TE OGH 1982/4/15 13Os185/81

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Veröffentlicht am 15.04.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.April 1982

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pribitzer als Schriftführers in der Strafsache gegen Benjamin A wegen des Verbrechens des versuchten Mords nach §§ 15, 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht Innsbruck vom 7.Oktober 1981, GZ. 20 Vr 549/81-56, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, nach Verlesung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten und nach Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 26.Oktober 1955 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene kaufmännische Angestellte Benjamin A wurde auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen der Verbrechen des versuchten Mords nach §§ 15, 75 StGB (I) und der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 StGB (II) sowie der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (III), des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 und 2

StGB (IV) und nach § 36 Abs. 1 lit. b WaffenG. (V) schuldig erkannt. Darnach hat er (zu I) am 13.Februar 1981 in Völs die Simone B dadurch vorsätzlich zu töten getrachtet, daß er sie unter Vorhalt eines Messers in ihre Garconniere zwang, sie auf ein Bett stieß, ihr mit einem Küchenmesser je einen Stich in den Bauch, in den Rücken und in die Brust versetzte, ihr mit einem Messer die Arterien, Sehnen und Nerven der rechten Hand beim Handgelenk durchschnitt, sie auf den Balkon zerrte und über die Brüstung vom 7. Stockwerk in die Tiefe zu werfen suchte, ihr mit einem Kassettenrecorder, einem Tisch und Stühlen mehrfach und wuchtig auf den Kopf schlug und ihre Kleider mit Spiritus überschüttete und anzündete;

(zu II) am 22.August 1980 in Pfaffenhofen den Anton C durch die nachstehend angeführten Äußerungen und unter Vorhalt eines geöffneten Springmessers, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zu einer Handlung bzw. Unterlassung zu nötigen getrachtet, und zwar (zu a) durch die Aufforderung 'Kaffee her, oder ich stech Dich ab' zur Ausfolgung von Kaffee, (zu b) durch die Ankündigung 'wenn Du anrufst, bring ich Dich um', zur Unterlassung der Verständigung der Gendarmerie;

(zu III) am 14.Oktober 1980 in Zirl den Karl D dadurch vorsätzlich am Körper verletzt, daß er ihm durch Versetzen eines Fußtritts und von Faustschlägen eine Rißquetschwunde an der Stirn, Rippenprellungen, eine leichte Gehirnerschütterung und eine Beschädigung an zwei Zähnen zufügte;

(zu IV) am 4.Juli 1980 in Pfaffenhofen ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich einen Kastenwagen des Günther E, ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch genommen, nachdem er sich die Gewalt über das Fahrzeug durch Verwendung eines widerrechtlich erlangten Schlüssels verschafft hatte; (zu V) am 22.August 1980 in Pfaffenhofen, wenn auch nur fahrlässig, eine verbotene Waffe, nämlich ein Springmesser, unbefugt besessen. Die Geschwornen hatten die Hauptfragen nach den vorerwähnten Delikten (1 bis 5 des Fragenschemas) jeweils stimmeneinhellig bejaht, die Zusatzfrage zur Hauptfrage 1

(10 des Fragenschemas) nach Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs. 1 StGB) hingegen einstimmig verneint. Die nur für den Fall der Verneinung der Hauptfrage 1 gestellte Eventualfrage 1 (6 des Fragenschemas) nach dem Vergehen gemäß § 287 Abs. 1 (§§ 15, 75) StGB, ob nämlich der Angeklagte den Mordversuch an Simone B in einem fahrlässig durch den Genuß von Alkohol herbeigeführten Zustand der vollen Berauschung begangen habe, blieb ebenso unbeantwortet wie die weiteren Eventualfragen zur Hauptfrage 1 bzw. zu bestimmten Phasen des von dieser Hauptfrage erfaßten Tatgeschehens und zwar nach dem Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 Abs. 1 und 4 StGB (7 des Fragenschemas), nach versuchter Tötung auf Verlangen gemäß §§ 15, 77 StGB (8 des Fragenschemas), nach vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB (9 des Fragenschemas), nach absichtlicher schwerer Körperverletzung gemäß § 87 Abs. 1 StGB (11 des Fragenschemas), nach versuchtem Totschlag gemäß §§ 15, 76 StGB (12 des Fragenschemas) sowie danach, ob der Angeklagte eine oder mehrere der in den vorerwähnten Eventualfragen 2, 3, 4, 5 und 6

(7, 8, 9, 10 und 12 des Fragenschemas) angeführten Taten in einem fahrlässig durch den Genuß von Alkohol herbeigeführten Zustand der vollen Berauschung (§ 287 Abs. 1 StGB) begangen habe (13 des Fragenschemas).

Mit seiner die Gründe der Z. 6, 8 und 9 des § 345 Abs. 1 StPO relevierenden Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte den Schuldspruch wegen Verbrechens des versuchten Mords

(I).

Eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung gemäß §§ 312 bis 317 StPO (§ 345 Abs. 1 Z. 6 StPO) und eine unrichtige Rechtsbelehrung der Geschwornen (§ 345 Abs. 1 Z. 8 StPO) über das Verhältnis der Hauptfrage 1 zur für den Fall ihrer Verneinung zu beantwortenden Eventualfrage 1, weiters eine darauf zurückgehende Undeutlichkeit, Unvollständigkeit und einen inneren Widerspruch des Verdikts der Geschwornen (§ 345 Abs. 1 Z. 9 StPO) erblickt der Beschwerdeführer darin, daß seiner Alkoholisierung bei der Begehung der Tat nicht durch eine Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit (infolge einer durch den vorangegangenen übermäßigen Alkoholgenuß bewirkten, tiefgreifenden Bewußtseinsstörung: § 11 StGB) Rechnung getragen worden sei (Drei-Fragen-Schema), sondern unter übergehung einer solchen Zusatzfrage bloß eine (nur) für den Fall der Verneinung der Hauptfrage 1 zu beantwortende Eventualfrage an die Geschwornen gerichtet worden sei (Zwei-Fragen-Schema); hiedurch hatten - wie der Beschwerdeführer meint - die Geschwornen vor allem im Hinblick darauf, daß ihnen die Beantwortung dieser Eventualfrage auch für den Fall der Bejahung der Hauptfrage 1 rechtsirrig nicht aufgetragen war, weder Anlaß noch Möglichkeit, die Frage seiner Volltrunkenheit in den Kreis ihrer Erwägungen einzubeziehen. Die in der Richtung des Vergehens nach § 287 Abs. 1 StGB gestellte Eventualfrage 1 sei von den Geschwornen nach der ihnen hiezu erteilten und insoweit unrichtigen Belehrung, derzufolge ihnen die Beantwortung dieser Eventualfrage nur für den Fall der Verneinung der Hauptfrage 1 aufgetragen wurde, dementsprechend unbeantwortet geblieben.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist hierin nicht im Recht.

Das von ihr reklamierte 'Dreifragenschema' erfordert entgegen der Grundregel des § 317 Abs. 3 StPO die Beantwortung einer Eventualfrage für den Fall der Bejahung der dazugehörigen Hauptfrage und der Bejahung einer Zusatzfrage (nach § 11 StGB). Der Widerspruch der Konstruktion des Dreifragenschemas zum klaren Wortlaut des § 317 Abs. 3 StPO enthüllt den heiklen Ausnahmscharakter dessen, was eben nur eine Konstruktion der Praxis ist; diese Erkenntnis weist der Anwendung des Dreifragenschemas ihre Schranken. Darnach ist der Gebrauch des fraglichen Schemas nur dort geboten, wo durch eine zwischen Haupt- und Eventualfrage eingeschobene Zusatzfrage den Geschwornen die Möglichkeit eröffnet werden soll, eine schuldausschließende volle Berauschung des Angeklagten anzunehmen. Wenn aber nach der Lage des Falls kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß der Angeklagte die Tat im Zustand unverschuldeter Volltrunkenheit begangen haben könnte, ist das Zweifragenschema - Hauptfrage zur Anklagetat und Eventualfrage wegen Verübung der Tat in verschuldeter Berauschung (§ 287 StGB) - hinreichend und auch angemessen. In einem solchen Fall haben nämlich die Geschwornen auf Grund dieser zwei Fragen allein die Gelegenheit, die auf Volltrunkenheit weisenden Verfahrensergebnisse zu würdigen und gegebenenfalls die (verschuldete) volle Berauschung (mittels Bejahung der Eventualfrage) im Wahrspruch anzunehmen (Gebert-Pallin-Pfeiffer II/2, § 314 StPO, Nr. 56, 57, und III/3, § 345 StPO,

Schlußsätze, Nr. 7, EvBl. 1975/285, LSK.

1975/112).

Nun hat sich der Angeklagte gar nicht auf einen Zustand voller Berauschung und demnach schon gar nicht darauf berufen, daß ein solcher Zustand von ihm unverschuldet herbeigeführt worden wäre; er hat vielmehr ausdrücklich erklärt, sich auf Alkohol nicht ausreden zu wollen (S. 444);

auch die sonstigen Ergebnisse der Hauptverhandlung erbrachten nicht die geringsten Anhaltspunkte für die unverschuldete Herbeiführung einer Alkoholisierung des Angeklagten. Das Unterbleiben der in Rede stehenden Zusatzfrage an die Geschwornen stellt daher keine Verletzung der Vorschrift des § 313 StPO dar, sodaß die behauptete Nichtigkeit nach § 345 Abs. 1 Z. 6 StPO nicht vorliegt. Den immerhin in Richtung einer enthemmenden Alkoholeinwirkung zur Tatzeit am 13.Februar 1981 weisenden Verfahrensergebnissen (siehe S. 437, 438, 450, 455, 458, 459) trug der Schwurgerichtshof bei der Fragestellung durch die Eventualfrage 1 (nach Tatbegehung im Zustand voller Berauschung gemäß § 287 Abs. 1 StGB) Rechnung. Der Hinweis, daß diese Eventualfrage nur für den Fall der Verneinung der Hauptfrage 1 zu beantworten sei, entspricht dem Gesetz (§ 317 Abs. 3 StPO). Die Befürchtung des Beschwerdeführers, die Geschwornen könnten sich mit der für eine Beurteilung als Vergehen nach § 287 Abs. 1 StGB entscheidenden Frage, ob er sich in einem seine Haftung wegen Mordversuchs (§§ 15, 75 StGB) ausschließenden, durch Alkoholgenuß vor der Tat wenigstens fahrlässig herbeigeführten Zustand der Zurechnungsunfähigkeit befunden hatte, im Hinblick auf die Bejahung der auf Mordversuch lautenden Hauptfrage 1 nicht befaßt haben, ist unbegründet. In der Rechtsbelehrung wurde zutreffend darauf hingewiesen, daß das Verbrechen des (versuchten) Mords nur vorsätzlich begangen werden könne (S. 5 der schriftlichen Rechtsbelehrung) und auch das Wesen des Vorsatzes ausführlich erklärt (S. 3 und 4 a. a.O.). Des weiteren wurde dort unter der Rubrik 'Folgen der Beantwortung der Fragen' unmißverständlich klargestellt, daß der Angeklagte wegen Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 StGB schuldig gesprochen würde, wenn die Hauptfrage 1 verneint, die Eventualfrage 1 aber bejaht würde (S. 21 a.a.O.). Von einer Nichtigkeit nach § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO bewirkenden Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung kann daher keine Rede sein. Ebensowenig ist etwa der Wahrspruch infolge der unterbliebenen Beantwortung der Eventualfrage 1 nach § 345 Abs. 1 Z. 9 StPO unvollständig, undeutlich oder in sich widersprechend. Gleiches gilt auch für den weiteren Beschwerdeeinwand in bezug auf die (von den Geschwornen gleichfalls unbeantwortet gelassene) Eventualfrage 6 (12 des Fragenschemas). Auch hier wurden die Geschwornen zutreffend (§ 317 Abs. 3 StPO) darauf hingewiesen, daß die Eventualfrage 6 (nach versuchtem Totschlag: §§ 15, 76 StGB) nur für den Fall der Verneinung der Hauptfrage 1 (nach versuchtem Mord; §§ 15, 75 StGB) zu beantworten sei. Die Rechtsbelehrung über die Folgen der Beantwortung dieser Fragen ist insofern klar und unmißverständlich, als ein Schuldspruch wegen Verbrechens des versuchten Totschlags (§§ 15, 76 StGB) als die Konsequenz einer Verneinung der Hauptfrage 1 (und der Eventualfragen 1 bis 5 und 7) und der Bejahung der Eventualfrage 6 dargetan wird (S. 21 und 22 der schriftlichen Rechtsbelehrung).

Soweit schließlich der Beschwerdeführer auch noch eine Unrichtigkeit der den Geschwornen erteilten Rechtsbelehrung über das zum Tatbestand des § 76 StGB gehörige Merkmal der allgemeinen Begreiflichkeit (der heftigen Gemütsbewegung) behauptet, ist er ebensowenig im Recht.

Darin wird nämlich in Darlegung dieses Rechtsbegriffs zutreffend darauf abgestellt (S. 19 der schriftlichen Rechtsbelehrung), ob sich ein Durchschnittsmensch vorstellen könne, auch er wäre unter den gegebenen Umständen in eine solche Gemütsverfassung geraten (siehe statt vieler 13 Os 149/81). Auf Grund der Herkunft des in Österreich geborenen und hier aufgewachsenen Angeklagten erübrigte sich in diesem Zusammenhang ein weiterer Hinweis auf die im Kulturkreis des Täters herrschende Mentalität (12 Os 123/81). Im übrigen hat die Erläuterung der allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung nach Vorschrift des § 321 Abs. 2 StPO ('für jede Frage gesondert') zutreffend in der Belehrung über die Eventualfrage 6 ihren Platz gefunden (und nicht, wie in der Beschwerde vermeint, bei der Hauptfrage 1).

Auch daraus ist daher eine Nichtigkeit nach § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO nicht ableitbar.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen. Da das Gesetz nur eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde kennt, war die Erledigung auf den vom gemäß § 41 Abs. 2 StPO bestellten Verteidiger in Ausführung dieses Rechtsmittels eingebrachten Schriftsatz ON. 65 zu beschränken und auf die nachfolgend an den Obersten Gerichtshof unmittelbar gerichtete (mit 9.Jänner 1982 datierte, am 5.Februar 1982 eingelangte) Eingabe des Angeklagten kein Bedacht zu nehmen (Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2, Nr. 23, 23 a, 25 zu § 285 StPO).

Infolge Abwesenheit sowohl des Angeklagten (der sich in Haft befindet) als auch des (ordnungsgemäß geladenen) Verteidigers Dr. Herwig F (§ 45 Abs. 3 RAO.) hat der Oberste Gerichtshof die Entscheidung auf die Nichtigkeitsbeschwerde eingeschränkt. über die (keinem Neuerungsverbot unterworfene) Berufung wird das Oberlandesgericht Innsbruck abzusprechen haben.

Anmerkung

E03640

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0130OS00185.81.0415.000

Dokumentnummer

JJT_19820415_OGH0002_0130OS00185_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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