TE OGH 1981/9/22 5Ob6/81

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Veröffentlicht am 22.09.1981
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Norm

AußstrG §1
JN §1
WEG §13 Abs2
WEG §26 Abs1 Z2

Kopf

SZ 54/129

Spruch

Wer eigenmächtig Änderungen im Sinne des § 13 Abs. 2 WEG vornimmt, ist sowohl wegen der Unterlassung als auch wegen der Folgenbeseitigung im streitigen Rechtsweg in Anspruch zu nehmen

OGH 22. September 1981, 5 Ob 6/81 (LGZ Wien 41 R 191/80; BG Mödling 3 Nc 17/79)

Text

Mit dem Schriftsatz ON 1 begehrte Dipl.-Kfm. Werner M, der sich als "Antragsteller" bezeichnete:

1. den "Antragsgegnern" A und B "aufzutragen, auf der Liegenschaft EZ 764 KG den früheren Zustand durch entsprechende Ersatzpflanzungen von Bäumen wiederherzustellen",

2. diesen "Antragsgegnern" und den "Antragsgegnern" C, D und E "zu verbieten, die auf der Liegenschaft EZ 764 KG vorhandenen alten Bäume zu fällen oder sonst in ihrem Bestand zu verändern", und

3. sämtlichen "Antragsgegnern bis zur Rechtskraft der Entscheidung über diesen Antrag durch einstweilige Verfügung das Fällen von Bäumen auf dem Grundstück Nr. 764 KG zu verbieten".

Mit dem Schriftsatz ON 9 erklärte Elfriede M, die sich nun als "2. Antragstellerin" bezeichnete, "dem Verfahren" auf Seite des Antragstellers Dipl.- Kfm. Werner M "beizutreten", und äußerte gemeinsam mit Dipl.-Kfm. Werner M, den "Antrag" ON 1 auch gegen F und G zu richten, die als weitere "Antragsgegner" bezeichnet wurden.

Zur Begründung des Antrages ON 1 war im wesentlichen folgendes vorgebracht worden:

Alle Parteien (wörtlich: "Streitteile") seien "Miteigentümer und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 764 KG X", auf der fünf Reihenhäuser errichtet seien, die mit den dazu gehörigen Gärten im Wohnungseigentum stunden. Entlang der südwestlichen Liegenschaftsgrenze sei auf der zum Reihenhaus Nr. 1 gehörigen Gartenfläche eine Reihe alter Bäume gestanden, deren wichtige Aufgabe es gewesen sei, Sicht- und Lärmschutz insbesondere gegen die nahe vorbeiführende Straße zu bieten; darüber hinaus seien diese Bäume für die äußere Erscheinung des Hauses wesentlich. Mehrere dieser alten Bäume seien von den Antragsgegnern A und B eigenmächtig gefällt worden. Die Aufforderung, Eingriffe in die bestehende Baumpflanzung künftig zu unterlassen, sei von diesen beiden "Antragsgegnern" mit der Behauptung zurückgewiesen worden, daß der abgegrenzte Garten und dessen Gestaltung ihnen allein zukomme und die übrigen Wohnungseigentümer darauf keinen Einfluß nehmen könnten. Auch von den übrigen "Antragsgegnern" werde die Ansicht vertreten, daß sie berechtigt seien, die auf dem ihnen zugewiesenen Gartenteil befindlichen Bäume zu fällen. Der "Antrag" werde "unter ausdrücklichem Vorbehalt der Klage auf Wiederherstellung des früheren Zustandes durch Schaffung einer Ersatzlage" gestellt.

Das Erstgericht stellte Gleichschriften der Schriftsätze ON 1 und ON 9 den als "Antragsgegnern" bezeichneten Personen zu und verhandelte in zwei Tagsatzungen über den "Antrag", nachdem es zu Beginn der ersten Verhandlungstagsatzung "einvernehmlich" festgestellt hatte, "daß im gg. Fall das AußerstreitG zur Anwendung zu kommen" habe. Mit Beschluß (ON 12) entschied es:

I. der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wird abgewiesen;

II. 1. der Antrag, den Erst- und Zweitantragsgegnern aufzutragen, auf der Liegenschaft EZ 764 der KG X den früheren Zustand durch entsprechende Ersatzpflanzungen von Bäumen wiederherzustellen, wird zurückgewiesen;

2. der Antrag, den "Antragsgegnern" zu verbieten, die auf der Liegenschaft EZ 764 der KG X vorhandenen alten Bäume zu fällen oder sonst in ihrem Bestand zu verändern, wird abgewiesen.

Das Erstgericht sprach die Ansicht aus, der Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustandes gehöre ins streitige Verfahren, der übrige Anspruch sei nach § 26 Abs. 1 Z. 2 WEG sachlich nicht begrundet, weil weder schutzwürdige Interessen verletzt noch das äußere Erscheinungsbild des Hauses beeinträchtigt werde.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der "Antragsteller" teilweise Folge. Es bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes in ihrem Ausspruch "Punkt 1" (richtig: Punkt II/1) und hob den angefochtenen Beschluß im übrigen Teil mit dem Auftrag auf, das Verfahren in erster Instanz erst nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen.

Das Rekursgericht trat der Ansicht des Erstgerichtes bei, daß der Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustandes ins streitige Verfahren gehöre, es erachtete jedoch das Verfahren über den Antrag auf Unterlassung von Änderungen nach § 26 Abs. 1 Z. 2 WEG und auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung als noch nicht entscheidungsreif, weil ihm wesentlich erscheinende Tatsachenfeststellungen nicht getroffen worden seien.

Der Aufhebungsbeschluß des Gerichtes zweiter Instanz wurde von den "Antragstellern" und von den mit A-E bezeichneten "Antragsgegnern" mit Revisionsrekurs bekämpft.

Der Oberste Gerichtshof hob das Verfahren, soweit der Antrag nicht bereits rechtskräftig zurückgewiesen wurde, ab der Verfügung über die Zustellung des Schriftsatzes ON 1 als nichtig auf und verwies die Rechtssache mit dem Auftrag an das Erstgericht zurück, das gesetzmäßige (streitige) Verfahren über die Schriftsätze ON 1 und 9 einzuleiten.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Ob ein Rechtsschutzantrag im streitigen oder im außerstreitigen Verfahren abzuhandeln ist, muß nach dem Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und den zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen beurteilt werden (in diesem Sinne Fasching I, 63; SZ 47/108; SZ 48/3 u.v. a.). Rechtssachen, die nicht ausdrücklich oder doch unzweifelhaft schlüssig ins außerstreitige Verfahren verwiesen sind (§ 1 AußStrG), gehören auf den streitigen Rechtsweg.

Hier haben zwei Wohnungseigentümer behauptet, daß zwei andere Wohnungseigentümer (als "Antragsgegner" A und B bezeichnet) eigenmächtig mehrere alte Bäume auf der zu ihrem Reihenhaus gehörigen Gartenfläche gefällt und dadurch den für alle Wohnungseigentümer bestehenden Sicht- und Lärmschutz gegen die nahe vorbeiführende Straße sowie das äußere Erscheinungsbild "des Hauses" beeinträchtigt hätten, und daß diese Wohnungseigentümer ebenso wie alle übrigen als "Antragsgegner" bezeichneten Wohnungseigentümer die Ansicht vertreten, zur Fällung der auf dem ihnen zugewiesenen Gartenteil befindlichen alten Bäume berechtigt zu sein. Aus diesen Sachverhaltsbehauptungen leiteten die als "Antragsteller" aufgetretenen zwei Wohnungseigentümer das Begehren ab, den zwei zuerst genannten Wohnungseigentümern die Wiederherstellung des früheren Zustandes durch entsprechende Ersatzpflanzungen aufzutragen, und diesen und den übrigen Wohnungseigentümern (C-G) die Fällung der auf der Liegenschaft vorhandenen alten Bäume oder eine sonstige Veränderung in deren Bestand zu verbieten; zur Sicherung des Anspruches auf Unterlassung der Fällung alter Bäume begehrten sie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Die Vorinstanzen haben übereinstimmend erkannt, daß der gegen die beiden zuerst genannten Wohnungseigentümer gerichtete Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustandes durch entsprechende Ersatzpflanzungen auf den streitigen Rechtsweg gehört. Deshalb wurde der Antrag der Wohnungseigentümer Dipl.-Kfm. Werner und Elfriede M zurückgewiesen. Die Vorinstanzen haben jedoch nicht erkannt, daß nicht nur der sich als Folge eines rechtswidrigen Eingriffes in das Wohnungs- und Miteigentumsrecht ergebende Beseitigungsanspruch (Wiederherstellung des früheren Zustandes), sondern auch und erst recht der zur Abwehr drohender künftiger Rechtseingriffe - bei den beiden ersten "Antragsgegnern" besteht die Gefahr der Eingriffswiederholung, bei den übrigen "Antragsgegnern" die Gefahr des Ersteingriffes (vgl. SZ 48/45 und die dort angegebenen weiteren Belegstellen) - geltend gemachte Unterlassungsanspruch dem streitigen Rechtsweg vorbehalten ist (MietSlg. 30 060 u. a.; Faistenberger - Barta - Call, Kommentar zum WEG 1975, 804). Das WEG 1975 hat zwar den Anwendungsbereich des Verfahrens außer Streitsachen weitgehend auf alle Angelegenheiten der Verwaltung ausgedehnt, weil es sich dabei vorwiegend um die Rechtsgestaltung innerhalb der Wohnungseigentumsgemeinschaft handelt (Meinhart, WEG 1975, 204), die Abgrenzung zwischen streitigem und außerstreitigem Verfahren hat jedoch hinsichtlich der Ansprüche auf Abwehr eigenmächtiger widerrechtlicher Maßnahmen, die dem Miteigentum entspringen, durch die Regelung des § 26 Abs. 1 Z. 2 dieses Gesetzes keine Änderung erfahren (so schon 1 Ob 701/79). Wohnungseigentum ist eine besondere Erscheinungsform des Miteigentums an unbeweglichen Sachen. Über Streitigkeiten zwischen einfachen Miteigentümern an unbeweglichen Sachen ist teils im außerstreitigen Verfahren ("Benützungsregelung"), teils im streitigen Verfahren (Klang[2] III, 1116; Fasching I, 142 f.; SZ 23/327; MietSlg. 26 440, 27 601, 28 539, 28 541, 30 638 u. v. a.) zu entscheiden. Die für das schlichte Miteigentum an unbeweglichen Sachen entwickelten Abgrenzungskriterien zwischen streitigem und außerstreitigem Verfahren sind bei der Auslegung des § 26 WEG 1975 schon zur Vermeidung unsachlicher Differenzierungen heranzuziehen, denn § 26 WEG 1975 stellt in vielem nur eine Konkretisierung dieser Kriterien dar. Diese Grundsätze sind gerade in dem hier zu behandelnden Fall heranzuziehen. Die Anordnung des § 26 Abs. 1 Z. 2 WEG 1975 bezieht sich auf Änderungen bestehender tatsächlicher Zustände im Sinne des § 13 Abs. 2 WEG, die in Ermangelung der Zustimmung der Betroffenen nur auf Grund der diese ersetzenden Entscheidung des Außerstreitrichters vorgenommen werden dürfen. Wer also ohne Zustimmung der betroffenen Wohnungseigentümer und ohne eine die fehlende Zustimmung ersetzende Entscheidung des Außerstreitrichters eigenmächtig Änderungen im Sinne des § 13 Abs. 2 WEG vornimmt, ist ausnahmslos auf dem streitigen Rechtsweg in Anspruch zu nehmen; droht die Gefahr künftiger rechtswidrlger Änderungen (sei es eines Ersteingriffes oder einer Eingriffswiederholung), dann ist gegen den rechtswidrig handelnden Wohnungseigentümer mit Unterlassungsklage vorzugehen, ist die rechtswidrige Änderung schon bewirkt, so kann der Beseitigungsanspruch geltend gemacht werden. Diesem System gemäß, das eine Auseinanderreißung des Unterlassungs- und des Folgebeseitigungsanspruches bei rechtswidrigen Eingriffen in die bestehenden Verhältnisse - wie sich aus der Anordnung des § 356 EO ergibt - nicht gestattet, muß die unklare Vorschrift des § 26 Abs. 1 Z. 2 WEG 1975 ("Duldung oder Unterlassung von Änderungen ... ") auch ausgelegt werden, wenn nicht der sinnwidrige und unverständliche Erfolg herbeigeführt werden soll, daß bei Gefahr einer künftigen eigenmächtigen Änderung eines bestehenden tatsächlichen Zustandes durch einen Wohnungseigentümer im außerstreitigen Verfahren, die Unterlassung des Eingriffes, bei bereits geschehenem Eingriff jedoch im streitigen Verfahren der Folgebeseitigungsanspruch geltend zu machen ist. Da ein derartiges Ergebnis nicht vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen sein kann, muß die Anordnung des § 26 Abs. 1 Z. 2 WEG 1975 in Anwendung der allgemein zum schlichten Miteigentum anerkannten Abgrenzungskriterien so gelesen werden, daß dem Ausdruck "oder Unterlassung" keine eigenständige Bedeutung zukommt: er ist nur im Sinne der Ablehnung des Rechtsgestaltungsbegehrens zu lesen (MietSlg. 31 558 mit Zustimmung Würths im ImmZ 1980, 181 ff., besonders 183).

Demgemäß gehört der Rechtsschutzantrag der hier eingeschrittenen beiden Wohnungseigentümer auf den streitigen Rechtsweg.

Der im außerstreitigen Verfahren gestellte "Antrag" ON 1 entspricht indessen, ausgenommen die fehlenden Angaben zur Zuständigkeit des angerufenen Bezirksgerichtes (Bewertung des Anspruches, § 226 Abs. 2 erster Satz ZPO), allen Anforderungen, die von der ZPO für eine mittels Schriftsatz eingebrachte Klage gestellt werden (§ 226 ZPO); er ist durch den Schriftsatz ON 9 durch eine weitere - unrichtig als Antragstellerin bezeichnete - Klägerin und auf zwei weitere - unrichtig als "Antragsgegner" bezeichnete - Beklagte ausgedehnt worden. Diese beiden Schriftsätze bilden zusammen in Wahrheit eine Klageschrift im Sinne der Anordnung des § 226 ZPO, wobei lediglich die Parteien falsch (Antragsteller statt Kläger bzw. Antragsgegner statt Beklagte) bezeichnet wurden und ein noch verbesserungsbedürftiger Mangel (Angabe des Streitwertes zur Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes) vorliegt. Jedenfalls seit der Neufassung des § 84 Abs. 2 Satz 2 ZPO durch das Konsumentenschutzgesetz kann kein Zweifel mehr daran bestehen, daß die unrichtige Bezeichnung eines Schriftsatzes als Antrag im außerstreitigen Verfahren statt als Klage im Sinne des § 226 ZPO und der Parteien als Antragsteller statt als Kläger und als Antragsgegner statt als Beklagte unerheblich ist. Es ist deshalb nicht der jetzt noch vorliegende Antrag auf Unterlassung und Erlassung einer einstweiligen Verfügung - wie dies bezüglich des Folgebeseitigungsanspruches nach früherer Übung bereits rechtskräftig geschehen ist (einer Klageausdehnung stunde nun freilich kein Hindernis entgegen) - zurückzuweisen; vielmehr ist nach Aufhebung des über die Klageschrift ON 1 (i. d. F. von ON 9) abgeführten außerstreitigen Verfahrens wegen Nichtigkeit vom Erstgericht das gesetzmäßige streitige Verfahren über diese Klage einzuleiten, zuerst jedoch die erforderliche Verbesserung (Angabe des Streitwertes, Anschluß der erforderlichen Gleichschriften zwecks neuerlicher Zustellung) zu veranlassen.

Anmerkung

Z54129

Schlagworte

Änderungen (§ 13 Abs. 2 WEG), streitiger Rechtsweg (Unterlassung„ Folgenbeseitigung), Folgenbeseitigung von Änderungen (§ 13 Abs. 2 WEG), streitiger Rechtsweg, Unterlassung von Änderungen (§ 13 Abs. 2 WEG), streitiger Rechtsweg

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0050OB00006.81.0922.000

Dokumentnummer

JJT_19810922_OGH0002_0050OB00006_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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