 'ihrer' Gläubiger geschmälert zu haben, weil es sich sowohl um das Vermögen wie auch die Gläubiger der von ihr als geschäftsführender Gesellschafterin vertretenen GesmbH handle. Wenngleich das Erstgericht in den Entscheidungsgründen den Sachverhalt insofern richtig darstellte, werde dadurch die Fehlerhaftigkeit des Spruches nicht saniert, es hafte dem Urteil vielmehr zumindest ein innerer Widerspruch zwischen Spruch und Gründen an, der Nichtigkeit nach der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO begründe.

Rechtliche Beurteilung

Diesem Vorbringen ist lediglich zu erwidern, daß nach der Vorschrift der §§ 161 Abs. 1 iVm 309 StGB nach §§ 156 und 158 StGB gleich einem Schuldner ein leitender Angestellter im Sinne des § 309 StGB, sohin unter anderem auch der Geschäftsführer einer GesmbH haftet. Wenn das Erstgericht im Urteilsspruch vom Vermögen und den Gläubigern der Angeklagten spricht, obwohl diese Rolle in Wahrheit der von der Angeklagten als (praktisch alleiniger) Geschäftsführerin vertretenen und zu 75 % in deren Eigentum stehenden B GesmbH zukam, so handelte es sich daher um keine entscheidende Tatsache im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO und es wird mit dieser Rüge auch kein die Zurechnung der Tat als gerichtlich strafbar hindernder Umstand vorgebracht. Die Beschwerdeführerin führt in der Rechtsrüge weiter aus, sie habe weder durch die Zueignung des Betrages von S 17.828,50 noch durch die Bezahlung von S 50.000, S 42.000 und S 30.000 an einzelne Gläubiger die Befriedigung der übrigen Gläubiger beeinträchtigt, weil durch diese finanziellen Dispositionen zwar die Aktiva der GesmbH vermindert wurden, aber nur in jenem Ausmaß, in dem kurz vorher der GesmbH durch sie selbst mit dem Betrag von S 21.500 und durch die später begünstigten Gläubiger im Betrag der genannten (Rück-)Zahlungen Darlehen zugeflossen seien, mit denen Arbeitslöhne bezahlt, somit dringende (und im Konkurs bevorrangte) Firmenverpflichtungen erfüllt wurden. Die Verminderung der Aktiva bei gleichzeitiger Verminderung der Passiva erfülle nicht den Tatbestand. Die Zahlung von S 1.104,50 an Heinrich C an Reparaturkosten für einen ihm mit dem Firmen-PKW zugefügten Kraftfahrzeugschaden sei ebenfalls durch das eigene, von der Beschwerdeführerin der Firma gewährte Darlehen von S 21.500 gedeckt und auch insofern keine Schädigung der Gläubiger erfolgt. Mit diesem Vorbringen geht die Beschwerdeführerin, wie ihr zunächst entgegenzuhalten ist, nicht von der im Urteil festgestellten Entscheidungsgrundlage aus und bringt ihr Rechtsmittel daher insofern nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Sie könnte das Fehlen solcher, ihrer angeblichen Verantwortung entsprechender Feststellungen auch nicht als die umfassende rechtliche Beurteilung hindernden Mangel im Sinne des bezeichneten Nichtigkeitsgrundes rügen, weil selbst ihre Verantwortung in Wahrheit gar keine Grundlage für derartige Feststellungen bot. Sie behauptete nämlich weder in ihrer ausführlichen Sachverhaltsdarstellung vor der Gendarmerie (S 143/I) noch in ihrer Verantwortung vor dem Untersuchungsrichter (S 421/I) und in der Hauptverhandlung (499/I und 10/II) die Gewährung eines Darlehens an die GesmbH, sondern sprach lediglich davon, eine 'Einlage' von S 21.500 getätigt zu haben, weswegen sie die Entnahme von S 17.828,50 als 'Vorschuß' verbuchte, und unterschied deutlich zwischen den Darlehen, die ihr Vater, ihr Bruder und ihre langjährige Bekannte Marika D der Firma gewährten und die sie vorzugsweise zurückzahlte (F. II 1.-3.), einerseits, dem von ihr getätigten 'Zuschuß' andererseits. Da die Beschwerdeführerin somit nicht einmal die Behauptung aufstellte, selbst Gläubiger der - faktisch in ihrem Eigentum und jedenfalls in ihrer ausschließlichen Verfügungsgewalt stehenden - B GesmbH gewesen zu sein, erübrigten sich Feststellungen des Erstgerichtes zu dieser Frage.

Für das Tatbild nach § 158 Abs. 1 StGB aber ist die Frage der gleichzeitigen Verminderung von Aktiva und Passiva entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin zudem überhaupt nicht von Bedeutung; diese ist vielmehr für dieses Delikt, bei dem es nicht um die Minderung des Vermögens zum Nachteil aller Gläubiger, sondern um die Bevorzugung einzelner von ihnen geht, geradezu Tatbestandsvoraussetzung. Es fällt daher nicht ebensowenig ins Gewicht, daß die unter Schmälerung der Befriedigungsrechte der übrigen Gläubiger zurückgezahlten Darlehen angeblich zur Zahlung von Löhnen aufgenommen worden waren, wie der Umstand, daß diese Löhne als Konkursforderungen erster Klasse zu befriedigen gewesen wären. Entscheidend ist vielmehr, daß aus einem Vermögensbestandteil der GesmbH nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einzelne Gläubiger - zu denen die Beschwerdeführerin in einem persönlichen Naheverhältnis stand - zur Gänze befriedigt wurden, obwohl ihnen im vorliegenden Fall kridamäßig nur eine Quote ihrer Forderungen zugekommen wäre, wodurch die übrigen Gläubiger benachteiligt wurden. Den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO erblickt die Beschwerdeführerin darin, daß sie in einem schuldausschließenden Rechtsirrtum im Sinne des § 9 StGB befangen gewesen wäre, da sie das Unrecht dieser ihr angelasteten Taten nach ihrer Vorbildung (Erlernung des Schneiderhandwerks) und angesichts ihrer Überlastung durch die Führung des Haushalts neben der Verantwortung für die überschuldete und in aussichtsloser Lage nur auf Empfehlung des Steuerberaters übernommene Firma nicht erkennen konnte. Die gegen die Annahme eines Rechtsirrtums sprechende Feststellung des Erstgerichtes, daß sie (vor den gegenständlichen Taten) bei der Eröffnung des Konkurses durch den Konkurskommissär belehrt worden sei, über das Vermögen der GesmbH nicht mehr verfügungsberechtigt zu sein, bekämpft sie mit Mängelrüge nach § 281 Abs. 1 Z 5 StPO. Dieser Mängelrüge ist entgegenzuhalten, daß das Erstgericht die in der Beschwerdeschrift zutreffend zitierten Teile der Aussage des Zeugen Mag. Albrecht E (vgl. S 11 ff II) zwar nicht ausdrücklich erörterte, seine Feststellung aber, daß die Angeklagte durch diesen Zeugen in seiner Eigenschaft als Konkurskommissär über den Verlust ihrer Verfügungsberechtigung über das Firmenvermögen belehrt wurde, nicht nur auf diese Aussage stützte, die insgesamt darauf hinausläuft, daß der Zeuge sich zwar nicht an den konkreten Inhalt des sogenannten Konkursgespräches im vorliegenden Fall erinnere, bei einem solchen aber grundsätzlich den Gemeinschuldner über die Rechtsfolgen der Konkurseröffnung belehre, sondern vor allem auch auf die eigene Verantwortung der Angeklagten im Vorverfahren (S 139), wo sie selbst angab, sie sei vom Richter belehrt worden, daß sie nichts mehr mit der Firma zu tun habe und ein Masseverwalter bestellt werde. Die strittige Feststellung ist daher mängelfrei getroffen, ohne daß es einer weitwendigen Erörterung aller Teile der vom Erstgericht zusammenfassend gewürdigten Aussage des Zeugen bedurft hätte.

In rechtlicher Hinsicht hinwieder kommt der Belehrung der Angeklagten durch den Konkurskommissär überdies gar keine besondere Bedeutung zu, weil die Tatbilder nach den §§ 156 und 158 StGB zwar eine Gläubigermehrheit voraussetzen, nicht aber ein Konkursverfahren. Das Verhalten der Beschwerdeführerin wäre daher entgegen deren Meinung auch dann tatbildlich gewesen, wenn sie vor der Eröffnung des Konkurses das Firmenvermögen durch Beiseiteschaffen eines Teiles davon vermindert hätte. Im übrigen aber hat die Beschwerdeführerin selbst bei ihrer ersten Vernehmung vor der Gendarmerie gar nicht die Behauptung aufgestellt, das Unrecht ihrer Vorgangsweise nicht erkannt zu haben, sodaß sich dafür selbst dann kein Anhaltspunkt bieten würde, wenn sie nicht ausdrücklich über die Folgen der Konkurseröffnung belehrt worden wäre.

Davon abgesehen schließlich ist das Unrecht der Schmälerung der Befriedigungsmöglichkeit der Gläubiger insgesamt sowie der Bevorzugung eines Teiles von ihnen für jedermann leicht zu erkennen sowie darüber hinaus für den Geschäftsführer einer GesmbH ohne weiteres auch dann einsichtig, wenn er keine spezielle kaufmännische Ausbildung genossen hat. Der behauptete Rechtsirrtum wäre daher jedenfalls im Sinne des § 9 Abs. 2 StGB vorwerfbar, sodaß die Urteilsfeststellungen zur Beurteilung des Unrechtsbewußtseins der Beschwerdeführerin ausreichen und der Rechtsrüge auch insofern kein Erfolg beschieden sein kann.

II. Zum Faktum III (Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 StGB).

Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen, wegen der Zueignung ihr von der Bauarbeiterurlaubskasse im Sinne des § 8 Abs. 2 und 4 BArbUG 1972 zur Auszahlung an Dienstnehmer anvertrauter Beträge von S 19.103,60 ergangenen Schuldspruch unter Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z 4 und 9 lit. a StPO. In der Verfahrensrüge wendet sie sich gegen die Abweisung ihrer in der Hauptverhandlung am 28.3.1980

(S 21/II) gestellten Anträge auf zeugenschaftliche Einvernahme der Erna F zum Beweise dafür, daß diese die Angeklagte in die Lohnbuchhaltung eingeführt und ihr Anweisungen über die Auszahlung der Bauarbeiterurlaubsgelder gegeben habe, sowie des Direktors der Volksbank G, Erwin H, zum Beweise dafür, daß bei Fortführung des Betriebes der von der Bauarbeiterurlaubskasse überwiesene Betrag auf dem Firmenkonto zur Auszahlung an die betreffenden Dienstnehmer zur Verfügung gestanden wäre. Diese Beweisanträge hat das Erstgericht mit einer allerdings nicht den Bestimmungen des § 238 Abs. 2 StPO entsprechenden Begründung abgewiesen (S 23/II). Der Auffassung der Beschwerdeführerin zuwider wurden hiedurch aber ihre Verteidigungsrechte nicht in einer den behaupteten Nichtigkeitsgrund verwirklichenden Weise verletzt, weil beide Anträge keine entscheidungswesentlichen Tatsachen unter Beweis stellen sollten. Da nämlich die Beschwerdeführerin nach den Urteilsfeststellungen die Bestimmungen des Bauarbeiterurlaubsgesetzes kannte und hinsichtlich der Auszahlung der Urlaubsgelder sogar besonders geschult worden war, ist es in der Tat offensichtlich unerheblich, wer ihr die 'Anweisung' zur bestimmungswidrigen Auszahlung dieser Gelder gegeben hat; die Vernehmung des Direktors der Volksbank aber hatte nach dem im Antrag bezeichneten Thema überhaupt nur eine nachträgliche Schadensgutmachung betroffen und war daher gleichfalls entbehrlich. In der auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO fußenden Rechtsrüge macht die Beschwerdeführerin das angebliche Bestehen eines die Zurechnung der Tat als Veruntreuung hindernden präsenten Deckungsfonds geltend, der die Annahme eines Bereicherungsvorsatzes bei ihr ausschließe. Einen solchen auf unrechtmäßige Bereicherung durch Veruntreuung bei Vorliegen des Erstattungswillens gerichteten Vorsatz allerdings ausschließenden präsenten Deckungsfonds hat aber das Erstgericht nicht festgestellt. Im Fehlen dieser Feststellung liegt auch kein die umfassende rechtliche Beurteilung hindernder Mangel, weil für die Annahme eines solchen, sofortige oder doch unverzügliche Schadensgutmachung gewährleistenden Fonds im Beweisverfahren keinerlei Grundlage zu finden ist. Wohl kann unter bestimmten Umständen, wie etwa bei einem Gehaltskonto, bei dem entsprechende Eingänge gewährleistet sind (vgl. ÖJZ-LSK 1979/261 = EvBl. 1979/215) ein Konto, bei dem ohne weitere Zustimmung der Bank bis zu einem bestimmten Betrag Kredit gewährt wird, ebenfalls ein präsenter Deckungsfonds sein. Angesichts der wirtschaftlichen Lage der B GesmbH konnte die Angeklagte aber keineswegs darauf vertrauen, daß für die ihr nach dem 15.11. bzw. 1.12.1978 (vgl. S 453, 457/I) überwiesenen Beträge auf dem Firmenkonto bei Urlaubsantritt der beiden Dienstnehmer im Jänner 1979 Deckung vorhanden sein würde; die bloße Möglichkeit, daß in diesem Augenblick der Rahmenkredit nicht ausgeschöpft sein würde und daher für die Auszahlung der geschuldeten Urlaubsentgelte zur Verfügung stehen würde, reicht keinesfalls aus, den vom Gericht festgestellten (zumindest bedingten) Vorsatz der Beschwerdeführerin auf unrechtmäßige Bereicherung durch Verwendung der ihr anvertrauten Beträge für andere Zwecke des von ihr geführten Unternehmens auszuschließen, sodaß auch diese Rüge versagt.

Was die gegen diesen Schuldspruch ebenfalls noch erhobene Mängelrüge gemäß § 281 Abs. 1 Z 5 StPO anlangt, so genügt es, diesen Ausführungen zu erwidern, daß einerseits die im Urteil genannte Tatzeit, die allerdings nicht exakt angegeben ist, nicht entscheidungswesentlich ist, und daß andererseits die Annahme eines Bereicherungsvorsatzes nicht - wie als 'Aktenwidrigkeit' gerügt wird

-

deshalb rechtlich verfehlt sein kann, weil sie mit der Tatsache in Widerspruch stehe, daß der veruntreute Betrag auf das Konto der GesmbH überwiesen wurde und die unrechtmäßige Bereicherung bei dieser Gesellschaft und nicht bei der Beschwerdeführerin eintrat; genügt es doch, sofern der Vorsatz des Täters bei der Veruntreuung wie auch bei den anderen Straftaten gegen fremdes Vermögen darauf gerichtet ist, sich oder einen Dritten unrechtmässig zu bereichern. III. Zum Faktum IV (Vergehen nach § 114 ASVG).

Mit der auf § 281 Abs. 1 Z 4 StPO gegründeten Verfahrensrüge wendet die Beschwerdeführerin gegen diesen Schuldspruch ein, die von ihr beantragte Beweisaufnahme durch Beiziehung eines Bausachverständigen und Einsichtnahme in die Bautagebücher und die Geschäftsbücher wäre erforderlich gewesen, um im Sinne ihrer Verantwortung festzustellen, daß sie alles getan habe, um die fälligen Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten. Dieser Rüge ist in formeller Beziehung zunächst zu entgegnen, daß der in diesem Zusammenhang gestellte Beweisantrag sich lediglich auf die Beischaffung des Bautagebuches 'Betreffend den Bau Ing. Unger' vom Masseverwalter bezog (vgl. S 22 II), während die Beiziehung eines Bausachverständigen gar nicht beantragt wurde.

Die durch den tatsächlich gestellten Beweisantrag angestrebte Beweisführung, daß die Angeklagte mit Recht annehmen konnte, daß aus Außenständen von rund S 160.000

Deckung für die Bauarbeiterurlaubskasse und insbesondere die Gebietskrankenkasse vorgelegen wäre, war aus rechtlichen Gründen, wie das Erstgericht im wesentlichen zutreffend erkannt hat, entbehrlich. Der dem Schuldspruch wegen Vergehens nach § 114 ASVG zugrundeliegende Vorwurf besteht nämlich darin, daß die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der B GesmbH Beiträge ihrer Dienstnehmer zur Sozialversicherung bei der Lohnauszahlung einbehielt und dem berechtigten Versicherungsträger vorenthielt. Diese, Elemente der Veruntreuung enthaltende Tathandlung wird durch die angebliche Hoffnung der Angeklagten auf Schadensgutmachung durch nachträgliche Zession erhoffter Einnahmen nicht berührt; tätige Reue bildet bei dem in Rede stehenden Tatbild überhaupt keinen Strafaufhebungsgrund.

In der Darstellung des weiter behaupteten Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO bringt die Beschwerdeführerin vor, es sei ihr jedenfalls zu Unrecht das Vorenthalten eines Betrages von S 62.218,21

angelastet worden. Dieser auf Grund der Lastschriftanzeige der Gebietskrankenkasse festgestellte Betrag sei nämlich zur Tatzeit noch gar nicht fällig gewesen, da die Sozialversicherungsbeiträge grundsätzlich erst nach Zustellung der Vorschreibung einzuzahlen seien, was jeweils im zweiten Monat nach dem Verrechungsmonat geschehe. Richtigerweise wäre ihr äußerstenfalls das Vorenthalten der im Oktober einbehaltenen und im Dezember fälliggestellten Dienstnehmerbeiträge anzulasten gewesen, deren Betrag im angefochtenen Urteil nicht festgestellt wurde, nach den Berechnungen der Beschwerdeführerin aber höchstens S 12.000 betrage.

Die Rechtsrüge geht jedoch von falschen Voraussetzungen aus: Das Erstgericht hat aktengetreu auf Grund des Rückstandsausweises der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte (S 175 f I) und der Aussage des Zeugen Alfred I (S 15 II) festgestellt, daß die Firma B GesmbH für den Beitragszeitraum September bis Dezember 1978 S 62.218,21 an einbehaltenen Dienstnehmeranteilen - bereits unter Berücksichtigung der von den Stadtwerken G (erst) am 12.2.1979 überwiesenen, ursprünglich der B GesmbH geschuldeten Beträge -

schuldet. Wie der vorliegende vollstreckbare (§ 64 ASVG) Rückstandsausweis bescheinigt und wie im erstinstanzlichen Verfahren auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wurde, sind die darin enthaltenen Beträge jeweils am letzten Tag des Kalendermonats fällig geworden (vgl. § 58 ASVG). Die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie hätte die Zahlungsvorschreibung durch den Versicherungsträger abzuwarten gehabt, womit offenbar zum Ausdruck gebracht wird, sie gehöre zu jenen Gruppen von Dienstgebern, für die in der Satzung des zuständigen Versicherungsträgers im Sinne der §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 3 ASVG von der allgemeinen Anordnung der Fälligkeit im 1. Satz des § 58 Abs. 1

ASVG abweichende Regelungen getroffen seien, ist in den Verfahrensergebnissen nicht gedeckt und stellt eine unzulässige Neuerung dar.

Damit ist auch dem weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie sei nur die Beiträge für Oktober 1978 schuldig geblieben, habe in diesem Monat keine Einnahmen mehr gehabt und nur die Nettolöhne durch Darlehensaufnahme auszahlen können, der Boden entzogen. Der Deliktszeitraum erstreckt sich vielmehr gemäß dem oben Gesagten auf die im angefochtenen Urteil angeführten Monate. Daß die Beschwerdeführerin in diesem ganzen Zeitraum die Dienstnehmerbeiträge einbehalten hat, gab sie selbst zu (vgl. S 501 iVm 147 I). Sie hat auch im erstinstanzlichen Verfahren niemals behauptet, daß sie in diesem Zeitraum keine anderen Zahlungen geleistet hätte, was selbst bei der Annahme, sie habe nur die für die Auszahlung der Nettolöhne nötigen Mittel zur Verfügung gehabt, Voraussetzung ihrer Entschuldigung wäre (vgl. Leukauf-Steininger, Nebengesetze, Entscheidungen Nr. 8, 9, 11 zu § 114 ASVG); dies wäre auch jedenfalls durch die zu I und II urteilsgegenständlichen Zahlungen widerlegt.

Da somit auch diesem Teil des Schuldspruches kein Fehler anhaftet, war der Nichtigkeitsbeschwerde insgesamt der Erfolg zu versagen. Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagte nach §§ 28, 156 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten, welche gemäß § 43 Abs. 1 StGB für eine Probezeit in der Dauer von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Bei der Strafzumessung nahm es als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit drei Vergehen, als mildernd den ordentlichen Lebenswandel, das Tatsachengeständnis sowie den Umstand an, daß der Schaden in den Fakten I und II des Urteilssatzes gutgemacht wurde. Die Berufung der Angeklagten, die Strafminderung unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB begehrt, ist im Ergebnis begründet.

Wenngleich das Erstgericht die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig angeführt, überdies das Tatsachengeständnis zu Unrecht als mildernd gewertet hat, ist nicht zu verkennen, daß die Angeklagte nach dem Tode ihres Ehegatten faktisch ohne geeignete Vorbildung im Bauwesen zur Fortführung des Betriebes schon im Hinblick auf ihre Sorgepflichten gezwungen war und dadurch in eine nicht selbst verschuldete Notlage geriet. Das Überwiegen der Milderungsgründe nicht nur der Zahl, sondern auch dem Gewichte nach, erlaubt es trotz der vorliegenden Deliktshäufung nach der besonderen Lage des Falles von der außerordentlichen Strafmilderung Gebrauch zu machen und die Freiheitsstrafe wie im Spruche unterhalb des gesetzlichen Strafrahmens festzulegen, womit nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes dem Unrechts- und Schuldgehalt der Straftaten wie auch der Täterpersönlichkeit gerecht getan wird, zumal spezialpräventive Erwägungen nicht gegen eine so weitgehende Herabsetzung des Strafausmaßes sprechen.

Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

Anmerkung

E02916

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0120OS00134.8.1106.000

Dokumentnummer

JJT_19801106_OGH0002_0120OS00134_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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