TE OGH 1980/12/9 10Os181/79

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Veröffentlicht am 09.12.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Braitenberg-Zennenberg als Schriftführer in der Strafsache gegen Erich A wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 26. September 1979, GZ. 19 Vr 235/79-15, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erich A des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er am 14. August 1978 in Waidhofen an der Ybbs als Bürgermeister dieser Statutarstadt mit dem Vorsatz, das Bundesland Niederösterreich in seinem konkreten Recht, Wohnbauten außerhalb des verbauten Gebietes nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen zuzulassen, zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, durch die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung eines Einfamilienhauses mit Garage auf einem im Grünland gelegenen Grundstück an Josef B und Margarethe B wissentlich mißbrauchte.

Nach den hier relevanten Urteilsfeststellungen erließ der Angeklagte diesen Bescheid in voller Kenntnis dessen, daß bei der gegebenen Sach- und Rechtslage eine Bewilligung des Ansuchens um Erteilung einer Baubewilligung unzulässig war; das Erstgericht nahm als erwiesen an, daß ihm dabei das Fehlen der Voraussetzungen für eine Bewilligung des Bauvorhabens im Grünland gemäß § 19 Abs. 2 und 4 nö. ROG 1976 klar war und daß er auch die Nichtgenehmigung der vom Stadtsenat nach dem Ansuchen beschlossenen Umwidmung der Parzelle in Bauland durch die Landesregierung erwartete.

Rechtliche Beurteilung

Der auf Z 5 und 9 lit. b - der Sache nach lit. a -

des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch, mit der er die Urteilsannahmen anficht, er habe die ihm zustehende Befugnis zur Erteilung von Baubewilligungen wissentlich und mit Schädigungsvorsatz mißbraucht, kommt keine Berechtigung zu. Verfehlt ist zunächst die Mängelrüge (Z 5).

Mit dem Einwand, das Erstgericht habe die festgestellten Tatsachen, daß er von der (ohnedies) bevorgestandenen Schenkung des Grundstückes an die Bauwerber gewußt, diesen die Einbringung des Umwidmungsantrags angeraten, den Stadtsenat damit befaßt und die Akten nach dessen bewilligendem Beschluß sofort an die Landesregierung zur Genehmigung weitergeleitet habe, zu Unrecht nicht dahin gewürdigt, daß es daraus seine Gutgläubigkeit hinsichtlich der Rechtmäßigkeit seines Vorgehens abgeleitet habe, unternimmt der Beschwerdeführer, wie schon die Wiedergabe seiner Ausführungen zeigt, nur einen unzulässigen und daher nicht weiter erörterungsbedürftigen Angriff auf die schöffengerichtliche Beweiswürdigung, ohne formelle Begründungsmängel des Urteils im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes auch nur zu behaupten. Das Gespräch des Angeklagten mit dem Zeugen E aber, der als Leiter der Magistratsabteilung 3 der Stadt Waidhofen an der Ybbs mit dem Ansuchen um Baubewilligung befaßt war und in der Hauptverhandlung bestätigte, der Angeklagte habe dabei die Hoffnung geäußert, daß der Raumordnungsbeirat der niederösterreichischen Landesregierung der Umwidmung des Grundstücks in Bauland zustimmen werde, und auch er selbst habe das erwartet, wird im Urteil ohnehin berücksichtigt (S 189 f), doch kam das erkennende Gericht aus verschiedenen Gründen (S 191, 199 f) zur Überzeugung, daß der Angeklagte diese Hoffnung nur vortäuschte, in Wahrheit aber mit einer derartigen Genehmigung gar nicht rechnete. Eine Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe liegt daher insoweit nicht vor.

Darin hinwieder, daß der Beschwerdeführer trotz massiver Hinweise auf eine Gesetzwidrigkeit seines Vorgehens - im Hinblick auf formale Mängel des Gesuchs (Nichtvorliegen des Nachweises einer Wasserversorgung, der Grundabteilung sowie des Eigentumserwerbs) und insbesondere auf das Fehlen der Voraussetzungen des § 19 nö. ROG 1976 für eine Baubewilligung im Grünland - nicht dafür Sorge trug, daß wenigstens im Spruch des bewilligenden Bescheids, wie vorgeschrieben (§ 59 Abs. 1 AVG), die angewendete Gesetzesbestimmung angeführt wurde, konnte das Erstgericht nach den Denkgesetzen und nach allgemeiner Lebenserfahrung ohne Rücksicht darauf, ob er nun dem Zeugen E (nur) eine pauschale Weisung zur Vorbereitung dieses Bescheids erteilte oder (gar) keine, durchaus ein gegen seine Gutgläubigkeit in Ansehung einer Rechtmäßigkeit der Baubewilligung sprechendes Indiz erblicken (S 189 f, 193, 197, 200 f); auch in dieser Richtung geht die Behauptung einer offenbar unzureichenden, unvollständigen oder (in sich) widersprüchlichen Urteilsbegründung fehl.

Keiner Erörterung bedurfte die Zeugenaussage des Magistratsdirektors Dr. F über die allgemeine rechtliche Problematik des § 19 nö. ROG 1976 und über seine eigene (subjektive) Ansicht bezüglich der Anwendbarkeit dieser Bestimmung im hier aktuellen Fall, hat doch das Schöffengericht - worauf es allein ankommt - eingehend dargetan, warum es (nichtsdestoweniger) für erwiesen hielt, daß jedenfalls der Angeklagte sich im konkreten Anlaßfall über die Unanwendbarkeit der in Rede stehenden Gesetzesstelle durchaus im klaren war (S 195 f; 200/190, 193, 197; 200 f); die Bezugnahme des Beschwerdeführers auf dazu in einem Kommentar vertretene Rechtsansichten hat es hiebei ohnedies ausführlich gewürdigt (S 195, 200 f). Auch ein von der Beschwerde insoweit behaupteter Widerspruch der Urteilsbegründung, der darin gelegen sein soll, daß das Erstgericht einerseits die angebliche Rechtsansicht des Angeklagten über die Anwendung des § 19 nö. ROG 1976

im vorliegenden Fall als 'lächerlich' bezeichnet, anderseits aber einräumt, daß die Lösung dieser Frage für einen juristischen Laien wie ihn nicht einfach sei (S 196), liegt nicht vor: die bezüglichen Urteilsausführungen sind in ihrem Zusammenhang (S 195 f iVm S 189 f, 193, 197, 200 f) unmißverständlich als beweiswürdigende Erwägung des erkennenden Senats dahin zu verstehen, daß sich der Beschwerdeführer als juristischer Laie zur Klärung der für einen solchen an sich nicht leicht zu lösenden Frage nach der Anwendbarkeit des § 19 nö. ROG 1976 im gegebenen Fall sicherlich an Dr. F als den einzigen rechtskundigen Beamten im Magistrat gewandt hätte, wenn er nicht schon auf Grund der (in den Entscheidungsgründen dargelegten) konkreten Umstände dieses Falles überzeugt gewesen wäre, daß die Anwendung der bezeichneten Gesetzesstelle hier keinesfalls in Betracht kommen konnte; einander widersprechende Tatsachenfeststellungen, die nach den Gesetzen logischen Denkens nicht nebeneinander bestehen können, sind darin nicht zu erblicken. Dem Beschwerdevorbringen zuwider findet ferner die Konstatierung, daß dem Angeklagten zur Prüfung des Vorliegens der Anwendbarkeitsvoraussetzungen des § 19 nö. ROG 1976 im Tatsächlichen vor der Erteilung der Baubewilligung nur eine Auskunft der Eheleute B - und nicht auch eine solche der Ehegatten G - zur Verfügung stand (S 195), in dessen eigener Verantwortung in der Hauptverhandlung (S 176) volle Deckung; einer Erörterung der in der Mängelrüge relevierten Verfahrensergebnisse bedurfte es, weil teils nicht gegenteilig (S 41, 127, 143, 182) und teils insoweit nicht ganz klar (S 178 f) nicht. Ebensowenig bestand schließlich für das Schöffengericht auf Grund allgemeiner Lebenserfahrung Anlaß, sich damit auseinanderzusetzen, ob der Beschwerdeführer (gleichwohl als juristischer Laie, aber doch immerhin) als Bürgermeister der Statutarstadt Waidhofen an der Ybbs etwa (wie in der Beschwerde mit dem vergleichenden Hinweis auf § 6 Abs. 1 StGB angedeutet) nach seinen körperlichen oder geistigen Fähigkeiten außerstande gewesen sein könnte, die ihm im Urteil zugemuteten einfachen Überlegungen - bei einer Absicht, das Bauvorhaben legal nach § 19 nö. ROG 1976 zu bewilligen: Beendigung des eingeleiteten Umwidmungsverfahrens zur Vermeidung einer unhaltbaren Rechtslage und eines finanziellen Aufwands (auch) für die (von ihm unterstützten) Bauwerber (S 201) - anzustellen.

In Ausführung seiner Rechtsrüge (inhaltlich Z 9 lit. a) reklamiert der Angeklagte eine rechtliche Beurteilung seines Tatverhaltens in subjektiver Hinsicht dahin, daß ihm bezüglich der Anwendbarkeit des § 19 nö. ROG 1976

sowie der Zulässigkeit einer Umwidmung des Grundstücks ein 'schuldausschließender, nicht vorwerfbarer Verbotsirrtum - Rechtsirrtum im Sinne des § 9 StGB' unterlaufen sei, womit er der Sache nach, wie an anderer Stelle der Beschwerde (S 209) richtig erkannt wird, die Annahmen einer Wissentlichkeit seines Befugnismißbrauchs sowie seines Schädigungsvorsatzes anficht. Dabei geht er jedoch nicht von den Urteilsfeststellungen aus, nach denen er (zum einen) einem derartigen Irrtum hinsichtlich der Anwendbarkeit der in Rede stehenden Ausnahmsbestimmung gar nicht unterlag und (zum anderen) jedenfalls die (in der Folge tatsächlich eingetretene) Nichtgenehmigung der Grundstücksumwidmung in Bauland erwartete, sondern von seiner eigenen, vom Erstgericht als widerlegt angesehenen Verantwortung, mit der er in beide Richtungen hin Gutgläubigkeit vorschützte. Solcherart bringt er folglich den geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund, der nur durch einen Vergleich des im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz dargetan werden kann, nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO) und teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§§ 285 d Abs. 1 Z 1, 285 a Z 2 StPO) schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen. Über die Berufung ist hingegen abgesondert bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung zu entscheiden (§ 296 Abs. 3 StPO). Dazu, sich für diesen Gerichtstag die vom Beschwerdeführer in einem nachgereichten Schriftsatz - mit der Begründung, daß ein vom Schöffengericht angenommenes Recht des Bundeslandes Niederösterreich, 'Wohnbauten außerhalb des verbauten Gebietes nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen zuzulassen', auf dessen Schädigung sein Vorsatz nach der Formulierung des Urteilstenors gerichtet war, nicht existiere - angeregte Maßnahme nach § 290 Abs. 1

StPO vorzubehalten, findet der Oberste Gerichtshof keinen Anlaß: Das durch verschiedene Gesetzesbestimmungen (vgl. hier insb. § 98 Abs. 2 nö. BauO 1976, § 19 Abs. 4 nö. ROG 1976) zu einem konkreten öffentlichen Recht objektivierte Interesse der Allgemeinheit daran, daß Wohngebäude auf Grünland nur in gesetzlich umschriebenen Ausnahmefällen errichtet werden, zählt - der Auffassung des Beschwerdeführers zuwider - ohne Rücksicht darauf, wer im Einzelfall als Träger dieses Rechtes in Erscheinung tritt sowie ob und (bejahendenfalls) durch wen und wie es gegen ein ihm zuwiderlaufendes (rechtswidriges) Verhalten eines Organes (des betreffenden Rechtsträgers selbst oder einer anderen Person des öffentlichen Rechts) durchsetzbar ist, jedenfalls zum Schutzbereich des § 302 StGB; eben dieses konkrete öffentliche Recht aber ist es, welches - nach dem Inhalt des gesamten Urteils (ungeachtet des gewiß anfechtbaren Wortlauts seiner Umschreibung im Spruch) unmißverständlich (vgl. insbes. S 198, 202) - bei der wissentlich mißbräuchlichen Erteilung der gesetzwidrigen Baubewilligung vom Schädigungsvorsatz des Angeklagten umfaßt war.

Anmerkung

E02927

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0100OS00181.79.1209.000

Dokumentnummer

JJT_19801209_OGH0002_0100OS00181_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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