TE OGH 1983/4/26 4Ob34/83

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Veröffentlicht am 26.04.1983
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Norm

DHG §7
EO §293 Abs3

Kopf

SZ 56/70

Spruch

Gegen den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers kann nur mit solchen Gegenforderungen des Arbeitgebers unbeschränkt aufgerechnet werden (§ 293 Abs. 3 EO), die einen unmittelbaren und engen Sachbezug zu diesem Anspruch haben; dies gilt nicht für eine aus dem Verhalten des Arbeitnehmers bei Erbringung seiner Arbeitsleistungen abgeleiteten Schadenersatzforderung

Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht § 7 DHG einer Aufrechnung nicht mehr entgegen

OGH 26. 4. 1983, 4 Ob 34/83 (LG Klagenfurt 3 Cg 26/82; ArbG Klagenfurt 2 Cr 124/81)

Text

Der Kläger war beim Beklagten seit 27. 10. 1980 als Arbeiter beschäftigt. Er wurde am 16. 12. 1980 wegen Nichterscheinens zur Arbeit entlassen. Der Kläger behauptet, ungerechtfertigt entlassen worden zu sein, und begehrt die Bezahlung des Dezembergehaltes bis einschließlich 27. 12. 1980 samt Familien- und Wohnungsbeihilfe in Höhe von 7051.60 S sowie einer Urlaubsabfindung von 2006.12 S, zusammen netto 9057.72 S sA.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Er behauptet, den Kläger berechtigt entlassen zu haben und wendet Gegenforderungen aus mangelhafter Arbeitsleistung des Klägers bei seinen Kunden ein. Der Kläger habe hiedurch dem Beklagten bei Erbringung seiner Dienstleistungen grob fahrlässig einen Schaden zugefügt, weil der Beklagte zu Nachreparaturen bei diesen Kunden gezwungen gewesen sei. Die Aufwendungen für die Behebung dieser Mängel bezifferte der Beklagte zunächst mit 18 417.60 S und später mit 13 674.60 S. Eine Berechnung in dieser Höhe liegt auch der Klage 2 Cr 84/81 des Arbeitsgerichtes Klagenfurt zugrunde, mit der die Beklagte schon vor dem gegenständlichen Verfahren vom Kläger Ersatz wegen Schäden durch mangelhafte Arbeitsleistungen abzüglich des offenen Lohnes des Klägers in Höhe von 6700.62 S, sohin 6974 S begehrt hatte.

Das Erstgericht sprach dem Kläger 6700.62 S sA an laufenden Bezügen zu und wies das Mehrbegehren von 2357 S sA ab. Es hielt die Entlassung des Klägers für berechtigt, weil er die Dienstgeberin von seiner Erkrankung nicht verständigt habe. Auf die Schadenersatzansprüche des Beklagten sei nicht einzugehen, weil diese nach den Bestimmungen des ABGB, des DHG und der EO nicht aufrechenbar seien.

Der Kläger bekämpfte den abweisenden Teil des Ersturteils nicht. Das Berufungsgericht hob aus Anlaß der Berufung des Beklagten das Ersturteil im Umfang eines Zuspruches von 1860 S sA (Familienbeihilfe für Dezember 1980) wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges als nichtig auf und wies insoweit die Klage zurück; im Umfang des übrigen Zuspruches von 4840.62 S sA hob es das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß der Beklagte die behaupteten Schadenersatzforderungen gegen den Kläger als Gegenforderung einwenden könnte. Die Gegenforderung falle nicht unter die Kompensationsverbote des § 7 DHG und des § 293 Abs. 3 EO.

§ 7 Abs. 1 DHG gelte nur während des aufrechten Bestehens des Dienstverhältnisses. Nach dessen Beendigung sei eine Aufrechnung von Ersatzansprüchen des Dienstgebers aus der Dienstnehmerhaftung zulässig. Liege der Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung nach der Beendigung des Dienstverhältnisses, dann finde § 7 DHG keine Anwendung.

§ 293 Abs. 3 EO verbiete eine Aufrechnung gegen den der Exekution entzogenen Teil von Bezügen aus Dienst- und Arbeitsverhältnissen zur Einbringung einer im rechtlichen Zusammenhang stehender Gegenforderungen nicht. Der Begriff des "rechtlichen Zusammenhanges" sei in § 293 Abs. 3 EO und in § 391 Abs. 3 ZPO in gleichem Sinn zu verstehen. Die ältere Rechtsprechung habe zwischen einer eingeklagten Lohnforderung des Dienstnehmers und der eingewendeten Schadenersatzforderung des Dienstgebers einen "rechtlichen Zusammenhang" mit der Begründung angenommen, daß beide Ansprüche Ausfluß des Dienstwerhältnisses zwischen den Streitteilen seien. Die jüngere Rechtsprechung lasse hingegen einen rechtlichen Zusammenhang zwischen solchen Forderungen nicht gelten, weil die Lohnforderungen des Dienstnehmers unmittelbar auf dem Dienstvertrag, die eingewendete Schadenersatzforderung des Dienstgebers hingegen auf den Bestimmungen der §§ 1293 ff. ABGB oder des DHG, somit auf einem anderen Rechtsgrund, beruhten. Das Berufungsgericht schließe sich der älteren Rechtsmeinung an, weil sowohl § 293 Abs. 3 EO als auch § 391 Abs. 3 ZPO den weiteren Begriff des rechtlichen Zusammenhanges und nicht den engeren des Rechtsgrundes iS eines Komplexes rechtserzeugender Tatsachen benützten. Rechtlicher Zusammenhang liege schon dann vor, wenn die Klagsforderung und die eingewendete Gegenforderung aus einem einheitlichen, unter den gleichen rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilenden Lebenssachverhalt hergeleitet würden. § 1295 ABGB deute auf einen solchen Konnex hin, wenn er normiere, daß ein Schadenersatzanspruch auch auf der Übertretung einer Vertragspflicht beruhen könne. Im arbeitsrechtlichen Bereich ergebe sich der rechtliche Zusammenhang noch deutlicher aus § 2 DHG, wonach der Dienstnehmer dem Dienstgeber für Schäden, die er ihm bei Erbringung seiner vertraglichen Dienstleistungen zugefügt habe, nur unter gewissen Voraussetzungen hafte. Die Beschränkung der Aufrechenbarkeit von Gegenforderungen des Dienstgebers mit Lohnforderungen des Dienstnehmers habe zwar existenzsichernde Funktion; dies könne jedoch keinen Einfluß auf die Auslegung des Begriffes des rechtlichen Zusammenhanges haben. Die Lohnforderung des Klägers und die behaupteten Schadenersatzansprüche des Beklagten stunden daher in rechtlichem Zusammenhang, sodaß eine Aufrechnung auch mit dem der Exekution entzogenen Teil der Bezüge des Klägers zulässig sei. Das Erstgericht müsse daher die eingewendete Gegenforderung prüfen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers gegen diesen Aufhebungsbeschluß nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Ansicht des Rekurswerbers, auf die Anrechnungseinrede des Dienstgebers sei nicht einzugehen gewesen, weil die Bestimmung des § 7 DHG auch nach der Beendigung des Dienstverhältnisses zur Anwendung komme, wenn die Gegenforderung noch während des Bestehens des Dienstverhältnisses entstanden und aufrechenbar geworden sei, kann nicht gefolgt werden. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, setzt die Anwendung des § 7 DHG, wonach eine Aufrechnung von Ansprüchen gegen den Dienstnehmer nach dem DHG nur zulässig ist, wenn er nicht innerhalb von 14 Tagen ab Zugehen der Aufrechnungserklärung dieser widerspricht, nach ihrem klaren Wortlaut voraus, daß die Aufrechnung während des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses erfolgt. § 7 DHG ist somit auf den Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung und nicht auf deren Folgen also auch nicht darauf abgestellt, daß die Aufrechnung auf den Zeitpunkt zurückwirkt, zu dem sich Forderung und Gegenforderung aufrecht gegenüberstanden. Nach Beendigung des Dienstverhältnisses steht daher § 7 DHG einer Aufrechnung nicht entgegen. Die gegenteilige Ansicht von Berger (RdA 1978, 103) steht mit dem eindeutigen Wortlaut des § 7 im Widerspruch (4 Ob 70/78, teilveröffentlicht in RdA 1979, 224; Krejci, Zur Kompensation von Entgeltforderungen des Arbeitnehmers mit Arbeitgeberansprüchen auf Schadenersatz, ZAS 1980, 163 ff., 166; Dirschmied, DHG 122).

Im Recht ist der Rekurswerber aber insofern, als eine Aufrechnung der vom Beklagten erhobenen Gegenforderung nur gegen den der Exekution nicht entzogenen Teil seines Arbeitseinkommens zulässig ist.

Gemäß § 293 Abs. 3 EO ist die Aufrechnung gegen den der Exekution entzogenen Teil einer Forderung (aus Arbeitseinkommen) ua. nur zulässig zur Einbringung einer im rechtlichen Zusammenhang stehenden Gegenforderung. Der Begriff des rechtlichen Zusammenhanges zwischen Haupt- und Gegenforderung wird auch in § 391 Abs. 3 ZPO verwendet. Dort schließt der Zusammenhang die Fällung eines Teilurteils über die Hauptforderung aus und begünstigt damit die Wirkungen der Aufrechnung (Heller - Berger - Stix, Komm. z. EO 2102 f.; dieselben, Lohnpfändung 158 f.). Heller - Berger - Stix nehmen daher (aaO 2103 und 159) an, daß der Gesetzgeber mit der Einführung des § 293 Abs. 3 EO durch die Exekutionsnovelle 1922 keinen anderen Begriff des rechtlichen Zusammenhanges schaffen wollte, als er in § 391 Abs. 3 EO bereits enthalten war, wogegen Krejci in letzter Zeit (ZAS 1980, 175) dafür eintrat, das Konnexitätsverständnis des § 293 Abs. 3 EO möglichst eng zu halten, und die Ansicht vertrat, daß dem anders lautende Überlegungen zum Begriff des rechtlichen Zusammenhanges in den §§ 227 und 391 Abs. 3 ZPO nicht notwendigerweise entgegenstunden.

Rechtlicher Zusammenhang zwischen Forderung und Gegenforderung wird angenommen, wenn sie aus einem einheitlichen Vertrag, einer einzigen gesetzlichen Vorschrift, einem einheitlichen Rechtsverhältnis oder einem einheitlichen, unter einem gleichen rechtlichen Gesichtspunkt zu beurteilenden Lebenssachverhalt hergeleitet werden (Fasching III 582 f.; SZ 42/162; RZ 1977/14; JBl. 1980, 33 uva.), weiters, wenn beide Ansprüche einander bedingen (Gschnitzer in Klang[2] VI 497; RZ 1960, 21; Ind 1976, H 5/1003). Das Merkmal der Ableitbarkeit der Forderung und der Gegenforderung aus demselben Vertrag (Rechtsverhältnis) wurde in der Lehre (Fasching I 345; Weinzierl,

Der Lohnschutz und die Zulässigkeit der Aufrechnung gegen den der Exekution entzogenen Teil des Lohnes, RdA 1963, 153 ff., 159; Heller - Berger - Stix aaO 2103 und 159) und in der älteren Rechtsprechung (SZ 7/70; Arb. 6780) für Forderungen und Gegenforderungen aus Arbeitsverhältnissen dahin verstanden, daß alle sich aus demselben Arbeitsverhältnis ergebenden Forderungen und Gegenforderungen, insbesondere also Lohnforderungen des Dienstnehmers und Ersatzforderungen des Dienstgebers für Schäden, die ihm der Dienstnehmer bei Erbringung seiner Dienstleistungen zugefügt habe, unbeschränkt gegeneinander aufrechenbar seien.

In den EB zur Exekutionsnovelle 1922 (804 BlgNR 1. GP 28) wurde ausgeführt, daß die Statuierung dieser Ausnahme vom Aufrechnungsverbot in der Natur solcher miteinander verknüpfter Forderungen liege. Für die vom Gesetzgeber damit offenbar vorausgesetzte enge Verknüpfung zwischen Forderung und Gegenforderung reicht jedoch die bloße Rückführbarkeit beider Forderungen auf ein und dasselbe Dienstverhältnis nicht aus. Wäre dies Absicht des Gesetzgebers gewesen, dann hätte er sich damit begnügen können, für alle gegenseitigen Forderungen aus dem Dienstverhältnis die unbeschränkte Aufrechenbarkeit zu normieren. Das von der Rechtsprechung als Merkmal des rechtlichen Zusammenhanges herausgearbeitete Kriterium des einheitlichen Vertrages bzw. des einheitlichen Rechtsverhältnisses wird durch das Bestehen eines Dienstverhältnisses allein nicht immer verwirklicht. Es darf nicht übersehen werden, daß ein Dienstverhältnis ein Dauerschuldverhältnis ist, das sich oft über lange Zeiträume erstreckt und eine ganze Fülle beiderseitiger Einzelansprüche nach sich zieht, deren verbindendes Tatbestandselement oft nur noch das Bestehen des Dienstverhältnisses ist. Der Konnex zwischen diesen, oft verschiedene Zeiträume betreffenden Einzelansprüchen ist daher nicht so eng wie bei Ansprüchen aus Zielschuldverhältnissen. Daher wurde auch ein rechtlicher Zusammenhang zwischen Forderung und Gegenforderung aus einem Dienstverhältnis, die sich auf verschiedene Zeitperioden dieses Dienstverhältnisses bezogen, abgelehnt (Fasching III 583 unter Berufung auf 4 Ob 12/57; 4 Ob 72/78; vgl. dazu Krejci aaO 174). Der erkennende Senat folgt daher der schon in den Entscheidungen 4 Ob 72/78 und IndS 1976 H 5/1003 zur Frage der Zulässigkeit der Fällung eines Teilurteils vertretenen Ansicht, daß zwischen den Entgeltansprüchen des Dienstnehmers und einer eingewendeten Schadenersatzforderung des Dienstgebers aus einem Verhalten bei Erbringung seiner Dienstleistungen kein rechtlicher Zusammenhang besteht, da Grundlage des Entgeltanspruches unmittelbar der Dienstvertrag ist, während Grundlage des Schadenersatzanspruches ein deliktisches Verhalten des Arbeitnehmers ist, das mit der Erfüllung des Arbeitsvertrages nur so weit mittelbar im Zusammenhang steht, als es sich während des Dienstes ereignete. Der erkennende Senat teilt die Auffassung Krejcis (aaO 175) und Spielbüchlers (Entgeltsicherung 90 ff.), daß es der Schutzzweck des § 293 Abs. 3 ZPO erfordert, den Begriff des rechtlichen Zusammenhanges iS dieser Gesetzesstelle eng auszulegen, sodaß nur solche Gegenforderungen des Dienstgebers unter Außerachtlassung des Pfändungsschutzes aufrechenbar sind, die einen unmittelbaren und engen Sachbezug zum Entgeltanspruch haben.

Die vom Beklagten erhobene Gegenforderung kann somit nur gegen den der Exekution nicht entzogenen Teil der Lohnforderung des Klägers aufgerechnet werden. Im vorliegenden Fall ist es nicht möglich, den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes zum Teil aufzuheben und diesem die Fällung eines Teilurteils über den der Exekution entzogenen Teil der Lohnforderung des Klägers aufzutragen (vgl. EvBl. 1971/10), weil ausreichende Feststellungen, die eine genaue Berechnung des unpfändbaren Teils der Bezüge des Klägers ermöglichen würden, fehlen. Im Ergebnis hat es daher bei der bekämpften Aufhebung zu bleiben.

Anmerkung

Z56070

Schlagworte

Arbeitgeber, s. a. Arbeitnehmer, Arbeitnehmer, Aufrechnung gegen Entgeltanspruch mit, Schadenersatzforderung durch Arbeitgeber, Arbeitsverhältnis, Aufrechnung nach Beendigung, Aufrechnungsverbot, Entgeltanspruch des Arbeitnehmers:, Schadenersatzforderung des Arbeitgebers, Entgeltanspruch (des Arbeitnehmers), Aufrechnung mit, Schadenersatzforderung durch Arbeitgeber

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0040OB00034.83.0426.000

Dokumentnummer

JJT_19830426_OGH0002_0040OB00034_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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