Norm
UWG §1Kopf
SZ 54/78
Spruch
Es ist sittenwidrig, Einzelhändler ohne vertragliche Grundlage in eine Werbeaktion so einzuspannen, daß sie entweder die Probeware bestellen oder riskieren müssen, Kunden zu verlieren OGH 19. Mai 1981, 4 Ob 364/81 (OLG Wien 1 R 208/80; KG St. Pölten 5 Cg 356/79)
Text
In einer Werbebroschüre kundigte die Beklagte unter dem Titel "Geben Sie jedem eine Flasche X-Bier" folgendes an:
"Am 21. September erscheint in der Kronen-Zeitung für Wien, Niederösterreich und Burgenland unsere Anzeige mit Gutschein für eine Gratisflasche X-Märzen zum Kennenlernen. Über 1.1 Millionen Zeitungsleser werden diese Anzeige lesen, viele, viele davon werden sich bei ihrem Kaufmann ihre Flasche Bier holen. Also auch bei IhnenÜ"
Auf dem vierten Blatt lautet die Überschrift "Wir geben jedem eine Flasche X-Bier gratisÜ" Weiters heißt es im Text dieses Blattes:
"Bierfreunde aufgepaßt, beim Kaufmann ist jetzt etwas losÜ Wir bei X sind überzeugt, eines der besten Biere Österreichs zu brauen. So richtig würzig und süffig, nach dem uralten Reinheitsgebot von 1516.
Davon wollen wir auch Sie überzeugen: Bei vielen Kaufleuten und Märkten bekommen Sie jetzt gegen Abgabe der nebenstehenden Flaschenabbildung eine Flasche X-Bier gratisÜ Fragen Sie einfach Ihren Kaufmann danachÜ"
Auf diesem Blatt ist auch in Farbe eine Flasche X-Bier abgebildet, versehen mit einer Markierung zum Ausschneiden.
Auf dem fünften Blatt dieser Werbebroschüre sind zwei Flaschen X-Bier abgebildet und der Text lautet: "Für jede Flasche X-Märzen, die Sie an Ihre Kunden aushändigen, refundieren wir Ihnen volle zwei FlaschenÜ Ist das ein Wort? Aber nicht unser letztesÜ Denn wir wollen Sie auch bei der Erstbevorratung wirkungsvoll unterstützen (alles nähere erzählt Ihnen ihr X-Betreuer mündlich)."
Unter Hinweis auf diese Werbebroschüre beantragte der klagende Verband, die Beklagte schuldig zu erkennen "im geschäftlichen Verkehr, insbesondere in einer Tageszeitung, die Ankündigung zu unterlassen, jeder könne gegen Abgabe der in der Zeitungsankündigung dargestellten Flaschenabbildung eine Flasche X-Bier gratis bei seinem Kaufmann holen. Ferner beantragte die Klägerin, sie zur Veröffentlichung des Urteilsspruches auf Kosten der Beklagten zu ermächtigen. Die Klägerin machte im wesentlichen geltend, das Verhalten der Beklagten verstoße gegen § 1 UWG. Es liege auf der Hand, daß dadurch eine große Zahl von X-Bier nicht führenden Händlern psychologisch gezwungen werde, aus unsachlichen Gründen dieses Bier zu führen, um nicht Hunderte von Kunden zu verärgern. Ein solcher psychologischer Druck sei sittenwidrig. Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen und wendete im wesentlichen ein, die Berufung auf den Kaufmann sei in allen Branchen üblich und eine Warenprobe von Bier lasse sich vernünftigerweise nur durch eine ganze Flasche verabreichen. Kleine Flaschen seien in der Produktionsanlage der Beklagten nicht abfüllbar. Das Verhalten der Beklagten sei daher wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Die Beklagte liefert das von ihr erzeugte X-Bier an Vertriebsgemeinschaften, die wiederum den Einzelhandel beliefern. Mit Hilfe dieser Vertriebsgemeinschaften startete die Beklagte eine Werbeaktion, bei der die Außendienstmitarbeiter der Vertriebsgesellschaften ihre Kunden, die nicht nur Abnehmer des X-Biers waren, mit dem im Zusammenwirken der Beklagten und der Betriebsgesellschaften entworfenen Werbeprospekt versahen. Nachdem die Auslieferung dieses Werbeprospektes an die Einzelkaufleute erfolgt war, erschien am 22. September 1979 in der Kronen-Zeitung ein Inserat, mit dem im Werbeprospekt angeführten Inhalt und mit der Abbildung einer Flasche X-Bier, die mit einer Markierung zum Ausschneiden versehen war. Etwa eine Woche später erfolgte eine zweite Ankündigung in der Kronen-Zeitung, in der das Anbot insofern eingeschränkt wurde, daß der Gutschein bei jenen Kaufleuten eingelöst werden könne, die X-Bier führen und dies durch Plakate ankundigen. Die Abgabe der Warenprobe erfolgte nicht in eigens hergestellten Probepackungen, sondern in Originalflaschen in der handelsüblichen Form gegen Abgabe der ausgeschnittenen Zeitungsabbildung. Die Beklagte wäre in der Lage gewesen, Kleinflaschen mit einer durch den Probezweck begrenzten Biermenge zu erzeugen. Nach Bekanntgabe dieser Werbeaktion beschlossen die leitenden Personen der Y-AG, eines anderen Brauereiunternehmens, diese Aktion nicht dadurch zu unterlaufen, daß gegen Abgabe der Flaschenabbildung auch ein Bier der Y-AG von den einzelnen Kaufleuten abgegeben werden dürfe. Dieser Entschluß wurde allen untergeordneten Außenbearbeitern mit dem Auftrag weitergegeben, ihn zu befolgen. Trotzdem kam es vor, daß Außenbearbeiter der Y-AG Kaufleuten anboten, statt einer Flasche X-Märzen, Bier der Y-AG an die Konsumenten abzugeben. Während dieser Werbeaktion erfolgten wiederholt Anfragen von Lebensmittelhändlern, die vertraglich verpflichtet waren, ausschließlich Bier der Y-AG zu führen, bei deren Verkaufsdirektor, wie sie sich verhalten sollten, wenn die Kunden mit Abschnitten der X-Bierflasche solches Bier verlangen. Die Kaufleute waren sehr aufgeregt und äußerten ihre Bedenken, wie sie ihre Kunden zufriedenstellen könnten. Sie befürchteten auch, Stammkunden, die ihre Abschnitte bei einem Konkurrenten einlösen müßten, zu verlieren, wenn sie sich nicht selbst an der Aktion beteiligten. Die Einzelhändler standen in einer Zwanglage, weil sie entweder bei Abgabe von X-Bier wegen des Exklusivvertrages in Schwierigkeiten gerieten oder Gefahr liefen, einen Kunden zu verlieren. Ein beträchtlicher Teil der Einzelkaufleute führte nicht X-Bier.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß durch die Werbeaktion der Beklagten auf jene Lebensmittelhändler, die bisher das X-Bier nicht führten, insbesondere auf solche, die vertraglich zum Vertrieb anderer Biersorten verpflichtet sind, sowie auf die Kunden ein psychologischer Druck ausgeübt werde. Die Aktion sei daher sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60 000 S übersteige. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, welche seiner Ansicht nach auf einem mangelfreien Verfahren beruhten, und teilte auch dessen Rechtsansicht, daß durch die Werbemaßnahmen der Beklagten Kaufleute in eine psychologische Zwangslage gerieten. Eine derartige Werbung sei daher sittenwidrig. Darüber hinaus liege aber eine unzulässige unentgeltliche Warenabgabe an den Letztverbraucher in einem über den Probezweck hinausgehenden Ausmaß vor. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge. Aus den Entscheidungsgründen:
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte meint, durch die vorliegende Werbeaktion würden Einzelhändler in ihrer Entscheidungsfreiheit, welche Waren sie führen wollten, nicht beeinträchtigt. Einem Kaufmann könne nicht unterstellt werden, daß er nur auf Grund der Werbeaktion X-Bier verkaufen werde. Von einem psychologischen Druck könne erst gesprochen werden, wenn sich dieser dem Begriff der Nötigung nähere. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Auch eine rein psychische Beeinflussung - die an sich zum Wesen der Reklame gehört - kann im Einzelfall sittenwidrig sein, wenn sie so weit geht, daß der freie Entschluß des Kunden aufgehoben und Zwang auf ihn ausgeübt wird. Eine solche unlautere Beeinflussung liegt z. B. dann vor, wenn das Abhängigkeitsverhältnis, in dem sich der Kunde gegenüber dem Anbietenden oder einer dritten Person befindet, dazu ausgenützt wird, um ihn zum Kauf zu veranlassen (Hohenecker - Friedl, Wettbewerbsrecht, 69). Gerade dies ist hier der Fall. Durch die besondere Art der Werbung der Beklagten werden Kaufleute vor die Wahl gestellt, entweder ohne Rücksicht auf sachliche Überlegungen X-Bier zu bestellen oder zu riskieren, daß sie Kunden, die einen Gutschein bei ihnen einlösen wollen, verärgern und unter Umständen sogar verlieren. Dazu kommt noch, daß gerade im Bierhandel Exklusivbezugsverträge häufig vorkommen. In solchen Fällen muß der Einzelhändler eine Verärgerung oder sogar den Verlust eines Kunden in Kauf nehmen, um nicht seinerseits vertragsbrüchig zu werden. Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, daß eine derart aggressive Form der Werbung sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG ist. Wenn sich die Beklagte auf die Ausführungen von Baumbach - Hefermehl, Wettbewerbsrecht[12], 451, zum Nachweis darauf beruft, daß von einem psychologischen Druck vorwurfsvollen Gehaltes erst dann auszugehen sei, wenn er sich dem Begriff der Nötigung nähere, so übersieht sie, daß die Autoren an anderer Stelle sowohl in der 12. Auflage (845) als auch in der 13. Auflage (890) gerade den vorliegenden Fall der massenhaften Verteilung von Gutscheinen an Endverbraucher behandeln, welche zum unentgeltlichen Bezug einer Probeware in Einzelhandelsgeschäften berechtigen. Sie kommen dabei unter Hinweis auf die zitierte deutsche Rechtsprechung zum Schluß, daß die Ankündigung und Durchführung einer derartigen Aktion und das Einspannen von Einzelhändlern ohne vertragliche Grundlage in eine Werbeaktion sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG ist.
Da bereits die vorliegende Art des Einspannens in eine Werbeaktion gegen § 1 UWG verstößt, erübrigt es sich, die Frage zu prüfen, ob die Werbeaktion der Beklagten auch im Hinblick auf eine das Ausmaß einer Warenprobe übersteigende unentgeltliche Warenabgabe an Letztverbraucher sittenwidrig wäre.
Anmerkung
Z54078 4Ob364.81European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0040OB00364.81.0519.000Dokumentnummer
JJT_19810519_OGH0002_0040OB00364_8100000_000