TE OGH 1981/3/31 10Os19/81

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Veröffentlicht am 31.03.1981
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. März 1981 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. König als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter A und einen anderen wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 17. Juni 1980, GZ 5 a Vr 1694/79-22, hinsichtlich des Angeklagten Walter A erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, nach Verlesung der Rechtsmittelschrift, nach Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, und der Ausführungen des Verteidigers Dr. Weiss, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde unter anderem der (zur Tatzeit siebzehnjährige) Lehrling Walter A von der Anklage, er habe am 1. Jänner 1980 in Wien Gerhard B dadurch fahrlässig am Körper verletzt, daß er ein Kleinkalibergewehr samt Munition in einer fremden Wohnung offen liegen ließ, wobei es dem Zugriff mehrerer teilweise alkoholisierter Personen offen stand, sodaß es dazu kam, daß der abgesondert verfolgte Erwachsene Herbert C das Gewehr an sich nahm und gegen den zuvor Genannten abfeuerte, was einen Steckschuß in dessen Gesäßmuskel, also eine an sich schwere Verletzung zur Folge hatte, und er habe hiedurch das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Nach den hier wesentlichen Urteilsfeststellungen (S 234) hatte der Angeklagte das geladene - aber nicht schußbereite (S 136 f) - Gewehr, welches es er vorher zusammen mit Freunden zu Schießübungen im Freien benützt hatte, in die Wohnung des C mitgenommen, in der dann Silvester gefeiert wurde; er hatte es beim Weggehen wieder mitnehmen wollen und inzwischen unter dem Fenster auf den Boden gelegt. Dabei hatte er sich nichts weiter gedacht, C und dessen Gäste aber jedenfalls für verläßlich gehalten. Nach Mitternacht beschloß man, bereits leicht alkoholisiert, eine Diskothek zu besuchen. Nachdem die Gäste bereits weggegangen waren, erfuhr C vom Angeklagten, der deswegen zurückkam, daß vor dem Haus mit anderen Leuten ein Streit entstanden sei; um diesen zu beenden, schoß er eigenmächtig mit dem zurückgebliebenen Gewehr - welches er durchlud (S 137) - aus dem Fenster der im ersten Stock gelegenen Wohnung ungezielt auf die Straße, wobei er unglücklicherweise B traf. Der Angeklagte war mittlerweile schon wieder gegangen, hatte mit dem Schuß nichts zu tun und erfuhr davon erst später.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch kommt keine Berechtigung zu.

Mit dem Argument, der Angeklagte habe die dem Gerhard B durch Herbert C - fahrlässig - zugefügte Verletzung strafrechtlich ebensowenig zu verantworten wie beispielsweise der Benützer eines Kraftfahrzeuges, der dieses nicht ordnungsgemäß abgesperrt habe, die durch den Dieb oder unbefugten Benützer des Fahrzeugs bei dessen unbefugtem Gebrauch anderen Personen - fahrlässig - zugefügten Verletzungen (S 235), lehnte das Erstgericht der Sache nach die (objektive) Zurechnung der aus der (vorsätzlichen) Schußabgabe durch C entstandenen, dabei von letzterem fahrlässig herbeigeführten Verletzungs-Folgen (bei B) zu dem unter Anklage gestellten Tatverhalten des Angeklagten, nämlich dem Liegenlassen des Gewehrs samt Munition in einer fremden Wohnung derart, daß es dem Zugriff mehrerer, teilweise alkoholisierter Personen ausgesetzt war, ab. Dieser Auffassung ist beizupflichten.

Jenes spezielle Risiko, welches der Angeklagte durch das Liegenlassen des (zwar nicht schußbereiten, aber doch geladenen) Gewehrs in einer fremden Wohnung im besonderen dadurch einging, daß dort eine Silvester-Feier stattfand, ist durch das zur Verletzung des B führende (folgende) Tatgeschehen nicht realisiert worden. Denn der (eigenmächtige) Willensentschluß des C, mit dem Gewehr zu schießen, entsprang keineswegs dieser (bereits abgeschlossenen) Situation, sondern vielmehr dem (folgenden) Streit auf der Straße (mit anderen Personen), der damit in keinem sachlichen Zusammenhang stand. Insoweit fehlt demnach tatsächlich zwischen dem eingetretenen Verletzungs-Erfolg und dem - dafür gewiß (einleitend) mitursächlichen - objektiven Sorgfaltsverstoß des Angeklagten ein (spezifischer) Risikozusammenhang, also jener (unmittelbare) normative Konnex, der für die dem Fahrlässigkeitsbegriff (§ 6 StGB) immanente Annahme vorauszusetzen ist, daß sich der verpönte Erfolg als Verwirklichung gerade desjenigen Risikos darstellt, auf dessen Abwendung die vom Täter verletzte Sorgfaltspflicht abzielt (vgl Burgstaller im Wiener Kommentar, RN 64, 65, 68, 70 zu § 6; Kienapfel, BT I, RN 137-139, 143 zu § 80; Leukauf-Steininger, StGB2, RN 25, 27-30, 33, 34 zu den Vorbem. zu § 1, RN 7 zu § 80;

Hörburger, ÖJZ 1974, S 566). Die auf die Schaffung einer speziell mit der Silvester-Feier zusammenhängenden Gefahrenlage durch den Angeklagten abgestellten Beschwerdeeinwände (im Rahmen beider geltend gemachten Nichtigkeitsgründe) gehen daher schon deswegen fehl.

In Ansehung der (darüber hinausgehenden) anderen Risikosphäre aber, die der Angeklagte ohne Zusammenhang mit der besonderen Situation am Silvester-Tag dadurch aktualisierte, daß er das geladene Gewehr überhaupt in der Wohnung (gerade) des Herbert C ohne gezielte Sicherheitsvorkehrungen ablegte und zurückließ, hat das Erstgericht die - mit der Bezugnahme auf die Angaben beider Beteiligten (S 235, 224) ausreichend begründete - Feststellung getroffen, daß der Angeklagte (auch) C für verläßlich hielt. Besondere, von der vorerwähnten speziellen Situation unabhängige Umstände, nach denen dieses vom Angeklagten dem (unbescholtenen - S 101) C entgegengebrachte Vertrauen, jener werde das in seiner Wohnung abgelegte Gewehr nicht mißbräuchlich verwenden, nach dem (objektiven) Sorgfaltsmaßstab eines sich seiner Pflichten gegenüber der Umwelt bewußten Menschen aus dem Lebensbereich des Angeklagten als Leichtsinn zu beurteilen wären, sind in der Beschwerde nicht behauptet worden; Feststellungen darüber wären auch nach der Aktenlage gar nicht indiziert gewesen. Hinsichtlich dieser (anderen) weiteren Risikosphäre scheidet demnach schon die Annahme einer (darauf bezogenen) objektiven Sorgfaltswidrigkeit aus. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Anmerkung

E03084

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0100OS00019.81.0331.000

Dokumentnummer

JJT_19810331_OGH0002_0100OS00019_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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