TE OGH 1980/11/20 8Ob167/80

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Veröffentlicht am 20.11.1980
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Norm

EG z. UStG 1972 ArtXII Z3

Kopf

SZ 53/154

Spruch

Art. XII Z. 3 EGzUStG 1972 räumt dem Ersatzpflichtigen einen besonderen, nicht auf allgemeinen zivilrechtlichen Rückforderungstatbeständen beruhenden Rückersatzanspruch in Höhe des Umsatzsteuerbetrages insoweit ein, als der Ersatzberechtigte diesen Betrag als Vorsteuer abziehen könnte. Bei der Ersatzleistung zur Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung einer Sache ist jener Zeitpunkt maßgebend, in dem der Ersatzberechtigte den Vorsteuerabzug unter der Annahme einer unverzüglichen Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung geltend machen könnte

OGH 20. November 1980, 8 Ob 167/80 (OLG Wien 18 R 21/80; LGZ Wien 36 Cg 832/78)

Text

Am 26. Mai 1978 wurde das Taxi des Klägers, Marke Mercedes 220 D, bei einem Verkehrsunfall beschädigt. Für den Ersatz des ganzen Schadens haften die Beklagten.

Der Kläger forderte zunächst u. a. gemäß einem Kostenvoranschlag eine Reparaturkostenablöse in der Höhe von 39 893.44 S, darin 6085.44 S Umsatzsteuer. Er ist als selbständiger Taxiunternehmer vorsteuerabzugsberechtigt, machte aber davon bisher keinen Gebrauch, weil er seinen PKW noch nicht reparieren ließ. Die Reparatur hätte zehn Arbeitstage erfordert und im Hinblick auf den Unfallstag am Freitag, dem 26. Mai 1978, am folgenden Montag, dem 29. Mai 1978, begonnen werden können. Während der Reparaturzeit von zehn Arbeitstagen wäre der Kläger täglich von etwa 15 Uhr bis etwa Mitternacht mit dem Taxi gefahren und erlitt somit einen Verdienstentgang während der zehn Tage Stehzeit von je 430 S, zusammen 4300 S. Der Kläger forderte die Beklagten erstmals am 27. Juni 1978 zur Zahlung auf, doch erhielt er keine Zahlung, insbesondere wurde der Nettoreparaturkostenbeitrag ohne Umsatzsteuer nicht angenommen. Die Beklagten haben dem Kläger am 20. März 1979 die gesamten Reparaturkosten einschließlich der Umsatzsteuer von 6085.44 S bezahlt.

Zuletzt forderte der Kläger unter Berücksichtigung der am 20. März 1979 erfolgten Zahlung der Beklagten von insgesamt 46 010 S an Schadenersatz 3817.44 S samt Anhang.

Die Beklagten beantragten Klagsabweisung und wendeten u. a. unter Berufung auf die schon am 20. März 1979 bezahlte Reparaturkostenablöse einschließlich der Umsatzsteuer den Rückersatzanspruch an Umsatzsteuer in der Höhe von 6085.44 compensando gegen die Klagsforderung ein.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit 3387.44 S samt Anhang als zu Recht, die eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und sprach dem Kläger 3387.44 S samt Anhang zu. Das Mehrbegehren von 430 S samt Anhang wies es ab.

Das Erstgericht vertrat die Auffassung, ein Rückersatzanspruch in Höhe der Umsatzsteuer von 6085.44 S gemäß Art. XII des Einführungsgesetzes zum Umsatzsteuergesetzes könnte in diesem Verfahren compensando nicht geltend gemacht werden, weil der Kläger bisher die Reparatur noch nicht durchführen ließ und daher noch keine Möglichkeit zum Vorsteuerabzug gehabt habe. Hinsichtlich des Rückersatzanspruches wäre jedenfalls ein weiterer Prozeß notwendig, weil dieser Anspruch die Höhe der Klagsforderung übersteige.

Das Gericht zweiter Instanz gab der gegen den klagsstattgebenden Teil der Entscheidung gerichteten Berufung der Beklagten Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Feststellung des Zurechtbestehens der Klagsforderung mit 3387.44 S samt Anhang, der eingewendeten Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung und somit im Sinne der Klagsabweisung ab.

Was den Rücksatzanspruch gemäß Art. XII Z. 3 EGzUStG 1972 anlange, sei die Rechtsprechung im wesentlichen darin einig, daß die Berechtigung zum Vorsteuerabzug die Bemessung des Ersatzes nicht berühre und daß der Ersatzpflichtige auf einen Rückersatzanspruch zu verweisen sei, der Zahlung des Ersatzbetrages einschließlich der Umsatzsteuer voraussetze. Der Kläger habe daher das vorprozessuale Zahlungsangebot u. a. in Höhe der Nettoreparaturkosten als Teilzahlung nicht anzunehmen brauchen. Die Geltendmachung des Rückersatzanspruches gemäß Art. XII Z. 3 EGzUStG 1972 beschränke sich aber keineswegs auf eine Klage in einem vom Schadenersatzprozeß abgesonderten Rechtsstreit, sondern könne auch einredeweise geltend gemacht werden. Wie feststehe, hätte der Kläger die Reparatur innerhalb von zehn Arbeitstagen durchführen lassen können. Die Reparaturkosten einschließlich Umsatzsteuer seien ihm am 20. März 1979 bezahlt und ihm damit die Möglichkeit zur Wiederherstellung seines PKW gegeben worden. Es könne daher im Hinblick auf § 21 UStG 1972 keinem Zweifel unterliegen, daß der Kläger bei unverzüglicher Wiederherstellung im Sinne des Art. XII Z. 3 EGzUStG 1972 und entsprechender Leistung einer Umsatzsteuer im Rahmen der Reparaturkosten zum Zeitpunkt der Compensando-Einrede in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 24. September 1979 längst in der Lage gewesen wäre, den Vorsteuerabzug in Höhe der Umsatzsteuer geltend zu machen. Nur auf diese Möglichkeit komme es aber an, sodaß es unerheblich sei, daß der Kläger die Reparatur bisher nicht habe durchführen lassen und eine umsatzsteuerpflichtige Leistung, die ihn zum Vorsteuerabzug berechtige, bisher nicht in Anspruch genommen habe. Daß der Kläger vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer sei, sei nicht strittig. Die compensando eingewendete Gegenforderung bestehe daher bis zur Höhe der Klagsforderung zu Recht, sodaß das Klagebegehren abzuweisen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Bestimmung des Art. XII Z. 3 EGzUStG 1972 wurde erst im Zuge der parlamentarischen Beratungen der Regierungsvorlage eines Bundesgesetzes über die Einführung des UStG 1972 in den Gesetzestext aufgenommen (s. Regierungsvorlage 227 BlgNR, XIII. GP und Bericht des Finanz- und Budgetausschusses hiezu 383 BlgNR, XIII. GP). Der Gesetzgeber wollte damit, wie dem angeführten Bericht des Finanz- und Budgetausschusses zu entnehmen ist, einerseits der im Zuge des Begutachtungsverfahrens erhobenen Forderung Rechnung tragen, daß bei Ersatzleistungen Vorsteuerbeträge dann nicht bei der Bemessung des Ersatzes dem Ersatzpflichtigen angelastet werden können, wenn der Ersatzberechtigte zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, und andererseits sicherstellen, daß Schadenersatzprozesse nicht durch Aufrollen steuerrechtlicher Fragen erschwert oder verzögert werden. Zur Begründung der Notwendigkeit einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung wurde auf die widersprüchliche Judikatur zu dieser Frage in der Bundesrepublik Deutschland hingewiesen, die auf das Fehlen einer diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmung zurückzuführen ist (vgl. Huber - Hofinger, Zivilrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Einführung des Umsatzsteuergesetzes 1972, ÖJZ 1975, 337 ff., insbesondere 344).

Aus der allgemeinen Erwägung, Steuerfragen aus dem Schadenersatzprozeß auszuklammern, bestimmt daher Art. XII Z. 3 EGzUStG 1972 einleitend, daß der Umstand, daß jemand, der Anspruch auf Ersatz für eine Sache oder Leistung hat, als Unternehmer zum Abzug von Vorsteuern (§ 12 UStG 1972) berechtigt ist, an sich die Bemessung des Ersatzes nicht berührt. Ist nach den zivilrechtlichen Bestimmungen Schadenersatz einschließlich Umsatzsteuer zu leisten, wie dies nach ständiger Rechtsprechung etwa beim Ersatz von Fahrzeugschäden durch Zuspruch des angenommenen Reparaturkostenaufwandes der Fall ist, so gebührt diese Ersatzleistung dem Geschädigten ohne Rücksicht darauf, ob er vorsteuerabzugsberechtigt ist oder nicht (JBl. 1976, 44; EvBl. 1976/22; 8 Ob 238/76 u. a.). Dies kann dazu führen, daß der Geschädigte unter Umständen zunächst mehr erhält, als er etwa im Falle ordnungsgemäßer Reparatur der beschädigten Sache letzten Endes auslegen muß, nämlich dann, wenn der Geschädigte vorsteuerabzugsberechtigt ist und daher in der Lage ist, seinerseits die in der Reparaturrechnung ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer vom Staat ersetzt zu bekommen.

Der das Mehrwertsteuersystem beherrschende Grundsatz der offenen Überwälzung der Umsatzsteuer auf den Letztverbraucher und die in diesem Zusammenhang geschaffene Vorsteuerabzugsmöglichkeit der Unternehmer soll nach der Absicht des Gesetzgebers aber auch bei der Schadensbemessung nicht für immer unbeachtet bleiben, sondern letzten Endes dem Ersatzpflichtigen als schadensmindernder Umstand zugute kommen. Daher räumt das Gesetz dem Ersatzpflichtigen, der zunächst einmal auf Verlangen des Geschädigten Schadenersatz ohne Rücksicht auf eine allfällige Vorsteuerabzugsmöglichkeit des Berechtigten zu leisten hat, im Art. XII Z. 3 EGzUStG 1972 einen besonderen, nicht auf allgemeinen zivilrechtlichen Rückforderungstatbeständen beruhenden Rückersatzanspruch in Höhe des Umsatzsteuerbetrages insoweit ein, als der Ersatzberechtigte diesen Betrag als Vorsteuer abziehen könnte. Der Gesetzgeber geht dabei von der abstrakten Möglichkeit des Vorsteuerabzuges durch den Geschädigten aus (arg.: "... abziehen könnte"; vgl. Dorazil - Frühwald - Hock - Mayer - Paukowitsch, Komm. z. UStG 1972 I, 282/7). Es kommt für das Entstehen des Rückersatzanspruches nicht darauf an, ob der Geschädigte von der Vorsteuerabzugsmöglichkeit tatsächlich Gebrauch macht, sondern nur darauf, ob er hiezu berechtigt wäre. Dabei müssen Umstände, die allein in seinem Willensbereich liegen, außer Betracht bleiben; er muß sich dem Ersatzpflichtigen gegenüber so behandeln lassen, als ob er den Ersatzbetrag bestimmungsgemäß verwendet hätte. Dabei erklärt das Gesetz für den Fall der Ersatzleistung zur Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung einer Sache oder Leistung jenen Zeitpunkt für die Entstehung des Rückersatzanspruches als maßgebend, in dem der Ersatzberechtigte den Vorsteuerabzug unter der Annahme einer unverzüglichen Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung geltend machen könnte (in diesem Sinne im Ergebnis auch Selb, Schadenersatz und Mehrwertsteuer, ÖstZ 1974, 74 ff.). Nach wie vor steht es dem Ersatzberechtigten frei, ob und in welcher Weise er den zur Abgeltung seines Schadens erhaltenen Ersatzbetrag auch tatsächlich zur Behebung des Schadens verwenden will (vgl. Koziol, Haftpflichtrecht I, 21 ff., 147, 149; ZVR 1975/55 und 69; ZVR 1971/55; ZVR 1961/313 u. a.). Diese Entscheidung darf nur nicht zu Lasten des Ersatzpflichtigen gehen. Wenn der vorsteuerabzugsberechtigte Geschädigte darauf verzichtet, die Voraussetzungen für einen möglichen Vorsteuerabzug - etwa durch Beschaffung einer vorsteuerabzugstauglichen Reparaturkostenrechnung (§ 11 UStG 1972) - zu schaffen, so ist das seine Sache; der Ersatzpflichtige kann dadurch jedenfalls nicht um den ihm sonst zustehenden Rückersatzanspruch gebracht werden. Für den vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten besteht nach dem UStG 1972 die Möglichkeit des Vorsteuerabzuges und damit der Überwälzung der Umsatzsteuer im Wege des Vorsteuerabzuges auf den Staat; der Vorsteuerabzugsberechtigte braucht daher diesen Schadensteil nicht endgültig selbst zu tragen, sondern kann seinen Schaden durch Ausnützung der Vorsteuerabzugsmöglichkeit entsprechend geringer halten. Durch die Bestimmung des Art. XII Z. 3 EGzUStG 1972 soll nur gewährleistet werden, daß die Auswirkungen der Vorsteuerabzugsmöglichkeit auf die Schadenshöhe zwecks Vermeidung von Erschwerungen und Verzögerungen des Schadenersatzprozesses zunächst ausgeklammert bleiben und einem allfälligen Regreßprozeß vorbehalten werden, dessen Kostenrisiko der Geschädigte zu tragen hat, als er ungeachtet der ihm offenstehenden Möglichkeit des Vorsteuerabzuges mehr als Schadenersatz verlangt hat, als er bei ordnungsgemäßer und unverzüglicher Schadensbehebung hiefür aus eigenem aufwenden hätte müssen (vgl. EvBl. 1979/56). Im vorliegenden Fall hat der Kläger von den Beklagten neben dem Ersatz der Reparaturkosten auch den Ersatz der darauf entfallenden Umsatzsteuer bereits im März 1979 erhalten. Damit erhielt er aber die Möglichkeit einer unverzüglichen Wiederherstellung des beschädigten Kraftfahrzeuges durch Durchführung der Reparatur. Er wäre daher, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, in der Lage gewesen, den Vorsteuerabzug unter der Annahme einer unverzüglichen Wiederherstellung des beschädigten Kraftfahrzeuges (Art. XII Z. 3 EGzUStG 1972) ohne Schwierigkeiten bereits vor der Tagsatzung vom 24. September 1979, in der die Beklagten den Rückersatzanspruch an Umsatzsteuer compensando einwendeten, geltend zu machen, wozu er als vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer auch berechtigt gewesen wäre. Hat er dies aber unterlassen, konnte er den ersatzpflichtigen Schädiger (hier den Erstbeklagten) dadurch, wie oben dargelegt, nicht um den ihm sonst zustehenden Rückersatzanspruch bringen. Damit waren aber die Beklagten zur einredeweisen Geltendmachung des dem Erstbeklagten zustehenden Rückersatzanspruches in dem vom Kläger gegen sie geführten Schadenersatzprozeß berechtigt (vgl. EvBl. 1978/28).

Anmerkung

Z53154

Schlagworte

Schadenersatz, Rückersatzanspruch des Schädigers gegen, Vorsteuerabzugsberechtigten, Umsatzsteuer, Rückersatzanspruch des Schädigers gegen, Vorsteuerabzugsberechtigten, Vorsteuerabzugbetrag, Rückforderungsanspruch des -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0080OB00167.8.1120.000

Dokumentnummer

JJT_19801120_OGH0002_0080OB00167_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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