TE OGH 1982/9/14 5Ob661/82

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Veröffentlicht am 14.09.1982
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Norm

ABGB §484
ABGB §492

Kopf

SZ 55/125

Spruch

Dem Berechtigten aus einer Wegdienstbarkeit ist es ohne Zustimmung des Belasteten nicht gestattet, sich die vom Belasteten für eigene Zwecke vorgenommene Wegänderung (Verbreiterung) zunutze zu machen

OGH 14. September 1982, 5 Ob 661/82 (LG Innsbruck 3 R 960/81; BG Kufstein 4 C 1192/78)

Text

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 8 I KG S, geschlossener Hof "O", zu dessen Gutsbestand ua. das Grundstück 2190/1 Wald gehört. Der Beklagte ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 6 I KG S, geschlossener Hof "W", zu dessen Gutsbestand unter anderem die Grundstücke 2190/2 und 2190/3 gehören.

Der Kläger begehrte, den Beklagten schuldig zu erkennen, das Befahren des an der Grenze des Grundstückes 2190/1 der EZ 8 I KG S beginnenden und ungefähr Richtung Süd nach Nord auf diesem Grundstück verlaufenden Weges bis zu dem Punkt, in welchem sich dieser Weg mit der ungefähr in Richtung Ost nach West verlaufenden Holzriese kreuzt, wobei die beigelegte Lageskizze Beilage 2 einen integrierenden Bestandteil des Klagebegehrens bilde, zu unterlassen.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten unter Abweisung des Mehrbegehrens schuldig, das Befahren des vom Kläger näher beschriebenen Weges mit Fahrzeugen, deren Breite einen Meter übersteige, zu unterlassen. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Auf dem Grundstück 2190/1 des Klägers verläuft in Richtung Süden nach Norden im Waldgebiet oberhalb des Ortsteiles A der Gemeinde S ein rund 150 m langer Weg in mehreren Windungen. Der Weg ist durchgehend etwa 2 m breit und mit einem Traktor befahrbar. Etwa in der Hälfte des Weges wird dieser von einer in Richtung Osten nach Westen verlaufenden Holzriese gekreuzt. Am Ende des Weges, in Richtung von Süden nach Norden gesehen, wird der Weg von einer weiteren in Richtung Osten nach Westen verlaufenden Holzriese gekreuzt.

Am südlichen Ende des Grundstückes 2190/1 mundet der Weg in einen geschotterten Gemeindeweg. Bei dem Weg handelt es sich um einen typischen Waldweg, der links und rechts von Bäumen und Gestrauch umgeben ist. Auf beiden genannten Holzriesen steht dem Beklagten im Winter ein Holzbringungsrecht zu. Bereits um das Jahr 1930 schlägerte der Vater des Beklagten im Bereich des Grundstückes 2190/2 Holz und brachte Nutzholz, Rinden sowie Aste von diesem Grundstück zu Tal. Die Verbringung dieses Holzes erfolgte zunächst so, daß den mit Nutzholz und Rinden beladenen, in der Höhe der Kufen etwa 80 bis 90 cm breiten Schlitten (Ganzschlitten, Halbschlitten und "Schloapfen") Kühe und dann später, als es die wirtschaftliche Situation am Hof des Vaters des Beklagten zuließ, Pferde vorgespannt wurden. Auf diese Weise brachte man im Sommer das Holz zu Tal, wobei der Transport um das Jahr 1930 auf dem gesamten nunmehrigen Wegstück auf dem Grundstück 2190/1 des Klägers erfolgte. Beim Transport des Holzes gelangte man also nach Benützung des im Norden des Grundstückes 2190/1 des Klägers gelegenen Wegteiles, auf welchem dem Beklagten im Winter ein Holzbringungsrecht zusteht, auch auf das nunmehr strittige Wegstück. Baumstämme wurden bereits um das Jahr 1930 in der Weise zu Tal gebracht, daß sie mit Schlepphaken verbunden und auf dem strittigen Wegstück von Pferden zu Tal gezogen wurden. Der strittige Weg war damals rund 1 m breit. Auf die beschriebene Art und Weise wurde in den Sommermonaten das Holz in Richtung Tal gebracht und der Weg auf die eine oder andere Art je nach Waldprodukt bis zum Jahre 1960 vom Rechtsvorgänger des Beklagten und dem Beklagten selbst in Anspruch genommen. Auch im Jahre 1960 wurde der Weg in der gesamten Länge zum Transport von Lärchenholz beansprucht, das ebenfalls auf die beschriebene Art und Weise zu Tal gebracht wurde. Ein Verbot der Benützung des Weges erfolgte bis zu diesem Zeitpunkt weder seitens des Rechtsvorgängers des Klägers noch seitens des Klägers selbst. Im Jahre 1961 erwarb der Kläger einen Traktor mit einer Breite von 1.45 m. Um den Weg auch mit dem Traktor befahren zu können, verbreiterten ihn der Kläger und seine Söhne in der Weise, daß sie auf der bergseitigen Böschung Waldboden abgruben. Hiebei wurden in den Weg hereinragende Baumwurzeln und Sträucher entfernt. Auf diese Weise wurde der Weg um 50 cm verbreitert. Das abgegrabene Böschungsmaterial wurde auf den Weg aufgebracht. Im Jahre 1964 erwarb der Beklagte ebenfalls einen Traktor. Er benützte den Weg wiederholt ab dem Jahre 1964 bis zum Jahre 1970 mit seinem Traktor. Im Jahre 1970 erwarb der Beklagte einen zweiten Hof. Die Finanzierung dieses Kaufes erforderte umfangreiche Holzschlägerungen. Das im Bereich des Grundstückes 2190/2 des Beklagten geschnittene Holz wurde mit dem Traktor im Sommer auf den strittigen Weg zu Tal gebracht. Am 9. 9. 1971 forderte Rechtsanwalt Dr. M im Auftrag des Klägers den Beklagten auf, das Holzschleifen auf dem dem Kläger gehörigen Weg zu unterlassen. Diese Aufforderung wurde vom Beklagten nicht beachtet. Gegen die Benützung des Weges durch den Beklagten mit dem Traktor setzte sich der Kläger in weiterer Folge bis zur Einbringung der Klage nicht mehr zur Wehr. Der Beklagte brachte zu 2 C 945/78 des Erstgerichtes gegen den Kläger eine Besitzstörungsklage ein, weil er sich durch das behauptete Abstellen eines Holzstapels auf dem strittigen Weg durch den Kläger im ruhigen Besitz des Dienstbarkeitsrechtes am Weg gestört erachtete. In diesem Verfahren erging am 3. 8. 1978 ein Versäumnisendbeschluß. Der Weg wurde vom Beklagten bzw. seinem Rechtsvorgänger bis zum Jahre 1961 mit anderen in der Landwirtschaft gebräuchlichen Transportmitteln außer den bereits genannten Ganzschlitten, Halbschlitten und "Schloapfen" nie benutzt. Mit in der Landwirtschaft gebräuchlichen Leiterwagen, welche ua. auch zum Transport von Heu Verwendung finden, wurde der Weg weder vom Kläger noch vom Beklagten benutzt. Im Jahre 1950 versuchte der Kläger einmal, mit einem solchen Leiterwagen, welcher eine Breite von etwa 1.1 m aufweist, auf dem gegenständlichen Weg zu fahren. Da jedoch die Wagenbreite über jener des Weges lag, fuhren die Räder auf der Böschung, so daß der Leiterwagen im Bereich einer scharfen Kurve umfiel. Ein Befahren des Weges mit Traktoren oder aus Leiterwagen bestehenden Fuhrwerken wäre vor der Verbreiterung des Weges im Jahre 1961 nicht möglich gewesen. Die nunmehrige Breite des Weges steht im Zusammenhang mit einer neuerlichen Verbreiterung im Jahre 1967 anläßlich der Neuanschaffung eines breiteren Traktors durch den Kläger.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß das Befahren des Weges durch den Beklagten mit einem Traktor im Hinblick darauf, daß der Beklagte den Weg bisher lediglich mit etwa 80 bis 90 cm breiten Schlitten benützt habe, eine unzulässige Servitutserweiterung darstelle. Solche Schlitten seien keine Fuhrwerke. Die Benützung von motorisierten anstelle von bespannten Fahrzeugen sei nur dann zulässig, wenn der Weg in seiner ursprünglichen Beschaffenheit nicht verändert werden müsse, um ein Befahren mit Motorfahrzeugen zu ermöglichen. Dem Beklagten sei es also lediglich gestattet, den Weg mit Fahrzeugen bis zu 1 m Breite zu befahren. Lediglich in diesem Umfang habe er ein Fahrrecht ersessen.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsstattgebenden Teil der erstgerichtlichen Entscheidung erhobenen Berufung des Beklagten nicht Folge.

Es sei zwar richtig, daß es nach ständiger Rechtsprechung keine unzulässige Ausweitung eines landwirtschaftlichen Fahrrechtes darstelle, wenn dort, wo früher Pferde- und Ochsenfuhrwerke verwendet worden seien, nunmehr Motorfahrzeuge führen. Im vorliegenden Fall sei aber ein Befahren des Weges wegen seiner geringen Breite von nur rund 1 m mit solchen Fuhrwerken gar nicht möglich gewesen, weshalb die Sachlage von vornherein eine ganz andere sei als jene, die den vom Beklagten zitierten Entscheidungen des OGH zugrunde liege. Bei Fuhrwerken im herkömmlichen Sinne handle es sich um schwerere bespannte Landfahrzeuge, welche, was allgemein bekannt sei, eine Breite von weit über 1 m aufwiesen. Allein schon deshalb könnten die vom Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger verwendeten Schlitten, die nur etwa 80 bis 90 cm breit gewesen seien, nicht als Fuhrwerke im allgemein bekannten Sinne angesehen werden. Es sei also davon auszugehen, daß der gegenständliche Weg wegen seiner geringen Breite weder mit bespannten Fuhrwerken noch mit Traktoren habe befahren werden können. Ein Befahren mit einem Traktor sei erst nach der Verbreiterung des Weges im Jahre 1961 möglich gewesen. Die Verwendung von Motorfahrzeugen auf einem Servitutsweg anstelle von nicht motorisierten Fahrzeugen sei jedoch nur dann keine Erweiterung der Servitut iS des § 484 ABGB, wenn die Fahrbahn in ihrer ursprünglichen Beschaffenheit nicht verändert werden müsse, um ein Befahren mit Motorfahrzeugen zu ermöglichen (Haller in JBl. 1955, 81; Handel in ÖJZ 1966, 542). Daraus folge, daß der Beklagte lediglich das Recht ersessen habe, den streitgegenständlichen Weg entsprechend der bis zum Jahr 1961 vorhandenen Wegbreite von 1 m mit Fahrzeugen bis zu dieser Breite zu befahren. Das Befahren des Weges mit breiteren Fahrzeugen, so etwa mit einem Traktor, stelle daher eine unzulässige Servitutserweiterung iS des § 484 ABGB dar, weshalb das Erstgericht dem Klagebegehren in diesem Umfange zutreffend stattgegeben habe. Entgegen den Ausführungen des Beklagten habe das Erstgericht auch nicht ausgesprochen, daß der Beklagte das Befahren des Weges generell mit Fahrzeugen zu unterlassen habe, sondern eben nur mit Fahrzeugen, welche über 1 m breit seien. Daß der Beklagte den streitgegenständlichen Weg mit Traktoren befahren habe, habe er selbst gar nicht bestritten. Es sei auch gerichtsbekannt, daß ein Traktor breiter als 1 m sei, weshalb es unerfindlich sei, warum sich der Urteilsspruch des Erstgerichtes nicht aus den Feststellungen solle ableiten lassen.

Der Oberste Gerichtshof gab der nach § 502 Abs. 5 ZPO zulässig angesehenen Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gemäß § 484 ABGB kann der Besitzer des herrschenden Gutes zwar sein Recht auf die ihm gefällige Art ausüben, doch dürfen Servituten nicht erweitert werden; sie müssen vielmehr, insoweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestattet, eingeschränkt, dh. - mit anderen Worten - schonend ausgeübt werden. Das bedeutet, daß der Widerstreit zwischen den Interessen des Berechtigten und jenen des Belasteten in billiger Weise zu lösen ist (3 Ob 222, 223/74 ua.). Der Umfang einer Wegeservitut richtet sich nach der Kulturgattung und Bewirtschaftungsart des herrschenden Grundstückes im Zeitpunkt der Bestellung oder Ersitzung der Dienstbarkeit (EvBl. 1963/83; MietSlg. 30 053; 5 Ob 709/81 ua.). Bei ungemessenen Dienstbarkeiten entscheidet nicht das Bedürfnis des herrschenden Gutes im Zeitpunkt der Entstehung der Dienstbarkeit, sondern dessen jeweiliges Bedürfnis, doch bestehen auch hier Schranken auf Grund des ursprünglichen Bestandes und der ursprünglichen Bewirtschaftungsart (Klang in Klang[2] II 564; EvBl. 1961/333; MietSlg. 29 055, 30 053; 5 Ob 709/81 ua.). Eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit liegt vor, wenn das dienende Gut dadurch erheblich schwerer belastet wird (Klang in Klang[2] II 564; Ehrenzweig[2] I/2, 311; MietSlg. 29 055).

Diese Grundsätze sind auch bei der Lösung der Frage zu beachten, ob das Recht, einen Weg mit Wirtschaftsfuhren zu befahren, durch die Umstellung von Pferdefuhrwerken auf Lastkraftwagen oder Traktoren entgegen der Bestimmung des § 484 ABGB unzulässig erweitert wird (Haller in JBl. 1955, 81 f.; Handel in ÖJZ 1960, 540 ff.), mag dies auch - durch die jeweils unterschiedliche Fallgestaltung bedingt - nicht in allen einschlägigen Entscheidungen des OGH mit derselben Deutlichkeit ausgesprochen worden sein (vgl. EvBl. 1961/333; EvBl. 1963/83).

Eine erheblich schwerere Belastung des dienenden Gutes und damit eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit ist - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - insbesondere dann anzunehmen, wenn die Beschaffenheit des Weges (etwa dessen Breite und/oder Befestigung) geändert werden muß, um seine - wenn auch einem Bedürfnis des Berechtigten entsprechende - Benützung durch die Fahrzeuge zu ermöglichen; deren Verwendung ist daraufhin zu untersuchen, ob sie eine erheblich schwerere Belastung des dienenden Gutes bedeutet (Haller aaO 81; Handel aaO 542; zur Bedeutung der Fahrzeugbreite vgl. auch RZ 1967, 164; EvBl. 1969/118). Der Dienstbarkeitsberechtigte ist weder befugt, die notwendige Änderung des Weges ohne Zustimmung des Belasteten selbst vorzunehmen oder vornehmen zu lassen (vgl. Klang in Klang[2] II 564 f. bei FN 16; JBl. 1955, 403), noch rechtlich in der Lage, sich unter Berufung auf die Erfordernisse moderner Betriebsführung die vom Belasteten für eigene Zwecke vorgenommene Wegänderung ohne dessen Zustimmung zunutze zu machen. Mangels gütlicher Einigung mit dem Belasteten ist er vielmehr auf die gesetzlichen Möglichkeiten zu verweisen, ohne Zustimmung des Belasteten die erforderliche Berechtigung zu erlangen (vgl. Handel aaO 542).

Geht man von diesen Überlegungen aus, dann bestehen gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes keine Bedenken und kommt den Argumenten des Beklagten in der Revision Berechtigung nicht zu. Selbst die infolge der technischen Entwicklung notwendige Verwendung von Traktoren würde den Beklagten nicht dazu berechtigen, das im Rahmen der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung seiner Grundstücke für Fahrzeuge bis zu einer Breite von 1 m ersessene Fahrrecht auf Fahrzeuge einer größeren Breite auszudehnen, so daß es sich - da es im gegebenen Zusammenhang nur auf die Breite der Fahrzeuge ankommt - auch erübrigt, näher darauf einzugehen, ob die Vorinstanzen unrichtig davon ausgegangen sind, daß von Pferden gezogene Schlitten keine (Pferde)Fuhrwerke (iS der oberstgerichtlichen Rechtsprechung) darstellen. Die vom Beklagten in der Revision für den Fall der Bestätigung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes aufgeworfenen Fragen, welchen Teil des verbreiterten Weges er in Hinkunft benützen dürfe und in welchem Ausmaß er gemäß § 483 ABGB zur Erhaltung dieses Weges beitragen müsse, lassen sich sachgerecht lösen. Da es im gegenständlichen Fall, wie bereits dargetan, entscheidend auf die Breite des (Zug)Fahrzeuges (und eines allfälligen Anhängers) ankommt und im Hinblick auf den vom Beklagten behaupteten Umfang des von ihm ersessenen Fahrrechtes war es auch nicht rechtlich verfehlt, den Beklagten zur Unterlassung des Befahrens des Weges mit Fahrzeugen von einer Breite über 1 m zu verurteilen, obgleich der Beklagte den Weg nach den Feststellungen bisher nur mit die zulässige Breite überschreitenden Traktoren befahren hat.

Anmerkung

Z55125

Schlagworte

Dienstbarkeit, des Weges, s. a. Wegedienstbarkeit, Servitut des Weges, s. a. Wegedienstbarkeit, Wegedienstbarkeit, kein Recht zur Benützung der Verbreiterung, Wegeservitut, s. a. Wegedienstbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0050OB00661.82.0914.000

Dokumentnummer

JJT_19820914_OGH0002_0050OB00661_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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