TE OGH 1982/8/17 9Os119/82

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Veröffentlicht am 17.08.1982
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Der Oberste Gerichtshof hat am 17.August 1982

unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Horak, Dr. Hörburger und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Stolfa als Schriftführer in der Strafsache gegen Doris A wegen des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 2.April 1982, GZ. 18 Vr 1159/81-21, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 2.April 1982, GZ. 18 Vr 1159/81-21, mit welchem Doris A des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen und ihr gemäß § 12 Abs. 2 JGG. eine Ermahnung erteilt wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 286 Abs. 1 StGB Dieses Urteil wird aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3, 292 StPO in der Sache selbst erkannt:

Doris A wird von der wider sie erhobenen Anklage, sie habe am 9.Juli 1981 in Leoben in Gesellschaft der Ingrid B als Beteiligte 1.) der Firma X-Kaufhaus fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar einen Pulli und eine Damenhose im Werte von 648 S, 2.) versucht, fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Damenhose im Werte von 498 S, der Firma C & Sohn mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und habe hiedurch das Vergehen des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 15 StGB begangen, gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

I. Die Staatsanwaltschaft Leoben erhob am 27.August 1981 gegen die am 22.April 1963 geborene Kellnerin Ingrid B und die am 28.Juni 1964 geborene, sohin noch jugendliche Doris A Anklage wegen Vergehens des (teils vollendeten, teils versuchten) Diebstahls nach § 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und 15 StGB, weil sie am 9.Juli 1981 in Leoben in Gesellschaft als Beteiligte mit Bereicherungsvorsatz 1.) einen Pulli und eine Damenhose im Werte von 648 S der Firma X-Kaufhaus weggenommen sowie 2.) eine Damenhose im Werte von 498 S der Firma C & Sohn wegzunehmen versucht haben (ON. 5).

Das Jugendschöffengericht erkannte (lediglich) die Angeklagte Doris A - nachdem das Verfahren gegen Ingrid B wegen deren unbekannten Aufenthaltes ausgeschieden und gemäß § 412 StPO abgebrochen worden war (S. 56) - nach der am 2.April 1982 durchgeführten Hauptverhandlung allerdings nicht im Sinne der Anklage, sondern bloß des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs. 1 StGB schuldig und erteilte ihr gemäß § 12 Abs. 2 JGG. eine Ermahnung. Es legte ihr zur Last, mit dem Vorsatz, daß vorsätzlich eine mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Handlung begangen werde, unterlassen zu haben, die von ihr bemerkte Ausführung der oben wiedergegebenen (in der Anklage Ingrid B und ihr angelasteten) Diebstähle durch Ingrid B zu verhindern, wobei die Diebstähle vollbracht bzw. zumindest versucht worden sind (ON. 21). Dieses Urteil ist infolge Rechtsmittelverzichtes der Parteien in Rechtskraft erwachsen.

Rechtliche Beurteilung

II. Dieses Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 2.April 1982, GZ. 18 Vr 1159/81-21, steht mit dem Gesetz nicht im Einklang: Wie das Jugendschöffengericht in der oben wiedergegebenen Fassung des Urteilsspruches zutreffend zum Ausdruck brachte, ist die Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nur dann strafbar, wenn die betreffende Handlung mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist. Eben dies trifft aber auf das nach den Urteilsannahmen von B allein verwirklichte Vergehen des (zum Teil versuchten) Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und 15 StGB nicht zu. Dieses ist nach dem Gesetz nur mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagen zu bestrafen und es ist auch das im Urteilsspruch - offenbar irrtümlich - zitierte Vergehen nach § 127 Abs. 1, 'Abs. 2 Z. 1' StGB nur mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedroht, sodaß es die genannte Voraussetzung des § 286 Abs. 1 StGB ebenfalls nicht erfüllen würde, ganz abgesehen davon, daß B es nach den Urteilsannahmen gar nicht begangen hat.

Entscheidendes Kriterium eines Gesellschaftsdiebstahls nach dieser Gesetzesstelle ist nämlich, daß mindestens zwei Personen im Einverständnis über die Verübung eines Diebstahls zur Tatzeit am Tatort oder in dessen näherer Umgebung zur Erreichung des gemeinsamen Zieles 'arbeitsteilig' (gleichsam mit 'verteilten Rollen') zusammenwirken, mag dieses Einverständnis auch ohne vorherige Verabredung erst (spontan) bei der Tatbegehung zustandegekommen sein und mag auch nur einer von ihnen die Ausführungshandlungen setzen, während der andere die Ausführung bloß ermöglicht, fördert oder doch erleichtert (Leukauf-Steininger2, RN. 74 zu § 127 und die dort zitierte Judikatur). Mangelt es an einem derartigen Einverständnis, wie hier vom Erstgericht angenommen, dann scheidet Gesellschaftsdiebstahl aus; die dem Urteil zugrunde liegende Annahme Doris A habe (B zwar von der Tat abgeraten, dann aber) die Verhinderung der Ausführung der Tat durch B mit dem Vorsatz unterlassen, daß diese mit Strafe bedrohte Handlung begangen werde, ersetzt den für die Qualifikation des § 127 Abs. 2 Z. 1 StGB erforderlichen, auf Mitwirkung an der Begehung des Diebstahls bzw. gemeinsame Verübung des Diebstahls, obschon unter Umständen zur ausschließlichen Bereicherung der Mittäterin, gerichteten Vorsatz nicht (vgl. Kienapfel, BT II, RN. 259 ff. zu § 127 StGB).

Da sich die Gesetzesverletzung zum Nachteil der Angeklagten Doris A auswirkt, war das bezeichnete Urteil aufzuheben und - zumal eine andere strafrechtliche Beurteilung der Tat nicht mehr in Betracht kommt -

sogleich mit Freispruch der Doris A von der wider sie erhobenen Anklage vorzugehen.

Anmerkung

E03802

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0090OS00119.82.0817.000

Dokumentnummer

JJT_19820817_OGH0002_0090OS00119_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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