TE OGH 1981/4/7 4Ob24/81

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Veröffentlicht am 07.04.1981
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Norm

ArbVerfG §90
ZPO §1

Kopf

SZ 54/49

Spruch

Der Betriebsrat ist nicht der (gesetzliche) Vertreter der Belegschaft oder einzelner Arbeitnehmer in bezug auf deren privatrechtlichen Ansprüche (hier: Feststellung einer Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers)

OGH 7. April 1981, 4 Ob 24/81 (KG Wels 17 Cg 18/80; ArbG Bad Ischl Cr 26/80)

Text

Die klagende Partei ist der Betriebsrat des Betriebes "Bau und Maschinenhof S der Österreichischen Bundesforste" in E. Sie begehrt die Feststellung der Verpflichtung des Betriebsinhabers, der beklagten Partei Republik Österreich, Österreichische Bundesforste, allen Arbeitnehmern mindestens einmal in jedem Kalenderhalbjahr das Entgelt fortzuzahlen, wenn die Arbeitnehmer durch Teilnahme an einer Betriebsversammlung an der Arbeitsleistung verhindert sind. In der Begründung geht die klagende Partei von der in § 43 Abs. 1 ArbVG zwingend vorgeschriebenen Abhaltung einer Betriebsversammlung in jedem Kalenderhalbjahr aus. Der gegenständliche Betrieb sei jedoch so organisiert, daß die Abhaltung von Betriebsversammlungen oder von Teilversammlungen außerhalb der Arbeitszeit nicht möglich sei. Die etwa 200 Arbeitnehmer des Betriebes seien über vier Bundesländer in kleinen Gruppen verteilt und müßten zum Teil bis zu 200 km zu einer Betriebsversammlung anreisen. Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen sei das Entgelt fortzuzahlen, wenn ein Arbeitnehmer durch Umstände, die auf Seite des Arbeitgebers liegen, daran gehindert sei, die Arbeit zu erbringen (§ 1155 ABGB), oder wenn ein Arbeitnehmer aus wichtigen Gründen an der Dienstleistung verhindert sei (§ 23 oö LandesarbeitsO). Der überwiegenden Anzahl der Arbeitnehmer sei die Teilnahme an einer außerhalb der Arbeitszeit stattfindenden Betriebsversammlung im Hinblick auf die besondere Organisation und den Aufgabenbereich nicht zumutbar.

Die beklagte Partei bestritt die Parteifähigkeit sowie die Aktivlegitimation der klagenden Partei und beantragte Klageabweisung, im wesentlichen unter Hinweis auf das Fehlen einer im § 47 Abs. 1 ArbVG vorgesehenen Betriebsvereinbarung und mangels Vorliegens eines sonstigen Rechtsgrundes.

Das Erstgericht verwarf mit einem in die Urteilsausfertigung aufgenommenen Beschluß "die Einreden der mangelnden Parteifähigkeit und fehlenden aktiven Klagelegitimation" und wies das Klagebegehren mit Urteil ab. Der Betriebsrat sei, wenn auch in beschränktem Umfang, Träger von Rechten und Pflichten und somit parteifähig. Im Hinblick auf die dem Betriebsrat in §§ 89 und 90 ArbVG eingeräumten Rechte und auf die künftigen Auswirkungen der Feststellungsklage sei auch die Aktivlegitimation zu bejahen. Aus der Bestimmung des § 47 Abs. 1 ArbVG ergebe sich, daß ein Lohnfortzahlungsanspruch für die Zeit der Teilnahme an einer Betriebsversammlung nur nach Maßgabe einer Betriebsvereinbarung oder eines Kollektivvertrages bestehe. Aus den Bestimmungen der §§ 1154b, 1155 ABGB oder des 23 oöLandesarbeitsO könne mangels Vorliegens der Voraussetzungen dieser Vorschriften ein Entgeltfortzahlungsanspruch nicht abgeleitet werden.

Das Berufungsgericht bestätigte die gesamte Entscheidung des Erstgerichtes mit der Maßgabe, daß es den die "Verwerfung der Einrede der mangelnden Klagelegitimation" betreffenden Teil des Spruches in seine Entscheidung nicht aufnahm; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 30 000 S übersteige. Das Berufungsgericht teilte die Auffassung des Erstgerichtes über die Parteifähigkeit der klagenden Partei und deren Klagelegitimation. Für die Durchsetzung der dem Betriebsrat nach § 89 und § 90 ArbVG zustehenden Maßnahmen kämen als Adressaten nicht nur der Betriebsinhaber, die Interessenvertretung sowie Amter und Behörden, sondern auch die Gerichte in Betracht. Da der Betriebsrat das Vertretungsorgan der Belegschaft des Betriebes sei, stehe ihm auch ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung zu. Für die Beurteilung des Entgeltfortzahlungsanspruches sei aber ausschließlich die eine lex specialis darstellende Bestimmung des § 47 Abs. 1 ArbVG maßgebend, die auf eine - im vorliegenden Fall aber nicht bestehende - Regelung durch Betriebsvereinbarung oder Kollektivvertrag verweise. Die allgemeinen Bestimmungen des ABGB oder des Land- und Forstarbeiterdienstrechtgesetzes kämen daher nicht zur Anwendung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Auffassung der Untergerichte über die Aktivlegitimation der klagenden Partei und deren rechtliches Interesse an der Feststellung der Entgeltfortzahlungspflicht der beklagten Partei kann nicht beigestimmt werden. Die Aktivlegitimation ist dann gegeben, wenn der Kläger zur Geltendmachung des konkreten Klageanspruches in eigener Person materiell berechtigt ist (Fasching II, 127; Petschek - Stagel, Der österreichische Zivilprozeß, 147).

Bei der Prüfung des Vorliegens dieser Voraussetzungen ist davon auszugehen, daß die klagende Partei den Feststellungsanspruch im eigenen Namen geltend macht, ohne sich etwa auf eine Zession des dem Klagebegehren zugrunde liegenden Entgeltanspruches - falls sie zulässig wäre - zu berufen. Da dem Feststellungsanspruch aber nicht ein Entgeltanspruch der klagenden Partei, sondern ein solcher Anspruch der Arbeitnehmer des gegenständlichen Betriebes zugrunde liegt, wäre die Sachlegitimation der klagenden Partei nur dann gegeben, wenn sie sich auf eine diesbezügliche gesetzliche Berechtigung berufen könnte. Dem Betriebsrat steht eine solche Berechtigung allerdings nur nach Maßgabe der Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes zu. Materieller Träger der betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse (betrieblichen Mitwirkungsrechte) ist die Belegschaft (Arbeitnehmerschaft) eines Betriebes; ihr gesetzlicher direkter Vertreter ist der Betriebsrat (Floretta im Handkommentar 252). Daraus folgt, daß der Betriebsrat nicht der (gesetzliche) Vertreter der Belegschaft oder einzelner Arbeitnehmer in bezug auf deren privatrechtliche Ansprüche ist. Gerade die von den Untergerichten für maßgeblich gehaltenen Interventionsrechte des Betriebsrates (§§ 89, 90 ArbVG) gehören ausschließlich dem betriebsverfassungsrechtlichen und nicht dem privatrechtlichen Bereich an. Streitigkeiten über diese Befugnisse und deren Ausübung durch die Belegschaftsorgane gehören daher nicht auf den Rechtsweg, sondern sind gemäß § 157 Abs. 1 Z. 5 ArbVG vom Einigungsamt zu entscheiden (Strasser a.a.O., 479, 483). Für die Vertretung der Belegschaft durch den Betriebsrat im privatrechtlichen, durch das ArbVG nicht geregelten Bereich fehlt es daher an einer gesetzlichen Grundlage. Der Betriebsrat ist somit zur Geltendmachung privatrechtlicher Ansprüche der Belegschaft mangels Vorliegens eines eigenen privatrechtlichen rechtsbegrundenden Aktes nicht berechtigt. Daraus folgt für den vorliegenden Fall, daß der Feststellungsanspruch der klagenden Partei schon mangels Vorliegens der Aktivlegitimation nicht berechtigt ist, so daß auf die Frage des rechtlichen Interesses der klagenden Partei an der begehrten Feststellung (vgl. dazu EvBl. 1957/150; Fasching III, 66) sowie des materiellen Bestandes des dem Feststellungsbegehren zugrunde liegenden Entgeltfortzahlungsanspruches der Arbeitnehmer des Betriebes der beklagten Partei nicht mehr einzugehen ist.

Anmerkung

Z54049

Schlagworte

Betriebsrat, Geltendmachung privatrechtlicher Arbeitnehmeransprüche

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0040OB00024.81.0407.000

Dokumentnummer

JJT_19810407_OGH0002_0040OB00024_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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