TE OGH 1981/12/10 7Ob55/81

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Veröffentlicht am 10.12.1981
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Norm

VersVG §150 Abs1

Kopf

SZ 54/185

Spruch

Die Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren sind vom Haftpflichtversicherer mangels einer besonderen Weisung nur zu ersetzen, wenn sich der Geschädigte dem Strafverfahren als Privatbeteiligter angeschlossen hat

OGH 10. Dezember 1981, 7 Ob 55/81 (LGZ Graz 3 R 280/81; BGZ Graz 1 C 163/81)

Text

Am 10. Mai 1980 verursachte die Klägerin als Lenkerin eines bei der Beklagten gegen Haftpflicht versicherten PKW einen Verkehrsunfall, bei dem ihre Insassin Regina G verletzt wurde. In zweiter Instanz des Strafverfahrens wurde die Klägerin freigesprochen. Die Verletzte Regina G hatte sich dem Strafverfahren nicht als Privatbeteiligte angeschlossen. Die Klägerin mußte für die Verteidigung im Strafverfahren 14 476.59 S zahlen, deren Ersatz sie im vorliegenden Verfahren von der Beklagten als Haftpflichtversicherer verlangt.

Während das Erstgericht dem Klagebegehren stattgegeben hat, wurde dieses vom Berufungsgericht mit der Begründung abgewiesen, gemäß § 150 Abs. 1 VersVG seien die Verteidigungskosten in einem gegen den Versicherten eingeleiteten Strafverfahren nur dann vom Haftpflichtversicherer zu ersetzen, wenn sich der Geschädigte dem Verfahren als Privatbeteiligter angeschlossen hat oder wenn die Verteidigung im Strafverfahren auf Weisung des Versicherers erfolgt ist.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach § 150 Abs. 1 VersVG umfaßt die Versicherung die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, die durch die Verteidigung gegen den von einem Dritten geltend gemachten Anspruch entstehen, soweit die Aufwendungen der Kosten den Umständen nach geboten ist. Dies gilt auch dann, wenn sich der Anspruch als unbegrundet erweist. Die Versicherung umfaßt auch die Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren, das wegen einer Tat eingeleitet wurde, welche die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers einem Dritten gegenüber zur Folge haben könnte, sofern diese Kosten auf Weisung des Versicherers aufgewendet wurden. Schon nach dem Wortlaut dieser gesetzlichen Bestimmung erweist sich klar, daß der geltend gemachte Anspruch nicht gegeben sein kann. Ohne Rücksicht auf eine Weisung des Versicherers hat dieser die Kosten zur Abwehr eines gerichtlich geltend gemachten Anspruches nur zu ersetzen, wenn die Geltendmachung durch einen Dritten erfolgt ist. Der Strafantrag des Staatsanwaltes ist keine Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches durch einen Dritten. Sohin ist der erste Satz des § 150 Abs. 1 VersVG nicht anwendbar, wenn im Strafverfahren Privatbeteiligtenansprüche nicht erhoben worden sind. Der Fall des dritten Satzes macht aber nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift die Übernahme der Verteidigerkosten durch den Versicherer von der Erteilung einer Weisung durch diesen abhängig. Die Verteidigerkosten sind daher nur ausnahmsweise dann zu ersetzen, wenn sie auf Grund einer Weisung des Versicherers erforderlich waren (Bruck - Möller - Johannsen VVG[8] IV, 291; Stiefel - Hofmann, KFZ-Vers.[11], 441 Anm. 49). Demnach kommt es in erster Linie nicht darauf an, ob das Strafverfahren direkt oder indirekt vermögensrechtliche Nachteile für den Versicherten bringen könnte. Solange in diesem Verfahren vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Versicherten nicht geltend gemacht worden sind, liegt der erste Fall des § 150 Abs. 1 VersVG nicht vor. Der zweite Fall ist aber nur gegeben, wenn der Versicherer eine Weisung erteilt hat. Beides war hier nach den Außerstreitstellungen nicht der Fall.

Der gegenteiligen Meinung Wahles (VersR 1960, 309 ff.) kann nicht gefolgt werden, weil ein gehörig kundgemachtes und noch nicht außer Kraft gesetztes Gesetz von den Gerichten nicht als "gegenstandslos" behandelt werden kann. Da der Gesetzeswortlaut eindeutig gegen die Ausführungen Wahles spricht, ist es unerheblich, ob rechtspolitische Erwägungen eine andere Regelung wünschenswert erscheinen lassen. Im übrigen hat auch Ehrenzweig (Versicherungsrecht, 361) unmißverständlich ausgeführt, daß die Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren, dem sich der Geschädigte nicht als Privatbeteiligter angeschlossen hat, vom Versicherer nur zu decken sind, wenn sie auf seine Weisung aufgewendet worden sind. Diese Ausführungen, die im übrigen dartun, daß die rechtspolitischen Erwägungen dieser Bestimmung nicht unberechtigt sind, gelten auch für den österreichischen Rechtsbereich.

Anmerkung

Z54185

Schlagworte

Haftpflichtversicherer, Ersatz der Kosten des Strafverfahrens, Kosten (des Strafverfahrens), Ersatz durch Haftpflichtversicherer, Strafverfahren, Verteidigungskosten: Ersatz durch Haftpflichtversicherer, Verteidigung (Strafverfahren), Kostenersatz durch Haftpflichtversicherer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0070OB00055.81.1210.000

Dokumentnummer

JJT_19811210_OGH0002_0070OB00055_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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