TE OGH 1982/5/4 4Ob591/81

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.05.1982
beobachten
merken

Norm

ABGB §957
ABGB §959
ABGB §964
ABGB §970
ABGB §1090

Kopf

SZ 55/64

Spruch

Der Hotelgast, dem die Aufbewahrung von Wertgegenständen in einem Hotelsafe zugesagt wird, kann damit rechnen, daß diese Gegenstände in höherem Maß als sonstige eingebrachte Sachen gegen Diebstahl gesichert werden. Daß der Hotelier die in Verwahrung genommenen Wertsachen mehrerer Gäste in gesonderte Depositenboxen gibt, macht den Verwahrungsvertrag noch nicht zum Schrankfach-(Safe-)Vertrag

Eine ordnungsgemäße, die Haftung des Hoteliers für Raub ausschließende Verwahrung des Safeschlüssels ist anzunehmen, wenn der Raum, in dem sich der Schlüssel befindet, auch nachts von einem - wenngleich unbewaffneten - Portier bewacht wird

OGH 4. Mai 1982, 4 Ob 591/81 (LG Innsbruck 3 R 342/81; BG Kitzbühel C 1140/80)

Text

Die Klägerin war am 20. 2. 1977 Gast in dem von der Beklagten betriebenen Hotel. Sie deponierte verschiedene Wertsachen in der Rezeption mit dem Auftrag, diese Wertsachen im Hotelsafe unterzubringen. Die Wertsachen der Klägerin wurden daraufhin im Hotelsafe verwahrt.

Die Klägerin begehrt die Zahlung eines Betrages von 87 722.45 DM samt Anhang mit der Begründung, am 20. 2. 1977 sei das Hotelsafe, in welchem sie ihre Wertsachen aufbewahrt gehabt habe, ausgeraubt worden. Den Tätern sei es nach Überwindung des Nachtportiers, eines älteren und schwerhörigen Mannes, der seiner Aufgabe nicht gewachsen gewesen sei, nicht besonders schwer gefallen, in den Tresor einzudringen, da die Schlüssel zu diesem in der Rezeption ohne größere Mühe auffindbar gewesen seien. Die Beklagte hafte daher für die nach Abzug einer teilweisen Schadensvergütung durch die Hausratversicherung der Klägerin sowie der Hotelrechnung noch offene Klageforderung.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, und wendete ein, daß die Räuber den gewissenhaft geschulten Hotelportier, welcher eigens während der ganzen Nacht zur Bewachung von Rezeption und Safe eingesetzt gewesen sei, überwältigt und gefesselt hätten. Die Beklagte sei ihrer Pflicht zu einer sorgfältigen Verwahrung durchaus nachgekommen; sie treffe kein Verschulden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Das Safe im Hotel der Beklagten hat eine Schlüsselsperre und ist im Bereich der Rezeption untergebracht. Der Schlüssel zum Safe wurde in der Nacht vom 19. zum 20. 2. 1977 wie gewöhnlich in einer versperrten Schublade in der Rezeption verwahrt. Den Schlüssel zu dieser versperrten Schublade hatte nicht der Nachtportier, sondern der Rezeptionist. Die Haustüren und Seiteneingänge des Hotels waren versperrt, die Rezeption die ganze Nacht über mit einem unbewaffneten Nachtportier besetzt. Von der Rezeption besteht eine Telefonrufanlage zum Hoteldirektor, jedoch keine Alarmanlage. Am 20. 2. 1977 gegen 4 Uhr früh verschaffte sich Francis M in Gesellschaft eines oder mehrerer Beteiligter Zugang in das Hotel, wobei er dem Nachtportier den Hals mit einer Hand zudrückte, ihm ein dolchartiges scharfes Messer am Hals ansetzte und ihn dabei leicht verletzte, ihm Hände und Beine fesselte, den Mund und die Augen mit einem Klebestreifen verklebte, ihn ins Hotelschwimmbad zerrte und dort an einen Fußballtisch band. Anschließend brach er drei Schubladen der Rezeption auf und sperrte mit dem daraus entnommenen Tresorschlüssel den kleinen Hoteltresor und mit dem in diesem befindlichen weiteren Tresorschlüssel den großen Hoteltresor auf, woraus er eine Handkasse und zwölf Depositenboxen samt Bargeld von 1 192 479.90 S und Schmuck im Wert von 2 195 505 S entnahm. Darunter befanden sich auch die von der Klägerin erlegten Wertgegenstände.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, die Haftungsbestimmung des § 970 ABGB komme deshalb nicht zur Anwendung, weil die Täter durch Einbruch in das Hotel gelangt seien. Die Beklagte hafte aber auch nicht auf Grund der allgemeinen Bestimmungen aus dem Verwahrungsvertrag gemäß § 964 ABGB, weil sie pflichtgemäße Obsorge habe walten lassen. Die Aufbewahrung des Safeschlüssels müsse als ausreichend angesehen werden, weil die Rezeption ständig vom Nachtportier bewacht und anderseits der Schlüssel zur versperrten Schublade in Verwahrung des Rezeptionisten gewesen sei.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung der Klägerin nicht Folge. Eine Haftung nach § 970 ABGB sei auszuschließen, weil sich die Täter mit Gewalt Zutritt in das Hotel verschafft hätten. Der Beklagten könne aber auch keine schuldhafte Unterlassung der ihr obliegenden Obsorge angelastet werden. Sie habe gegen die üblichen Hoteldiebstähle die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen zur Beseitigung der typischen Betriebsgefahr getroffen; eine weitergehende Sorgfaltspflicht zur Verhinderung auch von Gewalttaten könne ihr nicht auferlegt werden. Die Art der Verwahrung des Safeschlüssels und die Bewachung durch einen Nachtportier biete jene Sicherheit, wie sie von einer Safeverwahrung gemeiniglich erwartet werde.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klägerin meint, im vorliegenden Fall liege ein sogenannter Schrankfachvertrag vor, weil im großen Hoteltresor eine Handkasse und 12 Depositenboxen mit Bargeld vorhanden gewesen seien. Dem kann nicht beigepflichtet werden:

Es ist zwar richtig, daß sich in dem Tresor zwölf Depositenboxen befunden haben, in denen Bargeld und Schmuck, darunter auch jener der Klägerin verwahrt war. Durch die Unterbringung des zur Verwahrung übernommenen Schmucks in gesonderten Boxen entsteht jedoch noch kein Schrankfachvertrag im technischen Sinn. Von einem Schrankfach-(Safe-, Tresor-)Vertrag spricht man dann, wenn ein Kreditunternehmen dem Kunden unter Mitverschluß beider Teile ein Schrankfach anbietet und weder für einzelne noch für die Gesamtheit der Gegenstände irgendwelche Verwahrungs- oder Sorgfaltspflichten übernimmt, sondern nur das Fach in den besonders gesicherten Stahlkammern zur Verfügung stellt. Die Sicherheit, die der Kunde hat, liegt nicht in einer persönlichen Sorgfaltspflicht des Instituts für die einzelnen Gegenstände, sondern beruht einzig auf der Festigkeit der sämtliche Fächer umschließenden Stahlkammer, ihrer Bewachung und der Erschwerung des Zugangs zu ihnen (Schinnerer - Avancini, Bankverträge[3] III 178 ff., 188; Ehrenzweig[2] II/1, 377; Gschnitzer, Schuldrecht Besonderer Teil und Schadenersatz 8; Klang[2] V 18 f.; Koziol - Welser[5] I 287; JBl. 1964, 97; SZ 50/25 mit weiteren Nachweisen). Es mag durchaus zutreffen, daß Vertragspartner des Kunden hinsichtlich des im Gesetz nicht gesondert geregelten Schrankfachvertrages auch eine andere Person als ein Kreditinstitut sein kann. Wesentlich für derartige Verträge ist aber, daß die für einen Verwahrungsvertrag erforderliche Übergabe der Sache und die Übernahme der persönlichen Verpflichtung zur Verwahrung fehlt. Im vorliegenden Fall wurden aber die Wertgegenstände von der Klägerin in der Rezeption mit dem Auftrag deponiert, sie im Hotelsafe unterzubringen, was auch geschehen ist. Damit wurden die Wertgegenstände aber in die persönliche Verwahrung der Beklagten übergeben und von dieser auch übernommen. Daß der Verwahrer die in Verwahrung genommenen Wertsachen verschiedener Gäste in verschiedene Depositenboxen gab, machte den Verwahrungsvertrag noch zu keinem Schrankfachvertrag.

Eine Haftung nach § 970 ABGB liegt schon deshalb nicht vor, weil der eingetretene Schaden nicht durch einen Einschleich- oder Einsteigdiebstahl, sondern durch Raub entstanden ist. Unter fremden, im Haus aus- und eingehenden Personen sind aber solche, die sich den Eintritt mit Gewalt erzwingen, nicht zu verstehen (Ehrenzweig[2] II/1.389; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 667; Koziol - Welser[5] I 289; JBl. 1963, 152; SZ 21/94; SZ 48/97; SZ 49/10).

Die Haftung der Gastwirte, die Fremde beherbergen, für den Verlust oder die Beschädigung der eingebrachten Sachen gemäß § 970 ABGB geht allerdings über die des Verwahrers, der für unverschuldete Zufälle nicht zu haften hat, hinaus. Fällt daher der Beklagten oder einer ihrer Leute tatsächlich eine Vernachlässigung der Obsorgepflicht zur Last, so haftet sie als Verwahrerin selbst dann, wenn im Haus aus- und eingehende Personen als Schädiger nicht in Frage kommen, für den aus der Unterlassung der pflichtgemäßen Obsorge bei Verwahrung der ihr anvertrauten Sachen verursachten Schaden gemäß § 964 ABGB. Der Beklagten obliegt daher auch im Falle der Verneinung der Haftungsvoraussetzungen für im Haus aus- und eingehende Personen nach § 970 ABGB der Beweis, daß sie die notwendige Sorgfalt aufgewendet hat, um die ihr anvertrauten Sachen vor Verlust oder Schädigung zu bewahren (SZ 49/10; JBl. 1963, 152).

Die Beklagte hat den ihr obliegenden Beweis erbracht. Es ist zwar richtig, daß ein Gast, dem die Aufbewahrung eingebrachter Sachen in einem Safe zugesagt wird, damit rechnen kann, daß diese Sachen im höheren Maß gegen Diebstahl abgesichert werden, als dies in der Regel bei eingebrachten Sachen der Fall ist. Ein Safe bietet weitgehenden Schutz gegen Einbruch und ist daher, ordnungsgemäße Verwahrung des Schlüssels vorausgesetzt, außergewöhnlich sicher. Verwahrt der Wirt den Safeschlüssel nicht ordnungsgemäß, so verschuldet er hiedurch verursachte Diebstähle aus dem Safe und haftet dafür (SZ 49/10).

Eine solche ausreichende Verwahrung des Safeschlüssels liegt aber hier vor. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Aufbewahrung des Safeschlüssels in einer versperrten Schublade der Rezeption für sich allein ausreichend gewesen wäre. Entscheidend ist, daß der Raum, in welchem sich der Schlüssel befand, die ganze Nacht über von einem, wenngleich unbewaffneten, Nachtportier bewacht wurde. Wenn nun auch Gastwirte und Hoteliers verpflichtet sind, gegen die eigentlichen Hoteldiebstähle besondere Sicherungsmaßnahmen zu treffen (JBl. 1963, 153; SZ 49/10), weil es sich dabei um typische Gefahrenquellen eines Beherbergungsbetriebes handelt, so sind sie anderseits nicht verpflichtet, besondere Sicherungsmaßnahmen gegen mögliche Raubüberfälle zu treffen, da Überfälle mit dem Ziel, Hotelsafes auszurauben, nicht zu den typischen Gefahren eines solchen Betriebes gehören. Gegen alle anderen Möglichkeiten eines Schadenseintrittes war jedoch durch die ständige Bewachung der Rezeption vorgesorgt. Auch bei einer Verwahrung von Wertsachen in einem Safe kann nur erwartet werden, daß der Zugang zum Tresor so gesichert ist, daß er nur durch Gewalt oder Überwindung eines beträchtlichen Hindernisses möglich ist. Daß aber Umstände vorgelegen wären, auf Grund deren die Beklagte im konkreten Fall mit der Möglichkeit eines Raubüberfalls hätte rechnen müssen, wurde nicht behauptet. Die Tatsache, daß sich im Zeitpunkt des Überfalles eine höhere Geldsumme und überdies wertvoller Schmuck in dem Safe befanden, genügt, für sich allein gesehen, dazu noch nicht. Da kein Schrankfachvertrag vorlag, war die Beklagte auch nicht verpflichtet, einen Safe zu verwenden, der nur unter Mithilfe des jeweiligen Gastes, welcher den zweiten Schlüssel besitzt, zu öffnen gewesen wäre. Die Einholung eines Sachbefundes darüber, in welcher Weise ein Kaufmann in der Position der Beklagten üblicherweise Sicherungsmaßnahmen trifft, war nicht erforderlich, da es sich bei der Frage, welche Sicherungsmaßnahmen ein Hotelier im konkreten Fall zu treffen hat, um eine Rechtsfrage handelt.

Die Vorinstanzen haben somit mit Recht eine schuldhafte Unterlassung der pflichtgemäßen Obsorge durch die Beklagte oder ihre Leute verneint.

Anmerkung

Z55064

Schlagworte

Hotelier, Haftung des - für Verwahrung des Safeschlüssels, Hotelsafe, Haftung des Hoteliers für Verwahrung des Schlüssels, Hotelsafe, höhere Diebstahlsicherung der eingebrachten Sachen, Hotelsafe, kein Schrankfachvertrag durch Aufbewahrung in Depositenboxen, Kostbarkeit, s. a. Wertgegenstand, Safeschlüssel, Haftung des Hoteliers für Verwahrung des -, Safevertrag, s. Schrankfachvertrag, Schrankfachvertrag, Depositenboxen im Hotelsafe: kein -, Verwahrungsvertrag, Depositenboxen im Hotelsafe: kein, Schrankfach-(Safe-)Vertrag, Wertgegenstand, Aufbewahrung in Hotelsafe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0040OB00591.81.0504.000

Dokumentnummer

JJT_19820504_OGH0002_0040OB00591_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten