TE OGH 1982/5/27 7Ob626/82

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Veröffentlicht am 27.05.1982
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Norm

ABGB §1167
ABGB §1396
HGB §377
HGB §381

Kopf

SZ 55/79

Spruch

Bei reinen Werkverträgen (hier: Werbeveranstaltung) besteht keine kaufmännische Rügepflicht

Der Werklohn für eine Werbeveranstaltung kann wegen schwerer Mängel der Veranstaltung gemindert werden

Der Zessionar einer Forderung muß sich trotz eines Anerkenntnisses durch den übernommenen Schuldner jene Einwendungen entgegenhalten lassen, die erst anläßlich der Nichterfüllung oder Schlechterfüllung der nach seiner Kenntnis erst für einen späteren Zeitpunkt vereinbarten Gegenleistung entstehen

OGH 27. Mai 1982, 7 Ob 626/82 (LGZ Graz 27 R 54/82; BGZ Graz 25 C 741/80)

Text

Die Klägerin macht eine ihr von der Firma M Handelsgesellschaft mbH abgetretene Forderung auf Grund einer Rechnung vom 19. 9. 1978 geltend. Diese Rechnung bezog sich auf eine von der Firma M am 15. 10. 1978 in Graz veranstaltete Modeschau mit Musik. Der Beklagte hat sich auf Grund einer Vereinbarung vom 14. 9. 1978 dem Veranstalter gegenüber verpflichtet, für die Teilnahme an der Modeschau mit zwölf Pelzmodellen 12 000 S zuzüglich 18% Umsatzsteuer zu bezahlen, worauf er eine Anzahlung von 3000 S geleistet hat. Den Restbetrag von 11 160 S betraf die vorgenannte Rechnung, die der Zession zugrunde lag. Mit Schreiben vom 22. 9. 1978 bestätigte der Beklagte der Klägerin, die ihn von der Zession verständigt hatte, daß die Forderung als richtig anerkannt und die Zahlung nur an die Klägerin geleistet werde. Dieses Schreiben ging der Klägerin vor der Veranstaltung zu.

Die Veranstaltung, die durch die "K Zeitung" gesponsert wurde, war für das Eisstadion Liebenau mit einem Fassungsraum von 6000 Zuschauern und der Conference durch Günther Fund N (bürgerlicher Name Stefanie T) angekundigt worden. Nur unter dieser Voraussetzung hatte sich der Beklagte entschlossen, mitzumachen. Erst am Tage vor der Veranstaltung erfuhr der Beklagte von deren Verlegung in die Kammer-Säle, die einen wesentlich geringeren Fassungsraum und eine schlechte Akustik aufweisen. Er rief hierauf sofort einen Mittelsmann des Veranstalters an und erklärte, aus der Sache aussteigen zu wollen. Dieser Mittelsmann redete ihm jedoch zu, sich einstweilen neutral zu verhalten, er werde sehen, was er tun könne. Der Beklagte solle jedoch keine weiteren Zahlungen leisten.

Die Veranstaltung fand schließlich nur vor etwa 350 Besuchern statt, was auf eine ungenügende Werbung zurückzuführen war. Entgegen der vereinbarten Multi-Media-Show unter Einbeziehung von Lichteffekten, Bildern und Teppichen fand die Veranstaltung ohne diese Effekte statt. Günther F konnte wegen der schlechten finanziellen Situation der Veranstalterin nicht als Conferencier gewonnen werden. Die unter Alkoholeinfluß stehende Conferenciere N war schlecht vorbereitet, machte holprige Ansagen, stotterte und verwechselte die Pelzmodelle des Beklagten, wodurch sie Heiterkeit beim Publikum erregte. Die Verstärkeranlage entsprach nicht dem Stand der Technik. Die Musik und die Stimmen wurden verzerrt. Hinter der Bühne trösteten sich die Darsteller mit Alkohol. Der Kapellmeister war stark betrunken. Der Gesamteindruck der Veranstaltung war provinziell und drittklassig. Ein Teil des Publikums entfernte sich während der Veranstaltung. Der Beklagte konnte nach der Veranstaltung keine Belebung des Geschäftsganges feststellen.

Das Erstgericht sprach der Klägerin unter Abweisung des Mehrbegehrens 1720 S samt 4% Zinsen seit 20. 9. 1978 zu. Es vertrat den Standpunkt, die Veranstaltung habe nicht den vereinbarten Bedingungen entsprochen, weshalb eine Entgeltsminderung vorzunehmen sei. Es habe eine Bemessung der Höhe der Klagsforderung nach § 273 ZPO stattzufinden. Diese lasse eine Minderung des Entgeltes auf ein Drittel des vereinbarten Betrages angemessen erscheinen.

Das Berufungsgericht hob die Entscheidung des Erstgerichtes mit Ausnahme der nicht in Beschwerde gezogenen Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es übernahm die erstrichterlichen Feststellungen, führte aber in rechtlicher Hinsicht aus, daß beide Vertragspartner Kaufleute gewesen seien; es müsse daher vorerst geprüft werden, ob der Beklagte der in § 377 HGB festgesetzten Rügepflicht entsprochen habe. Sollte dies der Fall gewesen sein, käme eine Entgeltsminderung grundsätzlich in Frage, weil das Anerkenntnis iS des § 1396 ABGB nur bis zu seiner Abgabe entstandenen Einwendungen entgegenstehe. Vor einer Anwendung des § 273 ZPO müsse jedoch der geringere oder überhaupt fehlende Werbeerfolg, allenfalls durch einen Sachverständigen, festgestellt werden.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Parteien Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Rechtssache an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

A. Zum Rekurs der Klägerin:

Zu den Erwägungen betreffend den Unterschied eines konstitutiven und eines deklaratorischen Anerkenntnisses muß nicht weiter Stellung genommen werden. Nach § 1394 ABGB sind nämlich die Rechte des Übernehmers mit den Rechten des Überträgers in Rücksicht auf die überlassene Forderung ebendieselben. Der Übernehmer erwirbt daher die Forderung nur mit allen ihm bekannten Einschränkungen, wie etwa Bedingungen. Wenn ihm daher bekannt ist, daß die abgetretene Forderung von einer erst in Zukunft zu erbringenden Gegenleistung abhängig ist, muß er sich trotz eines früher erfolgten Anerkenntnisses iS des § 1396 ABGB, wie immer man dieses auch beurteilt, jene Einwendungen entgegenhalten lassen, die erst anläßlich der Nichterfüllung oder Schlechterfüllung der vereinbarten Gegenleistung entstehen.

Im vorliegenden Fall ist der Klägerin eine Forderung aus der Rechnung vom 19. 9. 1978 abgetreten worden. In dieser Rechnung wurde ausdrücklich darauf verwiesen, daß der Beklagte das dort aufscheinende Entgelt für eine erst am 15. 10. 1978 abzuhaltende Modeschau zu zahlen hat. Das vor diesem Zeitpunkt abgegebene Anerkenntnis des Beklagten erfaßt daher nicht Einwendungen, die dem Beklagten erst durch die Art der Durchführung der Veranstaltung vom 15. 10. 1978 entstanden sind. Da es sich bei den Einwendungen des Beklagten ausschließlich um solche handelt, steht ihrer Beachtung sein Anerkenntnis nicht entgegen.

Der Einwand, der Beklagte sei selbst Veranstalter gewesen, widerspricht den getroffenen Feststellungen und insbesondere dem zwischen den Vertragspartnern abgeschlossenen Vertrag. Nach Punkt 1 dieses Vertrages trat die Firma M als Veranstalterin auf. Der Beklagte hatte ein bestimmtes Entgelt für seine Teilnahme zu leisten, wobei Punkt 6 lediglich anführt, welche Kosten durch dieses Entgelt abgedeckt werden sollten. Zu bemerken ist, daß hiebei auch "Werbung-Plakate" unter den abzudeckenden Kosten genannt waren und eine mangelhafte Werbung feststeht. Aus diesem Gründe läßt sich aus dem Vertrag die Nichtberechtigung des Einwandes des Beklagten nicht ableiten.

Was die Frage einer Bemessung des Klagsanspruches nach § 273 ZPO anlangt, wird dazu im Zusammenhang mit dem Rechtsmittel des Beklagten Stellung zu nehmen sein.

B. Zum Rekurs des Beklagten:

Der Einwand des Beklagten, er habe überhaupt keine Zahlung zu leisten, weil es sich bei der Leistung der Firma M um ein aliud gehandelt habe, ist nicht berechtigt. Wie an sich eine Verlegung der Veranstaltung aus dem Eisstadion in den Kammer-Saal zu werten wäre, muß in diesem Zusammenhang nicht erörtert werden, weil dem Beklagten dieser Verlegung vor der Veranstaltung bekannt geworden ist und er sie letztlich nicht zum Anlaß für einen Vertragsrücktritt genommen hat. Aus dem beiderseitigen Verhalten kann lediglich abgeleitet werden, daß er sich einen Preisminderungsanspruch vorbehalten hat. Die Veranstaltung selbst war eine Werbeveranstaltung, die gegenüber der vereinbarten lediglich eine schlechtere Qualität aufgewiesen hat. Daß sie prinzipiell ohne jede Werbewirkung gewesen wäre, läßt sich ebensowenig feststellen wie das Ausmaß der Werbewirkung einer ordnungsgemäß abgehaltenen Veranstaltung. Der Wegfall eines renommierten Conferenciers ist zwar sicherlich eine wesentliche Minderung des Wertes einer Veranstaltung, doch wurde nicht festgestellt, daß der Beklagte seine Teilnahme von der Conference durch Günther F geradezu abhängig machen wollte. Demnach kann dieser Wegfall nicht als so wesentlicher Mangel gewertet werden, daß deshalb eine Entgeltszahlung gänzlich zu entfallen hätte.

Was die Frage der Rügepflicht anlangt, übersieht das Berufungsgericht, daß § 377 HGB lediglich den Handelskauf zum Gegenstand hat, nicht aber Werkverträge. Die Anwendung dieser Bestimmung setzt voraus, daß die verkaufte Ware "abgeliefert " worden ist. Die Ablieferung ist ein rein faktischer Vorgang. Sie ist der Akt, durch den der Käufer in Erfüllung des Kaufvertrages in eine solche tatsächliche räumliche Beziehung zur Kaufsache kommt, daß er vermöge der so vermittelten Verfügungsgewalt nunmehr die Beschaffenheit der Ware prüfen kann (Brüggemann, Großkommentar zum HGB[3] IV 366; Schlegelberger III[4] 2079). Daß eine solche Prüfungsmöglichkeit im vorliegenden Fall nicht in Frage kommt, bedarf wohl keiner näheren Ausführung. § 381 Abs. 2 HGB betrifft lediglich den Werklieferungsvertrag. Die Rügepflicht gilt demnach nur für den Bereich des Handelskaufes, also des Kaufes von Waren oder Wertpapieren sowie des Werklieferungsvertrages, der eine bewegliche Sache zum Gegenstand hat. Auf den reinen Werkvertrag ist § 377 HGB nicht anwendbar (Schlegelberger III[4], 2078). Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Werkvertrag, wobei nicht untersucht werden muß, ob auch bedeutungslose Elemente anderer Vertragstypen vorhanden sind, weil die auf den Werkvertrag hindeutenden Elemente auf jeden Fall derart überwiegen, daß eine Beurteilung nach den Bestimmungen über den Werkvertrag geboten ist.

Es ergibt sich sohin, daß mangels einer Rügepflicht nach § 377 HGB Untersuchungen in dieser Richtung zu unterbleiben haben.

Nach den getroffenen Feststellungen war das bestellte Werk mit erheblichen Mängeln behaftet, weshalb ein Gewährleistungsfall iS des § 1167 ABGB vorliegt. Da es sich lediglich um eine Veranstaltung gehandelt hat, die bereits durchgeführt worden ist, kommt eine Verbesserung nicht in Frage. Daß das Werk nicht mit derartigen Mängeln behaftet ist, daß ein gänzlicher Vertragsrücktritt in Frage käme, wurde bereits ausgeführt. Es verbleibt sohin lediglich eine Minderung des Entgeltes.

Das Erstgericht hat das geminderte Entgelt nach § 273 ZPO ausgemessen. Das Berufungsgericht hält dem entgegen, daß eine solche Ausmessung voraussetzen würde, daß das gebührende Entgelt nicht feststellbar ist. Entgegen seiner Auffassung ist aber eine weitere Prüfung nicht mehr erforderlich. Der Beklagte hat bereits mehr als ein Fünftel des vereinbarten Entgeltes bezahlt. Berücksichtigt man die gesamten festgestellten Umstände, kann das gemäß § 1167 ABGB geminderte Entgelt keinesfalls mehr als ein Fünftel des vereinbarten betragen. Entgegen der ursprünglichen Zusage wurde die Veranstaltung in einen Saal mit wesentlich geringerem Fassungsraum verlegt. Der Beklagte wollte bereits diesen Umstand zum Anlaß für einen Vertragsrücktritt nehmen und konnte seitens der Firma M nur zum versuchsweisen Mitmachen überredet werden, wobei ihm gesagt wurde, er solle keine weiteren Zahlungen leisten. Dies konnte der Beklagte nur dahin verstehen, daß ein Entgeltminderungsanspruch schon allein wegen der Verlegung in einen anderen Saal grundsätzlich gerechtfertigt sei, er aber mit einer ansonsten klaglosen Veranstaltung rechnen durfte. Wie sich jedoch herausstellte, war nicht nur das Fassungsvermögen des Saales wesentlich kleiner, sondern die Akustik wies schwerwiegende Mängel auf, was bei einer auf Ansage aufgebauten Werbeveranstaltung ein wesentlicher Mangel ist. Infolge der mangelhaften Werbung durch die Firma M war nicht einmal der kleinere Saal optimal ausgenützt. Anstelle des zugesagten renommierten Conferenciers übernahm eine nur mangelhaft ausgebildete Hilfskraft die Ansage. Anstatt aber ihre fachlichen Mängel durch besonders gewissenhafte Vorbereitung teilweise wettzumachen, absolvierte diese Hilfskraft ihre Aufgabe auf eine derart lässige Art, daß hiedurch eine dem angestrebten Werbeeffekt geradezu entgegengesetzte Wirkung eintreten mußte. Hiezu kamen noch weitere schwere Mängel wie der Entfall der vereinbarten Multi-Media-Show und der Einsatz eines betrunkenen Kapellmeisters. Berücksichtigt man, daß das Showelement und die Einbeziehung von Unterhaltungsmusik zum Werbeerfolg beitragen sollten, sind auch die diesbezüglichen Mängel nicht zu vernachlässigen.

In ihrer Gesamtheit waren die Mängel der Veranstaltung demnach so groß, daß das mit 14 160 S vereinbarte Entgelt auf einen Betrag zu mindern ist, der die vom Beklagten bereits bezahlten 3000 S keinesfalls übersteigt. Demnach ist eine Prüfung in Richtung des § 273 ZPO entbehrlich. Die Sache ist vielmehr iS der Abweisung des Klagebegehrens spruchreif.

Anmerkung

Z55079

Schlagworte

Anerkenntnis, Einwendungen trotz - gegenüber Zessionar, Forderungsabtretung, s. a. Zession, Rügepflicht, kaufmännische, keine - bei Werkvertrag, Werbeveranstaltung (Werkvertrag), keine kaufmännische Rügepflicht, Werbeveranstaltung, Minderung des Werklohnes wegen schwerer Mängel, Werklohn, Minderung für schwere Mängel einer Werbeveranstaltung, Werkvertrag, keine kaufmännische Rügepflicht, Zession, Einwendungen trotz Anerkenntnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0070OB00626.82.0527.000

Dokumentnummer

JJT_19820527_OGH0002_0070OB00626_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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