TE OGH 1980/12/17 11Os159/80

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Veröffentlicht am 17.12.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Reissner als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl A u.a. wegen des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach dem § 298 Abs. 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Franz B gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24.Juni 1980, GZ 1 b Vr 11.174/79-31, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem den Angeklagten Franz B betreffenden Schuld- und Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Franz B auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 13.Juni 1959 geborene Karl A und der am 14.September 1950

geborene Franz B des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach dem § 298 Abs. 1 StGB (Punkt 2 des Urteilssatzes), Karl A überdies des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach den §§ 15, 146, 147 Abs. 2 StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen unternahmen die beiden Angeklagten am Abend des 15.November 1979

in Wien eine Fahrt mit dem PKW des A. Als das Fahrzeug in der Klosterneuburger Straße unerwartet streikte, wurde es von den beiden Angeklagten an den Fahrbahnrand geschoben und versperrt abgestellt. A und B suchten ein nahegelegenes Gasthaus auf. Dort erklärte B plötzlich, er werde versuchen, ob sich das Fahrzeug nicht doch starten lasse, ergriff die auf dem Tisch liegenden Fahrzeugschlüssel, wogegen A keinen Einwand erhob, und entfernte sich. Als es ihm gelang, den Motor in Gang zu setzen, fuhr er mit dem PKW los und beschädigte schließlich infolge unangepaßter Fahrweise zwei abgestellte Kraftfahrzeuge. Von einem Espresso aus bat er nun A telefonisch zu sich und teilte ihm nach dem Eintreffen das Vorgefallene mit. Auf Vorschlag BS erstattete A - um einerseits eine Bestrafung des B wegen Fahrens ohne Führerschein und anderseits einen Regreß seiner eigenen Versicherung abzuwenden - auf dem Polizeiwachzimmer Pappenheimgasse Anzeige darüber, daß ihm sein Kraftfahrzeug in der Zeit zwischen 20,30 Uhr und 21,50 Uhr von unbekannten Tätern gestohlen worden sei. Auch seinem Haftpflichtversicherer machte er später im gleichen Sinn Meldung. Nur der Angeklagte B bekämpft dieses Urteil im (auch ihn betreffenden) Schuldspruchfaktum 2 mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt jedenfalls aus dem letzterwähnten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zu.

Der Tatbestand des § 298 Abs. 1 StPO hat unter anderem zur Voraussetzung, daß eine mit (gerichtlicher) Strafe bedrohte Handlung vorgetäuscht wurde. Dieses Erfordernis ist aber nur dann erfüllt, wenn die (zumindest behauptete) Straftat tatsächlich nicht begangen wurde, also eine erfundene ist. Demnach reicht auch das Verändern von Tatumständen (wie Ort und Zeit der Tat), die ohne wesentliche Bedeutung sind, oder von Umständen, die sich nur auf die rechtliche Beurteilung der Tat beziehen, für das Tatbild nicht aus (vgl. Dokumentation zum StGB S 233). Gleiches muß - entgegen der in einigen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (siehe SSt. 47/19 = RZ 1976, 105) sowie von Zipf, RZ 1976, 195 und Pallin, Wiener Kommentar RZ 4 zu § 298 StGB, vertretenen Auffassung - für die bloße Auswechslung des Täters einer (wirklich verübten) Straftat gelten, denn nach der Zielsetzung des Strafgesetzbuches sollte dessen § 298 nur dann zur Anwendung kommen, wenn die in Rede stehende Straftat überhaupt nicht begangen wurde. Insbesondere sollte dadurch verhindert werden, daß die davon betroffenen Behörden und Organe des Staates zu Amtshandlungen verleitet werden, die ihrer Bestimmung - strafbaren Handlungen vorzubeugen und begangene Straftaten aufzuklären - geradezu zuwiderlaufen (Erl. zur RV, 30 d.Blg. XIII GP 448). Wurde hingegen die vorgetäuschte Straftat tatsächlich verübt, in der Information an die Behörde aber eine andere bestimmte Person fälschlich als Täter bezeichnet, so bedurfte es nicht eines neuen Tatbildes, weil ein solches Verhalten ohne weiteres (wie bisher) unter dem Gesichtspunkt der Verleumdung verfolgt werden konnte (Liebscher, JBl. 1976, 570). Eine ausdehnende Interpretation des § 298 StGB (im Sinn der vorzitierten Entscheidung) ist nicht geboten, weil die Falschbezichtigung eines Dritten durch den § 297 StGB, die Verschweigung des wahren Täters (um ihn vor Verfolgung zu schützen) durch den § 299 StGB, die falsche Selbstbezichtigung einer verübten Straftat aber im allgemeinen - je nach Sachlage - durch die letztgenannte Strafnorm oder durch den § 108 StGB erfaßt werden (vgl. Foregger-Serini, MKK2 481; Leukauf-Steininger2 RN 3 zu § 298 StGB). Der primäre Zweck des § 298 StGB ist (bloß) in der - auf den Fall einer erfundenen Straftat beschränkten - Abwehr vorsätzlicher unnützer Inanspruchnahme der Rechtspflege zu erblicken (Burgstaller, RZ 1977, 3; Erl. zur RV, 30 d.Blg. XIII GP 448).

Auf den vorliegenden Sachverhalt angewendet bedeutet dies, daß der vom Angeklagten A im Polizeiwachzimmer Pappenheimgasse zur Anzeige gebrachte (Gebrauchs-)Diebstahl nur dann vorgetäuscht (im Sinn des § 298 Abs. 1 StGB) war, wenn dieser Angeklagte dabei im Bewußtsein handelte, Franz B habe sich für befugt halten können, das Fahrzeug zu benützen. (Wurde allerdings A - was das Schöffengericht nicht unbedingt als gegeben annahm - erst durch B zur Tat bestimmt, dann genügt zur Tatbestandserfüllung für den Letztgenannten dessen Bewußtsein, das Fahrzeug mit Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch genommen zu haben /vgl. Foregger-Serini2 Anm. IV zu § 12 StGB;

Leukauf-Steininger2 RN 22, 23 und 28 zu § 12 StGB /). Hierüber fehlen im Urteil eindeutige Feststellungen. Insbesondere bezieht sich die Formulierung '... ohne daß letzterer dagegen einen Einwand erhob ...' (S 157 d.A) zwar auf die Ansichnahme der Fahrzeugschlüssel durch B, jedoch im Zusammenhang mit dessen erklärtem Vorhaben, (bloß) einen Startversuch unternehmen zu wollen. Aus einem unterlassenen Widerspruch hiezu kann - besonders unter den sonstigen nicht nochmals erwähnungsbedürftigen Umständen dieses Falles - nicht ohne weiteres eine Zustimmung zu einer mit Ortsveränderung des Fahrzeuges verbundenen Gebrauchnahme abgeleitet werden. Lag aber aus der Sicht der Angeklagten ein unbefugter Gebrauch des PKW durch B vor, erfüllt die nachmalige Anzeigeerstattung aus den bereits dargelegten Erwägungen nicht den Tatbestand des § 298 Abs. 1 StGB.

Allerdings hätte die Tat AS dann unter der weiteren Annahme, von der das Erstgericht erkennbar ausging (siehe S 147 und 149 des Aktes), der Angeklagte habe den Täter nicht benannt, um ihn der Strafverfolgung (§ 136 StGB) zu entziehen, rechtsrichtig dem - mit strengerer Strafe bedrohten - § 299 Abs. 1 StGB unterstellt werden müssen. Eine Beurteilung, die den Beschwerdeführer wegen des Strafbefreiungsgrundes nach Abs. 2 dieser Gesetzesnorm nicht berührt, wohl aber ein amtswegiges Vorgehen nach dem § 290 Abs. 1 StPO (beneficium cohaesionis) zugunsten des Mitangeklagten im Schuldspruchfaktum 2 ausschließt.

Der vorerwähnte Feststellungsmangel läßt jedoch das Urteil in dem den Angeklagten B betreffenden Schuldspruch mit der in der Beschwerde zutreffend geltend gemachten materiellen Nichtigkeit behaftet erscheinen. Da sich sohin zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst aber noch nicht einzutreten hat, war gemäß dem § 285 e StPO bereits in nichtöffentlicher Sitzung wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Mit seiner dadurch gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte B auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E03021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0110OS00159.8.1217.000

Dokumentnummer

JJT_19801217_OGH0002_0110OS00159_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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