TE OGH 1981/8/13 13Os119/81

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Veröffentlicht am 13.08.1981
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.August 1981 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Horak, Dr. Hörburger und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Fuchs als Schriftführers in der Strafsache gegen Michaela A wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 StGB. über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen die Strafverfügung des Bezirksgerichts Grein vom 5.März 1981, GZ. U 246/80-7, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Strafverfügung des Bezirksgerichts Grein vom 5.März 1981, GZ. U 246/80-7, verletzt die Bestimmung des § 88 Abs 4 StGB. Diese Strafverfügung wird aufgehoben und dem Bezirksgericht Grein die Erneuerung des Verfahrens aufgetragen.

Text

Gründe:

Auf Grund einer Verkehrsunfallsanzeige des Gendarmeriepostens St. Georgen am Walde und des vom Bezirksanwalt gestellten Bestrafungsantrags erließ das Bezirksgericht Grein am 5.März 1981 zur GZ. U 246/80-7 gegen die kaufmännische Angestellte Michaela A eine Strafverfügung des Inhalts, sie habe laut Anzeige und nach dem Ergebnis der durchgeführten Erhebungen am 9.August 1980 in Ober-St. Georgen als Lenkerin des Personenkraftwagens mit Kennzeichen O 147.254 dadurch, daß sie mit einer im Hinblick auf die Straßenverhältnisse überhöhten Geschwindigkeit fuhr, wodurch sie von der Fahrbahn abkam und der Wagen über eine Bäschung stürzte, fahrlässig Christa B und Friedrich C am Körper verletzt, wobei die Tat schwere Verletzungen, nämlich Quetschungen am rechten Unterschenkel und rechten Ellbogen bei Christa B und eine Brustkorbquetschung und Rißquetschwunde bei Friedrich C zur Folge hatte; sie habe hiedurch das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs (zu ergänzen: 1) und 4 StGB. begangen. Dafür wurde über sie eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 100 S (insgesamt 5.000 S) verhängt und für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe von 25 Tagen festgesetzt.

Rechtliche Beurteilung

Die rechtskräftige Strafverfügung, auf deren Grundlage noch keine weiteren gerichtlichen Beschlüsse und Verfügungen ergangen sind, steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Jede Strafverfügung muß materiellrechtlich durch die Aktenlage gedeckt sein, d.h. es müssen, weil es sich ja um ein strafgerichtliches Erkenntnis handelt, nach dem Akteninhalt sämtliche Tatbestandserfordernisse der dem Beschuldigten zur Last gelegten strafbaren Handlung verwirklicht sein. Die hier von der Generalprokuratur zum Gegenstand einer Beschwerde nach § 33 Abs 2 StPO. gemachte Strafverfügung legt Michaela A zur Last, zwei Personen fahrlässig schwer verletzt zu haben. Die Annahme solcher schweren Verletzungen ist nach dem Inhalt des Akts nicht gerechtfertigt.

Die vom Krankenhaus Amstetten erstellten Verletzungsanzeigen bezeichnen zwar die darin näher umschriebenen Verletzungen der Christa B und des Friedrich C als 'dem Grade nach schwer' (S. 21, 23), doch ist es eine vom Gericht (unter Bedachtnahme auf den Stand der medizinischen Wissenschaft) zu entscheidende Rechtsfrage, ob eine an sich schwere Verletzung vorliegt (LSK 1975/214, 1976/312). Nach der Aktenlage handelt es sich in beiden Fällen - bei C ausschließlich - um Prellungen und Weichteilverletzungen, deren Gesamtwertung als an sich schwere Verletzung nach den dargelegten Kriterien wesentlich von ihrer Art und Ausdehnung im Einzelfall abhängt (hiezu EvBl. 1960/35, 1961/29). Ob die vom Krankenhaus mitgeteilten Verletzungen des C, nämlich eine Brustkorbprellung und eine Rißquetschwunde am rechten Ohrläppchen (S. 23), darnach als an sich schwer beurteilt werden können, ist zumindest fraglich. Aber auch bei Christa B, deren (damit verglichen, allerdings beträchtlicheren) Verletzungen u.a. eine Muskelläsion am rechten Unterschenkel und den - in der Strafverfügung nicht erwähnten - Verlust eines Schneidezahns umfaßten (S. 23), bedarf es zur Beurteilung des Verletzungsgrads noch weiterer Klarstellung des Sachverhalts (dazu SSt 28/11, 30/96).

Daß auch über eine (vom Gericht bei der Erlassung der gegenständlichen Strafverfügung nicht ausdrücklich in Erwägung gezogene) Dauer der Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit der verletzten Personen von mehr als 24 Tagen dem Ergebnis der gepflogenen Erhebungen nichts zu entnehmen war, weil Friedrich C am

11. und Christa B am 13.August 1980 aus der Krankenhauspflege entlassen wurden, bei ihrer bereits am 12. bzw. 18.August 1980 erfolgten Einvernahme jedoch über die voraussichtliche Dauer ihres (weiteren) Krankenstands noch keine Angaben machen konnten (S. 25 - 27), sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Die für die Annahme eines schweren Verletzungsgrads bei beiden Personen maßgebenden Umstände hätten vom Bezirksgericht allenfalls vor Erlassung der Strafverfügung durch Erhebungsakte geklärt werden können. Da der erste Strafsatz des § 88 Abs 4 StGB. ohne beweismäßige Deckung angewendet wurde, ist das materielle Strafrecht in dieser Bestimmung verletzt. Die Gesetzesverletzung gereicht der Beschuldigten offenbar zum Nachteil, sodaß gemäß § 292, letzter Satz, StPO. vorzugehen war.

§ 460 StPO. ist hingegen nicht verletzt. Es ist nicht einzusehen, weshalb in dieser Sache eine Strafverfügung nicht erlassen werden sollte. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist § 460 StPO., sofern die in dessen Absatz 1 normierten formalen Voraussetzungen beachtet wurden, nur dann verletzt, wenn dem Grundsatz des beiderseitigen Gehörs nicht Genüge getan ist. Diesem Grundsatz wurde hier Rechnung getragen. Die Ansicht der Generalprokuratur, die Erfordernisse des § 460 StPO. seien verkürzt worden, ist darnach verfehlt. Die Frage, ob und welche Erhebungen ausreichen, d.h. vor der Erlassung der Strafverfügung zu veranstalten sind, ist und bleibt dem Bezirksrichter zur Beantwortung überlassen. Das hat der Oberste Gerichtshof schon zweimal ausgesprochen: ZVR. 1977

Nr. 89 und 9 Os 187/76. Die Probe aufs Exempel ist, daß es in der gegenständlichen Sache dem Bezirksrichter in Grein anheimgestellt bleibt, im Rahmen der Verfahrenserneuerung entweder noch Erhebungen über die Verletzungsgrade durchzuführen oder aber sich auf Grund der vorhandenen Aktenlage damit zufrieden zu geben, daß es sich nur um leichte körperliche Beschädigungen handelt. Das Korrektiv für das Straferkenntnis des Bezirksgerichts, gleich in welcher Form es ergeht, sind sodann die von der Strafprozeßordnung den Parteien des Strafverfahrens eingeräumten Rechtsmittel. An dieser Stelle soll - zuletzt - nicht unerwähnt bleiben, daß der Bezirksanwalt auf einen Einspruch gegen die schließlich vom Generalprokurator angefochtene Strafverfügung verzichtet hatte (S. 46).

Anmerkung

E03258

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0130OS00119.81.0813.000

Dokumentnummer

JJT_19810813_OGH0002_0130OS00119_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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